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Das Prinzip Bart Simpson Fotografisches Um- und Weiterdenken ...

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Jens Ertelt<br />

<strong>Das</strong> <strong>Prinzip</strong> <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong><br />

<strong>Fotografisches</strong> <strong>Um</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>Weiterdenken</strong> von Idolen<br />

im Kunstunterricht<br />

Jonathan Monk


50 / 51 kiss<br />

Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />

Von höheren Wesen<br />

<strong>und</strong> Genies<br />

Zur Konstruktion von<br />

neuen Denkfi guren bei<br />

Jonathan Monk<br />

Mit seiner Arbeit Höhere Wesen befahlen: rechte obere Ecke schwarz<br />

malen! (1969) [B1] kommentiert Sigmar Polke seine eigene künstlerische<br />

Existenz <strong>und</strong> seine Motivation, zu malen. Er definiert sich selbst, den<br />

Künstler, als Medium, der die notwendigen Antennen hat, um die Befehle<br />

der höheren Wesen entgegenzunehmen <strong>und</strong> ihnen eine entsprechende<br />

Form zu geben. Eine mögliche Lesart (als eine Art Flucht nach vorn): Die<br />

höheren Wesen haben das so entschieden, ich kann nichts dagegen tun:<br />

Lieber Betrachter, der Rest ist deine Aufgabe.<br />

Jonathan Monk gibt sich in seiner Werkreihe Untitled (Höhere Wesen befahlen...)<br />

(2007) [B2] mit der von Polke angebotenen Ablösung des<br />

künstlerischen Schaffens von der Autonomie des Künstlers jedoch nicht<br />

zufrieden <strong>und</strong> färbt die rechten oberen Ecken der Leinwände kurzerhand<br />

rot, blau, grün, gelb etc. Hier geht es um ein Problem, welches nicht<br />

allein die Herstellung von Kunst im engeren Sinn betrifft, sondern es<br />

geht auf einer gr<strong>und</strong>sätzlichen Ebene um die Frage der Selbstbestimmung,<br />

darum, wie sich ein junger Künstler, aber auch wie sich Menschen<br />

überhaupt gegenüber den Monolithen der eigenen Kultur verhalten. Es<br />

scheint zunächst durchaus möglich, die höheren Wesen zu ignorieren,<br />

jedoch bleibt Monks Arbeit in der Negation des Befehls sowohl auf die<br />

höheren Wesen als auch auf Polke bezogen.<br />

Dies impliziert die Behauptung, dass Monks künstlerisches Genie in der<br />

Lage ist, die Befehle der ›Obrigkeit‹ zu ignorieren <strong>und</strong> gezielt in deren<br />

Struktur einzugreifen. Monk nimmt präzise Eingriffe an Orten der Kunst<br />

vor, an denen etwas ungesagt blieb bzw. latent ausgesprochen wurde.<br />

Er thematisiert dabei nicht nur die kulturelle Bedeutung der Arbeit Polkes<br />

für nachfolgende (Künstler-)Generationen, sondern diskutiert zugleich<br />

seine eigene Rolle als ›künstlerisches Genie‹ – er formuliert fortwährend<br />

eine komplexe, konsequente <strong>und</strong> präzise Haltung zur eigenen Person.<br />

»When I had a show at London’s ICA in 2006, I was unable to be<br />

there for a specific press opening, so I proposed an alternative ...<br />

I asked the ICA to search London for alternative Jonathan Monks.<br />

During the launch 20 Jonathan Monks were present, each of<br />

them introducing themselves to the gathered crowd with – ›Hello<br />

my name is Jonathan Monk.‹« 1<br />

Auch andere Künstler wie On Kawara, Sol LeWittt oder Bruce Nauman<br />

stehen Pate für Monks ›Eingriffe‹, für sein Spiel mit neuen Denkfiguren.<br />

Monk kommentiert dabei sensibel die »wesentlichen Entwicklungslinien<br />

der Kunst des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts.« 2<br />

»Reproduktion <strong>und</strong> Replikation stehen in der Tat im<br />

Zentrum meiner Arbeit, aber ich probiere Dinge aus<br />

<strong>und</strong> wende sie hin <strong>und</strong> her, bis sie nicht mehr so<br />

offensichtlich sind.« 3 Monks konzeptuelle Eingriffe<br />

präsentieren sich sehr elaboriert <strong>und</strong> subtil – er<br />

gibt seinen Gedanken eine Form, er benennt, transformiert<br />

sie <strong>und</strong> integriert sie in neue Kontexte.<br />

Auf Basis einer prof<strong>und</strong>en Kenntnis seiner eigenen<br />

kulturellen Herkunft bedient sich Monk bereits<br />

vorgef<strong>und</strong>ener Formen, Medien <strong>und</strong> Strategien –<br />

<strong>und</strong> erschließt sich damit neue Möglichkeits- <strong>und</strong><br />

Handlungsräume.<br />

Jonathan Monks Werk <strong>und</strong><br />

Fragen der Vermittlung im<br />

Kunstunterricht<br />

Die Thematisierung von Jonathan Monks Position in<br />

der achten Jahrgangsstufe ist eine Herausforderung.<br />

Seine konzeptuelle Vorgehensweise ist jedoch im Hinblick<br />

auf die in dieser Altersstufe offenk<strong>und</strong>ig werdende<br />

Kluft bzw. Diskrepanz zwischen ›Können‹ <strong>und</strong><br />

›Wollen‹ äußerst relevant. Zudem fördert die Auseinandersetzung<br />

mit dieser im Kunstunterricht anonsten<br />

nur selten vorkommenden Position die Offenheit <strong>und</strong><br />

das Interesse der Schülerinnen gegenüber einer zeitgenössischen,<br />

konzeptuellen <strong>und</strong> prozesshaften Kunst.<br />

In einem ersten Schritt vergegenwärtigte ich mir die<br />

Denk- <strong>und</strong> Arbeitsweise von Jonathan Monk. In<br />

gemeinsamen Gesprächen erörterten wir seine künstlerischen<br />

Strategien der Wiederholung <strong>und</strong> <strong>Um</strong>deutung<br />

kultureller Vorbilder. Von dort aus sollte ein<br />

Lernangebot für die Schülerinnen entworfen werden,<br />

welches ihre Lebenswelt mit der von Jonathan Monk<br />

verknüpft. Während Monk sich an seiner »künstlerischen<br />

Familie« 4 orientiert, definieren sich Schülerinnen<br />

oftmals über Stars <strong>und</strong> mediale Vorbilder;<br />

diese Analogie diente als Leitfaden für das Projekt.<br />

Jens Ertelt im Gespräch mit Jonathan Monk<br />

»Wer in eine Kultur hineinwächst,<br />

braucht Idole.« 5<br />

Bei der Konzeption des Projektes konzentrierte ich mich auf die ästhetischen<br />

Aspekte der Imageproduktion über die Herstellung von Körperbildern.<br />

Ein Star, dessen Image kontinuierlich reproduziert werden soll, ist mit der<br />

Notwendigkeit konfrontiert, sein äußeres Erscheinungsbild, seinen Körper<br />

– mithin ein Körperbild – zu inszenieren. Der Körper als direkt ›lesbares‹<br />

<strong>und</strong> leicht zugängliches ›Material‹ war der Bezugspunkt für die Jugendlichen<br />

während des Unterrichtsprojektes.<br />

Mein(e) Held(in) <strong>und</strong> ich:<br />

Identitätsaushandlungen<br />

Die Verortung <strong>und</strong> Untersuchung unseres Selbstbildes anhand von äußerlichen<br />

Kriterien ist ein notwendiger Schritt in der Entdeckung von<br />

›Persönlichkeit‹ im weitesten Sinne. Der Wunsch, in eine andere Haut zu<br />

schlüpfen <strong>und</strong> Idole zu haben, also die mimetische <strong>und</strong> performative<br />

Aneignung von populären Vorbildern, ist ein notwendiger Prozess in der<br />

Ich-Findung: »Insofern Mimesis eine Erfahrung der eigenen Person im<br />

Zuge der Anähnlichung an reale oder imaginierte andere Personen ist,<br />

ist sie auch stets mit Identitätsaushandlungen verknüpft.« 6<br />

Die Begriffe ›Idol‹ <strong>und</strong> ›Star‹ lösen eine Fülle zumeist unklarer Assoziationen<br />

aus: »Will man universelle Qualitäten von Stars definieren, landet man<br />

schnell bei schwammigen <strong>und</strong> diffizilen Begriffen wie ›Ausstrahlung‹,<br />

›Präsenz‹, ›Charisma‹, ›Star-Qualität‹ <strong>und</strong> ›Persönlichkeit‹.« 7 Ebenso<br />

vielfältig sind die Ansätze, die die genuinen Qualitäten des Stars zu definieren<br />

