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Das β-Spektrometer — Messung der kontinuierlichen ...

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WISSENSCHAFTLICHE ARBEITFÜR DAS STAATSEXAMEN IM FACH PHYSIK<strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong><strong>—</strong><strong>Messung</strong> <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong>Energieverteilung von <strong>β</strong>-Teilchenals Schulversuchvorgelegt vonElisabeth Wursthornangefertigt bei Prof. Dr. Horst Fischer14. Mai 2010PHYSIKALISCHES INSTITUTALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG


Inhaltsverzeichnis1. Einleitung 12. Physikalische Grundlagen 32.1. Die Entdeckung <strong>der</strong> Radioaktivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32.2. Stabile und instabile Kerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2.1. Kernbindungsenergie und Stabilitätskriterien . . . . . . . . . . . 52.2.2. Radioaktive Kernumwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.2.3. <strong>Das</strong> Zerfallsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.3. Der <strong>β</strong>-Zerfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112.3.1. Die Neutrino-Hypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.3.2. Zerfallsprozess und Energiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.3.3. <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-Spektrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.4. <strong>Messung</strong> ionisieren<strong>der</strong> Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233. <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> 273.1. Grundsätzliches zum Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.1.1. Versuchsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273.1.2. Die radioaktiven Präparate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313.1.3. Physikalisches Prinzip <strong>der</strong> <strong>Messung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . 323.1.4. Energierechnung: Klassisch vs. relativistisch . . . . . . . . . . . 343.2. Vorbereitende <strong>Messung</strong>en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2.1. Eichung <strong>der</strong> Hallsonde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363.2.2. Bestimmung <strong>der</strong> Totzeit des Zählrohrs . . . . . . . . . . . . . . 403.3. Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Spektren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.3.1. Erste Testmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433.3.2. Untergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473.3.3. Hauptmessungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.4. Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> Maximalenergien . . . . . . . . . . . . 563.5. Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>s . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684. Die Einbindung in den Schulunterricht 754.1. Bezug zum Bildungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 754.2. Grundlagenwissen und inhaltliche Zusammenhänge . . . . . . . . . . . 764.3. <strong>Das</strong> Experiment - Tipps, Hinweise und Anregungen . . . . . . . . . . . 785. Versuchsanleitung für das Demonstrationspraktikum 83


6. Zusammenfassung und Ausblick 95A. Anhang 97Literaturverzeichnis 103


1 EinleitungZunächst werden alle benötigten physikalischen Grundlagen rund um den radioaktiven<strong>β</strong>-Zerfall bereitgestellt (Kapitel 2). Dabei wird größtenteils darauf geachtet,dass die theoretischen Ausführungen als Material für eine Unterrichtsvorbereitung zur<strong>β</strong>-Spektroskopie verwendet werden können. Der Hauptteil <strong>der</strong> Arbeit (Kapitel 3) beinhaltetdie Beschreibung <strong>der</strong> Versuchsanordnung, sowie die Aufnahme und Auswertung<strong>der</strong> <strong>β</strong>-Spektren zweier radioaktiver Präparate. Die Auswertung umfasst u.a. die Bestimmung<strong>der</strong> Maximalenergie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen mittels Kurie-Auftragung. Darüber hinauswird die von Enrico Fermi entwickelte Theorie (1934) zur Beschreibung von <strong>β</strong>-Spektrenfür die Approximation herangezogen. Ziel ist es, neben <strong>der</strong> reinen Durchführung desVersuchs, die Messapparatur auszutesten und Möglichkeiten für die Umsetzung imDemonstrationspraktikum herauszufinden. In Kapitel 4 werden Empfehlungen undAnregungen zur Einbettung des Experiments in den schulischen Kontext ausgesprochen.Diese Einbindung wurde auf Grundlage des Bildungsplans von 2004 für Physik anGymnasien [5] vorgenommen. Die innerhalb dieses Kapitels diskutierten Vorschlägebilden die Basis <strong>der</strong> Versuchsanleitung für das Demonstrationspraktikum, die in Kapitel5 in voller Länge dargestellt wird.2


2. Physikalische Grundlagen2.1. Die Entdeckung <strong>der</strong> RadioaktivitätEs begann mit <strong>der</strong> Entdeckung <strong>der</strong> Röntgenstrahlen im Jahre 1896 [6]. Ihre sensationellenund geheimnisvollen Eigenschaften regten auch den Franzosen Antoine HenriBecquerel 1 zu weiteren Untersuchungen an. Wäre es nicht möglich, so fragte er sich,dass auch von phosphoriszierenden Mineralien wie zum Beispiel Uransalzen, Röntgenstrahlungo<strong>der</strong> eine weitere unbekannte Strahlenart ausgesandt wird? So umhüllte ereine Reihe von Photoplatten mit schwarzem, lichtundurchlässigem Papier, platziertedarauf Proben von Uransalz (Kalium-Uranylsulfat) und setzte sie dem Sonnenlicht aus.Tatsächlich zeichnete sich auf den anschließend entwickelten Photoplatten ein Umriss<strong>der</strong> Proben ab. Damit schien die Vermutung bestätigt, dass die Phosphoreszenz voneiner durchdringenden Strahlung begleitet sei. Aber bereits wenige Tage darauf mussteer einen seltsamen Irrtum feststellen.Abb. 2.1.: Abzug <strong>der</strong> Photoplatte, mit <strong>der</strong> Becquerel die Radioaktivität entdeckte [7]. Zu erkennensind zwei Schwärzungsstellen, wobei bei <strong>der</strong> unteren zwischen Uranmineral und Photoplatteein Kupferkreuz lag, wodurch die radioaktive Strahlung abgeschirmt wurde.1 Antoine Henri Becquerel: 1852 - 1908, französischer Physiker.3


2 Physikalische GrundlagenBecquerel bereitete einen neuen Versuch vor, <strong>der</strong> aber wegen eines bedeckten Himmelsund des nur kurzen Sonnenscheins nicht vollständig durchgeführt werden konnte. Soblieb das Paket aus Probe und verpackter Platte zwei Tage lang in seiner dunklenSchreibtischschublade liegen. Als am 1. März 1896 die Sonne wie<strong>der</strong> schien, wurden dieVersuche fortgesetzt, vorher aber - um einwandfreie Versuchsbedingungen zu schaffen -die Photoplatte gewechselt. Als er diese Platte mit den an<strong>der</strong>en zusammen entwickelte,zeigte sie trotz <strong>der</strong> Lagerung im Dunkeln eine beson<strong>der</strong>s kräftige Schwärzung.Dieses Ergebnis war erstaunlich und völlig unerwartet: <strong>Das</strong> Sonnenlicht und die Phosphoreszenzkonnten keinesfalls die Ursache <strong>der</strong> Schwärzung 2 sein. <strong>Das</strong> Uransalz selbstwar offensichtlich die Quelle einer Strahlung, die <strong>der</strong> von Röntgen hergestellten zwarsehr ähnlich war, aber auf ganz an<strong>der</strong>e Art zustande kam. Für diese Erscheinung führteBecquerel den Namen Radioaktivität (lat. radiare = strahlen) und für die unbekannte,zufällig entdeckte Strahlung den Namen „Rayons de Becquerel“ (Becquerelstrahlung)ein [8].Er überließ die weitere Erforschung dieser harten Strahlung <strong>der</strong> jungen PhysikerinMarie Curie 3 , geb. Sklodowska, die sich schon zuvor bei den Experimenten mit Uransalzenals seine Assistentin beteiligte. Sie wählte die Becquerelstrahlen zum Themaihrer Doktorarbeit und untersuchte zusammen mit ihrem Mann Pierre 4 systematischalle bekannten chemischen Elemente auf ihre Radioaktivität. Dabei entdeckten siedie bis dahin unbekannten Elemente Radium und Polonium - zwei Quellen, <strong>der</strong>enRadioaktivität mehrere Millionen Mal stärker ist als die des Urans [8].Im Jahre 1903 erhielten das Ehepaar Curie und Becquerel für ihre Arbeiten aufdem Gebiet Radioaktivität den Nobelpreis für Physik. Außerdem wurde Marie Curie1911 für die Aufbereitung von Radium und die Bestimmung seines Atomgewichts <strong>der</strong>Nobelpreis für Chemie verliehen.Im Laufe <strong>der</strong> Zeit fand man noch viele weitere radioaktive Elemente. Lord ErnestRutherford 5 konnte 1910 zeigen, dass es drei Arten radioaktiver Strahlung gibt, dieals α-, <strong>β</strong>- und γ-Strahlen bezeichnet wurden [9]. All diese Entdeckungen halfen zwareine Vielzahl an neuen Informationen zu sammeln, aber sie erregten damals die ganzeWelt. Denn sie rüttelten, ohne es zu wollen, an den drei heiligsten Naturgesetzen; <strong>der</strong>Unverän<strong>der</strong>lichkeit <strong>der</strong> Elemente, dem Energiesatz und dem Kausalgesetz [10].2 Die Schwärzung <strong>der</strong> Photoplatte wurde durch die harte <strong>β</strong>-Strahlung des Urans 238 verursacht. Dieα-Strahlung wird schon durch das Papier absorbiert und die Intensität <strong>der</strong> γ-Strahlung kleinerProben natürlichen Urans reicht für die Schwärzung einer photographischen Platte nicht aus.3 Marie Curie: 1867 - 1934, Physikerin polnischer Herkunft.4 Pierre Curie: 1859 - 1906, französischer Physiker.5 Ernest Rutherford: 1871 - 1937, neuseeländischer Physiker, 1908 Nobelpreis <strong>der</strong> Chemie.4


2.2 Stabile und instabile Kerne2.2. Stabile und instabile Kerne„Alle zusammengesetzten Dinge neigen dazu zu zerfallen.“Buddha 563-483 v. Chr.Wenn die Lebensdauer eines Isotops wesentlich größer als das Alter des Sonnensystemsist, bezeichnet man es als stabil [11]. Alle übrigen Nuklide sind instabil und zerfallenspontan unter Energieabgabe durch unterschiedliche Mechanismen in leichtere Kerne.Dieser ohne äußeren Anlass verlaufende Prozess kann entwe<strong>der</strong> direkt o<strong>der</strong> in Formeiner Umwandlungsreihe über mehrere instabile Zwischenstufen erfolgen. Der Grundfür eine Kernumwandlung eines instabilen Nuklids ist ein energetisch ungünstigesVerhältnis von Neutronenzahl N und Protonenzahl Z. Durch Verän<strong>der</strong>ung diesesVerhältnisses kann ein Übergang in das „stabile Gebiet“ vollzogen werden (Abb. 2.2).Abb. 2.2.: Lage <strong>der</strong> stabilen Kerne in <strong>der</strong> Z-N-Ebene [12].2.2.1. Kernbindungsenergie und StabilitätskriterienDie starke Wechselwirkung hält die Protonen und Neutronen (Nukleonen) im Kernfest zusammen. Es muss Energie aufgewendet werden, um den Kern in seine einzelnenBestandteile zu zerlegen. Diejenige Energie, die insgesamt erfor<strong>der</strong>lich ist, um alleNukleonen aus dem Kernverband zu lösen, heißt totale Bindungsenergie E B des Kerns.Zerlegt man einen Kern bestehend aus A Nukleonen, so dass we<strong>der</strong> die starke Kernkraftzwischen ihnen noch die elektrische Abstoßung zwischen den Protonen wirkt undbefinden sich die separierten Nukleonen in Ruhe, so besteht die gesamte Energie deszerlegten Systems lediglich aus <strong>der</strong> Ruheenergie aller Bausteine.5


2 Physikalische Grundlagen2.2.2. Radioaktive Kernumwandlungen„Die Erscheinung <strong>der</strong> Radioaktivität ist durch die spontane Umwandlung instabilerAtomkerne unter Energieabgabe gekennzeichnet. Die Abgabe <strong>der</strong> Energie erfolgt dabeiin Form ionisieren<strong>der</strong> Strahlung, die entwe<strong>der</strong> direkt vom Atomkern ausgeht o<strong>der</strong>indirekt durch die Kernumwandlung in <strong>der</strong> Atomhülle erzeugt wird“, [14].Ein instabiles Nuklid zerfällt in <strong>der</strong> Regel durch einen <strong>der</strong> folgenden Prozesse 8 :α-ZerfallSchwere Nuklide müssen Masse abgeben, da die Bindungskräfte für die außen liegendenTeilchen entsprechend geringer werden. Dabei emittiert <strong>der</strong> Atomkern einen 4 2He-Kern,das α-Teilchen, mit hoher kinetischer Energie:AZ X −→ A−4Z−2Y + α .Die Nukleonenzahl des Mutterkerns verringert sich dadurch um vier und die Protonenzahlum zwei Einheiten.<strong>β</strong>-ZerfallDieser Prozess, <strong>der</strong> sowohl bei leichten als auch bei schweren Nukliden auftritt, kannauf dreierlei Art stattfinden:• <strong>β</strong> − -Zerfall:Wenn ein Atomkern mehr Neutronen enthält, als zur Stabilität nötig ist, sowandelt sich ein Neutron unter Aussendung eines Elektrons, dem <strong>β</strong> − -Teilchen,und eines Antineutrinos ν in ein Proton um:AZ X −→AZ+1Y + <strong>β</strong> − + ν .Die Kernladung, also die Protonenzahl, vergrößert sich dabei um eine Einheit.• <strong>β</strong> + -Zerfall:Enthält ein Atomkern dagegen weniger Neutronen, als zur Stabilität des Kernsnötig ist, so wandelt sich ein Proton unter Aussendung eines Positrons, dem<strong>β</strong> + -Teilchen, und eines Neutrinos ν in ein Neutron um:AZ X −→AZ−1Y + <strong>β</strong> + + ν .<strong>Das</strong> Positron hat dieselbe Masse und dieselbe Ladung wie das Elektron, jedochmit positivem Vorzeichen. Die Protonenzahl verkleinert sich um eine Einheit.8 Obwohl bei den meisten radioaktiven Umwandlungen die Atomkerne nicht zerfallen, son<strong>der</strong>nlediglich ihre Neutronen- bzw. Protonenzahl o<strong>der</strong> ihre Bindungsenergie verän<strong>der</strong>n, bezeichnet mandiese Umwandlungen im üblichen Sprachgebrauch als „radioaktive Zerfälle“. Echte Zerfälle liegennur beim α-Zerfall und bei Kernspaltungsprozessen vor.8


2.2 Stabile und instabile Kerne• Elektroneneinfang (EC):<strong>Das</strong>selbe Ergebnis wie beim <strong>β</strong> + -Zerfall ergibt sich auch dadurch, wenn <strong>der</strong> Kernein Hüllenelektron einfängt. Dabei verbindet sich das Elektron (meist aus <strong>der</strong>K-Schale) mit einem Proton des Kerns zu einem Neutron und einem Neutrino ν:AZ X + e − −→AZ−1Y + ν .Beim <strong>β</strong>-Zerfall än<strong>der</strong>t sich lediglich die Protonenzahl Z, die Massenzahl A bleibterhalten. Die Umwandlung ist isobar. Eine ausführlichere Darstellung des <strong>β</strong>-Zerfallsfolgt in Abschn. 2.3, da <strong>der</strong> beschriebene Versuch mit dieser Art von Strahlungdurchgeführt wird.γ-ZerfallBei all diesen Kernumwandlungen kann es vorkommen, dass sich <strong>der</strong> entstehendeTochterkern nicht in seinem niedrigst möglichen Energiezustand befindet. Diese angeregtenKerne kehren unter Aussendung von elektromagnetischen Wellen, γ-Strahlung,direkt o<strong>der</strong> über weniger energiereiche Zwischenstufen in den Grundzustand zurück:AZ X ∗ −→ A ZX + γ .Der γ-Zerfall ist also we<strong>der</strong> eine Umwandlung noch ein wirklicher Zerfall des Mutternuklids,er äußert sich lediglich in einer Vermin<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Energie.Abb. 2.4.: Die Zerfallsarten in <strong>der</strong> Nuklidkarte.9


2 Physikalische Grundlagen2.2.3. <strong>Das</strong> ZerfallsgesetzBei einem radioaktiven Nuklid kann man nicht voraussagen, welcher <strong>der</strong> einzelneninstabilen Kerne als nächster eine Kernumwandlung durchführen wird. Ein bestimmter,individueller Kern kann sich in <strong>der</strong> nächsten Sekunde umwandeln o<strong>der</strong> auch erst inHun<strong>der</strong>ten von Jahren; darüber lässt sich keine Aussage machen. Dennoch bestehtbeim radioaktiven Zerfall eine strenge Gesetzmäßigkeit. Die spontane Umwandlung<strong>der</strong> Atomkerne ist ein statistischer Vorgang, für den man die Wahrscheinlichkeitseines Eintritts genau angeben kann. Für alle Kerne eines Nuklids gilt die gleicheUmwandlungswahrscheinlichkeit und dies führt dazu, dass die instabilen Atomkerneimmer um den gleichen Faktor abnehmen. Man betrachtet dazu eine Gruppe bestehendaus N instabilen Atomen <strong>der</strong> selben Sorte. Sei λ = dP die Wahrscheinlichkeitdtmit <strong>der</strong> pro Zeiteinheit ein bestimmtes Teilchen dieses Ensemble verlässt. Da λ füralle Teilchen dieser Sorte gleich groß ist, folgt für die Gesamtzahl <strong>der</strong> Zerfälle proZeiteinheit:dNdt= −λ · N . (2.2)Diese Gleichung for<strong>der</strong>t also eine Proportionalität zwischen Än<strong>der</strong>ungsrate und Größedes Ensembles, wobei λ die für das Nuklid charakteristische Zerfallskonstante darstellt.Durch Integration von Gl.(2.2)N(t) ∫N 0dNN∫t= −0λdterhält man das exponentielle Zerfallsgesetz <strong>der</strong> FormN(t) = N 0 · e −λt , (2.3)wobei N(t) die Zahl <strong>der</strong> zur Zeit t vorhandenen instabilen Atomen und N 0 die Ausgangszahlzur Zeit t = 0 bedeuten.Halbwertszeit und LebensdauerDie Zeit, in <strong>der</strong> <strong>der</strong> Atombestand auf die Hälfte gesunken ist, wird Halbwertszeit T 1/2genannt. Die Halbwertszeiten <strong>der</strong> bekannten radioaktiven Nuklide liegen in einemGrößenbereich zwischen 10 −10 s und 10 18 a [14]. Der Zusammenhang zwischen T 1/2 undZerfallskonstanten λ ergibt sich durch Einsetzen 9 in Gl.(2.3) zuT 1/2 = ln 2λ.9 Unter Verwendung <strong>der</strong> Definition <strong>der</strong> Halbwertszeit gilt: N(T 1/2 ) = N 0 /2 = N 0 · exp(−λ · T 1/2 )bzw. 1/2 = exp(−λ · T 1/2 ). Logarithmieren <strong>der</strong> beiden Seiten liefert den gesuchten Zusammenhang.10


2.3 Der <strong>β</strong>-ZerfallDer Kehrwert <strong>der</strong> Zerfallskonstanten wird als mittlere Lebensdauer τ des Zerfalls bezeichnetund gibt diejenige Zeit an, nach <strong>der</strong> die Zahl N 0 auf 1/e ihres Anfangsbestandsabgefallen ist, d.h. N(τ) = N 0 /e. Es gilt <strong>der</strong> Zusammenhang:τ = 1 λ = T 1/2ln 2.AktivitätDie <strong>Messung</strong> dieser Zerfallsgrößen beruht auf <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Aktivität einerProbe. Sie ist zahlenmäßig gleich <strong>der</strong> Abnahme <strong>der</strong> sich umwandelnden Kerne proZeiteinheit:A(t) = − dNdt = λ · N(t) .Die Aktivität A(t) einer radioaktiven Substanz fällt demnach mit <strong>der</strong> gleichen Halbwertszeitwie N(t) exponentiell ab:A(t) = A 0 · e −λt mit A 0 = λ · N 0 .Im Jahre 1975 hat die Generalkonferenz für Maß und Gewicht für die Einheit <strong>der</strong>Aktivität den Namen Becquerel eingeführt:1 Bq = 1 Zerfall/s .Ursprünglich wurde die Aktivitätseinheit Curie verwendet, wobei 1 Ci = 37 GBq meint.1 Ci ist definiert als die Aktivität von einem Gramm Radium. Die Festlegung diesesZahlenwerts ist historisch begründet. Auch <strong>der</strong> menschliche Körper selbst ist eineradioaktive Quelle durch den Anteil von Kohlenstoff ( 14 C) und Kalium ( 40 K) im Körper.Die Aktivität eines Körpers von 75 kg Masse ist etwa 7500 Bq [15].2.3. Der <strong>β</strong>-ZerfallDie Erforschung des radioaktiven <strong>β</strong>-Zerfalls <strong>der</strong> Atomkerne hat in <strong>der</strong> Entwicklung<strong>der</strong> Kernphysik eine entscheidende Rolle gespielt. Zu <strong>der</strong> Entdeckung einer neuenfundamentalen Kraft, <strong>der</strong> schwachen Wechselwirkung 10 , kommt das Auftreten einesunbekannten Teilchens hinzu [13].10 Die schwache Wechselwirkung ist eine <strong>der</strong> vier Grundkräfte <strong>der</strong> Physik. Sie kann wie an<strong>der</strong>e Kräftefür Energie- und Impuls-Austausch sorgen, wirkt aber vor allem bei Zerfällen o<strong>der</strong> Umwandlungen.Sie ist für den Zerfall von Quarks und Leptonen verantwortlich; <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Zerfall ist das prominentesteBeispiel dafür [11].11


2 Physikalische Grundlagen2.3.1. Die Neutrino-HypotheseDie Untersuchung <strong>der</strong> radioaktiven Strahlungen stieß nach ihrer Entdeckung 1896 baldauf Schwierigkeiten. Man ging davon aus, dass beim <strong>β</strong>-Zerfall, ähnlich wie beim α-Zerfall, ein einzelnes Objekt ausgesandt wird. Diese Hypothese eines Zweikörper-Zerfallsvertrug sich ganz und gar nicht mit den experimentellen Beobachtungen. Während dasSpektrum von α-Strahlern aus diskreten, monoenergetischen Linien besteht, zeigt dasSpektrum von <strong>β</strong>-aktiven Nukliden eine kontinuierliche Energieverteilung. Wenn manaber den Energie- und Impulserhaltungssatz nicht aufgeben will, so erwartet man voneinem Zweikörper-Zerfall eine feste Energie <strong>der</strong> Zerfallsprodukte und damit ein scharfesLinienspektrum. Die emittierten <strong>β</strong>-Teilchen nehmen dagegen innerhalb eines Bereichszwischen 0 und E max alle möglichen Energien an. Lediglich die Teilchen mit <strong>der</strong> GrenzenergieE max erfüllen die Erwartung. Den meisten Zerfallselektronen bzw. -positronenfehlt folglich Energie. Neben dem <strong>kontinuierlichen</strong> Energiespektrum sind noch weitereexperimentelle Fakten nicht mit <strong>der</strong> Vorstellung eines Zweikörper-Zerfalls in Einklangzu bringen. Die beiden Nukleonen besitzen wie Elektronen halbzahligen Spin /2. DerGesamtdrehimpuls des Kerns wird zusätzlich durch <strong>der</strong>en Bahndrehimpuls bestimmt.Da <strong>der</strong> Bahndrehimpuls nur ganzzahlige Werte von annimmt, ist <strong>der</strong> Kernspin bei gera<strong>der</strong>Nukleonenzahl A insgesamt ganzzahlig, bei ungeradem A halbzahlig. Nun än<strong>der</strong>tein <strong>β</strong>-Zerfall die Nukleonenzahl A zwar nicht, aber das emittierte <strong>β</strong>-Teilchen nimmt denSpin /2 mit. Die Spinbilanz, d.h. die Erhaltung des Drehimpulses wäre also ebenfallsverletzt. Will man die bisher bewährten Erhaltungssätze von Energie, Impuls undDrehimpuls „retten“, so könnte man annehmen, dass sich beim <strong>β</strong>-Zerfall ein drittes Teilchenbeteiligt, das die fehlende Energie, den fehlenden Impuls und Drehimpuls fortträgt.Im Jahre 1930 befreite Pauli 11 die Physik aus ihrer Krise und postulierte in einemBrief an die „radioaktiven Damen und Herren“ <strong>der</strong> Physikertagung in Tübingen dieExistenz eines weiteren, elektrisch neutralen Teilchens mit Spin /2, das er vorläufig„Neutron“ nannte [16]. Da das hypothetische Teilchen nahezu masselos sein musste,schlug Fermi 12 1933 den Namen Neutrino (ital. „kleines Neutron“) vor, um es vom 1932von Chadwick 13 entdeckten Kernbaustein unterscheiden zu können. Pauli sollte rechtbehalten, das Neutrino (genauer das Antineutrino) wurde tatsächlich experimentellnachgewiesen. Allerdings gelang dieser Nachweis erst 25 Jahre nach dem Postulat mitHilfe <strong>der</strong> Reaktion p + ν → n + <strong>β</strong> + , bei <strong>der</strong> ein Antineutrino aus <strong>β</strong>-Umwandlungenvon einem Proton eingefangen wird, das sich dabei in ein Neutron umwandelt und einPositron aussendet. Es wurde zudem festgestellt, dass verschiedene Arten von Neutrinosexistieren und zu je<strong>der</strong> außerdem ein Antiteilchen. Neutrinos entkommen zwar wegenihrer äußerst geringen Wechselwirkung mit Materie unbeobachtet, sie dürfen jedoch in<strong>der</strong> Energiebilanz des <strong>β</strong>-Zerfalls nicht vernachlässigt werden.11 Wolfgang Ernst Pauli: 1900 - 1958, österreichischer Physiker, 1945 Nobelpreis <strong>der</strong> Physik.12 Enrico Fermi: 1901 - 1954, italienischer Physiker, 1938 Nobelpreis für Physik.13 Sir James Chadwick: 1891 - 1974, englischer Physiker, 1935 Nobelpreis für Physik.12


