DSV Energiepflanzen - Fachverband Biogas e.V.
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ENERGIEPFLANZEN<br />
Bunte Wiesen statt Vermaisung<br />
Am Bodensee läuft ein fünfjähriges Forschungsprojekt mit Wildpflanzen – erste Resultate deuten darauf hin,<br />
dass die Methangewinnung nicht teurer wird als beim Einsatz von Mais<br />
Von Bernward Janzing<br />
Schöner können Energieäcker kaum<br />
sein: Im Landkreis Konstanz sowie in<br />
drei benachbarten Landkreisen nehmen<br />
15 Landwirte gerade an einem Versuch<br />
mit Wildpflanzen teil. Sie haben auf insgesamt<br />
28 Hektar im Jahr 2011 eine bunte<br />
Pflanzenmischung ausgesät, deren Biomasseertrag<br />
nun fünf Jahre lang untersucht wird.<br />
„Wir sind in einer umweltsensiblen Region“,<br />
sagt Otto Körner, Sprecher der Regionalgruppe<br />
Schwarzwald des <strong>Fachverband</strong>es<br />
<strong>Biogas</strong> - und deswegen wolle man der „Vermaisung“<br />
der Landschaft entgegentreten.<br />
Der Versuch findet statt unter dem Dach von<br />
Plenum, das ist die Abkürzung für „Projekt<br />
des Landes zur Erhaltung und Entwicklung<br />
von Natur und Umwelt“. Hauptziel von Plenum<br />
ist die Erhaltung und Entwicklung von<br />
ökologisch wertvollen Kulturlandschaften<br />
mit einer hohen Arten- und Lebensraumvielfalt.<br />
Es wurde initiiert vom Land Baden-<br />
Württemberg, das fünf Projektgebiete definiert<br />
hat.<br />
Neben dem Plenum Westlicher Bodensee<br />
sind an den Versuchen auch der Landesjagdverband,<br />
der <strong>Fachverband</strong> <strong>Biogas</strong>, der Badische<br />
Landwirtschaftliche Hauptverband und<br />
die Deutsche Stiftung Kulturlandschaft beteiligt.<br />
Die Wildforschungsstelle Baden-<br />
Württemberg ist außerdem an der Auswertung<br />
beteiligt; sie untersucht, ob die<br />
betreffenden Flächen von Feldhasen aufgesucht<br />
oder gemieden werden.<br />
20<br />
25 Arten für die Saatgutmischung<br />
Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau<br />
und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim hat<br />
zusammen mit der Firma Saaten Zeller aus<br />
Unterfranken die Saatgutmischung entwickelt.<br />
Mit 240 Arten habe man angefangen,<br />
erläutert Jochen Goedecke von der Modellprojekt<br />
Konstanz GmbH, die als Geschäftsstelle<br />
des Plenum Westlicher Bodensee<br />
agiert. Dann habe man begonnen auszusortieren,<br />
etwa Neophyten und giftige Pflanzen.<br />
Am Ende blieben 25 Pflanzen übrig, die im<br />
letzten Jahr je nach Höhenlage des Standortes<br />
zwischen Anfang April und Mitte Mai<br />
ausgesät wurden. Da die Größe der Samen<br />
sehr unterschiedlich ist, war das nicht ganz<br />
einfach. Aber das Problem erwies sich als lösbar,<br />
etwa durch den Zusatz von Getreideschrot.<br />
Die bunte Mischung auf den Äckern wird das<br />
Landschaftsbild positiv verändert. Im ersten<br />
Jahr dominierten etwa die Sonnenblume und<br />
die mauretanische Malve. Im zweiten Jahr<br />
folgen vor allem weißer und gelber Klee, außerdem<br />
Buchweizen, Eibisch, Wegwarte,<br />
Wilde Möhre, Konigskerze, Lichtnelke, Flockenblume<br />
und Luzerne. Je nach Feuchtigkeit<br />
des Standorts wurden die Mischungen<br />
leicht modifiziert. In den Jahren zwei bis fünf<br />
wird sich die Pflanzenpopulation ohnehin je<br />
nach Standortqualität unterschiedlich entwickeln,<br />
man lässt der Natur hierbei ihren<br />
Lauf. Neben den ökologischen Aspekten er-<br />
gibt sich durch die Wildpflanzen noch ein<br />
weiterer positiver Aspekt für die Region: Mit<br />
der Samenproduktion wird auch die heimische<br />