<strong>und</strong> zu erklären versuchen.<br />

<strong>Um</strong> die Komplexität des Themas <strong>und</strong> das damit verb<strong>und</strong>ene Potenzial für<br />

den Kunstunterricht nutzbar zu machen, bot sich eine Auseinandersetzung<br />

mit den in der medienwissenschaftlichen Fachliteratur beschriebenen<br />

Kategorien ›Erfolg‹, ›Image‹ <strong>und</strong> ›Kontinuität‹ an. 8<br />

Besonders die beiden letztgenannten Begriffe eröffneten<br />

aufgr<strong>und</strong> ihres weiten Bedeutungsspektrums<br />

ein Handlungspotenzial für eine ästhetische Untersuchung<br />

des Starphänomens im Kunstunterricht. 9<br />

Woraus aber speist sich ein Image? Wie wird es<br />

hergestellt <strong>und</strong> gepflegt? Die medialen Lebenswelten<br />

<strong>und</strong> Praktiken der Jugendlichen sollten auf diese<br />

Fragen hin untersucht <strong>und</strong> reflektiert werden. ›Körper‹<br />

wurde dabei verstanden als Fokus für Selbstinszenierung<br />

<strong>und</strong> Perfektionsfantasien, als konstantes<br />

Experimentierfeld, welches nicht nur für medial<br />

präsente Personen, sondern vor allem für die Jugendlichen<br />

selbst relevant ist.<br />

1 Gespräch mit Jonathan Monk in dessen Atelier am<br />

2.5.2009.<br />

2 Berg, Stephan; Seifermann, Ellen; Wäspe, Roland:<br />

»Vorwort«, in: Berg, Stephan; Seifermann, Ellen; Wäspe,<br />

Roland (Hg.): Jonathan Monk. yesterday, today,<br />

tomorrow, Frankfurt a.M. 2006, S. 7.<br />

3 Fogle, Douglas; Monk, Jonathan: »Interview Piece«, in:<br />

Berg, Stephan; Seifermann, Ellen; Wäspe, Roland (Hg.):<br />

Jonathan Monk. yesterday, today, tomorrow, a.a.O., S. 94.<br />

4 Gespräch mit Jonathan Monk am 2.5.2009.<br />

5 Bosse, Dorit; Messner, Rudolf: Idole in der Entwicklung<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, 2002, S. 1, s. unter:<br />

http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/handle/urn:nbn:de:<br />

hebis:34-2007070618870.<br />

6 Fritzsche, Bettina: »Performative Annäherungen an<br />

Identität in der Fan-Kultur«, in: Hengst, Heinz; Kelle,<br />

Helga (Hg.): Kinder – Körper – Identitäten. Theoretische<br />

<strong>und</strong> empirische Annäherungen an kulturelle Praxis <strong>und</strong><br />

sozialen Wandel, München 2003, S. 209.<br />

7 Lowry, Stephen: Stars <strong>und</strong> Images. Theoretische<br />

Perspektiven auf Filmstars, 1997, S. 10, s. unter: www.<br />

montage-av.de.<br />

8 Vgl. Faulstich, Werner, et al.: »›Kontinuität‹ – zur Imagef<strong>und</strong>ierung<br />

des Film- <strong>und</strong> Fernsehstars«, in: Faulstich,<br />

Werner; Korte, Helmut (Hg.): Der Star. Geschichte,<br />

Rezeption <strong>und</strong> Bedeutung, München 1997, S. 11–28.<br />

9 Vgl. ebd., S. 11f.


52 / 53 kiss<br />

Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />

Welchen Weg sind wir<br />

gegangen?<br />

Die sechs Schritte des<br />

Unterrichtsprojektes<br />

Erster Schritt<br />

Benennen <strong>und</strong> diskutieren von Körperlichkeit:<br />

der Körper als Medium in der Kunst<br />

Als Einstieg wählte ich einige Arbeiten aus der frühen Phase der Konzeptkunst,<br />

die sich mit der Bedeutung des Körpers befassten. 10 Der erste Schritt<br />

war wiederum in zwei Experimente unterteilt.<br />

<strong>Das</strong> erste Experiment [M1] bestand aus einer einfachen Übung zur Körperwahrnehmung,<br />

in welcher zeichnerische Mittel zur Formulierung <strong>und</strong><br />

Benennung von körperlichen Sinneseindrücken erprobt wurden. Diese<br />

sollten in späteren Phasen als ergänzende Diskussionsgr<strong>und</strong>lage bei<br />

der Erforschung der Körpersprache von Stars dienen. Skizzen sollten die<br />

Formulierung <strong>und</strong> Präzisierung der gemachten Erfahrungen ermöglichen:<br />

Erfahrungen blieben nicht immateriell, sondern wurden in sichtbare Spuren<br />

<strong>und</strong> Ergebnisse übersetzt <strong>und</strong> waren mit konkreten Fragestellungen <strong>und</strong><br />

Problemen – hier mit der Frage nach der Zeichnung von Körperwahrnehmungen<br />

– verb<strong>und</strong>en. 11 Es war wichtig, zu erörtern, was eine Zeichnung<br />

in diesem Zusammenhang leisten kann <strong>und</strong> soll. Es ging nicht um eine<br />

exakte Darstellung des Körpers, sondern um eine möglichst spontane<br />

Schülerinnen der Offenen Schule Waldau im<br />

Unterricht von Jens Ertelt<br />

Formulierung. Nicht die Gegenstands-, sondern die<br />

Ausdrucksform sollte visualisiert werden. Viele Teilnehmerinnen<br />

hatten bereits aus dem Kunstunterricht<br />

an der Offenen Schule Waldau Erfahrungen<br />

mit dieser Form der Zeichnung. In der Praxis<br />

setzte ich Zeichenkohle <strong>und</strong> Bleistifte ein <strong>und</strong> gab<br />

einfache Anweisungen (schnelles, spontanes Erfassen<br />

von Sinneseindrücken, Radieren verboten! etc.).<br />

Im zweiten Experiment [M2] bedienten wir uns einer<br />

Schlüsselstrategie Jonathan Monks: Wir nutzten<br />

künstlerische Positionen zur Diskussion eigener Fragestellungen.<br />

In diesem Zusammenhang erprobten<br />

die Schülerinnen zwei Körperperformances von Bruce<br />

Nauman: Body Pressure (1974) <strong>und</strong> Untitled (Performance<br />

Project for Leverkusen) (1969). Die Performances<br />

standen den Gruppen als schriftliche, jedoch<br />

gekürzte <strong>und</strong> übersetzte Handlungsanweisungen zur<br />

Verfügung. Die Schülerinnen hatten die Aufgabe,<br />

ihre eigenen körperlichen Eindrücke während der<br />

Durchführung der Performances, ähnlich wie im<br />

ersten Experiment, zeichnerisch festzuhalten.<br />

Zweiter Schritt<br />

Erprobung der Fotografi e als Medium<br />

für die Behauptung von Realität<br />

In einem zweiten Schritt sollte das ›Täuschungspotenzial‹ von Fotografie<br />

genauer untersucht werden. Welche Möglichkeiten der Selbstinszenierung<br />

bietet uns das Medium? Die Auseinandersetzung mit medialen Inszenierungen<br />

von Stars im Vorfeld des Projektes hatte den Bef<strong>und</strong> ergeben, dass<br />

ein Großteil des vorgef<strong>und</strong>enen Materials fotografischer Natur ist. Seien<br />

es bewusste Inszenierungen (produzierte Wirklichkeiten), scheinbar ›zufällige‹<br />

Schnappschüsse (vorgef<strong>und</strong>ene Wirklichkeiten) oder kompromittierende<br />

Aufnahmen. 12 <strong>Das</strong> Medium Fotografie bot für die praktische<br />

Erprobung dieser Themen im Unterrichtsprojekt sowohl experimentellen<br />

Freiraum als auch Halt: Sie gab uns Gelegenheit, (Zwischen-) Resultate<br />

gemeinsam zu diskutieren.<br />

Zunächst untersuchten wir die Fotografie im Hinblick auf den Anspruch,<br />

die so genannte Realität im weitesten Sinne abzubilden. Die zentrale Frage,<br />

die uns im weiteren Verlauf dieses Schrittes leitete, war: Was muss ein<br />

Foto leisten, damit wir ihm glauben?<br />

»Die Fotografie ist der Ort, den ein Sender <strong>und</strong> Produzent, ein<br />