2.3 Der <strong>β</strong>-Zerfall2.3.2. Zerfallsprozess und EnergiebilanzDie fundamentale Bedeutung des <strong>β</strong>-Zerfalls besteht darin, dass er durch eine Wechselwirkungzwischen physikalischen Objekten verursacht wird, die in <strong>der</strong> klassischen Physiknicht bekannt ist - die sog. schwache Wechselwirkung [12]. Sie führt dazu, dass sich dieverschiedenen Quark-Arten, aus denen die Nukleonen 14 bestehen, durch Aussendeneines Austauschteilchens, dem W-Boson, ineinan<strong>der</strong> umwandeln (Abb. 2.5). Währenddas umgewandelte Quark als Bestandteil des umgewandelten Nukleon seine Rollebeibehält, verlassen die weiteren entstehenden Teilchen den Kern. Die beim <strong>β</strong> − - und<strong>β</strong> + -Zerfall freiwerdende Ladung wird in Form eines Elektrons o<strong>der</strong> Positrons emittiert.Sie werden aus historischen Gründen als <strong>β</strong>-Teilchen bezeichnet. Da <strong>β</strong>-Zerfallsprozesseeine sehr viel kleinere Übergangswahrscheinlichkeit haben als Prozesse, die durch Kernkräfteo<strong>der</strong> elektromagnetische Kräfte verursacht werden, spricht man von „schwacher“Wechselwirkung.Bei Umwandlungsprozessen zwischen Elementarteilchen muss sowohl die Baryonenzahlals auch die Leptonenzahl erhalten bleiben. Dabei wird einem Lepton 15 die ZahlL = +1 und seinem Antiteilchen L = −1 zugeordnet. Es entsteht also jeweils einweiteres leichtes Teilchen, das Antineutrino ν bzw. das Neutrino ν, so dass auf beidenSeiten die Zahl <strong>der</strong> Leptonen „kompensiert“ wird. Da <strong>β</strong>-Zerfälle isobar sind, bleibtauch die Zahl <strong>der</strong> Baryonen 16 erhalten.(a)(b)Abb. 2.5.: Feynman-Diagramm zur schwachen Wechselwirkung. Die durchgezogenen Linien entsprechenden Nukleonen im Anfangs- und Endzustand, die gestrichelte Linie symbolisiert dasAustauschteilchen. (a) <strong>β</strong> − -Zerfall des Neutrons durch (b) Umwandlung eines d-Quarks.14 Protonen: uud, Neutronen: udd. Dabei bedeutet u: up-Quark und d: down-Quark.15 Leptonen (griech. leptos = leicht) gehören neben den Quarks zu den fundamentalen Bausteinenaus denen sich Materie zusammensetzt (z.B. e − , e + , ν, ν).16 Baryonen (griech. barys = schwer) sind Elementarteilchen, die aus jeweils drei Quarks bestehen(z.B. p, n).13


2 Physikalische GrundlagenPotentialtopf-ModellAm anschaulichsten lässt sich <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Zerfall am Potentialtopf-Modell beschreiben [17].Ein rechteckig verlaufendes Potential bietet sich als einfachste Möglichkeit an, um dieKernkräfte annähernd zu beschreiben und Eigenschaften <strong>der</strong> Kernmaterie zu verstehen.Demnach erfahren die Nukleonen innerhalb des Kernes von allen Seiten die gleicheKraft. Der scharf definierte Kernrand ist für ein Nukleon undurchdringlich, denn esist im Kern gebunden und hat im Allgemeinen nicht genügend Energie, um ihn zuverlassen. Wie Elektronen in <strong>der</strong> Atomhülle nur ganz bestimmte Energieniveaus besetzen,so nehmen auch Protonen und Neutronen im Kern nur diskrete Energiezuständeein. Da Protonen und Neutronen beide den Spin 1/2 haben, gehorchen sie demPauli-Prinzip. Dies bedeutet, dass jedes Energieniveau mit höchstens zwei Protonenund zwei Neutronen mit antiparallelem Spin besetzt werden kann. Die abstoßendeCoulombkraft zwischen den Protonen im Kern bewirkt aber, dass ihre Bindungsenergieverringert wird. Daher muss je<strong>der</strong> Teilchensorte ein eigener Potentialtopf zugeordnetwerden, wobei <strong>der</strong> <strong>der</strong> Protonen gerade um die Coulomb-Abstoßungsenergie höher liegtals <strong>der</strong> <strong>der</strong> Neutronen. Da sich ein Neutron durch <strong>β</strong>-Zerfall in ein Proton umwandelnkann und umgekehrt müssen die Niveaus bei einem stabilen Kern bis etwa zur gleichenHöhe besetzt sein. Dann liegt <strong>der</strong> energetisch günstigste Zustand vor.Die folgenden energetischen Betrachtungen sind an [18], Abschn. 3.1 angelehnt.<strong>β</strong> − -ZerfallWenn ein Nuklid einen Neutronenüberschuss gegenüber stabilen Kernen aufweist, soerfolgt in <strong>der</strong> Regel eine <strong>β</strong> − -Umwandlung:n −→ p + e − + ν e .<strong>Das</strong> Neutron n nimmt, falls es das Pauli-Prinzip erlaubt, durch Umwandlung in einProton p ein tieferes, nicht besetztes Protonenniveau ein (Abb. 2.6). Der Kern gehtdadurch in einen energetisch günstigeren Zustand über und wird stabiler. <strong>Das</strong> Elektrone − und das Elektron-Antineutrino ν e werden erst durch die Umwandlung des Neutronsin ein Proton erzeugt und verlassen den Kern sofort nach ihrer Entstehung. DieserProzess ist im Kern prinzipiell nur dann möglich, wenn die Energie des MutterkernsA AZ X höher liegt als die des Tochterkerns Z+1Y. Vernachlässigt man die Ruhemasse desAntineutrinos, so lautet die Massenbilanzm k ( A ZX) > m k ( Z+1Y) + m e ,wobei für die Kernmassen m k die folgenden Beziehungen gelten:m k ( A ZX) = Zm p + (A − Z)m n − E B( A ZX)c 2 ,Am k ( Z+1Y) = (Z + 1)m p + (A − Z − 1)m n − E B( Z+1Y).c 2AA14


2 Physikalische Grundlagen<strong>β</strong> + -ZerfallAtomkerne mit einem Neutronendefizit können ihre Neutronenzahl bei geeignetenenergetischen Verhältnissen durch eine <strong>β</strong> + -Umwandlung erhöhen. Dabei wandelt sichein im Kern gebundenes Proton p trotz seiner geringeren Masse nach <strong>der</strong> Reaktionp −→ n + e + + ν ein ein Neutron n um und emittiert dabei ein Positron e + und Elektron-Neutrino ν e .Diese Umwandlung wird möglich, wenn bei einem nicht stabilen Isotop die Energieniveaus<strong>der</strong> Protonen höher liegen als die <strong>der</strong> Neutronen und das höchst besetzteNeutronenniveau nicht voll ist (Abb. 2.7). <strong>Das</strong> entstehende Neutron kann in die vorhandeneLücke fallen und in einen niedrigeren Energiezustand gelangen. Dadurchwird die Bindungsenergie des Tochterkerns größer als die des Mutterkerns. Diese Bindungsenergiedifferenzmuss allerdings ausreichend groß sein, um neben dem „schweren“Neutron, ein Positron und Neutrino bilden zu können. Sie errechnet sich aus <strong>der</strong>Massenbilanz:Es ergibt sich nun aber mitm k ( A ZX) > m k ( Z+1Y) + m e .m k ( A ZX) + Zm e > m k ( Z−1Y) + Zm e + m eeine etwas an<strong>der</strong>e Bedingung für die Atommassen:M( A ZX) > M( Z−1Y) + 2m e .Nur wenn das neutrale Ausgangsatom gegenüber dem Folgeatom einen Energieüberschussvon mindestens 2m e c 2 = 1022 keV besitzt, ist ein <strong>β</strong> + -Zerfall energetisch möglich.Die in diesem Fall freiwerdende Gesamtenergie ist gegeben durch:AAAQ = [ ]M( A ZX) − M( Z−1Y) − 2m e · c2= E <strong>β</strong> + + E ν .A(2.5)Diese Überschussenergie wird als kinetische Energie von Positron und Neutrino frei.Die emittierten Positronen haben nur eine sehr kurze Lebensdauer. Bei ihrer Abbremsungin Materie vereinigen sie sich mit Elektronen unter Zerstrahlung <strong>der</strong> gemeinsamenRuheenergie von 2m e c 2 = 1022 keV. Dabei entstehen zwei γ-Quanten von je 511 keV,die in entgegengesetzter Richtung emittiert werden. Diese Vernichtungs-Quanten sindeine Begleiterscheinung jedes <strong>β</strong> + -Strahlers.Ein <strong>β</strong> + -Zerfall eines freien Protons ist wegen <strong>der</strong> kleineren Masse des Protons nachdem Energieerhaltungssatz nicht möglich.16


2.3 Der <strong>β</strong>-ZerfallAbb. 2.7.: <strong>β</strong> + -Zerfall eines instabilen Kerns durch Umwandlung eines Protons p in ein Neutron n.ElektroneneinfangAlternativ zum <strong>β</strong> + -Zerfall kann auch Elektroneneinfang (electron capture, EC) auftreten.Dies betrifft meistens die K-Schale <strong>der</strong> Elektronenhülle, da K-Elektronen nach <strong>der</strong>Quantentheorie eine endliche, wenn auch sehr kleine Aufenthaltswahrscheinlichkeit imKern haben (Abb. 2.8) [13]. <strong>Das</strong> Elektron e − kann von einem Proton p „eingefangen“werden, das sich dadurch in ein Neutron n unter Emission eines Elektron-Neutrinos ν eumwandelt:p + e − −→ n + ν e .<strong>Das</strong> emittierte Neutrino hat neben <strong>der</strong> Leptonenzahlerhaltung vor allem die Aufgabe,die überschüssige Energie abzuführen. Der Elektroneneinfang ist ein mit <strong>der</strong> <strong>β</strong> + -Umwandlung konkurrieren<strong>der</strong> Prozess. Die entsprechenden Bedingungen lauten:m k ( A ZX) > m k ( Z+1Y) − m e ,m k ( A ZX) + Zm e > m k ( Z−1Y) + Zm e − m eund damit M( A ZX) > M(Für die Umwandlungsenergie gilt dann:AAAZ−1Y) .AQ = [ M( A ZX) − M( Z−1Y) ] · c 2 . (2.6)17


2 Physikalische GrundlagenAbb. 2.8.: Elektroneneinfang aus <strong>der</strong> K-Schale.Der Elektroneneinfang ist also auch bei Energiedifferenzen < 1022 keV energetisch möglichund findet daher immer dann statt, wenn die <strong>β</strong> + -Umwandlung aus energetischenGründen nicht möglich ist. Da mit <strong>der</strong> Massenbilanz des <strong>β</strong> + -Zerfalls auch stets diedes Elektroneneinfangs erfüllt ist, können sich bestimmte Atomkerne sowohl durchEmission von <strong>β</strong> + -Teilchen als auch durch Einfang eines Hüllenelektrons umwandeln.Die freiwerdende Umwandlungsenergie aus Gl.(2.6) abzüglich <strong>der</strong> Bindungsenergiedes eingefangenen Elektrons, übernimmt alleine das Neutrino. Es entsteht daherein Neutrino-Linienspektrum. Der folgende Abschnitt dient ausschließlich <strong>der</strong> Beschreibungdes beim <strong>β</strong> − - und <strong>β</strong> + -Prozess entstehenden <strong>kontinuierlichen</strong> Energiespektrums.2.3.3. <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-SpektrumDurch <strong>Messung</strong>en mit magnetischen <strong>Spektrometer</strong>n konnte schon Anfang 1914 vonChadwick gezeigt werden, dass Kerne bei <strong>β</strong>-Umwandlungen Teilchen mit einer <strong>kontinuierlichen</strong>Energieverteilung emittieren [4]. Der Grund dafür ist, dass sich die beimZerfall freiwerdende Umwandlungsenergie Q aus Gl.(2.4) und (2.5) auf die beidenemittierten Teilchen verteilt:Q = E <strong>β</strong> + E ν .Dieser Energieübertrag ist ein statistischer Prozess. Daher erstreckt sich das Spektrum<strong>der</strong> Elektronen bzw. Positronen kontinuierlich bis zu einem Maximalwert E max , bei dem18


2.3 Der <strong>β</strong>-ZerfallAbb. 2.9.: Schematische Darstellung von <strong>β</strong>-Energieverteilungen [14].das (Anti-)Neutrino keine und das <strong>β</strong>-Teilchen nahezu die gesamte Umwandlungsenergieerhält. Der entstehende Kern übernimmt dabei wegen seiner wesentlich größerenMasse fast keine Rückstoßenergie. Die Maximalenergie E max eines Spektrums ist diecharakteristische Größe des Zerfalls. Die maximalen <strong>β</strong>-Energien zahlreicher radioaktiverNuklide liegen im Bereich 10 keV < E max < 3 MeV [19]. Abb. 2.9 zeigt die typischeForm <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> Energieverteilung für einen <strong>β</strong> − - und einen <strong>β</strong> + -Strahler. Eindeutlicher Unterschied zwischen dem Elektronen- und Positronenspektrum ist beiniedrigen Energien zu erkennen. Hier macht sich die positive Ladung des Atomkernsbemerkbar. Durch den Einfluss des Coulombfelds werden die austretenden <strong>β</strong> + -Teilchenbeschleunigt, weshalb in <strong>der</strong> entstehenden Verteilung die kleinen Energien fehlen. Im<strong>β</strong> − -Spektrum dagegen sind zahlreiche kleine Energien vorhanden.Da <strong>β</strong>-Strahlung aus geladenen Teilchen besteht, kann diese durch elektrische o<strong>der</strong>magnetische Fel<strong>der</strong> beeinflusst werden. Die Ablenkung im Magnetfeld wird bei <strong>Spektrometer</strong>nausgenutzt, um <strong>β</strong>-Teilchen hinsichtlich ihrer Energie zu selektieren und zuzählen.Fermi-Theorie des <strong>β</strong>-ZerfallsErste Versuche zur theoretischen Beschreibung des <strong>β</strong>-Zerfalls stammen aus einer Arbeitvon E. Fermi aus dem Jahr 1934 [20]. Er stellte sich die Aufgabe, ausgehend von seinenspeziellen Annahmen, die Übergangswahrscheinlichkeit und die Form des <strong>β</strong>-Spektrumszu berechnen. Die folgende Herleitung ist an [12], Kapitel 8.3 angelehnt.19


2 Physikalische GrundlagenVor dem Zerfall befindet sich <strong>der</strong> Kern im Zustand |Ψ i 〉, durch den Zerfall gehter in den Zustand |Ψ f 〉 über und verliert dabei die Energie Q = E 0 = E <strong>β</strong> + E ν . Gefragtist nach <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit dafür, dass das <strong>β</strong>-Teilchen mit einem bestimmtenImpuls p emittiert wird. Da die Stärke <strong>der</strong> zugrunde liegenden Wechselwirkung sehrgering ist, sind die Voraussetzungen <strong>der</strong> Störungstheorie erster Ordnung erfüllt, sodass Fermis Goldene Regel <strong>der</strong> Quantenmechanik angesetzt werden kann. Für dieWahrscheinlichkeit N(p)dp pro Zeiteinheit dafür, dass ein Elektron bzw. Positron imImpulsintervall zwischen p und p + dp ausgesandt wird, gilt [21]:N(p)dp = 2π |〈Ψ f|H|Ψ i 〉| 2 dndE 0. (2.7)Der Übergang zwischen den beiden Zuständen wird durch den Störungsoperator Hbewirkt. <strong>Das</strong> zugehörige Matrixelement |〈Ψ f |H|Ψ i 〉| = ∫ Ψ ∗ fHΨ i da 3 = H fi ist zunächstunbekannt, da es den Hamilton-Operator enthält, <strong>der</strong> zur schwachen Wechselwirkunggehört. Es wird im Auswertungsteil als energieunabhängiger Faktor behandelt, wobeidiese Annahme streng genommen nur für sog. erlaubte Übergänge 17 gerechtfertigt ist.Für die Form <strong>der</strong> meisten <strong>β</strong>-Spektren ist alleine <strong>der</strong> statistische Faktor dndE 0verantwortlich.Er gibt die Dichte <strong>der</strong> möglichen Zustände pro Energieintervall an, in denen<strong>der</strong> Übergang enden kann. Zur Berechnung <strong>der</strong> Endzustandsdichte dndE 0betrachtetman den Atomkern wie<strong>der</strong> als tiefen, dreidimensionalen Potentialtopf mit <strong>der</strong> Kantenlängea. Man findet dann für die Zahl <strong>der</strong> Zustände in einer Elementarzelle desPhasenraums für die Elektronen bzw. Positronen als auch für die Neutrinos denAusdruck 18 :dn <strong>β</strong> = a3 p 2 <strong>β</strong>2π 2 3 dp <strong>β</strong> , dn ν = a3 p 2 ν2π 2 3 dp ν .Die Impulse p <strong>β</strong> , p ν werden in einem Dreikörper-Zerfall gebildet, demnach sind dn <strong>β</strong> unddn ν voneinan<strong>der</strong> statistisch unabhängig und dn kann als Produkt aus beiden angesetztwerden:dn= dn ν · dn <strong>β</strong>= a6dE 0 dE 0 4π 4 6 p2 <strong>β</strong> p 2 dp <strong>β</strong> dp νν . (2.8)dE 0Da das Neutrino nicht beobachtet werden kann, muss <strong>der</strong> Neutrinoimpuls p ν über die Kinematikaus <strong>der</strong> Energie des <strong>β</strong>-Teilchens berechnet werden. Es gilt:p ν = E νc = E 0 − E <strong>β</strong>cwobei die Ruhemasse des Neutrinos gleich Null gesetzt wurde.,17 Als erlaubt bezeichnet man Übergänge ohne Paritätsän<strong>der</strong>ungen, bei denen das Leptonenpaarkeinen Bahndrehimpuls wegträgt.18 Eine ausführliche Herleitung findet man u.a. in [12] o<strong>der</strong> [22].20


2.3 Der <strong>β</strong>-ZerfallFerner ist für eine feste Elektronen- bzw. Positronenenergie (dp ν /dE 0 ) = 1/c undman erhält nach Einsetzen in Gl.(2.8):dndE 0=a 64π 4 6 c 3 p2 <strong>β</strong> (E 0 − E <strong>β</strong> ) 2 dp <strong>β</strong> .Der Faktor a 6 im Zähler kürzt sich später heraus, da man die Wellenfunktionen imMatrixelement auf das Volumen normiert.Beim <strong>β</strong>-Zerfall ist es praktisch, die Energien E <strong>β</strong> und Impulse p <strong>β</strong> <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen <strong>der</strong> Massem e in den natürlichen Einheiten m e c 2 und m e c anzugeben. Man setzt:Energie ɛ = E <strong>β</strong>m e c 2 , Impuls η = p em e c⇒ ɛ 2 − η 2 = 1 .Damit ergeben sich nach kurzem Umrechnen von Gl.(2.7) und unter Verwendung<strong>der</strong> Abkürzungen κ 2 = (m 5 ec 4 )/(2π 3 7 ) und für die Maximalenergie ɛ 0 = E 0 /m e c 2 =E max /m e c 2 die folgenden Darstellungen für die Form des <strong>β</strong>-Spektrums:N(η)dη = κ 2 |H fi | 2 η 2 (ɛ 0 − ɛ) 2 dη ,bzw. N(ɛ)dɛ = κ 2 |H fi | 2 ɛ η(ɛ 0 − ɛ) 2 dɛ . (2.9)Vor dem Vergleich mit dem Experiment müssen an <strong>der</strong> Spektralform noch Korrekturenvorgenommen werden. Bislang wurde nämlich die Coulomb-Wechselwirkung <strong>der</strong> Leptonenmit dem Kern nicht berücksichtigt. Sie bewirkt eine Beschleunigung <strong>der</strong> Positronenund eine Verzögerung <strong>der</strong> Elektronen. Um die Coulomb-Effekte zu kompensieren, wirdGl.(2.9) mit einem Faktor F (Z, ɛ) multipliziert. Die sog. Fermi-Funktion F (Z, ɛ) istabhängig von <strong>der</strong> Kernladungszahl des Tochterkerns 19 und <strong>der</strong> Energie des Elektrons.Sie kann für das jeweilige Z aus Tabellen entnommen werden.Damit erhält man schließlich Fermis Theorie für den <strong>β</strong>-Zerfall:N(η)dη = κ 2 |H fi | 2 F (Z, ɛ) η 2 (ɛ 0 − ɛ) 2 dη ,N(ɛ)dɛ = κ 2 |H fi | 2 F (Z, ɛ) ɛ η(ɛ 0 − ɛ) 2 dɛ . (2.10)Diese mathematische Beschreibung wird im Rahmen <strong>der</strong> Auswertung für die Approximation<strong>der</strong> gemessenen <strong>β</strong>-Spektren verwendet. Der Effekt des Coulombfelds ist in Abb.2.9 schematisch, stark übertrieben für Elektronen und Positronen dargestellt.19 denn es ist die Wirkung des Restkerns auf das emittierte Teilchen.21


2 Physikalische GrundlagenFormt man Gl.(2.10) zu√ N(ɛ)F (Z, ɛ) ɛ η = const · (ɛ 0 − ɛ) (2.11)um und trägt den Wurzelausdruck gegen ɛ auf, so erhält man, wenn alle Voraussetzungenrichtig waren, eine Gerade. Diese Darstellung, genannt Kurie-Plot, ist für die Analysevon <strong>β</strong>-Spektren sehr wichtig, da sich mit ihrer Hilfe die Maximalenergie ɛ 0 = E max /m e c 2sehr genau bestimmen lässt.Abb. 2.10.: Schematischer Kurie-Plot eines <strong>β</strong>-Spektrums. Der Schnittpunkt <strong>der</strong> Geraden mit <strong>der</strong>ɛ-Achse liefert die Maximalenergie ɛ 0 <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen.Wenn sich beim Zerfall eines Kerns mehrere <strong>β</strong>-Spektren unterschiedlicher Maximalenergieüberlagern, so beginnt man im Kurie-Plot mit <strong>der</strong> Analyse des Spektrumshöchster Energie. Anschließend wird das zum energiereichsten Spektrum gehörige Stücklinear extrapoliert und vom restlichen Bereich subtrahiert. Man kann so alle Spektrenvoneinan<strong>der</strong> trennen, siehe Abschn. 3.4.22


