Rentieren sich Gülle-Kleinanlagen? (pdf)
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<strong>Rentieren</strong> <strong>sich</strong> <strong>Gülle</strong>-<strong>Kleinanlagen</strong>?<br />
<strong>Gülle</strong>-<strong>Kleinanlagen</strong> mit einer installierten elektrischen Leistung von bis zu 75 Kilowatt (kW) werden im<br />
Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2012 unterstützt. Bislang gibt es nur wenige Anlagen dieser Art.<br />
Lohnt <strong>sich</strong> die Investition und wo gibt es Fallstricke?<br />
Von Dipl.-Ing. Martina Bräsel<br />
26,9 Millionen Schweine und 12,7<br />
Millionen Rinder produzieren in<br />
Deutschland Urin und Kot. Jährlich<br />
verteilen die Bauern auf deutschen Äckern<br />
und Wiesen mehr als 200 Millionen Tonnen<br />
<strong>Gülle</strong>. <strong>Gülle</strong> und Mist haben Potenzial für<br />
die energetische Nutzung in einer Biogasanlage<br />
und die Gärprodukte sind ein hochwertiger<br />
Naturdünger.<br />
Die Sondervergütungsklasse für sogenannte<br />
<strong>Gülle</strong>kleinanlagen mit einer maximalen installierten<br />
elektrischen Leistung von 75 kW<br />
will Landwirten den Anreiz geben, dieses<br />
Potenzial zu nutzen. Sie erhalten eine ansprechende<br />
Grundvergütung von 25 Cent,<br />
die höher ist als bei den sonstigen Einsatzstoffen<br />
und Leistungsklassen. Der Gesetzgeber<br />
schreibt jedoch einen Mindestgülleeinsatz<br />
von 80 Prozent vor.<br />
Erlaubt sind <strong>Gülle</strong> vom Rind und Schwein,<br />
Festmist vom Rind, Schwein, Pferd, Schaf<br />
und Ziege. Geflügelmist und Geflügeltrockenkot<br />
zählen nicht dazu. Zum Nachweis<br />
ist ein Betriebstagebuch zu führen. Liegt der<br />
tatsächliche <strong>Gülle</strong>einsatz darunter, entfällt<br />
die Vergütung. Ziel ist, dass die landwirtschaftlichen<br />
Betriebe ihre <strong>Gülle</strong> in dezentralen<br />
kleinen Biogasanlagen verwerten, ohne<br />
dass der Landwirt noch große Mengen anderer<br />
Substrate benötigt.<br />
Die betriebsangepasste Stromproduktion in<br />
<strong>Kleinanlagen</strong> wird zudem auch in der Öffentlichkeit<br />
positiver gesehen als größere<br />
Anlagen. Bei vielen Fachleuten gelten Biogasanlagen<br />
unter 150 kW elektrischer Leistung<br />
jedoch als unwirtschaftlich, weil die Investitionskosten<br />
je Kilowatt installierter<br />
Leistung zu hoch sind.<br />
Eine <strong>Gülle</strong>kleinanlage lohnt <strong>sich</strong>!<br />
„Eine kleine Biogasanlage kann unter bestimmten<br />
Voraussetzungen sehr lohnenswert<br />
sein“, erklärt Dr. Manfred Dederer von<br />
der Staatlichen Biogasberatung, der gemeinsam<br />
mit seinem Kollegen Jörg Messner<br />
Landwirte berät. Im Rahmen von Musterkalkulationen<br />
für verschiedene Betriebssituationen<br />
zeigen die beiden Experten, wer<br />
Gewinne einfährt und für wen es <strong>sich</strong> nicht<br />
BIOGAS Journal | 1_2013<br />
FOTOS: MARTINA BRÄSEL<br />
rechnet. Betrachtet werden zunächst Anlagen,<br />
die 80 Prozent <strong>Gülle</strong> und 20 Prozent<br />
Nachwachsende Rohstoffe (NawaRo) verwenden.<br />
Um zu berechnen, ob <strong>sich</strong> die Anschaffung<br />
lohnt, gehen die Experten konservativ<br />
von eher ungünstigen Bedingungen<br />
aus: „Wir haben beispielsweise die Futterreste,<br />
die im Betrieb anfallen, nicht berück-<br />
AUS DER PRAXIS<br />
Das BHKW-Gebäude hat Marcel Renz selbst gebaut und mit seinem Vater<br />
gemeinsam die Kabel verlegt. So hat er die notwendigen Investitionen weiter gesenkt.<br />