Fotograf <strong>und</strong> Macher benutzt, um sich selbst, einem Anderen,<br />

einer Zielgruppe oder Masse – als Empfänger etwas mitzuteilen.<br />

Der Sender hat mit seiner Botschaft dem Empfänger gegenüber<br />

immer eine bestimmte Intention, die seine Mitteilung jeweils<br />

einfärbt. Die fotografische Botschaft erfüllt mit ihrer Aussage,<br />

Wirkung <strong>und</strong> Bedeutung eine Funktion.« 13<br />

Vor dem Hintergr<strong>und</strong> dieser gemeinsam diskutierten Gedanken wurde ein<br />

drittes Experiment [M3] durchgeführt, in welchem die Schülerinnen<br />

aufgefordert waren, ›Beweisfotos‹ von verschiedenen Situationen, die sich<br />

an Naumans ›mentalen Übungen‹ orientierten, zu erstellen. Wir machten<br />

uns in der Gruppe Gedanken über die fotografischen Möglichkeiten, die<br />

uns die Kamera bietet. Die Tendenz zur inflationären Produktion von<br />

digitalem Bildmaterial sollte in diesem Experiment eingedämmt werden.<br />

10 Vgl. Fritzsche, Bettina: »Performative Annäherungen an<br />

Identität in der Fan-Kultur«, a.a.O., S. 208f.<br />

11 Vgl. Pazzini, Karl-Josef: »Kunst existiert nicht. Es sei denn<br />

als angewandte«, in: Thesis. Tatort Kunsterziehung, Nr. 2,<br />

2000, S. 8–17.<br />

12 Vgl. hierzu Balkenhol, Bernhard: Fotografie <strong>und</strong><br />

Wirklichkeit. Unveröffentlichtes Seminarskript,<br />

1990/2009, S. 1–4.<br />

13 Ebd., S. 2.<br />

Steckbrief Schule<br />

Schule<br />

Hessen, Offene Schule Waldau,<br />

Integrierte Gesamtschule der Sek<strong>und</strong>arstufe I<br />

Größe der Schule<br />

875 Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler<br />

Klassenstufe<br />

8. Jahrgangsstufe<br />

Besonderheiten der Schule<br />

Versuchsschule des Landes Hessen<br />

Steckbrief Unterrichtseinheit<br />

Zeitlicher Rahmen<br />

Projektwoche Medien vom 22.–26. Juni 2009<br />

Gruppengröße<br />

12 Mädchen<br />

Thema<br />

Nutzung des Mediums Fotografie zur Diskussion<br />

von Idolen <strong>und</strong> Stars<br />

Orte<br />

Schule & Schulgelände


54 / 55 kiss<br />

Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />

Schülerinnen der 8. Klasse<br />

bei fotografi schen Erprobungen<br />

Die Teilnehmerinnen waren aufgefordert, ihre Fotos sehr präzise zu planen<br />

<strong>und</strong> im Vorfeld zu überlegen, welchen Effekt ein bestimmter Bildausschnitt,<br />

das Motiv oder die Haltung der fotografierten Person produziert<br />

– dann erst sollte das Foto entstehen.<br />

Die Ergebnisse diskutierten wir am Ende des Tages gemeinsam. Vor allem<br />

der Bildinhalt <strong>und</strong> die auf der Ebene der Komposition getroffenen Entscheidungen<br />

waren für die Schülerinnen ausschlaggebend: Die Einbindung<br />

von Gegenständen, aber auch die Wahl des Bildausschnittes waren den<br />

Schülerinnen im Vorfeld bekannt, sie identifizierten konkrete Situationen<br />

<strong>und</strong> bezogen sich in ihrer körperlichen Haltung darauf. Die ›realen‹ Eigenschaften<br />

der Gegenstände <strong>und</strong> räumlichen Gegebenheiten wurden dabei<br />

›überw<strong>und</strong>en‹. Ergänzend untersuchten wir am Ende des Tages zwei<br />

weitere Performances von Bruce Nauman, welche als Filme verfügbar sind:<br />

Walking in an Exaggerated Manner Aro<strong>und</strong> the Perimeter of a Square<br />

(1968/1969) [V1] verdeutlichte noch einmal den Einsatz des Körpers als<br />

Ausdrucksmedium. Bouncing in the Corner No. 2 (1969) [V2] ermöglichte<br />

uns die Diskussion darüber, wie über ein Medium, welchem häufig die<br />

Eigenschaft zugeschrieben wird, Realität per se abzubilden, ›Unmögliches‹<br />

behauptet werden kann. Im Falle von Naumans Film reicht bereits der<br />

denkbar einfachste Eingriff, das Drehen der Kamera um 180° in der Vertikalen,<br />

aus, um den Körper des Künstlers ›von der Decke baumeln zu<br />

lassen‹. Nauman setzt den Körper bewusst für eine Täuschung ein, er<br />

vermisst <strong>und</strong> erprobt ihn, was schließlich zum Kern des Unterrichtsprojektes<br />

überleitete.<br />

Dritter Schritt<br />

››Öffentliche Kunstfi guren‹‹ <strong>und</strong><br />

die Frage nach der Körperlichkeit. 14<br />

René Magrittes La Trahison des images (Ceci n’est<br />

pas une pipe) von 1929 [B3] darf als frühe Version<br />

des Bildverständnisses aktueller Medienpädagogik<br />

gelten. 15 Die Pfeife selbst ist eigentlich ein Stellvertreter<br />

für Realität. Sie ist gewissermaßen der Prototyp<br />

einer Pfeife, die derart generalisiert <strong>und</strong> typisiert<br />

dargestellt ist, dass sie als Zeichen allgemeine Gültigkeit<br />

besitzt. Magritte enthüllt seine Täuschung,<br />

indem er uns darauf hinweist, dass wir einer vom<br />

Künstler durch das Bild generierten Wirklichkeitskonstruktion<br />

erliegen. Wir sollten uns – so Magrittes<br />

Lehre – des Täuschungspotenzials von Bildern bewusst<br />

sein.<br />

Die zuvor erk<strong>und</strong>eten <strong>Um</strong>gangsweisen mit dem<br />

Medium Fotografie ermöglichten uns eine vertiefende<br />

Diskussion des Täuschungspotenzials der bildlichen<br />

Darstellung von Stars. Stars <strong>und</strong> Idole leben von<br />

ihrem Körper, sie präsentieren sich »i m virtuellen<br />

Als-ob [...] <strong>und</strong> nach den Gesetzen des Konsums.« 16<br />

Der modellhafte, idealisierte <strong>und</strong> generalisierte<br />

Charakter der Inszenierung des Körpers <strong>und</strong> die damit<br />

einhergehende Konstruktion eines Images hat ihren<br />

Ursprung in genau dem Phänomen, welches uns<br />

Magritte bereits 1929 vor Augen führte. Der Star <strong>und</strong><br />

sein Image werden selbst zu Zeichen, zu generalisierten<br />

Figuren, deren Image sich in ständig wiederkehrenden<br />

›Posen‹ 17 manifestiert. »De r Star, mit<br />

dem die Zuschauer <strong>und</strong> Fans interagieren, ist immer ein Konstrukt, das auf<br />

den in den Medien verbreiteten Informationen <strong>und</strong> Zeichen aufbaut.<br />

Insofern kann man bei der Untersuchung von Stars Fragen nach der wirklichen<br />

Person vernachlässigen bzw. das Konstrukt ›wirkliche Person‹ als<br />

Teil der Imagebildung betrachten.« 18<br />

Die Schülerinnen erprobten diesen Schritt in einer reproduktiven Form.<br />

Sie erhielten Fotografien aus dem Internet, die verschiedene Personen<br />

aus verschiedenen Sparten des öffentlichen Lebens (Schauspieler, Musiker,<br />

Models, Politiker etc.) darstellten. Diese wurden nach verschiedenen<br />

Kriterien ausgewählt: die Konsistenz des im Bildmaterial offenk<strong>und</strong>ig werdenden<br />

Images, die Deutlichkeit <strong>und</strong> die Unterschiedlichkeit der jeweiligen<br />

Selbstinszenierungen, die unterschiedlichen Ziele der Bildrhetorik<br />

<strong>und</strong> die Art der Fotografie. Zwar wurden aus der Internet-Suchmaschine<br />

Google Bilder zufällig <strong>und</strong> abhängig von den durch die Suchmaschine<br />

generierten Resultaten ausgewählt, es war jedoch ein recht konsistentes<br />

Image der jeweiligen Person erkennbar.<br />

Ein Beispiel: Der britische Musiker Pete Doherty ist eines der derzeit bekanntesten<br />

Pop-Phänomene [B4]. Sein Ruhm speist sich zwar zum einen<br />

aus seiner Musik, jedoch ist Doherty medial vor allem aufgr<strong>und</strong> seines<br />

exzessiven Privatlebens präsent (Drogen, Gesetzeskonflikte). Er tritt zumeist<br />

in schwarzem Anzug mit Krawatte <strong>und</strong> Hut auf, zeigt sich allerdings recht<br />

ungepflegt <strong>und</strong> verroht. Dieses ambivalente äußerliche Auftreten kann<br />

als sein Markenzeichen verstanden werden, welches sich konsequent<br />

durch die von ihm verfügbaren Fotografien zieht. Wir untersuchten bei der<br />

Zuordnung <strong>und</strong> Interpretation der in den Fotografien vorhandenen<br />

Zeichen unterschiedliche Wirklichkeitsebenen: Wo hat der Star selbst sein<br />

Image inszeniert beziehungsweise wo wurde er ›zufällig‹ fotografiert?<br />

Die gr<strong>und</strong>legende These, welche sich in unseren gemeinsamen Diskussionen<br />

ergab, war jedoch, dass sich der Star fortwährend inszeniert. Er<br />

nutzt seine ›Posen‹, um sein Image in der Öffentlichkeit möglichst wiederholt<br />