2.4. <strong>Messung</strong> ionisieren<strong>der</strong> Strahlung2.4 <strong>Messung</strong> ionisieren<strong>der</strong> StrahlungTeilchen und Strahlung werden nicht direkt, son<strong>der</strong>n erst über ihre Wechselwirkungmit <strong>der</strong> Detektormaterie nachgewiesen. Dabei können verschiedene Arten <strong>der</strong> Wechselwirkungstattfinden. Die von radioaktiven Nukliden emittierten geladenen Teilchensind in <strong>der</strong> Lage beim Durchgang durch Materie Atome o<strong>der</strong> Moleküle anzuregenund zu ionisieren. Die beim <strong>β</strong>-Zerfall entstehenden schnellen Elektronen bzw. Positronenbezeichnet man als direkt ionisierende Strahlung, da ihre kinetische Energieausreicht, um durch Stöße Ionen zu erzeugen [14]. Dieser Prozess führt in Gasen zurErzeugung beweglicher elektrischer Ladungsträger, die dann im Detektor elektrischeAusgangssignale erzeugen. Ein Teilchen mit einer kinetischen Energie im keV bisMeV-Bereich verliert bei <strong>der</strong> Ionisation eines Atoms o<strong>der</strong> Moleküls nur einen kleinenBruchteil seiner Energie. Der mittlere Energieverlust von <strong>β</strong> − -Teilchen liegt laut [23]bei 2, 5 keV/cm in Luft. Sie können daher bei ihrem Weg durch den Detektor vieleIonenpaare bilden.<strong>Das</strong> Geiger-Müller-ZählrohrFür Strahlung hat <strong>der</strong> Mensch kein Sinnesorgan, deshalb ist er darauf angewiesen, sieindirekt durch physikalische Effekte zu beobachten [24]. <strong>Das</strong> bekannteste und wohlverbreitetste Gerät zur <strong>Messung</strong> radioaktiver Strahlung ist das Geiger-Müller-Zählrohr.Bereits 1913 konstruierte <strong>der</strong> deutsche Physiker Hans Geiger ein Spitzenzählrohr undlegte damit die Grundlagen für das GM-Zählrohr, das er 1928 zusammen mit seinemDoktoranden Walther Müller entwickelte und veröffentlichte [25]. <strong>Das</strong> Geiger-Müller-Zählrohr, welches in diesem Versuch verwendet wird, ist ein bloßes Nachweisgerät, d.h. esregistriert die Zahl <strong>der</strong> pro Zeiteinheit eintreffenden Teilchen, ohne dabei ihre Energie zumessen. Es gehört zu <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Gasionisationsdetektoren.Abb. 2.11.: Foto eines Geiger-Müller-Zählrohrs.23


2 Physikalische GrundlagenMechanischer AufbauEin Zählrohr ist ein Kondensator, bestehend aus einem zylindrischen Metallgehäusevon einigen Zentimetern Durchmesser und einem dünnen Draht, <strong>der</strong> entlang <strong>der</strong> Achsedes Zylin<strong>der</strong>s und isoliert von <strong>der</strong> Außenwand angeordnet ist. Er wird über einen10 MΩ-Wi<strong>der</strong>stand nach außen geführt und mit dem positiven Pol <strong>der</strong> Spannungsquelleverbunden. Der negative Pol liegt am Gehäuse an. An <strong>der</strong> Stirnseite befindetsich ein extrem dünnwandiges Glimmerfenster, durch das die zu messende Strahlungeintritt. Im luftdicht abgeschlossenen Rohr befindet sich ein unter geringem Druck 20stehendes Gas (Neon-Argon-Halogen-Gemisch), das neben <strong>der</strong> Vervielfachung vonElektronen-Ionen-Paare auch für die Löschung von Nachentladungen verantwortlich ist.Abb. 2.12.: Schematische Darstellung eines Zählrohrs.WirkungsweiseZum Betrieb des Zählrohrs wird <strong>der</strong> Zähldraht gegen das geerdete Gehäuse mit etwa500 V Spannung positiv geladen. Die elektrische Feldstärke in einem solchen Zylin<strong>der</strong>kondensatorim Abstand r von Draht beträgt [27]⃗E(r) =Ur · ln(a/b) ˆ⃗r ,wobei a den Radius des zylindrischen Rohres und b den des dünnen Drahtes darstellt.Tritt ein geladenes, schnelles Teilchen in das Zählrohr ein, so wird das im Innerenbefindliche Gas durch Stöße längs <strong>der</strong> Teilchenbahn ionisiert. Die dabei freigesetztenElektronen werden aufgrund <strong>der</strong> elektrischen Feldkraft zum Zähldraht, wo dieelektrische Feldstärke am größten ist, beschleunigt. Sie gewinnen auf ihrem Weg zurElektrode genügend kinetische Energie um viele weitere Edelgasatome zu ionisieren.Die Zahl <strong>der</strong> Ladungsträger vermehrt sich in Drahtnähe lawinenartig. Es kommt zueiner Gasentladung, die sich längs des ganzen Drahtes ausbreitet. Die Ionisation wirddabei um einen Faktor von 10 8 bis 10 10 verstärkt [23].20 Der Druck des Gases beträgt in <strong>der</strong> Regel ca. 200 hPa [26]. Dadurch verlängert man bei vergleichsweiseniedriger Zählrohrspannung die mittlere freie Weglänge <strong>der</strong> Teilchen, so dass sie vor demStoß mit Gasatomen genügend beschleunigt werden, um die Mindestenergie für eine Stoßionisationin Form von kinetischer Energie aufzubauen.24


2.4 <strong>Messung</strong> ionisieren<strong>der</strong> StrahlungAbb. 2.13.: Prinzipschaltung eines Zählrohrs.Die gebildeten Elektronen werden wegen ihrer kleinen Masse und großen Mobilitätschnell zum positiven Draht hingezogen. Während die Elektronen laut [14] in etwa10 −8 s abgesaugt werden, baut sich um den Zähldraht eine schlauchförmige Raumladungswolkebestehend aus den trägen positiven Ionen auf, die „langsam“ (in etwa10 −4 s) zur negativ geladenen Zählrohrwand wan<strong>der</strong>t. Durch Influenz <strong>der</strong> Ionenbewegungentsteht ein Stromimpuls, <strong>der</strong> seinerseits an dem Hochohmwi<strong>der</strong>stand in einenSpannungsimpuls umgesetzt und über einen Entkopplungskondensator an einen Verstärkermit nachgeschaltetem Zähler übertragen wird. Dieser Ionenschlauch wirkt alsvirtuelle Anode, so dass das Gebiet um den Draht kurzzeitig feldfrei wird. Währenddieser sog. Totzeit kann vom Detektor kein neues Teilchen registriert werden. Bei einerschnellen Impulsfolge werden also grundsätzlich zu wenig Impulse gezählt.Geiger-Müller-Zählrohre arbeiten im sog. Auslösebereich (etwa 425 − 650 V ), da jedesin das Zählrohr eintreffende, ionisierende Teilchen stets einen gleich großen Entladungsstoßverursacht, unabhängig von <strong>der</strong> Primärladung. Eine Differenzierung von Energieund Strahlenart ist nicht mehr möglich. Die prinzipielle Schaltung für den Anschlussdes Zählrohrs an eine Zählapparatur ist in Abb. 2.13 dargestellt.ZählrohrcharakteristikFür die praktische Anwendung ist es erfor<strong>der</strong>lich, die Charakteristik eines Zählrohrszu kennen, denn die experimentell bestimmte Zählrate hängt von <strong>der</strong> gewähltenHochspannung ab. Die Charakteristik gibt bei konstanter Einstrahlung die Zählrate inAbhängigkeit <strong>der</strong> Zählrohrspannung an (Abb. 2.14). Erst ab einer Mindestspannungbeginnt das Zählrohr zu arbeiten. Davor ist die Zahl <strong>der</strong> Ladungsträger im Gas zu gering,25


2 Physikalische GrundlagenAbb. 2.14.: Charakteristik eines Geiger-Müller-Zählrohrs [23].um einen Stromimpuls abzugeben. Nach einem raschen Anstieg folgt <strong>der</strong> sog. Plateau-Bereich, für den die Rate weitgehend unabhängig von <strong>der</strong> eingestellten Hochspannungist. Um den Einfluss von Spannungsschwankungen auf das Zählergebnis zu unterbinden,wählt man den Arbeitspunkt für das Zählrohr in <strong>der</strong> Mitte dieses Plateaus. Eineweitere Spannungserhöhung über den Plateau-Bereich hinaus, führt aufgrund vonNachentladungen des Gases zur Dauerentladung und das Zählrohr „zündet“, wasletztlich eine Zerstörung bedeutet.26


3. <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Zur Erweiterung des Angebots an Versuchen des Demonstrationspraktikums für Lehramtsstudierendewurde eine neue Messapparatur für den Bereich Radioaktivität eingerichtet.In diesem Versuch werden die <strong>kontinuierlichen</strong> Spektren von <strong>β</strong>-Strahlernam Beispiel von 90 Sr und 22 Na aufgenommen und untersucht. Verwendet wird dabeiein <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>, das auf <strong>der</strong> Ablenkung geladener Teilchen im Magnetfeldberuht. Ziel ist es, neben <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> Energieverteilung, diefür den Zerfall charakteristische Maximalenergie E max und das Auflösungsvermögen<strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>anordnung zu ermitteln. Im Folgenden werden <strong>der</strong> Aufbau und dasphysikalische Prinzip <strong>der</strong> Messapparatur, sowie die Aufnahme und Auswertung <strong>der</strong>Spektren dargestellt.3.1. Grundsätzliches zum VersuchIm <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> werden <strong>β</strong>-Teilchen nach ihrer Energie selektiert und anschließendmit einem darin positionierten GM-Zählrohr gezählt. Die Selektierung erfolgtdurch ein Blendensystem, das senkrecht von einem homogenen Magnetfeld durchsetztwird und den einfallenden Teilchen eine feste Kreisbahn vorgibt. Da eine eindeutigeBeziehung zwischen Magnetfeldstärke B und dem Impuls p <strong>der</strong> Elektronen bzw.Positronen auf dieser Kreisbahn besteht, lassen sich Aussagen über <strong>der</strong>en Energiemachen.3.1.1. VersuchsaufbauDie Blendenkammer<strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> besteht im Wesentlichen aus einem flachen, dickwandigen Hohlzylin<strong>der</strong>,welcher an Grund- und Deckfläche durch zwei plane Polschuhe verschlossen ist.In <strong>der</strong> nicht magnetisierbaren Wand <strong>der</strong> Kammer befinden sich drei Öffnungen, wovonzwei in einem bestimmten Winkel zueinan<strong>der</strong> ausgerichtet sind und auf einem Kreisbogenmit mittlerem Radius r = 5 cm liegen. Eine <strong>der</strong> Bohrungen ist für das radioaktivePräparat vorgesehen, die an<strong>der</strong>e bildet die Halterung für den Teilchendetektor. Derdritte Durchbruch dient <strong>der</strong> Hallsonde zur Bestimmung <strong>der</strong> magnetischen Flussdichteim Inneren.27


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>(a)(b)Abb. 3.1.: (a) Schematische Darstellung <strong>der</strong> Blendenkammer. (1) nicht magnetisierbare Wand;(2) Präparathalterung mit (3) Eintrittsblende; (4) Magnetfeldsondendurchführung; (5)Zählrohrhalterung mit (6) Austrittsblende [29]. (b) Foto <strong>der</strong> Kammer ohne Deckel.Auf dem Kammerboden ist ein Blendensystem installiert, das aus halbkreisförmigenBleistreifen besteht. Es „blendet“ diejenigen <strong>β</strong>-Teilchen aus, die von <strong>der</strong> vorgegebenenKreisbahn abweichen. Außerdem befinden sich in <strong>der</strong> Eintritts- und Austrittsbohrung<strong>der</strong> Kammer zwei weitere, kleine Blenden, um Streueffekte bei <strong>der</strong> Detektion zuverringern. In Abb. 3.1 wird <strong>der</strong> beschriebene Aufbau und das Blendensystem <strong>der</strong>Kammer schematisch dargestellt.Der Aufbau-Elektromagnet - Erzeugung des Magnetfelds<strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> wird senkrecht von einem homogenen Magnetfeld durchsetzt,welches durch einen Aufbau-Elektromagneten erzeugt wird.Abb. 3.2.: Foto des Aufbau-Elektromagneten mit Blendenkammer, Präparat und Zählrohr.28


3.1 Grundsätzliches zum VersuchDazu versieht man einen Schenkel eines U-förmigen Eisenkerns mit einer fel<strong>der</strong>zeugendenSpule (600 Windungen) und steckt darüber die Blendenkammer. Auf den an<strong>der</strong>enSchenkel des U-Kerns wird ein run<strong>der</strong> Eisenkern aufgebracht, <strong>der</strong> die gleiche Höhe wiedie Ablenkkammer besitzt und als Distanzstück dient. <strong>Das</strong> Joch, ein stabförmiger Eisenkern,wird oben aufgelegt und mit einer zugehörigen Spannvorrichtung fixiert. Durch dengeschlossenen Eisenkern wird das Spulenmagnetfeld optimal verstärkt. Als Spannungsquelledient ein universelles DC-Netzgerät mit digitaler Anzeige.Die Hallsonde - MagnetfeldmessungFür die <strong>Messung</strong> <strong>der</strong> magnetischen Flussdichte im Inneren <strong>der</strong> Ablenkkammer verwendetman eine tangentiale Hallsonde in Verbindung mit einem Mikrovoltmeter. Sie misstFel<strong>der</strong>, die senkrecht zum Sondenträger orientiert sind und eignet sich wegen ihresextrem schmalen und flexiblen Aufbaus speziell zur <strong>Messung</strong> von Magnetfel<strong>der</strong>n inengen Spalten. Die Hallsonde besteht aus einem dünnen Streifen des HalbleitermaterialsIndium-Arsenid (InAs). Wird <strong>der</strong> Streifen <strong>der</strong> Dicke d in <strong>der</strong> Längsrichtung voneinem Steuerstrom I S durchflossen und zusätzlich senkrecht von einem Magnetfeld<strong>der</strong> Flussdichte B durchsetzt, so entsteht durch die auf die Elektronen wirkendeLorentzkraft eine Spannung U H , die abgegriffen werden kann. Unter Verwendung <strong>der</strong>Konstanten R H , welche vom jeweiligen Probenmaterial abhängig ist, ergibt sich für diesog. Hallspannung 1 :U H = R HI Sd· B . (3.1)Dieser Zusammenhang ermöglicht die <strong>Messung</strong> des Magnetfelds über eine Spannungsmessung.Die Proportionalitätskonstante c = R H I S /d zwischen U H und B wird imVorhinein durch Eichung <strong>der</strong> Hallsonde bestimmt, siehe Abschn. 3.2.1. Die Sonde wirdvorsichtig so weit wie möglich in die vorgesehene Bohrung eingeschoben. Dabei gilt esdarauf zu achten, dass die Sondenfläche parallel zu den Polschuhen des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>sausgerichtet ist. Um Beschädigungen <strong>der</strong> äußerst empfindlichen Sonde zu vermeiden,wird sie in dieser Stellung mit Hilfe von Stativmaterial am Plastik-Griff eingespannt.Abb. 3.3.: Foto <strong>der</strong> flexiblen Hallsonde.1 Eine Herleitung findet man in den meisten Physik-Lehrbüchern, z.B. [17].29


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong><strong>Das</strong> Geiger-Müller-ZählrohrUm die Anzahl <strong>der</strong> Impulse pro Zeiteinheit zu registrieren, verwendet man ein GM-Zählrohr in Verbindung mit einem Digitalzähler. Zum Anschluss des Zählrohrs ist eineBNC-Buchse am Gerät über ein BNC-Kabel vorgesehen. An <strong>der</strong> Buchse liegt die zumBetrieb erfor<strong>der</strong>liche Gleichspannung von 500 V an. Dieser Arbeitspunkt ist bereits festeingestellt, so dass das Zählrohr im Auslösebereich arbeitet. Am Digitalzähler kannmit einem Stufenschalter die Messzeit gewählt werden. Nachdem <strong>der</strong> Zählvorgang mitSTART/STOP gestartet wurde, endet die <strong>Messung</strong> nach Ablauf <strong>der</strong> ausgewähltenMesszeit. Beim Einsetzen des Zählrohrs, sowie <strong>der</strong> radioaktiven Präparate in die entsprechendenBohrungen <strong>der</strong> Blendenkammer ist keinerlei Justierung erfor<strong>der</strong>lich.In Abb. 3.4 ist <strong>der</strong> fertige Aufbau des Versuchs mit allen verwendeten Geräten dargestellt.Die Geräte, bis auf das Netzgerät, Mikrovoltmeter und Hallsonde (Firma ELWELehrgerätebau GmbH Klingenthal) wurden über die Firma PHYWE Systeme GmbH& Co. KG Göttingen erworben.Abb. 3.4.: Foto <strong>der</strong> Versuchsanordnung zur <strong>β</strong>-Spektroskopie. Die Blendenkammer ist in <strong>der</strong> Mitteals schwarzer Flachzylin<strong>der</strong> zu sehen. In ihren Bohrungen befinden sich das radioaktivePräparat (blauer „Stift“), das Zählrohr mit Digitalzähler (rechts) und die Hallsonde(hinten) in Verbindung mit dem Mikrovoltmeter.30


3.1 Grundsätzliches zum Versuch3.1.2. Die radioaktiven PräparateFür die Aufnahme <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> <strong>β</strong>-Spektren werden die Präparate Strontium-90 (<strong>β</strong> − -Strahler) und Natrium-22 (<strong>β</strong> + -Strahler) verwendet. Beide Quellen besitzeneine Aktivität von 74 kBq und sind nach <strong>der</strong> aktuellen Strahlenschutzverordnungbauartzugelassen.Abb. 3.5.: Zerfallsschemata von 90 Sr und 22 Na. Die Zahlenwerte wurden aus [23] entnommen.Strontium-90Als Beispiel für einen <strong>β</strong> − -Zerfall wurde das langlebige Isotop 90 Sr ausgewählt. Eszerfällt mit einer Halbwertszeit von 28,7 Jahren zu Yttrium 90 Y, welches sich ebenfallsüber einen <strong>β</strong> − -Zerfall mit einer Halbwertszeit von 64,1 Stunden in das stabile NuklidZirconium 90 Zr umwandelt. Es entsteht ein überlagertes Mischspektrum, bei dem das<strong>β</strong>-strahlende 90 Sr durch das 90 Y, dessen Zerfallsenergie ca. viermal so hoch ist, verstärktwird. Die wahrscheinlichste Energie E w enthält somit keine gehaltvolle Information.Die emittierten Elektronen von 90 Sr besitzen eine maximale Energie E max von 546 keV,wohingegen die schnellsten Elektronen von 90 Y eine Energie von 2282 keV aufweisen.Natrium-22<strong>Das</strong> Isotop 22 Na zerfällt mit einer Wahrscheinlichkeit von nahezu 100% durch <strong>β</strong>-Umwandlung in den angeregten Kernzustand von Neon 22 Ne ∗ . Die Halbwertszeit <strong>der</strong>Umwandlung beträgt 2,6 Jahre. Dabei tritt <strong>der</strong> zu untersuchende <strong>β</strong> + -Zerfall mit einerWahrscheinlichkeit von 90,49% auf, wobei die emittierten Positronen eine maximaleEnergie von 546 keV besitzen. Mit einem Prozentsatz von 9,46% wandelt sich 22 Naunter Elektroneneinfang um, wobei dieser Prozess nicht registriert wird. Der angeregteZustand 22 Ne ∗ geht durch Emission eines γ-Quants <strong>der</strong> Energie 1275 keV in den stabilenGrundzustand über.31


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>3.1.3. Physikalisches Prinzip <strong>der</strong> <strong>Messung</strong>Bei einem magnetischen <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> werden die von <strong>der</strong> Quelle emittierten Elektronenbzw. Positronen durch ein Magnetfeld <strong>der</strong> Stärke B abgelenkt. <strong>Das</strong> Zählrohrregistriert nur solche <strong>β</strong>-Teilchen, die den fest vorgegebenen Kreis mit Radius r desBlendensystems durchlaufen haben. Da ein eindeutiger Zusammenhang zwischen <strong>der</strong>kinetischen Energie E kin <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen und dem Produkt B r besteht, werden die <strong>β</strong>-Teilchen durch Än<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> magnetischen Flussdichte B nach ihrer Energie selektiert.Die aus Elektronen bzw. Positronen bestehende <strong>β</strong>-Strahlung besitzt Energien im MeV-Bereich. Bei so hohen Energien muss die Rechnung bezüglich <strong>der</strong> Geschwindigkeit <strong>der</strong>Teilchen relativistisch durchgeführt werden, siehe dazu Abschn. 3.1.4. Bezeichnet manmit m 0 die Ruhemasse, so lauten die grundlegenden Gleichungen Einsteins für denImpuls ⃗p und die Energie E eines Teilchens:⃗p =m 0⃗v√1 − v2c 2 ,E = m 0c 2√ .1 − v2c 2Daraus erhält man die relativistische Energie-Impuls-Beziehung:E 2 = ⃗p 2 c 2 + m 2 0 c 4 . (3.2)Berücksichtigt man, dass sich die Gesamtenergie E eines Teilchens aus <strong>der</strong> Summevon kinetischer Energie E kin und Ruheenergie m 0 c 2 zusammensetzt, so kann Gl.(3.2)bezüglich <strong>der</strong> kinetischen Energie aufgelöst werden:E = E kin + m 0 c 2√⇒ E kin = ⃗p 2 c 2 + m 2 0 c 4 − m 0 c 2 . (3.3)Befindet sich nun ein Teilchen <strong>der</strong> Ladung e innerhalb eines homogenen Magnetfelds ⃗ B,so wirkt die Lorentzkraft ⃗ F L = e (⃗v× ⃗ B) auf die bewegte Ladung und zwingt das Teilchenauf eine Kreisbahn. Auf dieser Kreisbahn sind Lorentzkraft und Zentripetalkraft imGleichgewicht. Da sich das <strong>β</strong>-Teilchen immer senkrecht zum Magnetfeld bewegt, kanndie vektorielle Betrachtung auf eine skalare reduziert werden:| ⃗ F L | = | ⃗ F Z | ,e vB = mv2r.Hieraus folgt für den Impulsbetrag des <strong>β</strong>-Teilchens auf <strong>der</strong> Kreisbahnp = mv = eB r , (3.4)32


3.1 Grundsätzliches zum VersuchAbb. 3.6.: Ablenkung von <strong>β</strong>-Teilchen unterschiedlicher kinetischer Energie im Magnetfeld ⃗ B.Die Feldlinien verlaufen senkrecht in die Zeichenebene hinein.√wobei m = m e / 1 − v 2 /c 2 die relativistische Masse des Elektrons bzw. Positrons meint.Bei konstantem Magnetfeld ist demnach <strong>der</strong> Impuls <strong>der</strong> Teilchen proportional zumKrümmungsradius, d.h. Teilchen mit unterschiedlicher kinetischer Energie beschreibenKreisbahnen mit unterschiedlichen Radien (Abb. 3.6).Setzt man Gl.(3.4) in (3.3) ein, so erhält man die kinetische Energie des <strong>β</strong>-Teilchens inAbhängigkeit vom Bahnradius und von <strong>der</strong> magnetischen Flussdichte:E kin =√(eB rc) 2 + m 2 e c 4 − m e c 2 , (3.5)wobei m 0 = m e = 511 keV/c 2 die Ruhemasse <strong>der</strong> Elektronen bzw. Positronen undr = 5 cm den fest vorgegebenen Kreisradius darstellt. Dies ist <strong>der</strong> gesuchte Zusammenhang,<strong>der</strong> die Transformation <strong>der</strong> magnetischen Flussdichte B in die kinetische EnergieE kin <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen ermöglicht.Bei <strong>Spektrometer</strong>n mit fester Geometrie gibt das System <strong>der</strong> Blenden einen festenRadius vor, d.h. bei jeweils eingestellter Flussdichte B können nur Teilchen einesengen Impulsintervalls ∆p mit mittlerem Impuls p den Detektor erreichen. DurchVerän<strong>der</strong>n des Magnetfelds können Impulse verschiedener Impulsintervalle ausgewähltund die Zählrate in Abhängigkeit vom selektierten mittleren Impuls gemessen werden.Der Teilchenimpuls ist also die „natürliche“ Messgröße des <strong>Spektrometer</strong>s. Um dasEnergiespektrum aus dem gemessenen Impulsspektrum zu erhalten, muss man denImpuls p und die Verteilung entsprechend transformieren.33