Wertschöpfung gefördert, denn das<br />
Saatgut wird von regionalen Unternehmen<br />
produziert. Die teilnehmenden Landwirte<br />
bekamen es für den aktuellen Versuch kostenlos.<br />
Umbruch nach fünf Jahren Nutzung<br />
Nach fünf Jahren wird die Fläche wieder umgebrochen.<br />
Das hat auch formale Gründe,<br />
denn ansonsten kann die Fläche unter das<br />
Umbruchverbot für Grünland fallen. Zudem<br />
ist es für die Landwirtschaft attraktiv, die<br />
Wildpflanzen im Wechsel auf unterschiedlichen<br />
Ackerparzellen einzusäen, weil der Boden<br />
sich in diesen fünf Jahren gut regeneriert.<br />
Danach sind die Flächen als besonders hochwertiger<br />
Untergrund für klassischen Ackerbau<br />
zu nutzen.<br />
Die erste Ernte erfolgte im vergangenen<br />
Herbst Ende September entweder mit einem<br />
reihenunabhängigen Maisgebiss oder einem<br />
Scheibenmäher. In Einzelfällen verstopften<br />
die Pflanzen das Maisgebiss, was der wesentliche<br />
Kritikpunkt der beteiligten Landwirte<br />
war. Aber dieser Punkt wird ab dem zweiten<br />
Jahr wegen der veränderten Zusammensetzung<br />
der Vegetation hinfällig.<br />
Die Landtechnik-Firma Claas nahm an zwei<br />
Ernteterminen mit eigenen Maschinen teil.<br />
Denn Ziel aller Beteiligten ist, herauszufin-F<br />
Wildpflanzenmischung<br />
BIOGAS Journal | Sonderheft <strong>Energiepflanzen</strong><br />
FOTOS: JOCHEN GOEDECKE,<br />
MODELLPROJEKT KONSTANZ GMBH
ENERGIEPFLANZEN<br />
Tue Gutes und zeige es auch: „Farbe ins Feld“-Schilder des <strong>Fachverband</strong>es <strong>Biogas</strong> e.V. in<br />
Gailingen am Hochrhein aufgestellt. Mit dabei (von links) Bürgermeister Heinz Brennenstuhl,<br />
Landwirt Heiner Bucheli, Jochen Goedecke von Plenum Bodensee und <strong>Fachverband</strong>s-<br />
Regionalreferent Otto Körner.<br />
den, wie die Flächen mit herkömmlicher<br />
Technik zu bewirtschaften sind. Offenbar<br />
klappt das nach ersten Erfahrungen ganz gut,<br />
was auch damit zusammenhängt, dass im<br />
Vorfeld schon die Pflanzenauswahl entsprechend<br />
optimiert worden ist. „Am Anfang waren<br />
Sonnenblumen mit großer Blüte dabei“,<br />
22<br />
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sagt Goedecke, „doch das führte zu Komplikationen<br />
beim Häckseln.“ Zudem sei die Verarbeitung<br />
durch den hohen Ölgehalt eine etwas<br />
schmierige Angelegenheit gewesen. Mit<br />
anderen Sonnenblumen, die statt einer großen<br />
Blüte eine Vielzahl kleinerer Blüten entwickeln,<br />
klappt es nun sehr gut.<br />
FOTO: HILDEGARD KÖRNER<br />
Wildpflanzen:<br />
Silierung wie beim Mais<br />
Ziel des Forschungsprojektes im Bodenseeraum<br />
ist auch, Aussagen zur Ernte, Lagerung<br />
und Silierbarkeit zu machen. Denn auch die<br />
Silierbarkeit ist im praktischen Einsatz von<br />
<strong>Energiepflanzen</strong> immer ein wichtiger Faktor.<br />
Aber auch hier gibt es nach dem ersten Projektjahr<br />
keine Hinweise auf Probleme: Das<br />
Substrat sei Einzulagern wie Mais, es gebe<br />
keine Probleme mit Sickersäften, sagt Goedecke.<br />
Die spannende und am Ende entscheidende<br />
Frage jedoch lautet: Wie hoch sind die Erträge?<br />
Im ersten Jahr wurden – gemessen am<br />
Mais – 50 bis 70 Prozent der Masseerträge<br />
(Trockensubstanz) erzielt. Die Erträge<br />
schwankten zwischen sieben und elf Tonnen<br />
Trockensubstanz pro Hektar, verglichen mit<br />
14 bis 18 Tonnen beim Mais. Im zweiten Jahr<br />
rechnen die Projektbeteiligten noch mit etwas<br />
höheren Erträgen von etwa 70 Prozent<br />
des Referenzertrags des Mais. Die Gaserträge<br />
je Hektar werden im Vergleich zum Mais<br />