<strong>und</strong> deutlich zu präsentieren.<br />

14 Lowry, Stephen: Stars <strong>und</strong> Images, a.a.O., S. 14.<br />

15 Meyer, Torsten: Interfaces, Medien, Bildung: Paradigmen<br />

einer pädagogischen Medientheorie, Bielefeld 2002, S.<br />

150.<br />

16 Bosse, Dorit; Messner, Rudolf: Idole in der Entwicklung<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, a.a.O., S. 1.<br />

17 Der Begriff ›Pose‹ wurde hier im Sinne von Positur oder<br />

Haltung für die öffentliche Präsentation <strong>und</strong><br />

Formulierung von Image verwendet.<br />

18 Lowry, Stephen: Stars <strong>und</strong> Images, a.a.O., S. 16.


56 / 57 kiss<br />

Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />

›Sich ins Bild stellen‹<br />

Die praktische Untersuchung der Starposen fand anhand der vorliegenden<br />

Fotos statt. Jede Gruppe erhielt acht Fotografien mit unterschiedlichem,<br />

teilweise ›offensichtlich inszeniertem‹, teilweise ›spontan‹ entstandenem<br />

Bildmaterial, beispielsweise Paparazzi-Fotos. Die Schülerinnen sollten<br />

die Posen <strong>und</strong> daraus resultierende Images beschreiben <strong>und</strong> fotografisch<br />

nachstellen. Hierbei erhielten die Gruppenmitglieder von mir mittels eines<br />

Arbeitsblattes [M4] unterschiedliche Rollen: ›Regisseure‹ dirigierten die<br />

›Stars‹ ausgehend von einer Fotografie, deren Inhalt den ›Stars‹ vorerst<br />

verborgen blieb. Ziel dieses Abschnittes war die vertiefende Erk<strong>und</strong>ung der<br />

Pose selbst sowie die Untersuchung der fotografischen Komposition<br />

<strong>und</strong> der Botschaft der Fotografie. Wir führten also in diesem Schritt die<br />

beiden zuvor erarbeiteten Aspekte zusammen: die Ausdrucksfähigkeit<br />

der Körpersprache zu benennen <strong>und</strong> zu charakterisieren <strong>und</strong> mittels einer<br />

Fotografie möglichst glaubhaft <strong>und</strong> genau nachzustellen. Der Blick in<br />

den (Kamera-)Spiegel als Auseinandersetzung mit dem fiktiven, konstruierten<br />

Körper <strong>und</strong> der eigenen physischen Präsenz verwies unmittelbar<br />

auf den performativen Charakter des ›Star-Seins‹. Durch die Berührung,<br />

Nachahmung <strong>und</strong> das Erleben des unmittelbaren ›Rollentauschs‹ mit<br />

dem jeweiligen Star wurde die reflexive Aneignung von <strong>und</strong> die Auseinandersetzung<br />

mit Haltungen <strong>und</strong> Posen verstärkt. 19 Dabei wurde weitgehend<br />

auf Requisiten verzichtet, denn die Stars sollten ausschließlich<br />

anhand ihrer Posen erfasst werden, wodurch die Aufgabe einen höheren<br />

Schwierigkeitsgrad aufwies. Die Schülerinnen arbeiteten in diesem Schritt<br />

sehr kooperativ 20 <strong>und</strong> erschlossen sich selbstständig über die genaue<br />

Analyse der Posen ›ihrer‹ Stars die Besonderheiten <strong>und</strong> Erkennungsmerkmale<br />

sowohl auf der Ebene der Kunstfigur ›Star‹ selbst als auch auf der<br />

Ebene der Komposition ihrer Fotografien. <strong>Das</strong> ›Lesen-Lernen‹, also der<br />

kompetente <strong>Um</strong>gang mit der Fotografie, war dabei die Hauptvoraussetzung<br />

für eine konkrete Analyse des Bildmaterials. 21<br />

»Alles passiert aus Versehen, im Vorbeigehen.<br />

Kein genaues Image, wandelbar. Ernster Gesichtsausdruck,<br />

gelangweilt«<br />

Überlegungen von Schülerinnen zu Fotografien<br />

von Kate Moss<br />

»Der sieht total fertig aus«<br />

Statement von Schülerinnen zu Fotografien von<br />

Pete Doherty<br />

Vierter Schritt<br />

Die Begegnung mit<br />

Jonathan Monk<br />

Zur Vergegenwärtigung der sich immer intensiver<br />

aufdrängenden inhaltlichen Konsequenzen unserer<br />

bisher medial orientierten Herangehensweise schien<br />

ein Treffen mit dem Künstler zur Mitte der Unterrichtseinheit<br />

sinnvoll. <strong>Das</strong> Gespräch mit Jonathan Monk<br />

kombinierte ich dabei mit dem Besuch der Ausstellung<br />

The Making of Art in der Schirn Kunsthalle<br />

Frankfurt, wo wir die Gelegenheit hatten, Monks<br />

Werkreihe Untitled (Höhere Wesen befahlen...)<br />

(2007) aus nächster Nähe zu erfahren <strong>und</strong> mit ihm<br />

gemeinsam zu diskutieren. [M5]<br />

In der ersten Phase der Auseinandersetzung mit<br />

Monks Arbeiten wurde deutlich, dass nur ein minimaler<br />

Eingriff an einer sehr sensiblen Stelle der<br />

Arbeit, also bei Polke an der Ecke rechts oben, ihre<br />

Aussage komplett verändert. Wir hatten Polkes<br />

Arbeit am Tag zuvor besprochen <strong>und</strong> die Schülerinnen<br />

erkannten Monks Referenz spontan wieder. Die<br />

Fragen, welche sich aus der gemeinsamen Diskussion<br />

vor Ort ergaben, spitzten sich darauf zu, was<br />

Jonathan Monk als Künstler dazu motiviert, sein ›Vor-<br />

Bild‹ zu kommentieren <strong>und</strong> worin er eine Notwendigkeit<br />

zur Handlung sieht.<br />

Monk erläuterte im Gespräch, wie er in seiner Position das reflektiert,<br />

was ihn unmittelbar umgibt, <strong>und</strong> wie er seine künstlerischen Eingriffe<br />

strategisch plant <strong>und</strong> umsetzt. An der Arbeitsweise von Monk wurde den<br />

Schülerinnen verständlich, dass eine intensive Auseinandersetzung mit<br />

dem künstlerischen Handlungspotenzial eines Vorbildes notwendig ist<br />

<strong>und</strong> die Arbeit in ihrer inhaltlichen Qualität beeinflusst.<br />

Fünfter Schritt<br />

Anwendung des ›<strong>Prinzip</strong>s <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>‹<br />

Eine weitere Reminiszenz auf ein bekanntes popkulturelles Phänomen<br />

sollte uns die Überleitung zur Erarbeitung eines ästhetisch-künstlerischen<br />

Produktes ermöglichen. Konkret fasst die Kunstfigur <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>,<br />

welche Jonathan Monk in unseren Gesprächen in seinem Atelier häufiger<br />

ansprach, die Aspekte zusammen, die wir bislang zum Thema ›Posen‹,<br />

›Image‹ <strong>und</strong> ›Star-Verhalten‹ erarbeitet hatten; sie diente so als pointiertes<br />

Sinnbild für den Abschluss des Projektes. Die Schülerinnen erhielten den<br />

Auftrag, ein eigenes Image zu entwerfen <strong>und</strong> fotografisch zu inszenieren,<br />

wofür der gesamte Schultag genutzt wurde. Hierfür erhielten sie noch<br />

einmal die gesammelten Arbeitsergebnisse zu den Themen ›Image‹ <strong>und</strong><br />

›Fotografie‹. [M6, M7] <strong>Das</strong> Erzählen stand dabei im Vordergr<strong>und</strong>; die<br />

Schülerinnen nutzten die bisher erarbeiteten Aspekte der künstlerischen<br />

Strategie, der Präzision <strong>und</strong> Haltung Monks, um ihre medialen Vorbilder<br />

zu kommentieren, zu zitieren, zu ironisieren oder sich von ihnen abzugrenzen.<br />

22 Die Teilnehmerinnen führten Diskussionen, legten Skizzen an<br />

<strong>und</strong> suchten sich Orte innerhalb des Schulgeländes, an denen sie ihre<br />

entwickelten Stars optimal in Szene setzen konnten.<br />

Die meisten Schülerinnen konzentrierten sich darauf,<br />

ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ›inszeniertem‹<br />

<strong>und</strong> ›vorgef<strong>und</strong>enem‹ Bildmaterial herzustellen,<br />

was teilweise darin gipfelte, dass neben<br />

den Fotografien auch Autogramme, Wikipedia-<br />

Artikel <strong>und</strong> Werbematerial entwickelt wurden. Die<br />

Überlegungen der Schülerinnen betrafen also<br />

auch die mit der Körperinszenierung verb<strong>und</strong>ene<br />

Produktorientierung.<br />

19 Bosse, Dorit; Messner, Rudolf: Idole in der Entwicklung<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, a.a.O., ebd.<br />

20 Die Unterrichtseinheit wurde in einer kooperativen Form im<br />

Sinne von Johnson/Johnson durchgeführt. <strong>Das</strong> Motto für<br />

die einzelnen Ergebnisse lautete sprichwörtlich »sink and<br />

swim together«, denn mit dem unterstützenden <strong>und</strong><br />

produktiven Klima in den einzelnen Gruppen stand <strong>und</strong> fiel<br />

das Projekt. Vgl. Johnson, David W.; Johnson, Roger T.:<br />

Learning Together and Alone. Cooperative, Competitive<br />

and Individualistic Learning, Needham Heights 1999, S. 75.<br />

21 Vgl. hierzu Glas, Alexander: »Bildkompetenz im Medienzeitalter«,<br />

in: Billmayer, Franz (Hg.): Angeboten. Was die<br />

Kunstpädagogik leisten kann, München 2008, S. 63.<br />

22 Kirschenmann, Johannes: Medienbildung in der<br />

Kunstpädagogik. Zu einer Didaktik der Komplementarität<br />

<strong>und</strong> Revalidierung, Weimar 2003, S. 64 <strong>und</strong> S. 70.