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>3.1.4. Energierechnung: Klassisch vs. relativistischMit diesem Einschub möchte ich kurz auf die Notwendigkeit <strong>der</strong> relativistischen Rechnungeingehen.Wählt man einen klassischen Ansatz für die kinetische Energie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen, sofolgt mit <strong>der</strong> Impulsbeziehung aus Gl.(3.4):E kin,klass = 1 2· (eB r)2m e.Setzt man nun die klassische und relativistische Energie aus Gl.(3.5) ins Verhältnis,so wird deutlich, ab welchem Wert <strong>der</strong> magnetischen Flussdichte B eine klassischeRechnung fehlerhaft wird.Der Quotient <strong>der</strong> Energien wird durch die Einführung einer neuen Konstanten ϕ =2( mece r )2 wesentlich übersichtlicher und man erhält nach kurzer Rechnung:E kin,rel= 1 (√)E kin,klass B · 2ϕ · B 2 + ϕ 2 − ϕ2. (3.6)Für kleine Flussdichten B kann man die Wurzel in einer Taylor-Reihe darstellen.Man erhält mit Hilfe <strong>der</strong> binomischen Reihe 2 als lineare Näherung:√2ϕ · B 2 + ϕ 2 = ϕ ·√1 + 2B 2 /ϕ ≈ ϕ · (1 + B2ϕ ) .Eingesetzt in (3.6) ergibt sich das erwartete Ergebnis für kleine B:E kin,rel≈ 1 ()ϕ · (1 + B2E kin,klass B 2 ϕ ) − ϕ= 1 .Bei geringen Flussdichten und damit bei geringeren Energien existiert kein merklicherUnterschied zwischen <strong>der</strong> relativistischen und klassischen Energie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen. Diesän<strong>der</strong>t sich aber mit wachsendem B, weil die klassische Energie um viele Ordnungengrößer als die relativistische Energie ist.Im Experiment wird mit Flussdichten bis zu 200 mT gearbeitet. Abb. 3.7(a) zeigt, wiesich <strong>der</strong> Quotient aus Gl.(3.6) in Abhängigkeit <strong>der</strong> Flussdichte im Intervall von 0 bis 1 Tentwickelt. In Abb. 3.7(b) wird <strong>der</strong> damit verbundene relative Fehler δ für den Bereich2 Binomische Reihe: Für |x|


3.1 Grundsätzliches zum Versuch(a)(b)Abb. 3.7.: Beziehung zwischen relativistischer und klassischer Energie in Abhängigkeit von B.von 0 bis 1 T grafisch dargestellt. Der relative Fehler δ, <strong>der</strong> bei einer nichtrelativistischenEnergierechnung auftreten würde, berechnet sich zu:δ = |E kin,rel − E kin,klass |E kin,klass.Aus dem Kurvenverlauf geht hervor, dass δ bereits bei 100 mT ca. 50 % und bei 200 mTca. 70 % betragen würde. Für die exakte Bestimmung <strong>der</strong> Energien <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen istdaher eine relativistische Rechnung unbedingt erfor<strong>der</strong>lich.35


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>3.2. Vorbereitende <strong>Messung</strong>enDie <strong>Messung</strong> des Magnetfelds innerhalb des <strong>Spektrometer</strong>s beruht auf <strong>der</strong> <strong>Messung</strong><strong>der</strong> Hallspannung U H . <strong>Das</strong> Mikrovoltmeter, an welches die Hallsonde angeschlossenist, liefert demnach zunächst einen zum Magnetfeld proportionalen Spannungswert.Laut technischem Datenblatt [30] beträgt die Proportionalitätskonstante zwischenHallspannung und magnetischer Flussdichte k = 1 V/T. Diese Eichung wird in einemersten Arbeitsschritt überprüft. Als zweite Vorbereitung wird die Totzeit des Zählrohrsermittelt, um die Zählraten gegebenenfalls vor <strong>der</strong> Auswertung korrigieren zukönnen.3.2.1. Eichung <strong>der</strong> HallsondeUm den Faktor k zwischen U H und B experimentell zu bestimmen, werden <strong>Messung</strong>enmit einem Magnetfeld bekannter Stärke durchgeführt. Dafür bietet sich das homogeneMagnetfeld innerhalb einer langen Spule an. Für den Betrag <strong>der</strong> magnetischen Flussdichteinnerhalb einer Spule und dem Erregerstrom I Err , gilt [27]B = µ 0 · nl · I Err , (3.7)wobei n/l die Windungszahl pro Meter und µ 0 die magnetische Feldkonstante desVakuums darstellt, mit [13]µ 0 = 4π · 10 −7 V sAm .<strong>Das</strong> Demonstrationspraktikum verfügt über eine hochohmige Zylin<strong>der</strong>spule, die aus zweizusammenkoppelbaren Hälften besteht. Werden diese hintereinan<strong>der</strong> geschaltet, so addiertsich die Windungszahl und man erhält insgesamt n = 16 000 Windungen bei einerGesamtlänge von l = 48, 8 cm. Als Spannungsquelle dient ein 300 V-Röhrennetzgerät.Die Spule weist in <strong>der</strong> Mitte einen Spalt auf, durch den die Hallsonde bis zur Spulenachseeingeführt werden kann (Abb. 3.8). Stellt man die Proportionalität zwischenHallspannung U H und <strong>der</strong> Magnetfeldstärke B durch den Faktor k dar, so ergibt sichmit Gl.(3.7) die Beziehung:U H = k · B = k · µ 0 · nl · I Err .Auflösen nach I Err liefert den linearen ZusammenhangI Err = b · U H mit b =1k · µ 0 · nlaus dessen Steigung b man den gesuchten Faktor k ermitteln kann., (3.8)36


3.2 Vorbereitende <strong>Messung</strong>enAbb. 3.8.: Foto <strong>der</strong> Versuchsanordnung zur Eichung <strong>der</strong> Hallsonde.Abb. 3.9.: Ermittlung <strong>der</strong> Eich-Proportionalitätskonstanten durch lineare Regression.37


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>In Abb. 3.9 wurde <strong>der</strong> Spulenstrom I Err in Abhängigkeit <strong>der</strong> Hallspannung U H aufgetragen.Der Fehler auf I Err , welcher auf <strong>der</strong> Ungenauigkeit des Strommessgeräts 3beruht, berechnete sich über s I = 0, 3 % des Messwerts + 0, 02 mA. Sie sind kleinerals eine Punktgröße und daher in Abb. 3.9 nicht erkennbar. Die Ausgleichsgeradey = a + bx wurde mittels gewichteter linearer Regression bestimmt. DieseMethode zur Bestimmumg einer optimalen Fitgerade beruht auf Minimierung <strong>der</strong>Größe χ 2 , mit:χ 2 ≡ ∑ ( ) 2∆y i= ∑ [ ]1(yσ i σi2 i − a − bx i ) 2. (3.9)Sie gibt die gewichtete Summe <strong>der</strong> Quadrate <strong>der</strong> Abweichung <strong>der</strong> Messwerte (x i , y i ) vonihrem durch die Ausgleichsgerade zu liefernden Ersatzwert an. Durch die For<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> Minimierung von χ 2 , erhält man nach partiellem Differenzieren die gesuchtenParameter a und b, siehe [32].Aus Abb. 3.9 geht nicht hervor, ob eine Systematik bei <strong>der</strong> Streuung <strong>der</strong> Messwertevorliegt, da die Datenpunkte zu dicht an <strong>der</strong> Fitgeraden liegen. Um dies zu überprüfen,betrachtet man die Differenz ∆I aus <strong>der</strong> gemessenen Stromstärke I Err und <strong>der</strong> überden Fit ermittelten Stromstärke I F it = a + b · U H in Abhängigkeit <strong>der</strong> HallspannungU H , mit:∆I = I Err − I F it und s ∆I =√s 2 I,Err + s 2 I,F it .Bei <strong>der</strong> Berechnung des Fehlers s I,F it ist zu beachten, dass die Fitparameter a und b<strong>der</strong> Geraden korreliert sind. Folglich berechnet sich <strong>der</strong> Fehler über die generalisierteGaußsche Fortpflanzung 4 , mits I,F it =√s 2 a + s 2 b U 2 H + 2ρ ab s a s b U Hwobei s a , s b die Standardabweichung und ρ ab den über den Fit ermittelten Korrelationskoeffizienten<strong>der</strong> Parameter a und b darstellt. Die Werte sind <strong>der</strong> Fittabelleaus Abb. 3.9 zu entnehmen. Anhand <strong>der</strong> aufgetragenen Werte ∆I wird deutlich, dasssich eine natürliche Streuung um ∆I = 0 ergibt und demnach keine Systematik vorliegt.Die gesuchte Proportionalitätskonstante k kann nun über Gl.(3.8) aus <strong>der</strong> ermitteltenSteigung b <strong>der</strong> Ausgleichsgeraden berechnet werden. Mitb = (24, 30 ± 0, 03) A/V ,3 Die Gerätebeschreibung [31] des verwendeten Multimeters gibt für jeden Messbereich eine Genauigkeitdes angezeigten Messwerts an. Bei <strong>der</strong> <strong>Messung</strong> wurde im 500 mA-Bereich gemessen.4 Bei <strong>der</strong> generalisierten Gaußschen Fehlerfortpflanzung wird die Korrelation <strong>der</strong> Messwerte in einemzusätzlichen Term berücksichtigt. Eine ausführliche Darstellung zur Ermittlung <strong>der</strong> Korrelationsmatrixfindet man u.a. in [32].38


3.2 Vorbereitende <strong>Messung</strong>enAbb. 3.10.: Darstellung <strong>der</strong> Differenz ∆I aus gemessener und über den Fit berechneter Stromstärkein Abhängigkeit <strong>der</strong> Hallspannung U H .und den entsprechenden technischen Daten <strong>der</strong> Zylin<strong>der</strong>spule erhält man für die Proportionalitätzwischen Hallspannung und magnetischer Flussdichte den Wertk = (0, 999 ± 0, 002) V/T ,dessen Fehler s k mit Hilfe <strong>der</strong> Gaußschen Fehlerfortpflanzung berechnet wurde:s k = k ·√ (sbb) 2 ( ) sl 2+ .lDamit wird <strong>der</strong> vorhergesagte Faktor k = 1 V/T innerhalb <strong>der</strong> Fehlergrenzen bestätigt.Aus hauptsächlich praktischen Gründen wird im weiteren Verlauf mit k ≡ 1 V/T gearbeitet.Die minimale Abweichung spielt bei <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> Spektren, bei <strong>der</strong> weitausgrößere Fehler auftreten, keine Rolle und ist demnach zu vernachlässigen. Der vomMikrovoltmeter angezeigte mV-Spannungswert kann also direkt als Betrag <strong>der</strong> magnetischenFlussdichte in mT aufgefasst werden. Bisher noch nicht angesprochen wurde <strong>der</strong>positive Achsenabschnitt a <strong>der</strong> Eichgeraden. Da er für die Ermittlung <strong>der</strong> Steigung und<strong>der</strong> Konstanten k irrelevant ist, wird er hier nicht weiter diskutiert.39


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>3.2.2. Bestimmung <strong>der</strong> Totzeit des ZählrohrsVerwendete Bezeichnungen:n wahre Zählrate, d.h. Anzahl <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Quelle emittierten Teilchen pro sn ′ gemessene Zählrate, d.h Anzahl <strong>der</strong> tatsächlich detektierten Teilchen pro s1 Index für Zählraten bei Verwendung von Quelle 1 ( 90 Sr)2 Index für Zählraten bei Verwendung von Quelle 2 ( 22 Na)1+2 Index für Zählraten bei Verwendung bei<strong>der</strong> QuellenAus ersten Testmessungen mit dem <strong>Spektrometer</strong> konnte neben dem groben Verlauf<strong>der</strong> Verteilungen, die maximal auftretenden Zählraten für 90 Sr zu n ′ ≈ 33 s −1 und für22 Na zu n ′ ≈ 26 s −1 ermittelt werden, siehe Abschn. 3.3.1. Es wäre nun möglich, dasssich bei diesen höheren Zählraten <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> Totzeit des Zählrohrs bemerkbarmacht. Nach Auslösung eines Zählimpulses ist die Anordnung während <strong>der</strong> Totzeitfür die Registrierung weiterer ionisieren<strong>der</strong> Teilchen gesperrt. Demnach werden beieiner schnellen Impulsfolge grundsätzlich zu wenig Impulse gezählt. Dies gilt es vorden Hauptmessungen und <strong>der</strong> Auswertung zu überprüfen, da ansonsten alle Zählratenentsprechend <strong>der</strong> Zeit t tot korrigiert werden müssen. Die folgende Herleitung ist an [33],Kapitel 47.5 angelehnt.Werden vom Zählrohr n ′ Teilchen pro Sekunde registriert, so war das Zählrohr nach <strong>der</strong>Definition <strong>der</strong> Totzeit während des Bruchteils n ′ t tot <strong>der</strong> Zeit unempfindlich. Erreichtenaber insgesamt n ionisierende Teilchen pro Sekunde den Detektor, so wurden davonn(n ′ t tot ) Teilchen nicht registriert. Hieraus ergibt sichn ′ = n − n(n ′ t tot ) = n(1 − n ′ t tot ) ,o<strong>der</strong> durch Auflösen nach <strong>der</strong> wahren Zählraten =n ′für≈1 − n ′ t totn ′ t tot ≪ 1n ′ (1 + n ′ t tot ) . (3.10)Über diesen Zusammenhang lässt sich die Totzeit t tot bestimmen, indem man zweiradioaktive Quellen gleicher Aktivität zunächst einzeln und dann zusammen vor dasZählrohr bringt, siehe Abb. 3.11. Dazu legt man Quelle 1 in einem festem Abstand alinks vor das Zählrohr und misst die Zählrate n ′ 1. Nach Entfernen von Quelle 1, misstman analog die Zählrate n ′ 2 für Quelle 2, die mit gleichem Abstand rechts vor dasZählrohr positioniert wird. Nun bringt man beide Quellen vor das Zählrohr, jeweilsmit ursprünglicher Position und demselben Abstand a und misst die Zählrate n ′ 1+2.Für die wahren Zählraten gilt die Gleichheitn 1 + n 2 = n 1+2 , (3.11)40


3.2 Vorbereitende <strong>Messung</strong>enAbb. 3.11.: Foto <strong>der</strong> Versuchsanordnung zur Bestimmung <strong>der</strong> Totzeit des Zählrohrs mit 22 Naund 90 Sr. Die radioaktiven Präparate sind als blaue „Stifte“ (links) zu erkennen. ImHintergrund stehen ihre Schutzbehälter zur sicheren Aufbewahrung.für die gemessenen Zählraten wird dagegen aufgrund <strong>der</strong> Totzeit n ′ 1 + n ′ 2 > n ′ 1+2 sein.Setzt man die Näherung aus Gl.(3.10) für die wahren Zählraten in Gl.(3.11) ein, soerhält mann ′ 1(1 + n ′ 1t tot ) + n ′ 2(1 + n ′ 2t tot ) ≈ n ′ 1+2(1 + n ′ 1+2t tot ) ,woraus sich ein Term für die Totzeit in Abhängigkeit <strong>der</strong> gemessenen Raten ergibt:t tot ≈ n′ 1 + n ′ 2 − n ′ 1+2n ′21+2 − n ′21 − n ′22. (3.12)Um zu überprüfen, ob die Totzeit speziell bei <strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>messung eine Rollespielt, wurde <strong>der</strong> Versuch für verschiedene Abstände a durchgeführt. Der Abstandzwischen den Quellen und dem Zählrohr sollte jedoch so gewählt werden, dass n ′ 1+2den maximalen Zählraten <strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>anordnung entspricht. Durch Ausprobierenfand sich bei einem Abstand von 13 cm eine mittlere Zählrate von ¯n ′ 1+2 ≈ 33 s −1 .Dieser Wert entspricht <strong>der</strong> maximalen Rate des 90 Sr-Spektrums und konnte daher zurBestimmung <strong>der</strong> Totzeit verwendet werden. Die durch Mehrfachmessungen ermitteltenZählraten, sowie die daraus bestimmten Mittelwerte sind in Tab. 3.1 dargestellt. IhreFehler berechnen sich über die Gaußsche Fehlerfortpflanzung, siehe dazu Abschn. 3.3.1.41


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Tab. 3.1.: Darstellung <strong>der</strong> gemessenen Zählraten n ′ 1 für Quelle 1, n ′ 2 für Quelle 2 und n ′ 1+2 für beideQuellen jeweils in s −1 . Die Berechnung <strong>der</strong> Zählraten n ′ erfolgt über die Division <strong>der</strong>Anzahl <strong>der</strong> registrierten Ereignisse durch die Messzeit von 60 s. Jede <strong>Messung</strong> wurde beieinem Abstand von a = 13 cm viermal wie<strong>der</strong>holt.<strong>Messung</strong> n ′ 1 n ′ 2 n ′ 1+2 n ′ 1 + n ′ 21 20,7 10,6 32,8 31,32 21,3 11,0 31,0 32,33 21,3 11,2 33,2 32,54 20,8 11,8 33,5 32,6Mittelwert 21, 0 11, 2 32, 6 32, 2± Fehler 0,3 0,2 0,4 0,4Da bei <strong>der</strong> Anordnung mit einer einzelnen Quelle die Nullrate 5 jeweils mitgezählt wird,muss diese bei <strong>der</strong> <strong>Messung</strong> mit beiden Quellen einmal dazuaddiert werden. Der Wertn ′ 1+2 stellt bereits den entsprechend korrigierten Wert dar.Verwendet man die gefundene Beziehung (3.12), so ergibt sich durch Einsetzen <strong>der</strong> tabelliertenWerte und Fehlerfortpflanzung für die Totzeit des Zählrohrs:t tot = (−1 ± 1) ms .<strong>Das</strong> mit Null verträgliche Ergebnis lässt darauf schließen, dass die Totzeit des Zählrohrsdie <strong>Messung</strong> <strong>der</strong> Spektren-Aufnahme nicht beeinflusst, was auch durch direktenVergleich <strong>der</strong> Mittelwerte von n ′ 1+2 und n ′ 1 + n ′ 2 deutlich wird (Tab. 3.1, vierte undfünfte Spalte). Es gilt n ′ 1+2 = n ′ 1 + n ′ 2 innerhalb <strong>der</strong> Fehlergrenzen, d.h. die gemessenenZählraten stimmen innerhalb ihrer statistischen Ungenauigkeit mit den wahren Zählratenüberein. Eine Korrektur entsprechend <strong>der</strong> Totzeit ist demnach nicht erfor<strong>der</strong>lich.Der Vollständigkeit halber wird die Berechnung des Fehlers s ttot <strong>der</strong> Totzeit hier aufgeführt,da sie ohne die folgende Näherung nur mit großem Aufwand zu bewältigen ist.Unter <strong>der</strong> oben bereits verwendeten Voraussetzung nt tot ≪ 1 ist|n ′21+2 − (n ′ 1 + n ′ 2) 2 | ≪ 2n ′ 1n ′ 2 .Dadurch erhält man einen für die Fehlerfortpflanzung vereinfachten Ausdruck fürund berechnet s ttot über)√2√(∂ttots ttot =s 2∂n ′ n+ ′11t tot ≈ n′ 1 + n ′ 2 − n ′ 1+22n ′ 1n ′ 2(∂ttot) 2s 2∂n ′ n+ ′22(∂ttot∂n ′ 1+2) 2s 2 n ′ 1+2(3.13). (3.14)5 Auch ohne Anwesenheit eines radioaktiven Präparats reagiert ein Zählrohr aufgrund kosmischero<strong>der</strong> terristischer Umgebungsstrahlung.42


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Spektren3.3. Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-SpektrenWie in Abschn. 3.1.1 beschrieben, wird das <strong>Spektrometer</strong> aufgebaut und mit denentsprechenden Geräten verkabelt. Bevor die Hallsonde am vorgesehenen Messort positioniertwird, muss zunächst <strong>der</strong> angezeigte Offset korrigiert werden. Hierfür steht ein„DC-Offset“-Drehknopf am Mikrovoltmeter zur Verfügung, um das Erdmagnetfeld o<strong>der</strong>eventuelle Störungen zu regulieren. Ist die digitale Anzeige auf Null gestellt, so wirddie mit Stativmaterial befestigte Sonde vorsichtig in die entsprechende Bohrung des<strong>Spektrometer</strong>s eingeführt. Dabei hilft es, den Deckel <strong>der</strong> Blendenkammer abzunehmen,um zu überprüfen, ob <strong>der</strong> Hallsensor parallel zum Kammerboden ausgerichtet ist.Beim Wie<strong>der</strong>anbringen des Deckels und Festklemmen <strong>der</strong> Eisenkerne ist darauf zuachten, dass die Hallsonde ihre Position nicht mehr verän<strong>der</strong>t. Trotz abgeschaltetemSpulenstrom liefert die Sonde dann bereits einen kleinen Spannungswert, <strong>der</strong> auf eineRestmagnetisierung <strong>der</strong> Eisenkerne zurückzuführen ist.Durch Verän<strong>der</strong>n des Spulenstroms wird das Magnetfeld schrittweise variiert unddie jeweils zugehörigen Zählraten gemessen. Um das komplette Spektrum aufzulösen,wird die magnetische Flussdichte im Inneren des <strong>Spektrometer</strong>s von 0 bis 200 mTdurchlaufen. Höhere Magnetfeldstärken können zum einen vom Mikrovoltmeter nichtangezeigt werden, zum an<strong>der</strong>en darf <strong>der</strong> Spulenstrom den Maximalwert von 2 A nichtüberschreiten. <strong>Das</strong> Mikrovoltmeter zeigt neben dem Betrag <strong>der</strong> Flussdichte auch dieRichtung des Magnetfelds an. Durchsetzen die Feldlinien den Hallsensor von unten, soerscheint ein negatives Vorzeichen; bei von oben kommenden Feldlinien entsprechendumgekehrt. Dies erinnert zwischen den <strong>Messung</strong>en daran, dass das Magnetfeld entsprechend<strong>der</strong> Ladung <strong>der</strong> von <strong>der</strong> Quelle emittierten Teilchen angepasst werden muss!Es empfielt sich, die im Experiment nicht verwendete Quelle im Schutzbehälter aufzubewahrenund weit genug vom Versuchsaufbau zu entfernen. Vor allem bei 22 Na fälltauf, dass im Zählrohr trotz Schutzbehälter viele Ereignisse registriert werden. Ursachedafür sind die hochenergetischen γ-Quanten des angeregten 22 Ne ∗ -Zustands, sowie dieentstehenden 511 keV-Vernichtungsquanten, die den Behälter durchdringen können. Siewürden die Aufnahme des 90 Sr-Spektrums verfälschen.3.3.1. Erste TestmessungenUm einen groben Überblick über die spektrale Verteilung von 22 Na und 90 Sr zu erhalten,wurden zunächst kurze Testmessungen durchgeführt. Dadurch konnten charakteristischeBereiche des Spektrums, z.B. die Position <strong>der</strong> wahrscheinlichsten und maximalen<strong>β</strong>-Energie, sowie weitere Auffälligkeiten ermittelt werden. Diese Vorbereitung ist deshalbsehr hilfreich, da bei den weiteren <strong>Messung</strong>en darauf geachtet werden konnte, dassin den erwähnten Bereichen entsprechend viele Messwerte aufgenommen werden.43


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Außerdem können die maximal auftretenden Zählraten eingeschätzt werden, die zurÜberprüfung <strong>der</strong> Einflussnahme <strong>der</strong> Totzeit von Bedeutung waren, siehe Abschn. 3.2.2.Für jeden eingestellten Spulenstrom werden über eine Messdauer von 100 s die imZählrohr ankommenden Pulse gezählt. In Abb. 3.12 und 3.13 sind die aufgenommenen,unkorrigierten Zählimpulse N ′ pro 100 s gegen die Magnetfeldstärke B aufgetragen.Der Fehler auf die registrierten Ereignisse N ′ berechnet sich über das „Wurzel-N-Gesetz“. Obwohl es bei <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Totzeit schon stillschweigend benutztwurde, soll hier nochmal kurz darauf eingegangen werden. Dahinter verbirgt sich dieAnnahme, dass die Zählimpulse pro Zähleinheit poissonverteilt sind. Da man als Experimentatornicht unendlich oft messen kann, interpretiert man das EinzelergebnisN ′ <strong>der</strong> <strong>Messung</strong> als Schätzung für den Mittelwert µ <strong>der</strong> Poissonverteilung. Den Fehler<strong>der</strong> Einzelmessung berechnet man schließlich über die Standardabweichung σ dieserVerteilung, wobei gilt σ ≈ √ µ = √ N ′ .In den Verteilungen sind einige Unterschiede zu erkennen. Während beim <strong>β</strong> + -Strahler22 Na das Spektrum bereits bei B ≈ 90 mT abzuflachen beginnt, muss bei <strong>der</strong> 90 Sr-Quelle bis B max ≈ 200 mT gemessen werden, um die vollständige Verteilung aufnehmenzu können.Abb. 3.12.: Anzahl <strong>der</strong> registrierten Ereignisse N ′ pro 100 s in Abhängigkeit <strong>der</strong> Flussdichte B für22 Na.44