Die Erdarbeiten müssen im Frühjahr noch abgeschlossen werden.<br />
<strong>sich</strong>tigt“, so Dederer. Zur besseren Abschätzung<br />
wurde die Kalkulation mit Mais vorgenommen.<br />
Eine Tonne geht mit 38 Euro ein, denn „der<br />
eigene Mais, der in der Biogasanlage umgesetzt<br />
wird, kann nicht mehr verkauft werden.“<br />
Die Betrachtung würde auch mit Gras<br />
oder Klee funktionieren, denn anders als beiF<br />
71
AUS DER PRAXIS<br />
„Eine kleine Biogasanlage<br />
kann unter<br />
bestimmten Voraussetzungen<br />
sehr<br />
lohnenswert sein“,<br />
erklärt Dr. Manfred<br />
Dederer von der<br />
Staatlichen Biogasberatung<br />
in Baden-<br />
Württemberg.<br />
großen Anlagen hätte das keine nennenswerten<br />
Auswirkungen. Ein Einsatz von Getreide<br />
wäre jedoch unwirtschaftlich, hin -<br />
gegen würde <strong>sich</strong> der 100-prozentige <strong>Gülle</strong>einsatz<br />
bei der Rinderhaltung lohnen.<br />
Der Gewinner: 75 kW<br />
aus Rindergülle<br />
Betrachtet werden unterschiedliche Fallbeispiele.<br />
Die Kalkulationen wurden beispielhaft<br />
für zwei Anlagengrößen (50 kW und 75<br />
kW), Rinder- und Schweinegülle und unterschiedliche<br />
Festmistanteile vorgenommen.<br />
Bei allen Berechnungen wurde von einem<br />
Volllastbetrieb (8.000 Stunden) ausgegangen.<br />
Und, dass <strong>Gülle</strong> kostenfrei zur Verfügung<br />
steht.<br />
Der elektrische Wirkungsgrad des Gasmotors<br />
ging mit 33 Prozent bei 50 kW und mit<br />
35 Prozent bei 75 kW in die Berechnung<br />
ein. Die Abschreibung wurde mit fünf Prozent<br />
für Bauteile, zehn Prozent für die<br />
Technik und 12,5 Prozent für das Blockheizkraftwerk<br />
angesetzt. Der Zinsansatz für<br />
das gebundene Kapital wurde mit 3,8 Prozent<br />
für eine Laufzeit von 14 Jahren angenommen.<br />
Auch dieser Wert berück<strong>sich</strong>tigt<br />
eine ungünstige Ausgangssituation und Ent-<br />
Die internationale Messe für erneuerbare Energien<br />
Kleinwindkraft, Photovoltaik,<br />
Biomasse, BHKWs, Passivhaus ...<br />
Gleich notieren: 21. – 24. März 2013
wicklung, da beispielsweise die Landwirtschaftliche<br />
Rentenbank zurzeit einen deutlich<br />
niedrigeren Zinssatz (1,65 Prozent für<br />
zehn Jahre und zwei Prozent für 20 Jahre)<br />
bietet.<br />
Es wurde zudem von einer vollständigen<br />
Fremdfinanzierung ausgegangen, tatsächlich<br />
sollte der Landwirt aber rund 20 Prozent<br />
Eigenkapital besitzen. Der Eigenstromanteil<br />
in der Berechnung beträgt acht<br />
Prozent vom erzeugten Strom. Eine zusätzliche<br />
Wärmenutzung wurde nicht berück<strong>sich</strong>tigt,<br />
sollte aber angestrebt werden. Buchführung<br />
und Beratung schlagen mit rund<br />
3.000 Euro zu Buche.<br />
Bei etwas über einer Stunde Arbeitszeit am<br />
Tag, die mit 20 Euro Stundenlohn verbucht<br />
werden, sind das etwa 400 Stunden pro Jahr.<br />
Die Vergütung gilt im Jahr der Inbetriebnahme<br />
plus 20 Jahre. Eine Anlage, die 2012 in<br />
Betrieb genommen wurde, erhält über diesen<br />
Zeitraum Vergütungssätze von 25 Cent<br />
nach EEG 2012. Für Neuanlagen gilt eine<br />
Degression der Vergütung von zwei Prozent<br />
pro Jahr. Eine Anlage, die 2013 in Betrieb<br />
genommen wird, bekommt für weitere 20<br />
Jahre 98 Prozent des Vergütungssatzes, also<br />
24,5 Cent, und so weiter.<br />
200 GV Rinder oder<br />
267 GV Schweine<br />
Die beiden Substrate Rindergülle und<br />
Schweinegülle unterscheiden <strong>sich</strong> deutlich<br />
in ihrer Grundzusammensetzung. „Ein<br />