58 / 59 kiss<br />

Jens Ertelt / Jonathan Monk<br />

Der diagnostische Blick<br />

Wachsamkeit <strong>und</strong> Präzision<br />

Eine Fotografie [M8] kann exemplarisch verdeutlichen, wie die Schülerinnen<br />

die medialen Aspekte der Fotografie <strong>und</strong> die an Monk orientierte<br />

Strategie der Wiederholung <strong>und</strong> <strong>Um</strong>deutung eingesetzt haben.<br />

In erster Linie untersuchten die Schülerinnen in einer freien Entwicklungsphase<br />

die Aufnahmen ›ihrer‹ Stars hinsichtlich der Referenzen aus dem<br />

ihnen bekannten Repertoire an Gesten <strong>und</strong> Posen. Dieses Vorgehen<br />

beinhaltete die Wandlung <strong>und</strong> Vereinnahmung der erkennbaren Vorbilder.<br />

Es wurden generelle Posen erarbeitet, die in sich als Kommentar<br />

<strong>und</strong> Dekonstruktion der gängigen Präsentationsformen lesbar werden.<br />

Die Schülerinnen mussten Orte (er-)f inden, an denen sie ihre Imageinszenierungen<br />

wirksam entwickeln konnten. Im hier besprochenen Beispiel<br />

wurde aus einer Treppe an der Mensa ein Club-Eingang. In weitere Fotografien<br />

wurde der angereiste »kiss«-Fotograf als Paparazzo eingebaut.<br />

Mit aufmerksamem Blick wurden Posen <strong>und</strong> Klischees nicht nur präzise<br />

erfasst <strong>und</strong> benannt, sondern in der Formensprache auch kommentiert.<br />

Hier fand eine Ironisierung <strong>und</strong> Distanzierung von der Bildwelt statt,<br />

die die Schülerinnen tagtäglich umgibt. 23<br />

Schülerinnen beim Aufbau der Präsentation<br />

Schülerinnen bei der Sichtung<br />

ihrer Ergebnisse<br />

Im letzten Schritt wurden die Schülerinnen mit der Aufgabe der Präsentation<br />

ihrer Ergebnisse betraut. [M9] Im Rahmen der Projektwoche<br />

Medien stellten alle Projektgruppen im Jahrgang Acht der OSW ihre<br />

Ergebnisse vor; dabei waren auch lokale <strong>und</strong> überregionale Medienvertreter<br />

anwesend. Anstatt uns in die ›offizielle‹ Projektpräsentation einzugliedern,<br />

zeigten wir die Resultate in Form einer Ausstellung. 24 Wir<br />

diskutierten die Konzeption <strong>und</strong> die Form der Ausstellung; bei der Erörterung<br />

der Kriterien für eine gelungene Ausstellung bezogen wir unsere<br />

Erinnerungen an den Besuch der Frankfurter Schirn mit ein. 25 Bei der<br />

<strong>Um</strong>setzung einer thematisch kohärenten Ergebnispräsentation ging es<br />

unter anderem darum, welche Arbeiten ausgewählt <strong>und</strong> wie sie miteinander<br />

kombiniert werden sollten. Die Schülerinnen stellten sich der<br />

Aufgabe, ihre Position <strong>und</strong> die Botschaft ihrer Arbeit präzise zu formulieren.<br />

Sechster Schritt<br />

Präsentation <strong>und</strong> Diskussion der Ergebnisse<br />

23 Bosse, Dorit; Messner, Rudolf: Idole in der Entwicklung<br />

von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen, a.a.O., S. 1–4.<br />

24 Die Projektpräsentation fand im Jahrgangsgebäude der<br />

Schule statt. Mittels Beamer stellten die verschiedenen<br />

Gruppen ihre Ergebnisse vor, die größtenteils aus filmischen<br />

Arbeiten bestanden. Unsere Gruppe entschied sich jedoch<br />

bewusst gegen eine Vorführung der einzelnen Bilder, da<br />

sich die Ergebnisse stark über ihre Kontextualisierung,<br />

also ihre Gegenüberstellung, erschlossen.<br />

25 Die Ausstellung The Making of Art (Schirn Kunsthalle<br />

Frankfurt, 29.5.–30.8.2009, Kuratorin: Dr. Martina<br />

Weinhart) hatte explizit zum Ziel, den Kunstbetrieb als<br />

solchen zu untersuchen <strong>und</strong> auch die Praxis der<br />

Ausstellungskuration zu hinterfragen. Dadurch wurden<br />

die Schülerinnen angeregt, ihre eigene Ausstellung<br />

konstruktiv unter die Lupe zu nehmen.


60 / 61 kiss<br />

Jens Ertelt / Unterrichtsmaterialien<br />

Jonathan Monk<br />

1969 Geboren in Leicester, Großbritannien<br />

Künstlerische Ausbildung<br />

1988 Leicester Polytechnic, Leicester<br />

1991 Glasgow School of Art, Glasgow<br />

Lebt <strong>und</strong> arbeitet in Berlin <strong>und</strong> Glasgow<br />

Einzelausstellungen<br />

2006 Gallery Hours, Musée d’art contemporain du Val-de-Marne<br />

MAC/Val, Vitry-sur-Seine<br />

Yesterday today tomorrow etc., Haus am Waldsee, Berlin<br />

Kunsthalle Nürnberg, Kunstverein St. Gallen Kunstmuseum<br />

Kunstverein Hannover<br />

2007 Twodo-Project 2007, Neuer Aachener Kunstverein, Aachen<br />

2008 Something no less Important than Nothing/Nothing no less<br />

Important than Something, Tramway, Glasgow<br />

Jonathan Monk & David Shrigley, Corroborative Paintings,<br />

Galeria Estrany De La Mota, Barcelona<br />

2009 Jonathan Monk, The Defl ated Infl ated, Lisson Gallery, London<br />

Gruppenausstellungen<br />

2001 Sol LeWitt, Jonathan Monk, Galerie Yvon Lambert, Paris<br />

2004 Formalismus. Moderne Kunst, heute, Kunstverein in Hamburg<br />

2005 Archive in Motion, 50 Jahre Documenta, Kunsthalle Fridericianum,<br />

Kassel<br />

Today Is Just A Copy Of Yesterday, Galerie Jan Mot, Brüssel<br />

2006 The Show Will Be Open When The Show Will Be Closed,<br />

STORE gallery, London<br />

2007 Made in Germany, Sprengel Museum Hannover / Kunstverein<br />

Hannover / kestnergesellschaft, Hannover<br />

Arte Povera Now and Then: Perspectives for a New Guerrilla<br />

Art, Esso Gallery and Books, New York<br />

2008 Heavy Metal, Kunsthalle zu Kiel<br />

Material als pdf zum Download verfügbar:<br />

www.siemens-stiftung.org/de/kunst-<strong>und</strong>-kultur/kultur-<strong>und</strong>-wissen.html<br />

www.bdk-online.info/kiss<br />

Literatur<br />

Balkenhol, Bernhard<br />

Fotografi e <strong>und</strong> Wirklichkeit<br />

Unveröffentliches Seminarskript, 1990/2009<br />

Berg, Stephan; Seifermann, Ellen; Wäspe, Roland<br />

Vorwort<br />

In: Berg, Stephan; Seifermann, Ellen; Wäspe, Roland<br />

(Hg.): Jonathan Monk. yesterday, today, tomorrow,<br />

etc., Frankfurt a.M. 2006<br />

Bosse, Dorit; Messner, Rudolf (2002)<br />

Idole in der Entwicklung von Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen<br />