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-SpektrenAbb. 3.13.: Anzahl <strong>der</strong> registrierten Ereignisse N ′ pro 100 s in Abhängigkeit <strong>der</strong> Flussdichte B für90 Sr / 90 Y.Dies verdeutlicht die unterschiedlichen Zerfallsenergien <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Übergänge, die über dieKurie-Auftragung, siehe Abschn. 3.4 bestimmt werden. Beim Zerfall von 90 Sr entstehtdarüber hinaus ein überlagertes Mischspektrum, dessen hohe Maximalenergie demFolgezerfall von 90 Y zuzuordnen ist.Auffallend bei beiden Verteilungen sind die hohen Zählraten bei abgeschaltetem Spulenstromund im Bereich <strong>der</strong> Maximalenergie. Vor allem bei 22 Na stellt sich einverhältnismäßig hohes Untergrund-Plateau in <strong>der</strong> Verteilung ein. Vermutlich entstehtes durch die hochenergetischen γ-Quanten, die beim Übergang des angeregten 22 Ne ∗ -Zustands in den Grundzustand emittiert werden, sowie durch die 511 keV-Quanten<strong>der</strong> Annihilation <strong>der</strong> Positronen. Aus <strong>der</strong> 90 Sr-Verteilung ist nicht ablesbar, wie sichdie Zählraten jenseits <strong>der</strong> Maximalenergie entwickeln, da <strong>der</strong> Spulenstrom auf 2 Abeschränkt ist, was einer Magnetfeldstärke von B max = 200 mT entspricht.Um diese Auffälligkeiten genauer zu analysieren, wurden erneut für beide Quellendie Zählraten gemessen, nun aber auch in Abhängigkeit von negativen Flussdichten,d.h. für jeweils umgekehrt gepolte Magnetfel<strong>der</strong>. Die <strong>β</strong>-Teilchen werden dann auf eineentgegengesetzt-orientierte Kreisbahn gelenkt und können den Detektor aufgrund <strong>der</strong>Anordnung des Blendensystems nicht erreichen.45


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.14.: Anzahl <strong>der</strong> registrierten Ereignisse N ′ pro 100 s in Abhängigkeit <strong>der</strong> Flussdichte B für22 Na.Abb. 3.15.: Anzahl <strong>der</strong> registrierten Ereignisse N ′ pro 100 s in Abhängigkeit <strong>der</strong> Flussdichte B für90 Sr / 90 Y.46


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-SpektrenIm 22 Na-Spektrum ist deutlich erkennbar, dass sich <strong>der</strong> hohe Untergrund auch beiumgepoltem Magnetfeld einstellt (Abb. 3.14). Diese Unabhängigkeit vom Magnetfeldbestätigt die Annahme, dass es sich um γ-Quanten handelt, die als Begleiterscheinungdes 22 Na-Zerfalls auftreten und ebenfalls vom Zählrohr 6 registriert werden. Die Countsmüssen daher entsprechend korrigiert werden. Ein Abklingen <strong>der</strong> Zählraten ist dagegenbei <strong>der</strong> Verteilung des 90 Sr-Präparats zu vernehmen (Abb. 3.15). Allerdings sinken sienicht komplett auf Null ab, son<strong>der</strong>n pendeln sich bei ca. 45 Counts pro 100 s ein. Obdafür allein die Untergrundstrahlung <strong>der</strong> Umgebung verantwortlich ist, muss in einerseparaten <strong>Messung</strong> überprüft werden.3.3.2. UntergrundKosmische- und terristische Umgebungsstrahlung kann ebenfalls vom Zählrohr registriertwerden. Alle gemessenen Zählraten müssen um diese Nullrate korrigiert werden.In einer ersten <strong>Messung</strong> wird überprüft, ob <strong>der</strong> Untergrund vom Magnetfeld o<strong>der</strong> dessenStärke abhängig ist. Ein <strong>der</strong>artiger Zusammenhang ist jedoch nicht zu beobachten.Bei abgeschaltetem Feld wurden über eine längere Zeit von t = 340 min in Abwesenheit<strong>der</strong> radioaktiven Präparate insgesamt 5608 Ereignisse registriert. Daraus ergibtsich bezogen auf das Zeitintervall von 100 s eine Nullrate vonN U = (27 ± 1) Counts/100 s ,wobei <strong>der</strong> Fehler über s U = √ N U /t berechnet und aufgerundet wurde. Wie<strong>der</strong>holungen<strong>der</strong> Untergrund-<strong>Messung</strong> an unterschiedlichen Tagen, vor, nach und zwischen <strong>der</strong>Durchführung des Experiments, bestätigten dieses Ergebnis innerhalb <strong>der</strong> statistischenUnsicherheit.Im Falle des 22 Na-Spektrums fällt diese Nullrate <strong>der</strong> reinen Umgebungsstrahlung kaumins Gewicht. Der resultierende Untergrund besteht hauptsächlich aus den γ-Quantenund muss von den Zählraten abgezogen werden. Dazu bestimmt man den Mittelwert einesstabilen Bereichs des Spektrums, <strong>der</strong> in Abb. 3.16 farbig hinterlegt ist und korrigiertdie restlichen Zählraten entsprechend um diesen Betrag. Der Untergrund, <strong>der</strong> damitspeziell für die <strong>Messung</strong>en mit 22 Na ermittelt wurde, ergibt sich zuN U,Na = (482 ± 5) Counts/100 s .Der Fehler s U,Na auf diesen Mittelwert berechnet sich über die Gaußsche Fehlerfortpflanzung<strong>der</strong> Einzelfehler <strong>der</strong> gemessenen Zählraten.6 Auch <strong>der</strong> Zählrohrmantel ist für γ-Quanten und für genügend energiereiche <strong>β</strong>-Teilchen durchlässig.Die Nachweiswahrscheinlichkeit hängt dabei von ihrer Energie ab [34].47


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.16.: Bestimmung des 22 Na-Untergrunds durch Mittelung über den rot hinterlegten Bereich.Betrachtet man hingegen das 90 Sr-Spektrum, so überrascht, dass <strong>der</strong> reine Untergrundmit N U ≈ 27 nicht allein für die Counts im negativen Bereich von N ′ ≈ 45 jeweils pro100 s verantwortlich ist. Ein möglicher Grund könnte eine chemische Verunreinigung in<strong>der</strong> Probe mit an<strong>der</strong>en γ-Strahlern sein. An<strong>der</strong>nfalls liegt die Vermutung nahe, dassdie Blendenkammer grundsätzlich zu viele Teilchen im Detektor ankommen lässt. <strong>Das</strong>Auflösungsvermögen <strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>anordnung wird sicherlich eine entscheidendeRolle bei den <strong>Messung</strong>en spielen; siehe Abschn. 3.5.Im Folgenden werden alle untergrund-korrigierten Counts von 22 Na und 90 Sr mitN = N ′ − N Ubezeichnet. Der Fehler auf N berechnet sich durch Gaußsche Fehlerfortpflanzungüber√s N = (s N ′) 2 + (s NU ) 2 ,wobei mit N U bzw. s NU die entsprechenden Werte für die unterschiedlichen radioaktivenPräparate gemeint sind.48


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Spektren3.3.3. HauptmessungenDer grobe Verlauf und die Unterschiede <strong>der</strong> Spektren gingen aus den Testmessungenhervor. Bei den Hauptmessungen wurde darauf geachtet, die Anzahl <strong>der</strong> Messpunkte zuerhöhen und <strong>der</strong>en statistische Schwankungen zu minimieren, um möglichst fehlerfreieDaten für die Auswertung zu erhalten.<strong>Das</strong> Zeitfenster am Digitalzähler beträgt für die Aufnahme bei<strong>der</strong> Spektren erneut100 s. Dies ist die maximal einstellbare feste Messzeit am Stufenschalter des Geräts. DieGenauigkeit <strong>der</strong> Messwerte ist neben <strong>der</strong> Länge <strong>der</strong> Messzeiten auch von <strong>der</strong> Anzahl<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>holungen <strong>der</strong> Einzelmessungen abhängig. Daher wurden pro eingestellterMagnetfeldstärke jeweils drei <strong>Messung</strong>en für die Zählraten durchgeführt. Innerhalb einerDreifachmessung sank die Stromstärke des DC-Netzgeräts geringfügig ab. Dies wirktesich auf das erzeugte Magnetfeld aus und musste daher des öfteren nachgeregelt werden.In Abb. 3.17 und 3.18 sind die registrierten, untergrund-korrigierten Teilchenzahlen Nfür 22 Na und 90 Sr aufgetragen, mitN = 1 3 (N 1 + N 2 + N 3 ) − N Uund s N = 1 √N 1 + N 2 + N 3 + (3s NU )32 .Durch die Mehrfachmessungen pro Impulsintervall werden die Fehlerbalken und dieSchwankungen etwas verkleinert. Die Abszisse, die bisher die Magnetfeldstärken anzeigte,wurde nun gemäß Gl.(3.5) mitE kin =√(eB rc) 2 + m 2 e c 4 − m e c 2in die kinetische Energie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen umgerechnet.Als Anhaltspunkt wurden auf <strong>der</strong> Achse die Literaturwerte für die Maximalenergien <strong>der</strong>Zerfälle farbig markiert. Zur Erinnerung sei noch einmal aufgelistet [23]:<strong>—</strong> 22 Na : E max = 546 keV<strong>—</strong> 90 Sr : E max = 546 keV<strong>—</strong> 90 Y : E max = 2282 keV .Beim Mischspektrum von 90 Sr (Abb. 3.18) kann man vorerst nur Aussagen über diehohe Maximalenergie des Folgezerfalls von 90 Y machen.49


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.17.: Anzahl <strong>der</strong> untergrund-korrigierten Ereignisse N pro 100 s in Abhängigkeit <strong>der</strong> kinetischenEnergie <strong>der</strong> Positronen für 22 Na.Abb. 3.18.: Anzahl <strong>der</strong> untergrund-korrigierten Ereignisse N pro 100 s in Abhängigkeit <strong>der</strong> kinetischenEnergie <strong>der</strong> Elektronen für 90 Sr / 90 Y.50


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-SpektrenDer stark verschmierte Endbereich <strong>der</strong> Verteilungen bei<strong>der</strong> Quellen macht deutlich, wiebegrenzt die Auflösung des <strong>Spektrometer</strong>s ist. Im Idealfall sollten nach <strong>der</strong> farbigen Markierungfür die Maximalenergien die Zählraten verschwindend gering werden. <strong>Das</strong>selbegilt für den Anfangsbereich, bei dem trotz Untergrund-Korrektur eine beträchtlicheZahl an <strong>β</strong>-Teilchen registriert werden. <strong>Das</strong> endliche Auflösungsvermögen <strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>anordnungverursacht einen systematischen Messfehler, <strong>der</strong> eine starke Verzerrung<strong>der</strong> Energieverteilungen zur Folge hat. Dennoch erkennt man bei beiden Auftragungendie charakteristische, kontinuierliche Form eines <strong>β</strong>-Spektrums, was schließlich ein Ziel<strong>der</strong> <strong>Messung</strong> war.Wenn man von <strong>der</strong> Energie- bzw. Impulsverteilung <strong>der</strong> emittierten <strong>β</strong>-Teilchen spricht,müsste man genauer genommen neben <strong>der</strong> Umrechnung des Magnetfeldes in die Energiebzw. den Impuls, auch die Verteilung <strong>der</strong> Zählraten, d.h. die Ordinate entsprechendtransformieren. Erst diese Darstellung lässt eine wirkliche Beurteilung <strong>der</strong> Spektrenzu.<strong>Das</strong> Impulsspektrum N(η)Durch Verän<strong>der</strong>n des Magnetfelds werden Teilchen eines engen Impulsintervalls ∆pmit mittlerem Impuls p = eBr ausgewählt und die Zählrate N in Abhängigkeit vomselektierten mittleren Impuls gemessen. Man erhält das Impulsspektrum N(p), indemman die registrierten Teilchenzahlen N jeweils auf ein gleichgroßes Impulsintervallbezieht, d.h. durch ∆p dividiert.Da eine feste Geometrie in <strong>der</strong> Blendenkammer vorliegt, ist die relative Impulsauflösung∆pp= ∆(Br)Br= ∆rrkonstant, da r und ∆r feste Geräteparameter sind. Folglich ist∆p ∼ p ∼ Br .Die korrekte Form des Impulsspektrums N(p) erhält man also auch dadurch, indem mandie bei B gemessenen Counts nicht durch ∆p, son<strong>der</strong>n durch Br teilt:N(p) ∼ = N Br. (3.15)Der Fehler auf N(p) berechnet sich durch Gaußsche Fehlerfortpflanzung, wobei diegeschätzte Unsicherheit auf B und r im Vergleich zum Fehler auf N vernachlässigbarwäre. Trotzdem wurde die exakte Berechnung vorgezogen, dann ists N(p) = N(p) ·√ (sNN) 2 ( ) sr 2 ( ) sB 2+ + ,r Bwobei <strong>der</strong> Radius des Blendensystems r = (50 ± 2) mm beträgt und <strong>der</strong> Fehler auf Bwegen <strong>der</strong> Nicht-Konstanz im Strom mit s B = 0, 15 mT abgeschätzt wurde.51


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.19.: Impulsspektrum N(η) von 22 Na.Abb. 3.20.: Impulsspektrum N(η) von 90 Sr / 90 Y.52


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-SpektrenAbb. 3.19 und 3.20 zeigen zur Illustration das Impulsspektrum N(η) <strong>der</strong> beiden <strong>β</strong>-Strahler 22 Na und 90 Sr. Der Impuls p wurde dabei in <strong>der</strong> natürlichen Einheit dargestellt,mitη =p und N(η) ∼ N(p) .m e cDiese Umrechnung än<strong>der</strong>t nichts an <strong>der</strong> Form <strong>der</strong> Verteilung, wird aber für weitereAuswertungsschritte von Vorteil sein.Die Auswirkung <strong>der</strong> Division <strong>der</strong> Zählimpulse durch das Produkt Br macht sichvor allem im Anfangsbereich bemerkbar. Die ersten pink-gefärbten Punkte <strong>der</strong> Verteilungbei<strong>der</strong> Quellen liegen systematisch zu hoch. Anhand Gl.(3.15) wird klar, dasszu hohe Zählraten die Ursache sind. Dies wirkt sich im nie<strong>der</strong>energetischen Bereichdeshalb extremer aus, da dort durch kleine Werte von Br geteilt wird. Da die Fehlerbalkendiesen Transformationseffekt nicht abdecken, muss ein systematischer Fehler <strong>der</strong>Versuchsanordnung die Ursache sein. <strong>Das</strong> 90 Sr- 90 Y-Spektrum wird davon nicht so starkbeeinträchtigt, da es sich über einen fast doppelt so großen Impulsbereich wie 22 Na erstreckt.Diese Problematik des nie<strong>der</strong>energetischen Bereichs taucht im Zusammenhangmit <strong>der</strong> Kurie-Darstellung erneut auf und wird daher erst im nächsten Abschn. 3.4ausführlich diskutiert. Sieht man jedoch von den pink-farbenen Punkten ab, so ergibtsich bei beiden Quellen eine charakteristische Impulsverteilung mit Maximum und abfallendemEndbereich. Wie gut die restlichen Punkte des Spektrums mit Fermis Theoriezum <strong>β</strong>-Zerfalls übereinstimmen, wird in Abschn. 3.5 im Rahmen <strong>der</strong> Bestimmung desAuflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>s überprüft.<strong>Das</strong> Energiespektrum N(ɛ)Um aus dem Impulsspektrum N(η) das Energiespektrum N(ɛ) zu erhalten, muss mannicht nur den Impuls η in die Energie ɛ <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen umrechnen, son<strong>der</strong>n auch diegemessene Verteilungsfunktion entsprechend transformieren. Ist N(ɛ)dɛ die Zahl <strong>der</strong><strong>β</strong>-Teilchen mit Energiewerten zwischen ɛ und ɛ + dɛ, so gilt:N(ɛ)dɛ = N(η)dη ,⇔ N(ɛ) = N(η) dηdɛ.Mit Hilfe des Zusammenhangs η = √ ɛ 2 − 1 berechnet sich <strong>der</strong> Ausdruckdηdɛ =ɛ√ɛ2 − 1 = ɛ ηund schließlich die Beziehung zwischen Impuls- und Energieverteilung zuN(ɛ) = N(η) ɛ η. (3.16)53


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.21.: Energiespektrum N(ɛ) von 22 Na.Abb. 3.22.: Energiespektrum N(ɛ) von 90 Sr / 90 Y.54


3.3 Aufnahme und Analyse <strong>der</strong> <strong>β</strong>-SpektrenEntsprechend <strong>der</strong> Gaußschen Fortpflanzung verän<strong>der</strong>n sich die Fehlerbalken zu:)√2√(sN(η)s N(ɛ) = N(ɛ) ·+N(η)( sɛɛ) ( ) 2 2sη+ .ηDie Auffälligkeiten <strong>der</strong> Impulsspektren spiegeln sich demzufolge auch in den daraushervorgehenden Energiespektren wie<strong>der</strong> (Abb. 3.21, Abb. 3.22). Der Transformationseffekt<strong>der</strong> zu hohen Zählraten wird zusätzlich verstärkt, da in Gl.(3.16) erneut durchden Impuls η, d.h. durch das Produkt Br dividiert wird. Bei <strong>der</strong> Verteilung N(ɛ) von22 Na ist nicht einmal mehr das Maximum <strong>der</strong> wahrscheinlichsten Energie zu sehen.Die vier Ausreißer-Punkte <strong>der</strong> 22 Na-Impulsverteilung werden in <strong>der</strong> Energieverteilungauf noch größere Werte abgebildet. Auch das 90 Sr-Spektrum erfährt nun eine stärkereDeformation. Während das Maximum <strong>der</strong> Energieverteilung gerade noch erkennbar ist,divergieren fast alle Punkte des nie<strong>der</strong>energetischen Bereichs nach oben. Man stellt fest,dass erst die Transformation in die Impuls- bzw. Energieverteilung eine Beurteilung<strong>der</strong> Güte zulässt. Ein auffälliges Manko des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> scheint das begrenzteAuflösungsvermögen zu sein.Bisher wurde <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Maximalenergien, <strong>der</strong> ebenfalls stark verschmiert ist,etwas außer Acht gelassen. Genauere Aussagen über die Werte <strong>der</strong> maximalen Energienlassen sich erst im Zusammenhang mit <strong>der</strong> Kurie-Darstellung treffen; dies wird imnächsten Abschnitt erfolgen.Anschließend wird versucht, das Impulsspektrum N(η) mit <strong>der</strong> theoretischen Impulsverteilungzu approximieren. Es sei an dieser Stelle bereits angemerkt, dass diepink-gefärbten Punkte im Fit vernachlässigt werden.55


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>3.4. Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienIn Abschn. 2.3.3 wurde mit Hilfe <strong>der</strong> Fermischen Theorie eine mathematische Beschreibungfür die Energieverteilung N(ɛ) <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Strahlung hergeleitet. Man erhält, wenn essich um einen erlaubten <strong>β</strong>-Übergang handelt, den AusdruckN(ɛ)dɛ = const · F (Z, ɛ) ηɛ(ɛ 0 − ɛ) 2 dɛ , (3.17)wobei ɛ 0 die zu bestimmende, charakteristische Maximalenergie des <strong>β</strong>-Spektrums ist.Für den Kurie-Plot trägt man die GrößeY = √ N(ɛ)F (Z, ɛ) ηɛals Funktion von ɛ auf und erhält nach Gl.(3.17) eine fallende Gerade <strong>der</strong> FormY = const · (ɛ 0 − ɛ) ,welche die ɛ-Achse bei <strong>der</strong> maximalen <strong>β</strong>-Teilchenenergie ɛ = ɛ 0 schneidet.Um den Kurie-Plot darstellen zu können, werden alle Impuls- und Energiewerte in diedimensionslosen Größen ɛ und η umgerechnet. Der Vollständigkeit halber sei wie<strong>der</strong>holtangegeben:η =ɛ =pm e c = eBrm e c ∼ Br ,Em e c 2 = 1 + E kinm e c 2 ,sowie <strong>der</strong> Zusammenhang zwischen Energie- und Impulsverteilung, mitN(ɛ) = N(η) dηdɛ = N(η) ɛ η.Die Impulsverteilung N(η) ergab sich durch Division <strong>der</strong> korrigierten Zählimpulse Ndurch das zugehörige Impulsintervall ∆p = ∆(Br). Man erhält also fürN(ɛ) = N(η) ɛ η = constN(Br) 2 ɛ ,woraus sich letztendlich die Ordinate des Kurie-Plots wie folgt ergibt:√NY =(Br) 2 F (Z, ɛ) η. (3.18)56


3.4 Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienDer Fehler auf Y berechnet sich durch Gaußsche Fehlerfortpflanzung zu1s Y =∣2Y (Br) 2 F (Z, ɛ)η ∣ ·(√ (sN ) 2 + 2N s BrBr) 2+(N s ηη) 2.Die Fehler auf die einzelnen Größen wurden in den vorigen Kapiteln bereits berechnetund angegeben. Die Fermi-Funktion F (Z, ɛ), welche den Einfluss des Coulombfeldskorrigiert und von <strong>der</strong> Art des Übergangs abhängt, wurde zur Vereinfachung alsfehlerfrei angenommen.<strong>β</strong> + - Maximalenergie von 22 NaDa für die Fermi-Funktion des <strong>β</strong> + -Übergangs von 22 Na keine Tabellenwerte auffindbarsind, musste sie aus einer Grafik aus [35] entnommen werden. Um die Ablesefehler so geringwie möglich zu halten, wurde die Abbildung von F (Z, ɛ) stark vergrößert. Dadurchkonnten die Koordinaten von 29 markanten Stützstellen <strong>der</strong> Funktion ausgemessenund mit einem polynomialen Fit angenähert werden:F (Z, ɛ) = aɛ b + pɛ q + eɛ f + c .Abb. 3.23.: Fermi-Funktion F (Z = 10, ɛ) für die Coulombkorrektur des 22 Na-Zerfalls.57


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Die eingezeichneten Fehlerindikatoren gehen aus <strong>der</strong> Ableseunsicherheit hervor undwerden für jeden Punkt gleich groß geschätzt. Durch die so gefundenen Parameter ist esmöglich, für jede beliebige Energie ɛ <strong>der</strong> <strong>β</strong> + -Teilchen die zugehörige CoulombkorrekturF (Z = 10, ɛ) zu bestimmen.Mit Gl.(3.18) lassen sich nun die Y -Werte berechnen und gegen ɛ aufgetragen. DerKurie-Plot für 22 Na ist in Abb. 3.24 dargestellt. Entgegen <strong>der</strong> Erwartung sind sehrstarke Abweichungen von einem linearen Verlauf zu erkennen. Im Bereich <strong>der</strong> Maximalenergieɛ 0 = 2, 07 sollte Y linear auf Null absinken und die ɛ-Achse schneiden.Stattdessen ist eine breite Verschmierung zu sehen, die für größere Energien langsamabklingt, den Wert Y = 0 aber nie erreicht. Sie ist, wie in den vorigen Abschnittenschon besprochen, auf die endliche instrumentelle Auflösung des <strong>Spektrometer</strong>szurückzuführen. Die daraus resultierenden, zu hohen Zählraten selbst jenseits <strong>der</strong>Maximalenergie wirken sich auch in <strong>der</strong> Kurie-Darstellung aus und verhin<strong>der</strong>n dentheoretischen, linearen Verlauf im Endbereich. Im nie<strong>der</strong>energetischen Bereich siehtman weitaus größere Abweichungen, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen sind.In [36] wird diese Problematik in einem Beitrag von C.S. Wu 7 behandelt. Bei ihrenUntersuchungen machte Wu die Feststellung, dass Abweichungen für kleine ɛ auchvon <strong>der</strong> Dicke und Beschaffenheit <strong>der</strong> radioaktiven Quelle abhängen. Absorptions- undStreueffekte innerhalb des Präparats, sowie im Quellen-Trägermaterial sorgen dafür,dass erhebliche Deformationen im Spektrum auftreten. So muß die Quelle extremdünn und die Halterung sehr leicht sein, um auch im nie<strong>der</strong>energetischen Bereich eineLinearität zu erhalten.Die im Experiment verwendeten <strong>β</strong>-Quellen sind in Schulen zugelassen und daheraus Strahlenschutzgründen eingekapselt. Eine 20 µm-dicke Edelstahlfolie deckt denStrahler ab und verursacht so einen Energieverlust, <strong>der</strong> vor allem bei den nie<strong>der</strong>energetischen<strong>β</strong>-Teilchen eine Rolle spielt. Außerdem kommt hinzu, dass die Quellen ingelöster Form auf ein Trägermaterial aufgetropft wurden. Durch das Auftropfen desPräparats entstehen aufgrund <strong>der</strong> anschließenden Kristallisation, enorme Variationeninnerhalb <strong>der</strong> Dicke. Autoradiographische Untersuchungen haben gezeigt, dass sichdie Dicken aufgetropfter Quellen lokal z.T wie 100 zu 1 unterscheiden und daher keinordentlicher Verlauf im Kurie-Plot zu erwarten sei [36]. Diese Uneinheitlichkeit innerhalbdes Strahlers, sowie Absorption im Material, in <strong>der</strong> Luft und im Zählrohrfensterbewirken, dass eigentlich gar keine nie<strong>der</strong>energetischen Positronen bzw. Elektronen imDetektor ankommen können. <strong>Das</strong> Spektrum erfährt folglich eine leichte Verschiebungzu kleineren Energien. Die sehr hohen Zählraten, die bei kleinen Magnetfeldstärken,d.h. bei kleinen Energien registriert werden, sind zusätzlich auf die Auflösung <strong>der</strong><strong>Spektrometer</strong>anordnung zurückzuführen und bewirken gemäß Gl.(3.18) eine Abbildungauf zu hohe Y -Werte, die von einem linearen Verlauf abweichen.7 Chien-Shiung Wu: 1912 - 1997, chinesisch-amerikanische Physikerin,Wu-Experiment: Nachweis <strong>der</strong> Paritätsverletzung bei schwachen Wechselwirkungen.58