Landwirt benötigt für eine 75 kW Biogasanlage<br />
4.000 Kubikmeter <strong>Gülle</strong>“, erklärt Dr.<br />
Dederer. Diese Menge produzieren entweder<br />
rund 200 Großvieheinheiten (GV) Rinder<br />
oder 267 GV Schweine. In die Berechnung<br />
gehen pro Kuh 20 Kubikmeter <strong>Gülle</strong><br />
und 15 Kubikmeter für ein Schwein ein.<br />
Bei einer reinen <strong>Gülle</strong>anlage in dieser Größenordnung<br />
würden demnach rund 510 GV<br />
Kühe für 10.150 Kubikmeter und 960 GV<br />
Schweine für 14.370 Kubikmeter benötigt.<br />
Auch der Biogasertrag ist nicht gleich groß:<br />
Aus einem Kubikmeter Rindergülle können<br />
28 bis 34 Kubikmeter Biogas erzeugt werden,<br />
gerechnet wurde mit 31; bei Schweinegülle<br />
liegt die Gasausbeute zwischen 22 und<br />
28 Normkubikmeter (Nm³), angesetzt wurden<br />
25 Nm³.<br />
„Im Rinderbereich gehen wir von sieben bis<br />
zehn Prozent Trockensubstanz aus, bei der<br />
Schweingülle liegen wir zwischen vier bis<br />
sechs Prozent“, so Dederer. Bei 4.000 Kubikmeter<br />
Rindergülle benötigt die Gärung<br />
Der Kompogaspfropfenstromtrockenfermenter<br />
Das Original aus der Schweiz<br />
Auch an der 22. Jahrestagung<br />
sind wir dabei. Mit einem<br />
Vortrag im Ausstellerforum<br />
sowie mit einem Stand<br />
(Halle L2, 10.20)<br />
AUS DER PRAXIS<br />
zudem noch 900 Tonnen Silomais, das sind<br />
etwa drei Tonnen am Tag, und 100 Tonnen<br />
Festmist im Jahr. Weil der Wassergehalt der<br />
Schweinegülle höher ist, braucht der Prozess<br />
noch 115 Tonnen Mais zusätzlich.<br />
Mehr Gewinn aus Rindergülle<br />
Unter den beschriebenen Voraussetzungen<br />
liegt der Gewinn bei einer Investitionssumme<br />
bis 450.000 Euro bei rund 44.800 Euro<br />
(Schwein 40.900 Euro), abzüglich der Vergütung<br />
für die eigene Arbeitszeit kann der<br />
Landwirt in diesem Fall etwa 36.800 Euro<br />
(Schwein 32.900) auf seinem Konto verbuchen.<br />
Die Investitionen pro Kilowatt belaufen<br />
<strong>sich</strong> auf 6.000 Euro. Bei einer Investitionssumme<br />
von 550.000 Euro bleiben bei der<br />
Rinderhaltung nach Abrechnung des eigenen<br />
Lohns noch etwa 25.900 Euro (siehe<br />
Musterkalkulation) und bei der Schweinehaltung<br />
22.000 Euro übrig.<br />
Bei 650.000 Euro beträgt der Gewinn<br />
15.300 Euro (Schwein 11.400 Euro). „Eine<br />
Erhöhung des Festmistanteils auf 1.000 Tonnen<br />
erhöht den Gewinn“, so Dederer. Der<br />
Gewinn nach Abzug der eigenen Vergütung<br />
beträgt bei der Rinderhaltung 47.100 Euro.<br />
Denn: Eine Tonne <strong>Gülle</strong> erzeugt 31 Kubik-<br />
F
AUS DER PRAXIS<br />
75-kW-Anlage auf dem Hof Renz.<br />
Kosten-Nutzen-Rechung<br />
74<br />
a) Netto-Investition:<br />
b) Berechnung der jährl. Kosten<br />
c) Bewertung der erzielbaren Leistungen<br />
d) Kosten - Nutzen - Vergleich<br />
meter Biogas, dieselbe Menge an Festmist<br />
rund 100 Kubikmeter und bei Mais sind es<br />
210 Kubikmeter. Ein höherer Festmistanteil<br />
wirke <strong>sich</strong> vor allem dann günstig auf das<br />
Betriebsergebnis aus, wenn das Substrat ansonsten<br />
zugekauft werden müsse. Durch die<br />
eher ungünstigen Annahmen in der Kalkulation<br />
könne der Gewinn vor allem in den<br />
ersten Jahren durchaus höher liegen.<br />
Auch eine 50 kW Biogasanlage kann <strong>sich</strong><br />
lohnen. Der Landwirt benötigt 2.900 Kubikmeter<br />
<strong>Gülle</strong>, die rund 145 GV Rinder oder<br />
194 GV Schweine produzieren. Bei dieser<br />
Anzahl an Rindern verbraucht die Anlage<br />