S. unter: http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/<br />

handle/urn:nbn:de:hebis:34-2007070618870, S.<br />

1–4<br />

Faulstich, Werner, et al.<br />

»Kontinuität« – zur Imagef<strong>und</strong>ierung des Film-<br />

<strong>und</strong> Fernsehstars<br />

In: Faulstich, Werner; Korte, Helmut (Hg.):<br />

Der Star. Geschichte, Rezeption <strong>und</strong> Bedeutung,<br />

München 1997, S. 11–28<br />

Fogle, Douglas; Monk, Jonathan<br />

Interview Piece<br />

In: Berg, Stephan; Seifermann, Ellen; Wäspe, Roland<br />

(Hg.): Jonathan Monk. yesterday, today, tomorrow,<br />

etc., Frankfurt a.M. 2006, S. 94<br />

Fritzsche, Bettina<br />

Performative Annäherungen an Identität in der<br />

Fan-Kultur<br />

In: Hengst, Heinz; Kelle, Helga (Hg.): Kinder – Körper<br />

– Identitäten. Theoretische <strong>und</strong> empirische Annäherungen<br />

an kulturelle Praxis <strong>und</strong> sozialen Wandel,<br />

München 2003, S. 205–224<br />

Glas, Alexander<br />

Bildkompetenz im Medienzeitalter<br />

In: Billmayer, Franz (Hg.): Angeboten. Was die<br />

Kunstpädagogik leisten kann, München 2008, S.<br />

61–67<br />

Johnson, David W.; Johnson, Roger T.<br />

Learning Together and Alone. Cooperative,<br />

Competitive and Individualistic Learning<br />

Needham Heights 1999<br />

Literatur<br />

Kirschenmann, Johannes<br />

Medienbildung in der Kunstpädagogik. Zu einer Didaktik der Komplementarität<br />

<strong>und</strong> Revalidierung<br />

Weimar 2003<br />

Lowry, Stephen<br />

Stars <strong>und</strong> Images. Theoretische Perspektiven auf Filmstars<br />

S. unter: www.montage-av.de<br />

Meyer, Torsten<br />

Interfaces, Medien, Bildung: Paradigmen einer pädagogischen<br />

Medientheorie<br />

Bielefeld 2002<br />

Pazzini, Karl-Josef<br />

Kunst exisitiert nicht. Es sei denn als angewandte<br />

In: Thesis. Tatort Kunsterziehung, Nr. 2/2000, S. 8–17<br />

Überblick<br />

22.6. Erprobung von Körperperformances, zeichnerisches<br />

Beschreiben von körperlichen Eindrücken<br />

anhand von Handlungsanweisungen<br />

Bruce Naumans. Erste Annäherung an das<br />

Medium Fotografie durch das Herstellen von<br />

›unmöglichen‹ Situationen / Schulgelände<br />

23.6. Konzentration auf Fotografie als übergreifendes<br />

Medium zur Erk<strong>und</strong>ung von Posen <strong>und</strong><br />

Images von Stars. Reproduktives Benennen<br />

<strong>und</strong> Erfahren von Posen <strong>und</strong> Übungen zur<br />

kompetenten Verwendung von Fotografie /<br />

Schulgelände<br />

24.6. Treffen mit Jonathan Monk in der Schirn Kunsthalle<br />

Frankfurt zur Ausstellung The Making<br />

of Art. Diskussion von Monks Vorgehen <strong>und</strong> der<br />

weiteren inhaltlichen Implikationen für die<br />

Arbeiten der Schülerinnen<br />

25.6. Ausarbeitung eines ästhetisch-praktischen<br />

Projektes ausgehend von der an Monk orientierten<br />

Strategie der Intervention, angewandt<br />

an eigenen Vorbildern<br />

26.6. Präsentation der Ergebnisse in einer Aus stellung<br />

im Schulgebäude


62 / 63 kiss<br />

Jens Ertelt / Unterrichtsmaterialien<br />

Bildbeispiele<br />

B1<br />

Sigmar Polke<br />

Höhere Wesen befahlen:<br />

rechte obere Ecke schwarz malen!, 1969<br />

B2<br />

Jonathan Monk<br />

Untitled (Höhere Wesen befahlen ...), 2007<br />

Die Ecken in Monks Arbeiten sind jeweils Blau <strong>und</strong> Pink eingefärbt.<br />

Galleri Nicolai Wallner, Kopenhagen<br />

B3<br />

René Magritte<br />

La trahison des images oder:<br />

Ceci n’est pas une pipe, 1929<br />

County Museum, Los Angeles, USA.<br />

© René Magritte Estate/Artists Rights Society (ARS),<br />

New York/ADAGP, Paris<br />

B4<br />

Abbildungen von Pete Doherty lassen sich im Netz finden,<br />

z.B. unter http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-<br />

49313.html<br />

Materialien<br />

M1<br />

Experiment 1<br />

Der Körper hat ein Gewicht!<br />

Dies ist eine Übung zur Körperwahrnehmung, in der es darum geht, dass<br />

ihr eine zeichnerische Form für eure körperlichen Sinneseindrücke findet.<br />

Es macht Sinn, wenn ihr die Aufgaben <strong>und</strong> die Übungen gemeinsam<br />

diskutiert <strong>und</strong> erst einmal in Worte fasst, was ihr später in Zeichnungen<br />

darstellen sollt.<br />

Lehnt euch gegen die Wand! Dabei haltet euer Gewicht mit ...<br />

a ... einem Finger<br />

b ... der ganzen Hand<br />

c ... dem Kopf (seitlich, mit der Stirn, mit dem Hinterkopf)<br />

d ... dem Rücken<br />

1 Was stellt ihr fest?<br />

Wie fühlt sich euer Gewicht an?<br />

Welche Muskeln werden beansprucht?<br />

2 Macht schnelle Skizzen von den verschiedenen Haltungen <strong>und</strong> findet<br />

Wörter, die beschreiben, wie ihr euch gefühlt habt!<br />

3 Zeichnet mit Kohle ein, welche Muskeln besonders aktiv waren,<br />

wo es besonders anstrengend war, wo es wehgetan hat.<br />

M2<br />

Experiment 2<br />

Der Körper will durch die Wand <strong>und</strong> durch den Boden<br />

In diesem Schritt habt ihr zwei Performances vor euch, die der amerikanische<br />

Konzeptkünstler Bruce Nauman in den 1960er-Jahren entwickelt<br />

hat. Hier erk<strong>und</strong>en wir eure Vorstellungskraft. Es geht darum, dass ihr<br />

euch sehr stark auf ein bestimmtes Bild in eurer Vorstellung konzentriert<br />

<strong>und</strong> diese Vorstellung mit eurem Körper »umsetzt«.<br />

Aufgaben<br />

a Diskutiert die Texte! Was fällt euch auf? Wo könnte es Probleme für<br />

euch geben?<br />

b Führt die Performances aus! Was passiert? Haben sich eure vorher erarbeiteten<br />

Gedanken bestätigt?<br />

c Zeichnet auch hier auf, was ihr erlebt habt.<br />

· Welche Grenzen habt ihr festgestellt?<br />

· Was konntet ihr durchführen, was nicht? Warum?<br />

· Was war angenehm/unangenehm?<br />

· Was fiel euch leicht/schwer?<br />

· Wie hat sich eure Gruppe verhalten? Habt ihr euch unterstützt<br />

oder wart ihr eher belustigt?<br />

· Haben die Übungen funktioniert? Wie? Warum vielleicht nicht?<br />

d Fertigt Zeichnungen an, wie ihr es geschafft habt, im Boden zu versinken<br />

<strong>und</strong> durch die Wand zu gehen. Versucht die Bilder, die ihr im Kopf<br />

hattet, während ihr die Performances gemacht habt, zu zeichnen!<br />

Sucht euch dabei das am besten geeignete Werkzeug aus! (Kohle, Bleistift,<br />

Tusche)<br />

1. Instruktionen für eine mentale Übung<br />

A Legt euch auf den Bauch auf den Boden <strong>und</strong> versinkt<br />

langsam im Boden mit geöffneten Augen.<br />

B Legt euch mit geöffneten Augen auf den Rücken<br />

auf den Boden <strong>und</strong> lasst den Boden sich langsam<br />

um euch herum erheben.<br />

Dies sind mentale Übungen. Zuerst wird eure Konzentration<br />

immer wieder gestört werden <strong>und</strong> eure<br />

Gedanken werden abschweifen. <strong>Das</strong> Problem ist,<br />

die Übung ungestört durchzuführen. Bei Übung A<br />

hilft es, wenn ihr euch vorstellt, ihr würdet unter<br />

die Ecken des Raumes sinken. Bei Übung B vergesst<br />

ihr am besten die Raumecken. Stellt euch vor, dass<br />

sich die Raummitte um euch herum erhebt.<br />

Original<br />

Untitled<br />

(Performance Project for Leverkusen) 1969 performance<br />

Courtesy Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf<br />

Alternative Title: Instructions for a Mental Exercise<br />

Notes<br />

Nauman’s text is as follows:<br />

A. LIE DOWN ON THE FLOOR NEAR THE CENTER OF<br />

THE SPACE, FACE DOWN, AND SLOWLY ALLOW<br />

YOURSELF TO SINK DOWN INTO FLOOR EYES OPEN.<br />

B. LIE ON YOUR BACK ON THE FLOOR NEAR THE<br />

CENTER OF THE SPACE AND SLOWLY ALLOW THE<br />

FLOOR TO RISE UP AROUND YOU, EYES OPEN. / This<br />

is a mental exercise. Practice each day for one hour.<br />

½ hour for A, then a sufficient break to clear the<br />

mind and body, then ½ hour practice B. / At first, as<br />

concentration and continuity are broken or allowed<br />

to stray every few seconds or minutes, simply start<br />

over and continue to repeat the exercise until the ½<br />

hour is used. / The problem is to try to make the<br />

exercise continuous and uniterrupted for the full ½<br />

hour. That is, to take the full ½ hour to A. sink <strong>und</strong>er<br />

the floor, or B. to allow the floor to rise completely<br />

over you. / In exercise A it helps to become aware of<br />

peripheral vision – use it to emphasize the space at<br />

the edges of the room and begin to sink below the<br />

edges and finally <strong>und</strong>er the floor. / In B. begin to deemphasize<br />