3.4 Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienAbb. 3.24.: Kurie-Plot des <strong>β</strong> + -Spektrums von 22 Na. Die rote Linie kennzeichnet die Maximalenergie<strong>der</strong> Positronen.Dennoch kann die Maximalenergie <strong>der</strong> beim Zerfall von 22 Na emittierten Positronenbestimmt werden. Schwierig ist es nur, das richtige Intervall für einen linearen Fit zu finden.Denn wie eben diskutiert, darf <strong>der</strong> stark verschmierte End-, sowie <strong>der</strong> abweichendeAnfangsbereich nicht miteinbezogen werden. Um zu überprüfen, ab welchen ɛ-Werteneine mögliche Linearität im Kurie-Plot einsetzt, wird die Steigung Y ′ zwischen je zweibenachbarten Punkten überY ′ = ∆Y∆ɛ = Y i+1 − Y imit s Y ′ = 1 √(s Yi+1 )ɛ i+1 − ɛ i ∆ɛ2 + (s Yi ) 2berechnet und in Abb. 3.25 gegen ɛ aufgetragen. Bei linear angeordneten Punkten wirdY ′ konstant sein. Betrachtet man den Verlauf <strong>der</strong> Steigung in Abb. 3.25, so erkenntman, dass sich ab ɛ ≈ 1, 4 ein ansatzweise konstantes Plateau ergibt.Für den Fit werden nur die farbig hinterlegten Punkte gewählt, da man sonst inden verschmierten Endbereich hineinkommt, <strong>der</strong> das Ergebnis ebenso verfälscht. Wogenau man diese rechte Grenze setzen sollte, ist schwer zu beurteilen. Demnach istdas Ergebnis für die Maximalenergie von 22 Na, das man über den Schnittpunkt <strong>der</strong>Fitgeraden mit <strong>der</strong> ɛ-Achse erhält, nur als grober Näherungswert zu interpretieren.In Abb. 3.26 ist <strong>der</strong> Kurie-Plot mit linearem Fit <strong>der</strong> Form y = a + bx dargestellt.59


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.25.: Steigung ∆Y/∆ɛ als Funktion von ɛ zur Bestimmung des Fitbereichs für 22 Na.Abb. 3.26.: Kurie-Plot des <strong>β</strong> + -Spektrums von 22 Na mit linearem Fit.60


3.4 Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienMittels gewichteter linearer Regression erhält man die Parameter <strong>der</strong> Geradena = 0, 96 ± 0, 03b = −0, 46 ± 0, 02 ,die zur Bestimmung <strong>der</strong> Maximalenergie ɛ 0 über a+bɛ 0 = 0 benötigt werden:ɛ 0 = − a √ (b ± − 1 2 ( ) a 2a)b s +b s 2 b + 2ρab s a s b(− a ), (3.19)b 3ɛ 0 = 2, 07 ± 0, 02 .Die Berechnung ihres Fehlers erfolgt über die generalisierte Gaußsche Fehlerfortpflanzung,welche die Korrelation ρ ab = −0, 997 zwischen den Parametern a und b berücksichtigt.Für die maximale kinetische Energie <strong>der</strong> Positronen giltE max = m e c 2 (ɛ 0 − 1) ,woraus man durch Einsetzen <strong>der</strong> Konstanten und Fehlerfortpflanzung schließlich dengesuchten Wert erhält:E max = (549 ± 11) keV .Die über den Kurie-Plot ermittelte charakteristische Zerfallsenergie liegt damit dichtam theoretischen Wert, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Literatur [23] mit Emax lit = 546 keV angegeben wird.Der Fehler deutet allerdings darauf hin, dass trotz Einschränkung des Fitbereichsein Spielraum bei <strong>der</strong> Orientierung <strong>der</strong> Geraden existiert. Zudem ist <strong>der</strong> Schnittpunkt<strong>der</strong> Geraden mit <strong>der</strong> ɛ-Achse stark davon abhängig, welche und wie vielePunkte in die lineare Regression miteinbezogen werden. Die mit Hilfe <strong>der</strong> SteigungY ′ bestimmte Datenauswahl ist keinesfalls eindeutig und bringt daher eine großeUnsicherheit mit sich. <strong>Das</strong> begrenzte Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>s, sowiedie Beschaffenheit <strong>der</strong> Quellen erschweren eine exakte, verlässliche Bestimmung <strong>der</strong>Maximalenergie.<strong>β</strong> − - Maximalenergien von 90 Sr und 90 YIn ähnlicher Weise wird nun das <strong>β</strong> − -Spektrum ausgewertet. Zu beachten ist hierbei,dass es sich hierbei um eine Überlagerung zweier Zerfälle handelt:90 Sr → 90 Y → 90 Zr .Um die Ordinate Y des Kurie-Plots berechnen zu können, benötigt man die passendeFermi-Funktion des Zerfalls. Die Suche nach tabellierten Werten von F (Z = 40, ɛ) blieberfolglos, deshalb muss auf eine Näherung aus [11] zurückgegriffen werden:F (Z, E) ≈2πζ1 − exp(−2πζ)mitζ = ∓ Zαv/cfür <strong>β</strong> ± . (3.20)61


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Abb. 3.27.: Fermi-Funktion F (Z = 39, ɛ) für die Coulombkorrektur des Zerfalls von 90 Sr in 90 Y undF (Z = 40, ɛ) für die Korrektur des Folgezerfalls von 90 Y in 90 Zr.Dabei bezeichnet Z die Kernladungszahl des Tochterkerns, α ≈ 1/137 die Feinstrukturkonstanteund v die Geschwindigkeit des Elektrons. Fasst man die Geschwindigkeit v desElektrons als Funktion des Impulses auf, so gilt für ihren Betrag:v =p√m 2 e − p 2 /c 2 .Einsetzen <strong>der</strong> Energie-Impuls-Beziehung aus Gl.(3.2) liefert v in Abhängigkeit <strong>der</strong>Gesamtenergie E = E kin + m e c 2 des Elektrons und man erhält:v = 1 c√E2 − m 2 ec 4Abb. 3.27 zeigt den Verlauf <strong>der</strong> Fermi-Korrektur für die Protonenzahlen Z = 40 undZ = 39 in Abhängigkeit <strong>der</strong> gemessenen Energien ɛ. Da sich F (Z = 39, ɛ) um wenigerals 4% von F (Z = 39, ɛ) unterscheidet, werden die Funktionen für beide Teilzerfälle alsidentisch angenommen. Dies erleichtert die weiteren Auswertungsschritte.Über Gl.(3.18) kann schließlich die Transformation <strong>der</strong> Energieverteilung in die Kurie-Darstellung erfolgen. Die entsprechenden Y -Werte sind in Abb. 3.28 dargestellt.E.62


3.4 Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienAbb. 3.28.: Kurie-Plot des <strong>β</strong> − -Mischspektrums von 90 Sr und 90 Y. Die türkise Linie kennzeichnetdie Maximalenergie des 90 Sr-Übergangs, die blaue die des Folgezerfalls von 90 Y.Abb. 3.29.: Steigung ∆Y/∆ɛ als Funktion von ɛ zur Bestimmung <strong>der</strong> Fitbereiche für 90 Sr und 90 Y.63


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Aufgrund <strong>der</strong> Überlagerung <strong>der</strong> Zerfälle entsteht auch im Kurie-Plot eine Überlagerungvon zwei Geraden. Man erkennt, dass das 90 Y-Spektrum im hochenergetischen Bereich,ohne Überlagerung durch das 90 Sr-Spektrum, einen annähernd linearen Verlaufannimmt. Der nie<strong>der</strong>energetische Anteil stammt hauptsächlich aus <strong>der</strong> <strong>β</strong> − -Strahlungvon 90 Sr. Um die maximalen <strong>β</strong>-Energien zu bestimmen, wird erneut ein geeigneterFitbereich ermittelt. Dazu betrachtet man, wie im vorigen Abschnitt die Steigungbenachbarter Punkte und sucht Intervalle, in denen sich ein konstantes Plateau einstellt.Abb. 3.29 zeigt die errechneten Werte ∆Y/∆ɛ.Zunächst wird die Maximalenergie des energiereichen 90 Y-Übergangs bestimmt. Ausdem Steigungsverlauf ist nicht eindeutig ablesbar, welche Punkte des hochenergetischenTeils für den Fit herangezogen werden sollten. Um nicht zu weit in den verschmiertenEndbereich zu gelangen, werden die Punkte mit ɛ > 5, 5 im Fit vernachlässigt.Die letztendlich gewählten Punkte sind blau hinterlegt, wobei die rechte Grenze beiɛ ≈ 3 so gesetzt wurde, dass man sich nicht im Überlagerungsbereich <strong>der</strong> zwei Zerfällebewegt. Die lineare Approximation <strong>der</strong> Form y = a + bx zur Bestimmung <strong>der</strong>90 Y-Maximalenergie ist in Abb. 3.30 dargestellt.Mit <strong>der</strong> ermittelten Steigung b und dem Achsenabschnitt a <strong>der</strong> Ausgleichsgeradena = 0, 096 ± 0, 004b = −0, 0174 ± 0, 0009 ,lässt sich die Maximalenergie ɛ 0 des 90 Y-Übergangs über den Zusammenhang (3.19)bestimmen. Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Korrelation <strong>der</strong> Parameter ρ ab = −0, 989 bei<strong>der</strong> Fehlerfortpflanzung, erhält man einen Wert vonɛ 0 = 5, 53 ± 0, 07 ,woraus sich die maximale kinetische Energie <strong>der</strong> 90 Y-Zerfallselektronen zuE max = (2315 ± 34) keVerrechnet. <strong>Das</strong> Ergebnis bestätigt damit den Literaturwert innerhalb einer Standardabweichung,<strong>der</strong> in [23] mit Emax lit = 2282 keV angegeben wird. Die Ermittelung <strong>der</strong>Maximalenergie ist allerdings stark vom eingeschränkten Fit-Intervall abhängig, dassich aufgrund <strong>der</strong> breiten Verschmierung im Spektrum nicht eindeutig bestimmen lässt.Trotz dieser systematischen Unsicherheit wird dieser Wert weiter verwendet, um dasüberlagerte 90 Sr-Spektrum herauszufiltern. Setzt man die Fitgerade y aus Abb. 3.30 imnie<strong>der</strong>energetischen Teil fort und bildet die Differenz Y ∆ = Y − y, so erhält man dastransformierte Kurie-Spektrum des 90 Sr-Zerfalls. Mittels eines weiteren linearen Fitswird versucht, die zugehörige Maximalenergie zu ermitteln. Die entsprechenden Wertefür die Ordinate Y ∆ sind in Abb. 3.31 gegen ɛ aufgetragen. Da die Unsicherheit <strong>der</strong>Geraden nicht auf statistischen, son<strong>der</strong>n auf systematischen Fehlern beruht, besitzt dieDifferenz Y ∆ denselben Fehler wie Y , d.h. es gilt s Y∆ = s Y .64


3.4 Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienAbb. 3.30.: Kurie-Plot des <strong>β</strong> − -Mischspektrums von 90 Sr und 90 Y mit linearem Fit im hochenergetischenBereich.Abb. 3.31.: Kurie-Plot des <strong>β</strong> − -Spektrums von 90 Sr mit linearem Fit im nie<strong>der</strong>energetischen Bereich..65


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Wie im Kurie-Plot von 22 Na, fallen die enormen Abweichungen im nie<strong>der</strong>energetischenBereich auf. Sie haben dieselben Ursachen und sind auf die Beschaffenheit<strong>der</strong> Messanordnung zurückzuführen. Der gewählte Bereich, <strong>der</strong> für den linearen Fitverwendet wurde, ist in Abb. 3.29, in <strong>der</strong> die Steigung in Abhängigkeit <strong>der</strong> Energieaufgetragen ist, türkis-farben hinterlegt. In diesem Intervall nimmt die Steigung∆Y/∆ɛ zwar immer noch leicht zu, verän<strong>der</strong>t sich aber nur geringfügig. Der nie<strong>der</strong>energetischeTeil wurde vernachlässigt. Die lineare Regression ergab die folgendenParametera = 0, 17 ± 0, 01b = −0, 076 ± 0, 008 ,woraus die charakteristische Maximalenergie des <strong>β</strong> − -Übergangs wie in den vorigenAbschnitten bestimmt wird. Man erkennt bereits am Schnittpunkt <strong>der</strong> Geraden mit <strong>der</strong>ɛ-Achse, dass sich ein zu hoher Wert für ɛ 0 ergibt. Durch Einsetzten <strong>der</strong> Zahlenwerteund des Korrelationskoeffizienten ρ ab = −0, 994 erhält manɛ 0 = 2, 17 ± 0, 07 ,und für die maximale kinetische Energie <strong>der</strong> 90 Sr-Zerfallselektronen einen Wert vonE max = (600 ± 37) keV .Der ermittelte Wert bestätigt die theoretische Angabe [23] von E litmax = 546 keV zwarinnerhalb einer 1, 5 σ-Umgebung, ist aber aufgrund <strong>der</strong> Methode seiner Bestimmungmit einer systematischen Ungenauigkeit behaftet. Die Unstimmigkeit vergrößert sichetwas, da alle Unsicherheiten beim Weiterrechnen fortgepflanzt werden. Schon beimFit des hochenergetischen Anteils gibt es Spielraum, <strong>der</strong> sich auf die Werte von Y ∆und schließlich auf den Fit im nie<strong>der</strong>energetischen Bereich überträgt. Trotzdem gelingtes, dieses interessante Verfahren durchzuführen und zu verdeutlichen. Es stellt dieeinzige Möglichkeit dar, über Extrapolation im Kurie-Plot die beiden Teilzerfälle ausdem überlagerten Spektrum zu separieren, während man in <strong>der</strong> untransformiertenVerteilung nur Aussagen über das energiereichste Spektrum treffen kann.Was bisher noch nicht angesprochen wurde, ist, dass es sich beim 90 Sr- 90 Y-Zerfallum einen verbotenen Übergang erster Ordnung handelt. Für die Umrechnung inKurie-Daten wurde angenommen, dass das Übergangsmatrixelement aus Gl.(2.7) energieunabhängigist. Dies ist jedoch nur für erlaubte, nicht aber für verbotene Übergängegerechtfertigt. Für den <strong>β</strong> − -Zerfall von 90 Sr und 90 Y müsste man Formfaktoren einführen,um einen linearen Verlauf im Kurie-Plot zu erhalten. Darauf wurde bei <strong>der</strong>Auswertung jedoch verzichtet, da die Beschaffenheit <strong>der</strong> verwendeten Quellen unddas Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>s die Hauptursachen <strong>der</strong> Deformation <strong>der</strong>Verteilung sind und durch die Einführung von entsprechenden Formfaktoren nichtbehoben werden.66


3.4 Der Kurie-Plot: Bestimmung <strong>der</strong> MaximalenergienResümee: Kurie-PlotDer Kurie-Plot transformiert ein parabolisch-verlaufendes <strong>β</strong>-Spektrum in eine perfekteGerade. Jegliche Abweichungen von einer theoretischen Impulsverteilung schlagensich auch in <strong>der</strong> Kurie-Darstellung nie<strong>der</strong>, mit dem entscheidenden Unterschied, dasssie dort sofort auffallen. Abweichungen von einer Linearität erkennt man auch ohneAnlegen eines Lineals.Die Bestimmung <strong>der</strong> Maximalenergie gestaltete sich sowohl bei 22 Na als auch bei90 Sr nicht einfach. Dies hatte mehrere Gründe, die in den einzelnen Abschnittendiskutiert und hier deshalb nur zusammenfassend aufgeführt werden. Die begrenzteinstrumentelle Auflösung bewirkt eine breite Verschmierung, die die Zählraten desgesamten Messbereichs verfälscht. Da eingekapselte und aufgetropfte Quellen verwendetwerden, kommt es bereits in <strong>der</strong> Quelle zu Vielfachstreuprozessen und Energieverlusten<strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen. Dadurch treten ebenfalls erhebliche Deformationen des ursprünglichenSpektrums auf. Vor allem <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>energetische Bereich wird für die Auswertungoffensichtlich unbrauchbar. Laut Wu, siehe [36], ist ein linearer Verlauf bei niedrigenEnergien grundsätzlich nur dann zu erwarten, wenn extrem dünne und einheitlicheQuellen auf Kosten <strong>der</strong> Zählrate verwendet werden. In ihrem Beitrag erwähnt sie, dassdie besten Ergebnisse mit einem im Inneren des Zählrohrs befindlichen radioaktivenGas erzielt wurden.Trotz <strong>der</strong> schlechten Auflösung und Verwendung von Schulpräparaten ist es möglichdie Maximalenergien zu vermessen, auch wenn sich dabei gewisse Ungenauigkeitenergeben. Die Auswahl des Datenbereichs für die lineare Regression über den Steigungsverlaufist nicht eindeutig, dennoch sehr hilfreich. Mit <strong>der</strong> Kurie-Transformation wirdneben <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> maximalen <strong>β</strong>-Energie, Fermis Theorie zum <strong>β</strong>-Zerfall direktüberprüft und gehört daher zu einer vollständigen Analyse von <strong>β</strong>-Spektren dazu.Eine weitere wichtige Einsatzmöglichkeit <strong>der</strong> Kurie-Transformation ist die Ermittlung<strong>der</strong> Elektron-Neutrinomasse. Geht man bei <strong>der</strong> Herleitung (Abschn. 2.3.3) davonaus, dass die Neutrinomasse Null ist, so schneidet die Gerade die Abszissenachse bei <strong>der</strong>Maximalenergie E max . An<strong>der</strong>nfalls knickt die Gerade jedoch nahe <strong>der</strong> Endenergie abund schneidet die Achse bei <strong>der</strong> Energie E ∗ max = E max − m ν c 2 , über die m ν theoretischbestimmt werden kann. Die experimentelle Umsetzung ist extrem schwierig; die besten<strong>Messung</strong>en geben <strong>der</strong>zeit als obere Grenze <strong>der</strong> Neutrinomasse 2 eV/c 2 an [37]. ImForschungszentrum Karsruhe beginnt diesbezüglich die genauste <strong>Messung</strong> aller Zeiten.<strong>Das</strong> internationale KATRIN-Experiment 8 vermisst den Enpunkt E max = 18, 6 eV des<strong>β</strong>-Spektrums von radioaktivem Tritium 3 H. Es ist für eine Sensitivität von 0, 2 eVausgelegt und wird damit erstmals in <strong>der</strong> Lage sein, die Masse des Elektron-Neutrinosunterhalb von einem Elektronenvolt zu bestimmen [38].8 Karlsruher Tritium Neutrino Experiment.67


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>3.5. Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>sDie Analyse <strong>der</strong> aufgenommenen Spektren zeigte, dass sich die endliche Auflösung <strong>der</strong><strong>Spektrometer</strong>anordnung stark auf die gemessenen Zählraten auswirkt. Die vom Magnetfelddurchsetzte Blendenkammer sollte eigentlich bei jeweils eingestellter Flussdichtenur Teilchen mit eindeutig bestimmter Endenergie passieren lassen. Da die vorgegebeneKreisbahn des Blendensystems aber keinen scharf definierten Radius besitzt, könnenstets Teilchen eines ganzen Impulsintervalls ∆p den Detektor erreichen. Daher werdenfür eine feste Flussdichte, d.h. für eine feste Energie, immer auch Teilchen mitgezählt,die einer etwas kleineren o<strong>der</strong> etwas größeren Energie angehören. Diese Breite <strong>der</strong>Energie- bzw. Impulsverschmierung kennzeichnet das Auflösevermögen des <strong>Spektrometer</strong>s,das im Folgenden bestimmt werden soll.Man geht davon aus, dass die Verschmierung <strong>der</strong> Messwerte normalverteilt ist. Dienormierte Normal- o<strong>der</strong> Gaußverteilung hat die Form [32]P (x, µ, σ) = √ 1 ()(x − µ)2exp − 2πσ 2σ 2, (3.21)wobei x die Variable, µ den Erwartungswert und σ die Standardabweichung beschreibt.<strong>Das</strong> Auflösungsvermögen wird üblich über die Standardabweichung σ o<strong>der</strong> über diesog. Halbwertsbreite (FWHM 9 ) <strong>der</strong> Verteilung definiert.Abb. 3.32.: Halbwertsbreite FWHM und Standardabweichung σ <strong>der</strong> Gaußverteilung P (x, µ, σ).9 FWHM = „Full Width at Half Maximum“68


3.5 Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>s<strong>Das</strong> gemessene Spektrum ist demnach eine Faltung des <strong>kontinuierlichen</strong> Originalspektrumsmit einer Gaußverteilung. Dies ist als eine Überlagerung von vielen Gauß-Peaks endlicher Breite vorstellbar. Sei B(η, ɛ 0 ) die Funktion, die das kontinuierliche<strong>β</strong>-Spektrum theoretisch beschreibt. Dann gilt für die Faltung:C(η) =∫ ∞−∞B(t, ɛ 0 )P (η, t, σ)dt . (3.22)Um die Auflösung zu bestimmen, wird das gemessene Impulsspektrum <strong>der</strong> beidenPräparate mit <strong>der</strong> Faltungsfunktion C(η) angenähert. Der Impuls η stellt in den Formelndie Variable dar. Dieser Fit liefert direkt einen Wert für die Standardabweichungσ <strong>der</strong> Gaußverteilung, woraus die Auflösung hervorgeht. Für die folgende Auswertungwurde das am CERN 10 entwickelte Datenanalyseprogramm ROOT verwendet.Faltung des <strong>β</strong> + -Spektrums von 22 NaDie Fermi-Theorie, siehe Abschn. 2.3.3, liefert eine mathematische Beschreibung fürdie Impulsverteilung <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen, mitN(η)dη ∼ F (Z, ɛ)η 2 (ɛ 0 − ɛ) 2 dη√ ) 2= F (Z, η)η(ɛ 2 0 − 1 + η 2 dη .Sie sinkt bei <strong>der</strong> Maximalenergie ɛ 0 auf Null ab und soll danach auch Null bleiben.Dies erreicht man durch Multiplikation mit <strong>der</strong> Stufenfunktion Θ(ɛ 0 − ɛ), mit <strong>der</strong>Eigenschaft:⎧⎨1 : ɛ = √ 1 + ηΘ(ɛ 0 − ɛ) =2 ≤ ɛ 0⎩0 : ɛ = √ .1 + η 2 > ɛ 0Somit gilt für die Funktion B(η, ɛ 0 ), die das „unverschmierte“ Spektrum beschreibt:( √ ) ] 2 √B(η, ɛ 0 ) = c 1 ·[F (Z, η)η 2 ɛ 0 − 1 + η 2 · Θ(ɛ 0 − 1 + η 2 ) ,wobei η den Impuls und c 1 die Proportionalitätskonstante <strong>der</strong> Verteilung darstellt.Sowohl für das 22 Na- als auch 90 Sr-Präparat wurde für die Fermi-Korrektur F (Z, η)die Näherungsfunktion aus [11] verwendet. <strong>Das</strong> ausgeschriebene Faltungsintegral ausGl.(3.22) lautet schließlich:C(η) = c 1 ·∫∞−∞[F (Z, t)t ( 2 ɛ 0 − √ ) ] 21 + t 2 · Θ(ɛ 0 − √ 1 + t 2 ) · P (η, t, σ) dt .} {{ }} {{ } Gaußverteilung;theoretisches <strong>β</strong>-Spektrum;σ Fitparameterɛ 0 Fitparameter10 Europäische Organisation für Kernforschung in Genf. Conseil Européen pour la RechercheNucléaire. ROOT - An Object Oriented Data Analysis Framework: http://root.cern.ch/69