zudem noch 600 Tonnen Silomais und 70<br />
Tonnen Festmist im Jahr. Ab 360 GV Kühen<br />
und 680 GV Schweinen könnte auch eine<br />
reine <strong>Gülle</strong>anlage betrieben werden. Unter<br />
denselben Randbedingungen wie bei der 75kW-Anlage<br />
rechnet <strong>sich</strong> eine 50-kW-Anlage<br />
bei Rinderhaltung bis zu einer Investitionshöhe<br />
von 350.000 Euro.<br />
Die Investition pro Kilowatt beträgt demnach<br />
7.000 Euro. Abzüglich der Vergütung<br />
der eigenen Arbeitszeit bleiben noch 16.290<br />
Euro Gewinn (Schweinehaltung 13.305<br />
Euro). Kostet die Anlage hingegen 550.000<br />
Euro liegen die Verluste bei über 10.000<br />
Euro pro Jahr, bei der Schweinegülle sogar<br />
bei rund 13.500 Euro.<br />
„Natürlich gibt es viele verschiedene Einflussfaktoren,<br />
die den Gewinn erhöhen oder<br />
mildern können“, sagt Dr. Dederer, deshalb<br />
sei jeder Einzelfall besonders zu betrachten.<br />
BIOGAS Journal | 1_2013
Wählt der Landwirt einen anderen Motor<br />
und verändert dadurch den elektrischen<br />
Wirkungsgrad um ein Prozent nach oben<br />
kann dies den jährlichen Gewinn um rund<br />
4.200 Euro positiv verändern. Wird der Bedarf<br />
an Eigenstrom um ein Prozent gesteigert<br />
kostet das 700 Euro. Eine Erhöhung der<br />
Substratkosten um zehn Prozent verringert<br />
den Gewinn um 3.400 Euro.<br />
Verändert <strong>sich</strong> die Gasausbeute um fünf<br />
Prozent, sind 7.300 Euro mehr oder weniger<br />
im Geldbeutel. Verlängert oder verkürzt <strong>sich</strong><br />
die jährliche Laufzeit um fünf Prozent macht<br />
das 7.300 Euro plus oder minus. Verringern<br />
<strong>sich</strong> die Baukosten um zehn Prozent, weil<br />
vielleicht vorhandene Bauwerke genutzt<br />
werden können, schlägt das mit 4.400 Euro<br />
zu Buche.<br />
Praxisbeispiel<br />
Rund 30 Anfragen hat Manfred Dederer in<br />
2012 bekommen. Einige Landwirte haben<br />
den Bau bereits umgesetzt. Kurz vor dem<br />
Start steht die Biogasanlage von Marcel<br />
Renz. Der Familienbetrieb umfasst 110 Kühe<br />
und 300 Schweine, deshalb entschied er<br />
<strong>sich</strong> für die 75-kW-Anlage, die bei der Musterkalkulation<br />
die höchsten Gewinne versprach.<br />
Neben der <strong>Gülle</strong> verfügt der Betrieb<br />
über 300 Tonnen Festmist im Jahr, das restliche<br />
Substrat liefert der eigene Betrieb.<br />
„Weil wir uns auf dem Gebiet Biogasanlagenbau<br />
nicht auskannten, haben wir uns<br />
Unterstützung geholt“, sagt Vater Martin<br />
Renz. Die Beraterfirma Zintl begleitete die<br />
Anlage während der einzelnen Bauabschnitte.<br />
Um Investitionskosten zu sparen, wurden<br />
vorhandene Kapazitäten genutzt. „Vorgrube<br />
und Endlager waren schon vorhanden“, erklärt<br />
Marcel Renz und weil das Trafohäuschen<br />
des Netzbetreibers schon auf dem Hof<br />
stand, sparte er die Anschlussgebühren, die<br />
bei 30.000 Euro liegen können.<br />
Das BHKW-Gebäude baute er selbst und<br />
verlegte gemeinsam mit seinem Vater alle<br />
Kabel. So senkte er die notwendigen Investitionen<br />
auf 400.000 Euro. Obwohl die Anlage<br />
ohne Eigenkapital finanziert wurde, gab<br />
es bei der Bank keinerlei Probleme: „Die<br />
Kalkulation von Herrn Dederer hat sie überzeugt“,<br />
vermutet Marcel Renz. D<br />
Autorin<br />
Dipl.-Ing., Dipl. Journ. Martina Bräsel<br />
Science & journalism<br />
Grünewaldstr. 45 · 70192 Stuttgart<br />
Tel. 07 11/414 099 0<br />
E-Mail: braesel@mb-saj.de<br />
BIOGAS Journal | 1_2013<br />
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