peripheral vision – so that the edges of<br />

the space begin to fall away and the center rises up<br />

aro<strong>und</strong> you. / In each case use caution in releasing<br />

yourself at the end of the period of exercise.<br />

Simon, Joan; et al (Hg.): Bruce Nauman,<br />

Minneapolis 1994, S. 239


64 / 65 kiss<br />

Jens Ertelt / Unterrichtsmaterialien<br />

Materialien<br />

2. Körperdruck<br />

Körperdruck / Drücke so viel von deiner vorderen Körperoberfläche an die<br />

Wand wie möglich (Handflächen innen oder außen, rechte oder linke<br />

Wange) / Drücke sehr stark <strong>und</strong> konzentriere dich / Stell dir vor, dass du<br />

auf der anderen Seite der Wand gleichzeitig sehr stark gegen die Wand<br />

drückst / Drücke sehr stark <strong>und</strong> konzentriere dich auf die Vorstellung, sehr<br />

stark zu drücken / Fang an, die Dicke der Wand zu ignorieren (Verschiebe<br />

die Wand) / Denke an verschiedene Körperteile, die gegen die Wand drücken,<br />

welche Körperteile berühren die Wand, welche nicht? / Denk an die Teile<br />

deines Rückens, die gegen die Wand drücken; drücke sehr stark <strong>und</strong> lass<br />

die Vorder- <strong>und</strong> Rückseite deines Körpers gemeinsam drücken / Konzentriere<br />

dich auf die Spannung deiner Muskeln / Wo fühlt es sich schmerzhaft<br />

an? / Wo verändert sich dein Körper unter dem Druck? / Welche<br />

Gerüche nimmst du wahr?<br />

Original:<br />

Body Pressure 1974<br />

wallboard, textbeginnwall: dimensions variable;<br />

poster: 25 3/16 x 16 ½ inch (64 x 42 cm)<br />

Collection of the artist<br />

Notes<br />

In his 1974 exhibition Yellow Body at the Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf<br />

[...], Nauman constructed a false wall of dimensions nearly identical to an<br />

existing gallery wall behind it. On an adjacent wall to the left, a pink<br />

poster with black typeface presented the following text (in German, followed<br />

by English for each stanza):<br />

Body Pressure / Press as much of the front surface of / your body (palm in<br />

or out, left or right cheek) / against the wall as possible. / Press very hard<br />

and concentrate. / Form an image of yourself (suppose you / had just stepped<br />

forward) on the / opposite side of the wall pressing / back against the<br />

wall very hard. / Press very hard and concentrate on the image pressing<br />

very hard. / (the image of pressing very hard) / Press your front surface and<br />

back surface / toward each other and begin to ignore or / block the thickness<br />

of the wall. (remove / the wall) / Think how various parts of your body /<br />

press against the wall; press hard and / feel how the front and back of your /<br />

body press together. / Concentrate on tension in the muscles, / pain<br />

where bones meet, fleshy deformations / that occur <strong>und</strong>er pressure; consider<br />

/ body hair, perspiration, odors (smells).<br />

Exhibitions: Solo: Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf 1974.<br />

Simon, Joan; et al (Hg.): Bruce Nauman, Minneapolis 1994, S. 262.<br />

M3<br />

Experiment 3<br />

Der Körper hinterlässt Spuren<br />

Hier geht es darum, die Grenzen <strong>und</strong> Möglichkeiten<br />

des Körpers zu erforschen. Außerdem hat dieses<br />

Experiment zum Ziel, dass ihr lernt, mit dem Medium<br />

Fotografie umzugehen. Ihr müsst euch für eure<br />

»Beweisfotos« folgende Fragen stellen:<br />

· Warum glauben wir einem Foto?<br />

· Was muss ein Foto leisten, damit wir ihm glauben?<br />

Diskutiert die Fragen in der Gruppe <strong>und</strong> schreibt<br />

eure Gedanken auf!<br />

Ihr müsst euch außerdem fragen, WIE ihr das Foto<br />

machen wollt:<br />

· Welchen Bildausschnitt wähle ich?<br />

· Gehe ich nah an das Motiv heran<br />

oder fotografiere ich von weitem?<br />

· Drehe ich die Kamera?<br />

· Bewege ich mich beim Fotografieren?<br />

· ...<br />

Aufgaben<br />

Ihr solltet für jede Aufgabe ein »Beweisfoto« herstellen.<br />

Wenn ihr mehrere Ideen pro Aufgabe<br />

habt, setzt diese ruhig auch um. Dokumentiert die<br />

einzelnen Fotos (mit der Fotokamera oder mit<br />

Zeichnungen), indem ihr zeigt, wie ihr auf die Idee<br />

gekommen seid <strong>und</strong> wie ihr die Idee umgesetzt<br />

habt. Nehmt euch für die Planung der Fotos genug<br />

Zeit, denn es ist wichtig, dass ihr eure Fotos gut<br />

durchdacht habt.<br />

a Macht euch Gedanken über Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Unmöglichkeiten des Körpers!<br />

b Wie hinterlässt der Körper in seiner <strong>Um</strong>welt<br />

Spuren? Wo?<br />

1 Macht ein Foto, auf dem ihr an der Decke oder<br />

der Wand entlanggeht, bzw. auf dem dokumentiert<br />

ist, dass ihr an der Decke oder der Wand entlanggegangen<br />

seid!<br />

2 Macht ein Foto, auf dem ihr durch die Wand<br />

geht!<br />

3 Macht ein Foto, auf dem ihr im Boden versinkt!<br />

4 Hinterlasst auf dem Schulgelände eine weitere, von<br />

euch erf<strong>und</strong>ene Spur. Die Spur sollte eigentlich<br />

unmöglich sein, jedoch sollt ihr sie so hinterlassen,<br />

dass man euch gerade noch so glauben kann,<br />

dass ihr sie tatsächlich hinterlassen habt.<br />

Materialien<br />

Denkt dabei über folgende Eigenschaften des Körpers nach:<br />

a Er hat ein Gewicht<br />

(die Hände, Füße, Beine, Arme, der Kopf etc. wiegen etwas).<br />

b Er hat Längen <strong>und</strong> Größen<br />

(die Füße, die Hände, der Kopf etc. haben eine bestimmte Größe).<br />

c Der Körper überbrückt Distanzen<br />

(beim Laufen (Weite), Springen (Höhe)).<br />

d Der Körper ist an die Schwerkraft geb<strong>und</strong>en<br />

(beim Laufen <strong>und</strong> Springen).<br />

e Der Körper wird von Muskeln angetrieben.<br />

f Was fällt euch noch ein?<br />

M4<br />

Untersucht die Posen der Stars!<br />

Sucht euch einen Star aus ...<br />

a ... <strong>und</strong> diskutiert die Fotos. Schreibt die wichtigsten Merkmale/<br />

Verhaltenscodes für die Posen auf! Was ist besonders, interessant,<br />

typisch, lächerlich etc.<br />

b ... <strong>und</strong> stellt die Posen, die ihr auf den Fotos seht, nach!<br />

Arbeitet dabei in eurer Dreiergruppe:<br />

· ... Einer ist Regisseur, die anderen beiden sind die Stars. Der Regisseur<br />

sucht sich ein Bild aus <strong>und</strong> gibt den Stars Anweisungen. Die Stars<br />

können das Bild nicht sehen <strong>und</strong> müssen sich so bewegen, wie es der<br />

Regisseur vorgibt. Fotografiert die Ergebnisse!<br />

· ... Wechselt die Rollen! Jede/r sollte einmal Regisseur gewesen sein!<br />

· ... Diskutiert dann über eure Ergebnisse! War der Regisseur in der<br />

Lage, euch »richtig« zu dirigieren? Haben die Stars die Pose »richtig«<br />

dargestellt?<br />

· ... Was ist an euren Fotos interessant, merkwürdig, unmöglich, lächerlich?<br />