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>N(eta)14121086DatenEntries 41Mean 1.1272χ / ndf16.41 / 30un<strong>der</strong>ground 0.1822 ±0.0228prop_const 0.8598 ±0.0123GSigma 0.4134 ±0.0088E_0 2.01±0.014200 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4etaAbb. 3.33.: Fit an gemessene Impulsverteilung N(η) von 22 Na.Es stellt bis auf einen weiteren konstanten Parameter für den Untergrund, die mathematischeBeschreibung für das gemessene Impulsspektrum N(η) dar. Die mit C(η)approximierte Verteilung, sowie die ermittelten Parameter sind Abb. 3.33 aufgetragen.Die systematische Abweichung im nie<strong>der</strong>energetischen Bereich spiegelt sich auch hierwie<strong>der</strong>, wobei die Fitfunktion gerade noch innerhalb <strong>der</strong> Unsicherheit <strong>der</strong> Messwerteliegt. Interessant sind die beiden unteren Parameter <strong>der</strong> Fit-Tabelle; die Standardabweichungσ <strong>der</strong> Gaußverteilung (GSigma) und die Maximalenergie ɛ 0 des Übergangs (E_0).Die Maximalenergie wurde über die Approximation zu ɛ 0 = 2, 01 ± 0, 01 ermitteltund liegt damit unter dem erwarteten Wert von ɛ lit0 = 2, 07. Ziel ist es nun aber dasAuflösungsvermögen <strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>anordnung zu bestimmen.Da sich das 90 Y-Spektrum über einen doppelt so großen Impulsbereich wie das 22 Na-Spektrum erstreckt, wird das mittlere Auflösungsvermögen A berechnet, indem man dieStandardabweichung σ durch den Mittelwert η <strong>der</strong> Impulse dividiert:A = σ η. (3.23)Die Standardabweichung <strong>der</strong> Gaußkurve wurde anhand des 22 Na-Spektrums zuσ = 0, 413 ± 0, 00970


3.5 Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>sbestimmt, woraus man unter Verwendung des mittleren Impulses η = 1, 127 dieprozentuale mittlere Auflösung erhält:A = (36, 6 ± 0, 8) % .Der Fehler auf η wurde dabei vernachlässigt. Inwieweit dieses Ergebnis mit dem Wert,<strong>der</strong> über das Spektrum <strong>der</strong> zweiten Quelle bestimmt wird, konsistent ist, soll nunüberprüft werden.Faltung des <strong>β</strong> − -Mischspektrums von 90 Sr und 90 YDie Approximation des 90 Sr- 90 Y-Spektrums gestaltet sich etwas aufwändiger, da zweiImpulsverteilungen überlagert sind. Dies muss die Fitfunktion berücksichtigen. Dadie beiden Teilzerfälle unterschiedliche Maximalenergien besitzen, unterscheiden sichauch ihre Impulsverteilungen N(η) hinsichtlich des Parameters ɛ 0 . <strong>Das</strong> theoretischeImpulsspektrum B(η, ɛ 0Sr , ɛ 0Y ) ergibt sich durch Addition <strong>der</strong> beiden Verteilungen,wobei die Thetafunktion Θ(ɛ 0 − ɛ) wie<strong>der</strong> für das Einbrechen <strong>der</strong> Funktion bei <strong>der</strong>jeweiligen Maximalenergie ɛ 0 sorgt. Unter <strong>der</strong> Annahme, dass die Fermi-Funktionen<strong>der</strong> beiden Zerfälle identisch sind, erhält man:( √ ) 2 √B(η, ɛ 0Sr , ɛ 0Y ) = F (Z = 40, η) ·[c 1 · η 2 ɛ 0Sr − 1 + η 2 · Θ(ɛ0Sr − 1 + η 2 )+ c 2 · η 2 (ɛ 0Y −√ ) 2 √]1 + η 2 · Θ(ɛ0Y − 1 + η 2 ).Die beiden Übergänge sind zwar gleich wahrscheinlich, die unterschiedlichen Parameterc 1 und c 2 sind aber dennoch erfor<strong>der</strong>lich, da sich die Matrixelemente aus Gl.(2.10) unterscheidenund damit an<strong>der</strong>e Proportionalitäten entstehen. Obwohl es sich um verboteneÜbergänge erster Ordnung handelt, werden c 1 und c 2 als energieunabhängig betrachtet.Auf die Einführung von Formfaktoren, die vom Grad <strong>der</strong> Verbotenheit abhängen, wirdverzichtet. Diese Überlagerung zweier Verteilungen wird nun mit <strong>der</strong> Gaußverteilunggefaltet, um das „verschmierte“, gemessene Impulsspektrum approximieren zu können.Die Fitfunktion lautet:C(η) =∫ ∞−∞B(t, ɛ 0Sr , ɛ 0Y )} {{ }überlagertes <strong>β</strong>-Spektrum;ɛ 0Sr , ɛ 0Y Fitparameter· P (η, t, σ)} {{ }dt . (3.24)Gaußverteilung;σ FitparameterDer Fit und die ermittelten Parameter sind in Abb. 3.34 dargestellt. Anhand <strong>der</strong> hohenStandardabweichung σ <strong>der</strong> Gaußverteilung wird deutlich, dass das gemessene ImpulsspektrumN(η) nur schwer approximiert werden kann. Auch die Maximalenergien <strong>der</strong>beiden Teilzerfälle wurden nur annäherungsweise in <strong>der</strong> richtigen Größenordnung bestimmt.Die Annahme konstanter Matrixelemente, trotz verbotenem 90 Sr- 90 Y-Übergang,71


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>N(eta)10864DatenEntries 47Mean 2.2732χ / ndf31 / 39un<strong>der</strong>ground 0.5038 ±0.0365prop_constant (Sr) 1.077 ±0.070prop_constant (Y) 0.0503 ±0.0032GSigma 0.84 ±0.01E_0 (Sr) 2.27 ±0.02E_0 (Y) 4.581±0.660200 1 2 3 4 5 6etaAbb. 3.34.: Fit an gemessene Impulsverteilung N(η) von 90 Sr / 90 Y.könnte eine Ursache für die Abweichungen sein. Für die Standardabweichung erhältman:σ = 0, 84 ± 0, 01 .Da sich die Impulse über einen größeren Bereich erstrecken, ergibt sich ein höhererMittelwert η = 2, 273 und damit eine mittlere Auflösung vonA = (37, 0 ± 0, 4) % .Die ermittelten Werte für A bestätigen sich damit innerhalb ihrer Fehler. <strong>Das</strong> <strong>der</strong>artbestimmte Auflösungsvermögen des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> ist jedoch nur als Mittelwert zuinterpretiern.Nebenbei konnte Fermis Theorie für den <strong>β</strong>-Zerfall anhand <strong>der</strong> gemessenen Spektrenüberprüft werden. Sieht man von <strong>der</strong> starken Verschmierung <strong>der</strong> Messwerte ab, soeignet sie sich optimal für die Beschreibung <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> Impuls- bzw. Energieverteilung.Wie ausgeprägt die Verschmierung <strong>der</strong> Messwerte ist, sollen Abb. 3.35und 3.36 verdeutlichen. Die zusätzlich eingezeichneten, gestrichelten Kurven stellen dieFunktion B(η, ɛ 0 ) <strong>der</strong> jeweiligen Zerfälle dar, d.h. das ungefaltete Originalspektrum<strong>der</strong> Fermi-Theorie mit den ermittelten Fit-Parametern.72


3.5 Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>sN(eta)14121086DatenEntries 41Mean 1.1272χ / ndf16.41 / 30un<strong>der</strong>ground 0.1822 ±0.0228prop_const 0.8598 ±0.0123GSigma 0.4134 ±0.0088E_0 2.01±0.014200 0.5 1 1.5 2 2.5 3 3.5 4etaAbb. 3.35.: Ungefaltete Impulsverteilung B(η, ɛ 0 ) von 22 Na.N(eta)10864DatenEntries 47Mean 2.2732χ / ndf31 / 39un<strong>der</strong>ground 0.5038 ±0.0365prop_constant (Sr) 1.077 ±0.070prop_constant (Y) 0.0503 ±0.0032GSigma 0.84 ±0.01E_0 (Sr) 2.27 ±0.02E_0 (Y) 4.581±0.660200 1 2 3 4 5 6etaAbb. 3.36.: Ungefaltete Impulsverteilung B(η, ɛ 0Sr , ɛ 0Y ) von 90 Sr / 90 Y.73


3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Die gestrichelten Verteilungen entsprechen <strong>der</strong> Entfaltung bis auf Proportionalität. IhreMaxima wurden an die Höhe <strong>der</strong> Fitfunktion angepasst, um den Effekt <strong>der</strong> Verschmierungeindrucksvoll zu veranschaulichen. Aufschlussreich ist vor allem das ermittelteunverschmierte Spektrum des 90 Sr-Präparats. Abb. 3.36 zeigt deutlich, dass es sichum ein Überlagerung zweier Verteilungen handelt. <strong>Das</strong> Spektum des 90 Sr-Zerfallserhebt sich auf <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>energetischen Seite höckerartig über das Kontinuum des90 Y-Spektrums.Im Fit wurde nur die endliche Auflösung des <strong>Spektrometer</strong>s berücksichtigt, nicht aberdie Auswirkungen <strong>der</strong> Quellenabschirmung auf die spektrale Verteilung. Für eine ganzexakte Approximation müssten genauere Daten über Material und Quellenaustrittsfenster,Energie-Reichweite-Beziehungen für <strong>β</strong>-Teilchen, spezifische Energieverlustedurch Stöße usw. herangezogen werden.74


4. Die Einbindung in denSchulunterrichtNach einer ausführlichen Beschäftigung mit den Geräten, <strong>der</strong> Versuchsdurchführungund Analyse, möchte ich nun Vorschläge für eine mögliche Einbettung des Experimentsin den Unterricht vorstellen. Mir geht es vor allem darum, Empfehlungen auszusprechen,wie und wo man die <strong>β</strong>-Spektrometrie im Physikunterricht sinnvoll einsetzenkönnte, um einen maximalen Lerneffekt bei den Schülerinnen und Schülern 1 zu erzielen.Dabei beziehe ich mich auf den Bildungsplan 2004 für Physik an Gymnasien [5], <strong>der</strong>verbindliche Bildungsstandards für den Erwerb von fachlichen, personalen, sozialenund methodischen Kompetenzen <strong>der</strong> Schüler vorschreibt.4.1. Bezug zum BildungsplanIn <strong>der</strong> 9. bzw. 10. Jahrgangsstufe wird erstmals das Themengebiet „Struktur <strong>der</strong>Materie“ eingeführt, in dem kleine Bruchstücke <strong>der</strong> Kernphysik, z.B. <strong>der</strong> Aufbau desAtomkerns, behandelt werden. Vor allem das Thema Radioaktivität stellt innerhalbdieses Blocks eine wichtige Einheit dar. Über den Transport, die Entsorgung undEndlagerung des Atommülls wird in den Medien immer wie<strong>der</strong> kontrovers diskutiert.Daher soll bereits in <strong>der</strong> Mittelstufe ein solides Grundwissen über radioaktive Strahlung,<strong>der</strong>en Anwendung und Folgen vermittelt werden.Im Rahmen <strong>der</strong> 2- und 4-stündigen Kursstufe wird dieser Themenkomplex erneutaufgegriffen und mit dem Ziel vertieft, dass die Schüler „die Struktur <strong>der</strong> Materie auf<strong>der</strong> Basis einer quantenphysikalischen Modellvorstellung beschreiben“ können [5]. Indiesem Zusammenhang (und nicht früher!) ist die <strong>β</strong>-Spektroskopie einzuordnen. Obwohl<strong>der</strong> Versuchsaufbau und die Messoperationen des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>s leicht nachzuvollziehensind, stellt die relativistische Rechnung und die Interpretation <strong>der</strong> funktionalenZusammenhänge eine hohe Anfor<strong>der</strong>ung an die Lernenden.Der Bildungsplan sieht u.a. vor, dass die Schülerinnen und Schüler <strong>der</strong> Kursstufe:1 Ich werde mich aus sprachlichen Gründen des öfteren auf die männliche Form beschränken. DieSchülerinnen bitte ich dafür um Nachsicht.75


4 Die Einbindung in den Schulunterricht• Experimente selbstständig planen, durchführen, auswerten, grafisch veranschaulichenund Fehlerbetrachtungen vornehmen• Beziehungen zwischen physikalischen Größen untersuchen• funktionale Zusammenhänge zwischen physikalischen Größen selbstständig finden,verbal beschreiben und interpretieren• computerunterstützte Messwerterfassungs- und Auswertungssysteme einsetzenkönnen. <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> als Experiment <strong>der</strong> Kernphysik eignet sich neben deninhaltlichen Aspekten hervorragend, um diese Kompetenzen zu för<strong>der</strong>n und zu festigen.Wie eine mögliche Umsetzung im Unterricht aussehen könnte, wird nun diskutiert.Auf den Versuchsaufbau, die Durchführung und einzelne Auswertungsschritte wirdhier im Detail nicht mehr eingegangen; dies wurde in Kapitel 3 ausführlich dargestellt.4.2. Grundlagenwissen und inhaltlicheZusammenhängeIn den Schulen Baden-Württembergs wird als Physik-Lehrbuch größtenteils <strong>der</strong> GesamtbandDORN·BADER [24] verwendet. Mit Hilfe <strong>der</strong> neusten Auflage dieses Buchesund den Bildungsstandards für Physik wurde die inhaltliche Einordnung vorgenommen.Bereits in <strong>der</strong> Unter- und Mittelstufe werden viele Themen behandelt, die eine Basisfür den Versuch des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>s bilden. Für die Auflistung wurde angenommen,dass die Schüler den mathematisch-naturwissenschaftlichen Zug durchlaufen haben. ImFalle eines sprachlichen Zugs werden die Lerninhalte <strong>der</strong> Physik etwas reduziert. FolgendeGrundkenntnisse können vor Erreichen <strong>der</strong> Kursstufe von den Schülern erwartetwerden:Elektrizitätslehre und Magnetismus• magnetisches Feld• stromdurchflossene Spule als Magnet• Transformator• Kraft auf bewegte Ladungen im Magnetfeld → Lorentzkraft76


4.2 Grundlagenwissen und inhaltliche ZusammenhängeStruktur <strong>der</strong> Materie• Atomarer Aufbau <strong>der</strong> Materie, Größe und Struktur <strong>der</strong> Atome• Aufbau des Atomkerns, Isotope• Radioaktive Strahlung und ihre EigenschaftenObwohl das <strong>β</strong>-Spekrometer auch im Rahmen <strong>der</strong> 2-stündigen Kursstufe einsetzbarwäre, halte ich es für realistischer, die weiteren Betrachtungen unter <strong>der</strong> Annahmedes 4-stündigen Physikkurs zu machen. Alleine aus zeitlichen Gründen ist dortein systematischeres und intensiveres Arbeiten möglich. Die Schülerinnen und Schülervertiefen Bekanntes und lernen mit weiteren grundlegenden Größen umzugehen:Dynamik• Beschreibung <strong>der</strong> Kreisbewegung → Zentripetalkraft, Betrag und RichtungMagnetfeld und Teilchen in Fel<strong>der</strong>n• Magnetische Flussdichte, - in einer langgestreckten Spule• Kraft auf bewegte Ladungen im Magnetfeld → Lorentzkraft, Betrag und Richtung• Magnetfel<strong>der</strong> messen → Halleffekt, Hallsonde• Magnetfeld und Materie → Gefüllte Spulen• Elektronen im Magnetfeld → e/m-Bestimmung, FadenstrahlrohrWahl-Module aus: Physik des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, Struktur <strong>der</strong> Materie• Spezielle Relativitätstheorie → Masse und Energie• Radioaktive Strahlung und ihre Eigenschaften,Untersuchungsmethoden (Spektren, Detektoren)• Atomkern, Radioaktiver Zerfall, KernenergieWie man <strong>der</strong> Auflistung entnehmen kann, ist das Thema Radioaktivität ein Wahlmodul,das je nach Interesse <strong>der</strong> Schüler bzw. Lehrer an geeigneter Stelle in den Unterrichtaufgenommen werden kann. Erfahrungsgemäß werden Wahlmodule nach den schriftlichenAbitursprüfungen in den Unterricht aufgenommen. Im Schulbuch DORN·BADERPhysik 11/12 werden die Strahlungsarten und ihre Eigenschaften als erstes Themengebietdes letzten Kapitels Kernphysik vorgeschlagen.77


4 Die Einbindung in den Schulunterricht<strong>Das</strong> magnetische <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> könnte in diesem Zusammenhang, sogar ohne Erwähnungdes radioaktiven Zerfalls von Atomkernen, als Experiment eingeordnet werden.Die Ablenkung bewegter geladener Teilchen im magnetischen Feld ist in <strong>der</strong> Schulphysikgrundsätzlich von großer Bedeutung. Üblicherweise wird die e/m-Bestimmung desElektrons mit dem Fadenstrahlrohr gezeigt. Hier knüpft das <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> direktan. Die Elemente <strong>der</strong> Messanordnung, bis auf das GM-Zählrohr sollten aus früherenExperimenten, z.B. Transformator bekannt sein. <strong>Das</strong> an speziellen Beispielen erworbeneWissen wird auf neue, anspruchsvollere Fragestellungen übertragen und angewendet -einer <strong>der</strong> didaktischen Grundsätze des Bildungsplans.Im Rahmen des 4-stündigen Kernphysikunterrichts sollte es nun hauptsächlich darumgehen, das Charakteristische <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Strahlung, als eine <strong>der</strong> drei möglichen Strahlungsarten,zu verdeutlichen. Dazu gehört natürlich in erster Linie die kontinuierlicheEnergieverteilung <strong>β</strong>-Teilchen. Als Erweiterung wäre dann möglich, z.B. in Anlehnungan die historische Entwicklung, nach <strong>der</strong> Ursache des Kontinuums zu fragen. Die Erarbeitung2 <strong>der</strong> Tatsache, dass ein elektrisch neutrales Teilchen verschwinden<strong>der</strong> Masse,das Neutrino existieren muss, stelle ich mir im Rahmen <strong>der</strong> Kursstufe sehr interessantvor. Den Schülern kann mit einfachsten Mitteln die Neutrino-Hypothese bewiesenwerden und ihnen damit erste Einblicke in die Elementarteilchenphysik ermöglichen.Auch das Ansprechen einiger Aspekte <strong>der</strong> vierten fundamentalen Kraft, <strong>der</strong> schwachenWechselwirkung wäre denkbar, obwohl dies im Bildunggsplan nicht vorgesehen ist.Neben dem Experiment an sich, wird gleichzeitig die Hallsonde, als Messinstrumentfür Magnetfel<strong>der</strong>, sowie ein im Kursstufenplan vorgesehener Detektor, in diesem Falldas GM-Zählrohr besprochen.4.3. <strong>Das</strong> Experiment -Tipps, Hinweise und AnregungenMit <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Spektroskopie wird das Energie- bzw. Impulsspektrum <strong>der</strong> beim <strong>β</strong>-Zerfallemittierten Elektronen bzw. Positronen vermessen. <strong>Das</strong> Spektrum ist eine kontinuierlicheVerteilung, herrührend vom Dreikörper-Zerfall eines Neutrons o<strong>der</strong> Protons einesinstabilen Atomkerns [40]. Die Separation <strong>der</strong> Impulse erfolgt durch ein magnetischesFeld; <strong>der</strong> anschließende Nachweis durch einen geeigneten Teilchendetektor.Während in <strong>der</strong> Forschung eine perfekte Energieauflösung und eine hohe energieunabhängigeAnsprechwahrscheinlichkeit des Detektors gefor<strong>der</strong>t werden, treten beim <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> als Schulversuch an<strong>der</strong>e Kriterien in den Vor<strong>der</strong>grund:2 <strong>Das</strong> selbständige Forschen und Entdecken gilt als eine sehr vielversprechende Lernmethode. Näheresdazu siehe [39].78


4.3 <strong>Das</strong> Experiment - Tipps, Hinweise und Anregungen• <strong>Das</strong> Prinzip <strong>der</strong> Messapparatur, die Bedienung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Geräte, sowie diedurchzuführenden Messoperationen sollten einsichtig und einfach zu handhabensein.• Die Messergebnisse müssen schnell und unkompliziert auswertbar sein und trotzsystematischer und statistischer Fehler qualitativ mit theoretischen <strong>β</strong>-Spektrenübereinstimmen.Einem erfolgreichen Einsatz des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>s steht damit nichts im Wege. Trotzdemmöchte ich auf gewisse Aspekte hinweisen, die die Umsetzung des Experiments imUnterricht vielleicht erleichtern.Geeignete QuellenDie Verwendung radioaktiver Quellen im Schulalltag ist grundsätzlich nur dann möglich,wenn sie nach <strong>der</strong> Strahlenschutzverordnung für den Umgang zugelassen sind. RadioaktivePräparate zu kaufen und sie ordnungsgemäß zu entsorgen ist sehr kostspielig,daher sollte im Vorhinein überlegt werden, welche <strong>β</strong>-Strahler im Experiment verwendetwerden möchten.Die Firma PHYWE bietet in Verbindung mit ihrem <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> ausschließlich diePräparate 22 Na (<strong>β</strong> + -Strahler) und 90 Sr (<strong>β</strong> − -Strahler) an. Ein Vorteil bei<strong>der</strong> Präparateist, dass die Halbwertszeit in <strong>der</strong> Größenordnung von Jahren liegt. Bei 22 Na ist zubeachten, dass es sich um keinen reinen <strong>β</strong> + -Zerfall handelt. Im Spektrum entstehtein hoher Gammastrahlen-Untergrund, <strong>der</strong> für die Schüler zunächst verwirrend seinwird. Da 90 Sr in das ebenfalls <strong>β</strong> − -strahlende 90 Y zerfällt, entsteht eine Überlagerungzweier Spektren mit unterschiedlichen Maximalenergien. Aus <strong>der</strong> gemessenen Verteilungkann nur die maximale Energie <strong>der</strong> Elektronen des 90 Y-Zerfalls abgelesen werden. DieBesprechung <strong>der</strong> Zerfallsschemata ist in beiden Fällen erfor<strong>der</strong>lich. Als Alternative wäredaher <strong>der</strong> reine <strong>β</strong> − -Strahler 85 Kr mit einfachem Übergang zu empfehlen. Bei PHYWEwurde dieses Präparat allerdings aus dem Unterrichtsquellen-Angebot herausgenommen.Ein <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> mit einer Vakuum-Blendenkammer ist nicht erfor<strong>der</strong>lich, da alleQuellen aus Strahlenschutzgründen in einer Schutzhülle eingeschlossen sind. Die<strong>β</strong>-Teilchen werden bereits in <strong>der</strong> Präparat-Umhüllung abgebremst und teilweise absorbiert.Die Aufnahme und Auswertung <strong>der</strong> SpektrenDie Messmethode von Magnetfeld-<strong>Spektrometer</strong> beruht auf <strong>der</strong> Ablenkung bewegter,geladener Teilchen im Magnetfeld. Die zugrunde liegenden dynamischen Grundgleichungenfür bewegte Elektronen im homogenen Magnetfeld sollten den Schülern bekanntsein und müssen nur noch auf den neuen Versuchsaufbau übertragen werden.79


4 Die Einbindung in den SchulunterrichtGleichsetzen <strong>der</strong> Lorentz- und Zentripetalkraft liefert den wichtigen funktionalen Zusammenhangzwischen Impuls p, Magnetfeld B und Krümmungsradius rp = eBr , (4.1)den die Schüler in Bezug auf die spezielle Geometrie des Spekrometers verstehen undinterpretieren können müssen. Dabei sollte <strong>der</strong> wesentliche Punkt, dass man durchVerän<strong>der</strong>ung des Magnetfeldes verschiedene Impulse auswählt und die Zählrate N inAbhängigkeit vom selektierten mittleren Impuls misst, erarbeitet werden.Erste Schwierigkeiten sehe ich bei <strong>der</strong> Durchführung eines kompletten Experiments.Die Aufnahme eines gesamten <strong>β</strong>-Spektrums ist innerhalb <strong>der</strong> Unterrichtszeit kaumrealisierbar und nebenbei äußert langwierig, wenn man als Schüler nur zusehen darf. <strong>Das</strong><strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> sollte daher nicht als Demonstrationsexperiment, son<strong>der</strong>n im Rahmendes physikalischen Praktikums <strong>der</strong> 4-stündigen Kursstufe eingesetzt werden. Neben<strong>der</strong> Entwicklung kognitiver Fähigkeiten wird zusätzlich das selbstständige Planen undArbeiten im Team geför<strong>der</strong>t.Abb. 4.1.: Im Rahmen <strong>der</strong> Berufs-Orientierung am Gymnasium (BOGY) durften zwei Schüler mitdem <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> die kontinuierliche Energieverteilung von <strong>β</strong>-Teilchen aufnehmen.Dabei konnten meine Überlegungen zur Durchführung des Experiments ausprobiert,analysiert und optimiert werden. Dieser erste praktische Einsatz half u.a. bei <strong>der</strong> Erstellungeiner Anleitung für das Demonstrationspraktikum.80


