Die Bedeutung des freien Spiels in der Kindergartendidaktik - 4bis8
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«Kognitive Berufslehre»<br />
In Anlehnung an die Berufslehre entwickelten<br />
Coll<strong>in</strong>s, Brown und Newman (1989) das Modell<br />
«Cognitive Apprenticeship», das häufig als<br />
«kognitive Berufslehre» bezeichnet wird. Dah<strong>in</strong>ter<br />
steht <strong>der</strong> Vergleich, dass Lehrl<strong>in</strong>ge durch die<br />
Anleitung e<strong>in</strong>er Meister<strong>in</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>es Meisters<br />
selber zu Meister<strong>in</strong>nen und Meistern ihres Fachs<br />
werden. Mittels folgen<strong>der</strong> Methoden kann <strong>der</strong><br />
Lernprozess angeregt und unterstützt werden:<br />
– Modell<strong>in</strong>g (Vormachen): Aufgaben und<br />
Tätigkeiten werden von <strong>der</strong> Lehrperson<br />
bewusst vorgemacht und laufend kommentiert.<br />
<strong>Die</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> können diese beobachten<br />
und sich e<strong>in</strong>e erste Vorstellung machen, wie<br />
die Aufgabe gelöst o<strong>der</strong> die Tätigkeit ausgeführt<br />
wird und welche Überlegungen dah<strong>in</strong>terstehen.<br />
– Coach<strong>in</strong>g (Anleiten): Aufmerksam beobachtet<br />
die Lehrperson, wie die K<strong>in</strong><strong>der</strong> an ihre<br />
Aufgaben herangehen und diese lösen.<br />
Anhand ihrer Beobachtungen entscheidet<br />
sie, welche Formen <strong>der</strong> Hilfestellungen und<br />
Ermunterungen notwendig s<strong>in</strong>d, damit e<strong>in</strong>e<br />
vertiefte Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung und nachhaltige<br />
Er kenntnisse unterstützt werden.<br />
– Scaffold<strong>in</strong>g (Unterstützen): <strong>Die</strong> Lehrperson<br />
gibt den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n <strong>in</strong> unterschiedlicher Art<br />
und Weise Hilfestellungen, zum Beispiel mit<br />
gezielten Fragen, H<strong>in</strong>weisen zu Lösungsstrategien,<br />
Materialien zur handelnden Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung.<br />
Ziel ist es, die K<strong>in</strong><strong>der</strong> durch<br />
dieses Gerüst zeitweilig zu unterstützen.<br />
– Fad<strong>in</strong>g (Hilfestellung abbauen): Damit wird<br />
<strong>der</strong> allmähliche Abbau <strong>des</strong> Gerüsts beschrieben.<br />
Für die Lehrperson bedeutet dies, dass sie<br />
<strong>in</strong> Übere<strong>in</strong>stimmung mit dem Vermögen e<strong>in</strong>es<br />
K<strong>in</strong><strong>des</strong> o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Gruppe, ihre Hilfestellungen<br />
verr<strong>in</strong>gert e<strong>in</strong>e Aufgabe zu lösen o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e<br />
Tätigkeit auszuführen.<br />
Zusätzlich zu den vier Kernelementen kommen<br />
noch Artikulation, Reflexion und Exploration<br />
h<strong>in</strong>zu. Mit Artikulation ist geme<strong>in</strong>t, dass die<br />
Lehrperson die K<strong>in</strong><strong>der</strong> auffor<strong>der</strong>t, ihr Vorgehen<br />
sprachlich zu formulieren. In <strong>der</strong> Reflexion werden<br />
verschiedene Vorgehens und Lösungsweisen<br />
betrachtet und auf ihren Gehalt h<strong>in</strong> geprüft.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Exploration werden aufgrund<br />
<strong>des</strong> Gelernten Anschlussfragen, neue Problemstellungen<br />
und Interessen erkundet, mit dem<br />
4 bis 8 | Spezialausgabe | <strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>freien</strong> <strong>Spiels</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>gartendidaktik<br />
Ziel, diese Herausfor<strong>der</strong>ungen möglichst selbstständig<br />
zu meistern.<br />
Das Modell <strong>der</strong> kognitiven Berufslehre eignet<br />
sich dazu, <strong>in</strong> geführten Sequenzen neue Inhalte<br />
e<strong>in</strong>zuführen, anzuwenden und zu reflektieren.<br />
Zugleich wird e<strong>in</strong> Instrumentarium für die Spielund<br />
Lernbegleitung <strong>in</strong> den verschiedenen Unterrichtsformen<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
<strong>Die</strong> Begleitung <strong>des</strong> <strong>freien</strong> <strong>Spiels</strong><br />
<strong>Die</strong> Frage, ob die Lehrperson <strong>in</strong> die Spielpro<br />
zesse <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>greifen soll o<strong>der</strong> nicht,<br />
erübrigt sich angesichts <strong>der</strong> Ausführungen<br />
Vygotskys. Vielmehr <strong>in</strong>teressiert, <strong>in</strong> welcher<br />
Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt sie<br />
das tut, so dass sie das Lernen <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> im<br />
kognitiven, emo tionalen und sozialen Bereich<br />
för<strong>der</strong>t und unterstützt. Johnson, Christie und<br />
Yawkey (1987) beschreiben folgende Möglichkeiten<br />
zur Begleitung <strong>des</strong> <strong>freien</strong> <strong>Spiels</strong>.<br />
Parallelspiel: Beim Parallelspiel begibt sich die<br />
Lehrperson neben dem K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e <strong>Spiels</strong>ituation,<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> sie mit denselben Materialien spielt<br />
und ihre Spieltätigkeit kommentiert. Sie versucht<br />
die Aufmerksamkeit auf ihr Spiel zu lenken.<br />
Dem K<strong>in</strong>d ist es jedoch überlassen, ob es<br />
Ideen aufnimmt o<strong>der</strong> nicht.<br />
Mitspiel: Das E<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen <strong>der</strong> Lehrperson beim<br />
Mitspielen kann durch e<strong>in</strong>e direkte E<strong>in</strong>ladung<br />
<strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong> erfolgen. O<strong>der</strong> sie besitzt die Möglichkeit,<br />
selber e<strong>in</strong>e Aufgabe o<strong>der</strong> Rolle im<br />
Spiel zu übernehmen. Durch Fragen und Kommentare<br />
reagiert sie auf das Spiel <strong>der</strong> K<strong>in</strong><strong>der</strong>.<br />
Wesentlich ist jedoch, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> weiterh<strong>in</strong><br />
den Spielverlauf bestimmen.<br />
Bei diesen Formen <strong>der</strong> Spielbegleitung ist die<br />
Lehrperson darauf angewiesen, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
e<strong>in</strong>en Spielrahmen hergestellt haben und<br />
das Spiel <strong>in</strong> Gang ist. Im Vergleich zum Parallelspiel<br />
hat sie beim Mitspielen mehr E<strong>in</strong>flussmöglichkeiten,<br />
weil sie mit den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n spielbezogene<br />
Gespräche über das Spiel führen<br />
und neue K<strong>in</strong><strong>der</strong> <strong>in</strong> das Spiel mit e<strong>in</strong>beziehen<br />
kann. Das ermöglicht ihr, dem Spiel auf subtile<br />
Art und Weise Impulse zu geben und neue<br />
Möglichkeiten zu eröffnen.<br />
Spiel-Tutor<strong>in</strong>g: Das SpielTutor<strong>in</strong>g ist e<strong>in</strong>e weitere<br />
Form <strong>der</strong> Spielbegleitung, unterscheidet<br />
sich jedoch <strong>in</strong> drei Aspekten vom Parallel und<br />
Mitspiel. Es ist die Lehrperson, welche neue<br />
Spielepisoden <strong>in</strong>itiiert, e<strong>in</strong>e stärker führende<br />
Rolle und Kontrolle über den Spielverlauf<br />
Beobachten und die Lernbegleitung entsprechend<br />
planen.<br />
übernimmt und die K<strong>in</strong><strong>der</strong> neue Spieltätigkeiten<br />
lehrt. Dazu hat sie zwei Möglichkeiten:<br />
Spiel-Tutor<strong>in</strong>g von aussen: <strong>Die</strong> Lehrperson<br />
bleibt ausserhalb <strong>des</strong> <strong>Spiels</strong> und wendet sich<br />
an das K<strong>in</strong>d o<strong>der</strong> die Gruppe, <strong>in</strong>dem sie nachfragt,<br />
was gespielt wird und den K<strong>in</strong><strong>der</strong>n<br />
Vorschläge zu neuen Spieltätigkeiten, zum<br />
Gebrauch von Spielmaterial o<strong>der</strong> zum weiteren<br />
Spielverlauf macht.<br />
Spiel-Tutor<strong>in</strong>g von <strong>in</strong>nen: <strong>Die</strong> Lehrperson<br />
begibt sich <strong>in</strong> das Spiel h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und übernimmt<br />
e<strong>in</strong>e führende Rolle. So hat sie die Möglichkeit,<br />
neue Spieltätigkeiten vorzumachen und dem<br />
Spielverlauf e<strong>in</strong>e neue Richtung zu geben.<br />
Das SpielTutor<strong>in</strong>g bietet sich an, wenn K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />
kaum über Spielfertigkeiten verfügen, sich<br />
nicht von selbst auf verschiedene Spielformen<br />
e<strong>in</strong>lassen, Schwierigkeiten haben, mit an<strong>der</strong>en<br />
K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zu spielen o<strong>der</strong> wenn das Spiel sehr<br />
repetitiv ist und bereits nach kurzer Zeit abzubrechen<br />
droht.<br />
Spiel<strong>in</strong>tervention mit System<br />
Speziell für das Rollenspiel und basierend auf<br />
<strong>der</strong> Theorie Vygotskys haben Bodrova und<br />
Leong (2008) e<strong>in</strong>e systematische Spiel<strong>in</strong>ter<br />
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Fotos: Stefan Weber