Sucht 5–10 Adjektive (Wie-Wörter) pro Foto, um eure Ergebnisse<br />

zu beschreiben. Stimmen eure Ergebnisse mit dem überein, was ihr<br />

vorher über die Fotos gedacht habt (Aufgabe a)?<br />

· ... Was fallen euch für typische Star-Posen ein? Stellt euch vor, ihr seid<br />

ein bekannter Star! Welche Pose würdet ihr den Menschen gerne vermitteln?<br />

Woran sollen eure Fans euch wiedererkennen? Was wollt ihr<br />

mit eurer Pose zeigen? (Denkt dabei an die verschiedenen Posen, die<br />

wir bereits besprochen haben!)<br />

Gedanken zur Pose<br />

· Selbstdarstellung<br />

· Selbstinszenierung<br />

· Äußeres Erscheinungsbild<br />

· Der Körper soll etwas aussagen, soll auf etwas<br />

hinweisen.<br />

· Es gibt verschiedene Eindrücke, die man mit<br />

seinen Posen vermitteln möchte:<br />

· Sieg <strong>und</strong> Erfolg<br />

· Angeberei<br />

· Reichtum<br />

· Coolness<br />

· Intelligenz<br />

· Überheblichkeit<br />

· Seriosität<br />

· Ernsthaftigkeit<br />

· Volksnähe<br />

· Lustigkeit<br />

· Bescheidenheit<br />

· Überlegenheit<br />

· Posen werden wiederholt, um ein Image zu<br />

formen.<br />

Gedanken zum Image<br />

· ein inszeniertes Bild von sich selbst<br />

· von der eigenen Meinung, vom eigenen Eindruck<br />

bestimmt<br />

· von Verhaltenscodes <strong>und</strong> Posen gesteuerter<br />

Eindruck<br />

· Es geht darum, etwas schön, besonders interessant,<br />

anregend zu finden.


66 / 67 kiss<br />

Jens Ertelt / Unterrichtsmaterialien<br />

Materialien<br />

M5<br />

The Making of Art<br />

Aufgaben zur Ausstellung<br />

1 Wie stellt ihr euch eine Kunstausstellung vor? Wie muss eine Kunstausstellung<br />

eurer Meinung nach sein?<br />

2 Überlegt euch Fragen, die ihr schon immer an einen Künstler richten<br />

wolltet! (z.B. Wie arbeitet Jonathan Monk? Was ist sein Anspruch an<br />

die Kunst? Wie funktioniert der Beruf »Künstler«? Wie funktioniert die<br />

Kunstszene? ...<br />

M6<br />

Erprobt das <strong>Prinzip</strong> der Wiederholung!<br />

In diesem Abschnitt geht es darum, dass ihr ein künstlerisches Projekt<br />

umsetzt. Wir haben uns in den letzten Tagen mit den Posen <strong>und</strong> dem<br />

Image von Stars befasst. Jetzt seid ihr dran: Entwerft euren Star!<br />

Crashkurs<br />

Wie mache ich einen Star?<br />

Wendet das »<strong>Prinzip</strong> <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>« an!<br />

Was ist das »<strong>Prinzip</strong> <strong>Bart</strong> <strong>Simpson</strong>«? Es geht um das »Wiederholen von<br />

Image«. Was tut euer Star also, um wiedererkannt zu werden? Was sind<br />

seine auffälligsten Merkmale, die er oder sie immer wieder zur Schau<br />

stellt? <strong>Das</strong> Ziel ist es also, eine Geschichte zu erzählen, dem Star etwas<br />

anzudichten <strong>und</strong> seine »Story« an die Öffentlichkeit zu tragen!<br />

Also: Für welche sich wiederholenden Aktionen ist der Star berühmt/<br />

berüchtigt? Ist er oder sie ein versteckter Superheld? Ist er oder sie ständig<br />

im Knast? Bringt seine oder ihre Geschichte an die Öffentlichkeit!<br />

Wie könnt ihr vorgehen, wenn ihr euren Star entwickelt? Ihr könnt ...<br />

· ... dem Herrn oder der Dame natürlich einen (Künstler-)Namen geben<br />

· ... ein Image herstellen<br />

· ... für den Star typische Posen erfinden<br />

· ... Zeitungsmeldungen erfinden <strong>und</strong> am PC designen<br />

· ... eine Biografie für den Star erfinden: Was sind seine besonderen<br />

»Verdienste«; was sind die wichtigsten Ereignisse im Leben eures<br />

Stars?<br />

· ... verschiedene Konversationen erfinden (zwischen Star <strong>und</strong> Manager,<br />

zwischen Star <strong>und</strong> Autogrammjäger, zwischen Star <strong>und</strong> Paparazzi,<br />

zwischen zwei Fans etc.)<br />

· ... ein Autogramm erfinden<br />

· ... das Haus, das Auto, den oder die Lebenspartner/in, das Haustier etc.<br />

erfinden<br />

· Wichtig ist, dass ihr das <strong>Prinzip</strong> der Wiederholung aufgreift <strong>und</strong> Dinge<br />

erfindet, die euer Star von sich auch öffentlich repräsentiert haben<br />

möchte! Was sollen seine Fans ständig sehen, damit sie sich weiterhin<br />

für den Star interessieren?<br />

Erprobt das <strong>Prinzip</strong> der Wiederholung!<br />

<strong>Das</strong> Projekt soll im Medium Fotografie umgesetzt<br />

werden. Dabei ist es wieder wichtig, dass ihr euch<br />

genau überlegt, wie ihr die Fotos gestalten wollt!<br />

· Konzipiert eine Fotoserie, die euren Star zum<br />

Thema hat.<br />

· Dabei könnt ihr auf die Wiederholung von Posen,<br />

von Images <strong>und</strong> von Handlungen eingehen.<br />

Eure Fotoserie kann dabei ganz unterschiedliche<br />

Ziele haben: Modefotos, Zeitungsbilder, Paparazzibilder,<br />

Dokumentation etc.<br />

M7<br />

Fragen an den Fotografen/die Fotografin<br />

Gr<strong>und</strong>sätzliche Gedanken zur Fotografi e<br />

· Ist Fotografie »real«?<br />

· Wie stark verändere ich die »Realität«?<br />

· Wer ist der Autor der Fotografie (Ich, die Kamera,<br />

der Zufall ...)?<br />

· Was ist die Aufgabe des Betrachters? (Soll er<br />

informiert, verwirrt, verschaukelt werden?)<br />

Was ist auf der Fotografi e zu sehen?<br />

· Welches Motiv wähle ich?<br />

· Welchen Bildausschnitt wähle ich?<br />

· Bin ich nah am Motiv dran oder bin ich weit weg?<br />

· Fotografiere ich von oben, von unten oder auf<br />

Augenhöhe? Was passiert mit dem Bild?<br />

· Was soll auf jeden Fall/auf gar keinen Fall auf<br />

dem Bild sein?<br />

· Wo ist mein Standpunkt? Bewege ich mich oder<br />

stehe ich still?<br />

· Halte ich die Kamera still?<br />

Welches Ziel hat die Fotografi e?<br />

· Dokumentation/Information<br />

(z.B. in einer Zeitung)<br />

· Aufruhr (z.B. bei einem Politiker)<br />

· Täuschung (z.B. in einer Boulevardzeitschrift)<br />

· Entblößung (z.B. Paparazzifotos)<br />

Materialien<br />

M8<br />

Schüler konstruieren ein Star-Image<br />

M9<br />

Präsentiert eure Ergebnisse!<br />

Eure Ausstellung –<br />

welche Fragen solltet ihr euch stellen?<br />

1 Was präsentiere ich?<br />

(Auswählen, Gewichten, Bewerten)<br />

2 Wie präsentiere ich meine Arbeit?<br />

(Erzählform, Reihenfolge) Welchen Zweck hat<br />

meine Präsentation? (Konzept)<br />

3 Wo präsentiere ich meine Arbeiten?<br />

Neben welchen Arbeiten funktionieren meine<br />

Arbeiten? (Kontext)


68 / 69 kiss<br />

Jens Ertelt / Unterrichtsmaterialien<br />

Schülerarbeiten 8. Klasse, Offene Schule Waldau<br />

Videobeispiele<br />

V1<br />

Bruce Nauman<br />

Walking in an Exaggerated Manner Aro<strong>und</strong><br />

the Perimeter of a Square<br />

1967/1968. 16mm film transferred to video (black and white, silent),<br />

10 min. Acquired through the generosity of Courtney Plummer<br />

© 2009 Bruce Nauman/Artists Rights Society (ARS), New York<br />

Mit fre<strong>und</strong>licher Genehmigung von: Electronic Arts Intermix (EAI),<br />

New York<br />

www.moma.org/collection/browse_results.php?criteria=O%3ADE%3AI%<br />

3A41&page_number=17&template_id=1&sort_order=1<br />

V2<br />

Bruce Nauman<br />

Bouncing in the Corner, No. 2: Upside Down<br />

1969. Video (black and white, so<strong>und</strong>), 60 min. Purchase<br />

© 2009 Bruce Nauman/Artists Rights Society (ARS), New York<br />

Courtesy Video Data Bank<br />

www.moma.org/collection/browse_results.php?criteria=O%3ADE%3AI%3<br />

A41|G%3AHI%3AE%3A1&page_number=32&template_id=1&sort_order=1

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