vermutlich ebenfalls auf diesem Niveau von<br />
rund zwei Dritteln liegen.<br />
Der Minderertrag bedeutet aber nicht gleich<br />
eine geringere Wirtschaftlichkeit, denn es<br />
stehen auch Einsparungen gegenüber: Zum<br />
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BIOGAS Journal | Sonderheft <strong>Energiepflanzen</strong>
einen muss nur alle fünf Jahre gesät werden,<br />
was Saatgut und Maschinenzeiten spart.<br />
Zum zweiten entfallen die Kosten fürs Düngen<br />
und Spritzen komplett, weil die Wildpflanzen<br />
ohne Agrochemie auskommen.<br />
„Auf fünf Jahre betrachtet ist es daher realistisch,<br />
dass das Methan aus Wildpflanzen<br />
nicht teurer ist als das Methan aus Mais“,<br />
sagt Goedecke.<br />
Faunistische Untersuchungen<br />
laufen parallel<br />
Ein wichtiger Bestandteil des Forschungsprojektes<br />
sind auch die ökologischen Begleituntersuchungen,<br />
die durch das Institut für<br />
Landschaftsökologie und Naturschutz (ILN)<br />
Singen unterstützt werden. Dazu zählen vor<br />
allem auch faunistische Analysen: Schmetterlinge,<br />
Wildbienen und Heuschrecken werden<br />
beobachtet. Dabei zeigt sich, dass vor allem<br />
Hautflügler profitieren. Die Zoobiomasse,<br />
die relevant ist für Vögel, lag doppelt<br />
so hoch im Vergleich zum Mais. Für blütensuchende<br />
Insekten erreichten die Energiewiesen<br />
eine ähnlich hohe Attraktivität wie<br />
für artenreiche Heuwiesen. „Auch die Jägerschaft<br />
interessiert sich für das Projekt sehr“,<br />
sagt <strong>Fachverband</strong>smitarbeiter Körner. Denn<br />
die Aussaat von Getreide zur Ganzpflanzen-<br />
BIOGAS Journal | Sonderheft <strong>Energiepflanzen</strong><br />
Ernte der Wildkräutermischung Ende<br />
September 2011.<br />
silage falle oft in die Setzzeit der Kitze und<br />
stoße bei den Jägern daher auf Kritik.<br />
So hat der Anbau der Wildpflanzen jede<br />
Menge Vorteile: Er fördert die Artenvielfalt,<br />
ist ein Rückzugsraum für Wildtiere und bietet<br />
Nahrung für Bienen und Hummeln. Zudem<br />
kommt er dem Landschaftsbild zugute.<br />
Der Verzicht auf Chemie schützt Boden und<br />
Grundwasser, der reduzierte Maschineneinsatz<br />
auf dem Feld mindert die Bodenverdichtung<br />
und schafft Erosionsschutz durch Bodenbedeckung<br />
auch im Herbst. Auch<br />
Wildschäden traten nicht auf, trotz eines<br />
„hohen Wildschweindrucks in den Regionen“,<br />
wie es in einem ersten Zwischenbericht<br />
ENERGIEPFLANZEN<br />
des Plenum-Projektes heißt. Außerdem sind<br />
die Wildkulturen unempfindlicher. In Stockach<br />
am Bodensee habe ein Hagelschlag im<br />
vergangenen Juli beim Mais an manchen<br />
Stellen einen Totalausfall hervorgerufen. Die<br />
Maisbestände seien „zum Teil auf Kniehöhe<br />
zerhackt worden“, die Wildpflanzen hingegen<br />
hätten sich vollständig regeneriert.<br />
Auch 2012 geht das Projekt weiter, mit der<br />
Aussaat auf weiteren Flächen: Neun Landwirte<br />
in den Landkreisen Konstanz, Friedrichshafen,<br />
Tuttlingen und Rottweil beteiligen<br />
sich mit Flächen von zusammen 15,2<br />
Hektar in diesem Jahr neu an dem Projekt.<br />
Und so wird von den Wildpflanzen noch einiges<br />
in den nächsten Jahren zu hören sein.<br />
Zumal das Saatgut weiter optimiert werden<br />
dürfte: „Wildpflanzen werden erst seit 2006<br />
überhaupt für die <strong>Biogas</strong>nutzung eingesetzt“,<br />
sagt <strong>Biogas</strong>experte Körner, „da ist die Züchtung<br />
noch ganz am Anfang“. D<br />
Autor<br />
Bernward Janzing<br />
Freier Journalist<br />
Wilhelmstr. 24a · 79098 Freiburg<br />
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