4.3 <strong>Das</strong> Experiment - Tipps, Hinweise und AnregungenDie Messzeit pro Impulswert ist von <strong>der</strong> Intensität <strong>der</strong> Quelle abhängig. Trotzdemsollte sie maximal ca. 60 s betragen, da ansonsten zu viel Praktikumszeit für das reineAufnehmen von Messpunkten verbraucht wird. Eine kurze Untergrund-<strong>Messung</strong> gehörtebenfalls zur vollständigen Versuchsdurchführung dazu.Im Bereich <strong>der</strong> Auswertung und graphischen Darstellung <strong>der</strong> Spektren gibt es unterschiedlicheMöglichkeiten. Dabei ist <strong>der</strong> Einsatz eines Tabellenkalkulationsprogrammsunbedingt zu empfehlen, so dass die gemessenen Zählraten unmittelbar verwertet undveranschaulicht werden können.Wenn es nur um die Darstellung <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> Verteilung gehen soll, könnteman als einfachste Variante, die Zahl <strong>der</strong> pro Zeitintervall gemessenen Impulse Ngegen das Magnetfeld B bzw. den Impuls p o<strong>der</strong> die Geschwindigkeit v <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchenauftragen. Die Umrechnung erfolgt über Gl.(4.1).Etwas anspruchsvoller wäre dagegen die zusätzliche Auftragung <strong>der</strong> Zählimpulse gegendie kinetische Energie <strong>der</strong> Elektronen bzw. Positronen. Um die BeziehungE kin =√(eB rc) 2 + m 2 e c 4 − m e c 2 (4.2)herzuleiten, bedarf es einer relativistischen Rechnung. Diese Umrechnung ist dennochratsam, da in den gängigen Lehrbüchern häufiger Energiespektren als Impulsspektrenabgebildet und diskutiert werden. Auch wenn die spezielle Relativitätstheorieim Unterricht noch nicht thematisiert wurde, ist dieser Auswertungsteil problemlosdurchführbar. Im Schulbuch DORN·BADER ([24], Seite 367) wird die Herleitung vonGl.(4.2) speziell für das <strong>β</strong>-Spekrometer ausgeführt und verständlich dargestellt. DieSchüler <strong>der</strong> 4-stündigen Kursstufe können sich diesen Abschnitt im Rahmen <strong>der</strong> Praktikumsvorbereitungselbstständig durchlesen und erarbeiten. Anhand dieser Auftragungkann die Maximalenergie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Verteilung zumindest qualitativ bestimmt und ersteFehlerbetrachtungen vorgenommen werden. Die Schüler sollen erkennen, dass die breiteVerschmierung auf die begrenzte Auflösung des <strong>Spektrometer</strong>s zurückzuführen ist undnichts mit dem Zerfall an sich zu tun hat.Von <strong>der</strong> Bestimmung <strong>der</strong> Maximalenergie E max über den Kurie-Plot ist abzuraten.Ganz davon abgesehen, dass sich aus den Messwerten keine Linearität ergibt, würde esim Unterricht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, die quantenmechanische Theorie vonFermi einzuführen und die Kurie-Transformation herzuleiten. Der Lerneffekt würdevor lauter Umrechnungen und Tabellen auf <strong>der</strong> Strecke bleiben und das unzufriedenstellendeErgebnis stünde in keinem Verhältnis zum Aufwand, <strong>der</strong> im Unterricht zurVorbereitung betrieben werden müsste. Die gemessenen, <strong>kontinuierlichen</strong> Spektrenliefern ausreichend viele interessante Fragestellungen, die eine Kurie-Transformationüberflüssig machen.81


4 Die Einbindung in den SchulunterrichtAlternativ könnte man bei einfachen <strong>β</strong>-Übergängen 3 von <strong>der</strong> FaustregelE w ≈ 1 3 E maxGebrauch machen, die eine Bestimmung von E max über die wahrscheinlichste EnergieE w ermöglicht. Der Hochpunkt <strong>der</strong> Verteilung lässt sich grafisch einfacher und mitgrößerer Genauigkeit bestimmen als die verschmierte Endenergie.Ob auch die Transformation <strong>der</strong> Zählraten mitberücksichtigt werden sollte, bleibtdem betreuenden Lehrer überlassen. Die Umsetzung <strong>der</strong> Messdaten in eine korrekteImpulsverteilung N(p), d.h. Zahl <strong>der</strong> Impulse pro Impulsintervall ∆p ∼ Br, wird für dieSchüler nicht unmittelbar einleuchtend sein. Die entstehende Verformung des Impulsspektrumsaufgrund <strong>der</strong> Division <strong>der</strong> zu hohen Zählraten durch das Produkt Br, mussdiskutiert werden. Wesentlich schwieriger wird die Transformation des ImpulsspektrumsN(p) in das Energiespektrum N(E), wobei die UmrechnungN(E) = dNdE= N(p) · dpdEbenötigt wird. Über Gl. (4.2) erhält man den hinteren Faktor, mitdpdE = E kin + m e c 2c√E kin 2 + 2E .kinm e c 2Wie in Abschn. 3.3.3 dargestellt, ergeben sich durch diese Transformation stark deformierteVerteilungen. Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob man im Praktikumauf die Umrechnung <strong>der</strong> Zählimpulse ganz verzichten sollte. Meiner Meinung nachgenügt die Auftragung <strong>der</strong> Zählimpulse N gegen den Impuls und die Energie, um dasCharakteristische des <strong>β</strong>-Spektrums aufzeigen und diskutieren zu können.Mit einer selbständigen Planung, Durchführung, Auswertung und grafischen Veranschaulichungentsteht für die Schüler ein in sich abgeschlossener und interessanterPraktikumsversuch, <strong>der</strong> die wenigen schulischen Experimente des Themengebiets „Kerneund Teilchen“ bereichert. An dieser Stelle sei nochmal darauf hingewiesen, dass das<strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> auch an<strong>der</strong>weitig einsetzbar ist. Ich sehe jedoch im Rahmen des Praktikumsdie meisten und effektivsten Möglichkeiten, um die im Unterricht besprochene<strong>β</strong>-Strahlung und ihre Eigenschaften experimentell zu verdeutlichen.Im nächsten Kapitel ist die Versuchsanleitung für das Demonstrationspraktikumangehängt. In dieser Form könnte sie auch, bis auf kleine Anpassungen für das Physikpraktikum<strong>der</strong> Kursstufe übernommen werden.3 Bei Überlagerung mehrerer Spektren (z.B. bei 90 Sr) hat die wahrscheinlichste Energie keinerleiAussagekraft!82


5. Versuchsanleitung für dasDemonstrationspraktikumDie Prüfungsordnung schreibt seit 2001 vor, dass Lehramtsstudierende <strong>der</strong> Physik während<strong>der</strong> Studienzeit einen „Kurs zur Durchführung von Demonstrationsexperimenten“absolvieren müssen. Nach Verabschiedung dieser Regelung fand ein Experimentalpraktikumin provisorischer Form in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Pädagogischen HochschuleFreiburg statt. Im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit wurde 2008 von drei Studierendenein neues Demonstrationspraktikum am Physikalischen Institut <strong>der</strong> UniversitätFreiburg gestaltet und aufgebaut, das seit dem Wintersemester 2008/09 fester un<strong>der</strong>folgreicher Bestandteil des Lehrangebots für Lehramtskandidaten ist. Ziel ist es,vor Erreichen des Referendariats (Vorbereitungsdienst) im Aufbau, <strong>der</strong> Durchführungund Präsentation von schultypischen Experimenten ausgebildet zu werden und <strong>der</strong>endidaktisch sinnvolle Einsatzmöglichkeiten zu diskutieren bzw. kennenzulernen.Bisher existieren insgesamt 26 Versuche, die ausgewählte Themengebiete aus denBereichen Mechanik, Optik, Akustik, Wärmelehre, Elektromagnetismus, Atom- undKernphysik aufgreifen.<strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> wird das Angebot <strong>der</strong> Versuche zur Kernphysik bzw. Radioaktivitäterweitern und die Beson<strong>der</strong>heit des <strong>β</strong>-Zerfalls aufzeigen. Die Aufnahme <strong>der</strong><strong>kontinuierlichen</strong> <strong>β</strong>-Verteilung zweier radioaktiver Präparate ist im Rahmen <strong>der</strong> Praktikumszeitrealisierbar, da <strong>der</strong> Versuchsaufbau und das Messprinzip einfach zu handhabensind. Die Auswertung <strong>der</strong> Messwerte soll über einen im Demo-Praktikum vorhandenenLaptop mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Excel erfolgen, mit dem die gemessenenZählraten direkt veranschaulicht und diskutiert werden können. Die Grundgedankenzur Umsetzung des Versuchs im Demonstrationspraktikum werden hier nicht mehrwie<strong>der</strong>holt; sie sind dem vorigen Kapitel 4 zu entnehmen.Die folgenden Seiten zeigen die entworfene Versuchsanleitung zum Experiment. Um dieEinheitlichkeit innerhalb des Praktikums zu bewahren, übernahm ich das Design und dieGlie<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jetzigen Anleitungen, siehe [1], [2] und [3]. Nach einer klaren Formulierung<strong>der</strong> Aufgabenstellung folgt eine kurze theoretische Einführung, die einen Überblicküber den physikalischen Hintergrund geben soll. Zum Versuchsaufbau werden genugInformationen und Tipps gegeben, die eine selbständige Durchführung des Experimentserleichtern. Kontrollfragen am Ende <strong>der</strong> Anleitung regen zum weiteren Nachdenken an83


5 Versuchsanleitung für das Demonstrationspraktikumund gehen etwas über die Thematik des Versuchs hinaus. Um bestimmte Inhalte gezieltnachlesen zu können, enthält die Anleitung außerdem eine entsprechende Literaturangabe.Die Ideen und grundlegenden Überlegungen <strong>der</strong> „Erfin<strong>der</strong>“ wurden aufgegriffen,so dass sich das neue Experiment möglichst reibungsfrei und unauffällig in die Auswahl<strong>der</strong> Versuche einreihen kann. Die Anleitung lässt trotz ausführlicher Hintergrundinformationund klarer Aufgabenstellung noch genug Spielraum beim Experimentieren.Auftretende Fragestellungen und Unsicherheiten sollen die Studenten eigenständigklären und sich intensiv mit <strong>der</strong> Problematik auseinan<strong>der</strong>setzen.84


Versuch 27<strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Mit einem <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> kann die kontinuierliche Energieverteilungvon <strong>β</strong>-Strahlern aufgenommen werden.Die <strong>β</strong>-Teilchen werden durch Ablenkung in einem Magnetfeld nach ihrer Energieselektiert und mit einem Geiger-Müller-Zählrohr detektiert und gezählt.85


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 21 Aufgabenstellung1. Nehmen Sie mit Hilfe des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>s die kontinuierliche Energieverteilungvon 90 Sr und 22 Na auf.2. Stellen Sie die gemessenen Spektren mit Excel grafisch dar, indem Sie die Zählratenin Abhängigkeit des Impulses p und <strong>der</strong> kinetischen Energie E kin <strong>der</strong><strong>β</strong>-Teilchen auftragen.3. Vergleichen Sie die grafisch bestimmten Maximalenergien E max <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchenmit den entsprechenden Literaturwerten.4. Diskutieren Sie Unterschiede und Auffälligkeiten <strong>der</strong> aufgenommenen Spektren.Abb. 1: Versuchsaufbau des <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>s.2 Grundlagen2.1 <strong>β</strong>-StrahlungBeim Zerfall instabiler Atomkerne wird Energie in Form ionisieren<strong>der</strong> Strahlung frei.Man unterscheidet zwischen drei Arten radioaktiver Strahlung: α-, <strong>β</strong>- und γ-Strahlung.<strong>β</strong>-Strahlung entsteht beim radioaktiven <strong>β</strong>-Zerfall von Atomkernen, die mehr o<strong>der</strong>weniger Neutronen besitzen, als zur Stabilität nötig ist [2].86


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 3Kerne mit Neutronenüberschuss sind in <strong>der</strong> Regel <strong>β</strong> − -Strahler. Bei diesem Kernprozesswandelt sich ein Neutron n unter Emission eines Elektrons e − und eines Antineutrinosν in ein Proton p um:n −→ p + e − + ν <strong>β</strong> − -Strahlung .Kerne mit Protonenüberschuss sind <strong>β</strong> + -Strahler. Hier zerfällt ein Proton p in ein Neutronn unter Emission eines Positrons e + und eines Neutrinos ν:p −→ n + e + + ν <strong>β</strong> + -Strahlung .Durch <strong>Messung</strong>en mit magnetischen <strong>Spektrometer</strong>n konnte schon 1914 vom englischenPhysiker Sir James Chadwick gezeigt werden, dass Kerne bei <strong>β</strong>-Umwandlungen Teilchenmit einer <strong>kontinuierlichen</strong> Energieverteilung aussenden [3].Der Grund dafür ist, dass sich die beim Zerfall freiwerdende Energie statistisch aufdie beiden emittierten Teilchen verteilt. <strong>Das</strong> Spektrum <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen (e − bzw. e + )erstreckt sich daher kontinuierlich bis zu einem Maximalwert E max , bei dem das (Anti-)Neutrino keine und das <strong>β</strong>-Teilchen die maximale kinetische Energie erhält. Der Kernübernimmt dabei wegen seiner wesentlich größeren Masse fast keine Rückstoßenergie.Die Maximalenergie E max des Spektrums ist die zu ermittelnde charakteristische Größeeines <strong>β</strong>-Strahlers.Die radioaktiven PräparateIn Abb. 2 sind die Zerfallsschemata <strong>der</strong> verwendeten Präparate Strontium 90 Sr undNatrium 22 Na dargestellt.<strong>Das</strong> langlebige Isotop 90 Sr zerfällt zu Yttrium 90 Y, welches sich ebenfalls über einen<strong>β</strong> − -Zerfall in das stabile Nuklid Zirconium 90 Zr umwandelt. Es entsteht ein überlagertesMischspektrum, bei dem das <strong>β</strong> − -strahlende 90 Sr durch 90 Y, dessen Zerfallsenergie ca.viermal so groß ist, verstärkt wird.<strong>Das</strong> Isotop 22 Na zerfällt mit einer Wahrscheinlichkeit von 90,49% unter Emissionvon <strong>β</strong> + -Strahlung in den angeregten Zustand von Neon 22 Ne ∗ . Mit einem Prozentsatzvon 9,46% wandelt sich 22 Na unter Elektroneneinfang 1 (EC) um, wobei dieser Prozessnicht registriert wird. Durch Emission eines γ-Quants geht 22 Ne ∗ in den stabilenGrundzustand über.1 Alternativ zum <strong>β</strong> + -Zerfall kann auch Elektroneneinfang auftreten. Dabei wird ein Hüllenelektrone − (meist aus <strong>der</strong> innersten K-Schale) von einem Proton „eingefangen“, das sich unter Emissioneines Neutrinos in ein Neutron umwandelt: p + e − −→ n + ν .87


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 4Abb. 2: Zerfallsschemata von 90 Sr und 22 Na.2.2 <strong>Das</strong> Geiger-Müller-ZählrohrFür Strahlung radioaktiver Stoffe hat <strong>der</strong> Mensch kein Sinnesorgan, deshalb ist er daraufangewiesen, sie indirekt durch physikalische Effekte zu beobachten [4]. <strong>Das</strong> bekanntesteGerät zur <strong>Messung</strong> radioaktiver Strahlung ist das Geiger-Müller-Zählrohr.Ein GM-Zählrohr ist ein Kondensator, bestehend aus einem zylindrischen Metallgehäuseund einem dünnen Draht, <strong>der</strong> entlang <strong>der</strong> Achse des Zylin<strong>der</strong>s angeordnet ist.Er wird über einen 10 MΩ-Wi<strong>der</strong>stand nach außen geführt und mit dem positiven Pol<strong>der</strong> Spannungsquelle verbunden. Der negative Pol liegt am Gehäuse an. An <strong>der</strong> Stirnseitebefindet sich ein dünnwandiges Glimmerfenster, durch das die zu messende Strahlungeintritt. Im luftdicht abgeschlossenen Rohr befindet sich ein Neon-Argon-Gemisch,das neben <strong>der</strong> Vervielfachung von Elektronen-Ionen-Paare auch für die Löschung vonNachentladungen verantwortlich ist.Zum Betrieb des Zählrohrs wird <strong>der</strong> Zähldraht gegen das geerdete Gehäuse mit etwa500 V Spannung positiv geladen. Tritt ein <strong>β</strong>-Teilchen in das Zählrohr ein, so wird dasGas durch Stöße längs <strong>der</strong> Teilchenbahn ionisiert. Die dabei freigesetzten Elektronenwerden aufgrund <strong>der</strong> elektrischen Feldkraft zum Zähldraht, wo die Feldstärke am größtenist, beschleunigt. Sie gewinnen auf ihrem Weg zur Elektrode genügend kinetischeEnergie um weitere Edelgasatome zu ionisieren. Die Zahl <strong>der</strong> Ladungsträger vermehrtsich in Drahtnähe lawinenartig. Die gebildeten Elektronen werden wegen ihrer großenMobilität schnell zum positiven Draht hingezogen. Während die Elektronen in etwa10 −8 s abgesaugt werden, baut sich um den Zähldraht eine Raumladungswolke ausden trägen positiven Ionen auf, die „langsam“ (in etwa 10 −4 s) zur negativ geladenenZählrohrwand wan<strong>der</strong>t [5].88


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 5Abb. 3: Prinzipschaltung eines Zählrohrs.Durch Influenz <strong>der</strong> Ionenbewegung entsteht ein Stromimpuls, <strong>der</strong> seinerseits an demHochohmwi<strong>der</strong>stand in einen Spannungsimpuls umgesetzt und über einen Entkopplungskondensatoran einen Verstärker mit nachgeschaltetem Zähler übertragen wird.Dieser Ionenschlauch wirkt als virtuelle Anode, so dass das Gebiet um den Drahtkurzzeitig feldfrei wird. Während dieser sog. Totzeit t tot kann vom Zählrohr keinneues Teilchen registriert werden.GM-Zählrohre arbeiten im sog. Auslösebereich, in dem jedes einfallende Teilchen,unabhängig von seiner Energie, stets einen gleich großen Entladungsstoß verursacht.Allerdings erfor<strong>der</strong>t je<strong>der</strong> Zählvorgang eine gewisse endliche Zeit t tot , so dass bei einerschnellen Impulsfolge grundsätzlich zu wenig Ereignisse gezählt werden. Die Methodezur Bestimmung <strong>der</strong> Totzeit mittels zweier radioaktiver Präparate, kann in [1]nachgelesen werden.2.3 <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>Mit einem <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> kann das kontinuierliche Spektrum <strong>der</strong> beim <strong>β</strong>-Zerfallemittierten Elektronen bzw. Positronen aufgenommen werden.Es besteht aus einer zylindrischen Flachkammer, auf <strong>der</strong>en Boden ein System ausBlenden angebracht ist (Abb. 4). In <strong>der</strong> Kammerwand befinden sich zwei größereBohrungen, die für das radioaktive Präparat und das GM-Zählrohr vorgesehen sind.<strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> wird senkrecht von einem homogenen Magnetfeld durchsetzt,welches durch einen Aufbau-Elektromagneten erzeugt wird. Mit Hilfe einer schmalenHallsonde kann die Magnetfeldstärke im Inneren <strong>der</strong> Kammer gemessen werden.89


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 6(a)(b)Abb. 4: (a) Schematische Darstellung <strong>der</strong> Blendenkammer. (1) nicht magnetisierbare Wand; (2)Präparathalterung mit (3) Eintrittsblende; (4) Magnetfeldsondendurchführung; (5) Zählrohrhalterungmit (6) Austrittsblende. (b) Foto <strong>der</strong> Blendenkammer ohne Deckel.Tritt ein <strong>β</strong>-Teilchen in die Blendenkammer ein, so wirkt die Lorentzkraft ⃗ F L = e (⃗v × ⃗ B)und zwingt es auf eine Kreisbahn. Auf dieser Kreisbahn sind Lorentzkraft und Zentripetalkraftim GleichgewichtevB = mv2rund man erhält für den Impulsp = mv = eBr . (1)Da das Blendensystem eine feste Kreisbahn mit Radius r = 5 cm vorgibt, werden durchVerän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Magnetfeldstärke B nur ganz bestimmte Impulse p ausgewählt. MitHilfe des GM-Zählrohrs kann die Zählrate in Abhängigkeit vom selektierten Impuls<strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen aufgenommen werden.Aufgrund <strong>der</strong> hohen Geschwindigkeit <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen muss relativistisch gerechnetwerden. Es gilt die Energie-Impuls-BeziehungE 2 = p 2 c 2 + m 2 e c 4 ,wobei sich die Gesamtenergie E aus kinetischer Energie E kin und Ruheenergie m e c 2 =511 keV <strong>der</strong> Teilchen zusammensetzt. Unter Verwendung von Gl.(1) erhält man für diekinetische Energie ([4], S.483)E kin =√(eB rc) 2 + m 2 e c 4 − m e c 2 . (2)Dies ist <strong>der</strong> gesuchte Zusammenhang, <strong>der</strong> die Umrechnung <strong>der</strong> Magnetfeldstärke in diekinetische Energie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen ermöglicht.90


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 73 VersuchsaufbauBauen Sie die <strong>Spektrometer</strong>anordnung gemäß Abb. 1 auf. Bei Unklarheiten kann in<strong>der</strong> Betriebsanleitung 09104.00 von PHYWE (siehe Anhang) nachgelesen werden.Bevor die Hallsonde am vorgesehenen Messort positioniert wird, muss zunächst <strong>der</strong>angezeigte Offset korrigiert werden. Hierfür steht ein Drehknopf am Mikrovoltmeterzur Verfügung, mit dem die digitale Anzeige auf Null gestellt werden kann. Stellen Sieaußerdem am Gerät den maximalen Messbereich ein.Durch Verän<strong>der</strong>n des Spulenstroms können Sie das Magnetfeld schrittweise variierenund die jeweils zugehörigen Zählraten messen. Um das komplette Spektrum aufnehmenzu können, sollten für 90 Sr Magnetfeldstärken von 0 bis 200 mT und für 22 Na von0 bis 120 mT durchlaufen werden. Wählen Sie am Zähler eine Messzeit von 60 s.Übertragen Sie die pro Magnetfeldstärke B gemessenen Zählimpulse N direkt in einevon Ihnen vorbereitete Excel-Tabelle. In einer dritten Spalte soll <strong>der</strong> Fehler auf Nberechnet werden!(a)(b)Abb. 5: Frontale Ansicht <strong>der</strong> Geräte. (a) Mikrovoltmeter: (1) DC-Offset; (2) Messbereich; (3)Hallsondeneingang und (b) Digitalzähler: (1) Messzeit; (2) Zählrohreingang.ZubehörHier benötigen Sie die Blendenkammer, einen Aufbau-Elektromagneten (U-förmiger,stabförmiger und run<strong>der</strong> Eisenkern, Spule mit 600 Windungen, Spannvorrichtung) inVerbindung mit einem DC-Netzgerät 0-20V, eine Hallsonde mit einem Mikrovoltmeter,das GM-Zählrohr mit BNC-Kabel und Digitalzähler, sowie die radioaktiven Präparate90 Sr, 22 Na. Verwenden Sie Stativmaterial, um die Hallsonde zu befestigen. Außerdemsollte ein Schlitzschraubenzieher griffbereit sein, um die Blendenkammer öffnen zukönnen. Für die Auswertung benötigen Sie einen Laptop.91


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 8Tipps zur <strong>Messung</strong>1. Für die Positionierung <strong>der</strong> Hallsonde hilft es, den Deckel <strong>der</strong> Blendenkammerabzuschrauben. Ist <strong>der</strong> Hallsensor parallel zum Boden ausgerichtet, kann dieKammer wie<strong>der</strong> verschlossen werden. Achten Sie beim Anbringen <strong>der</strong> Quelle, desZählrohrs und beim Festklemmen <strong>der</strong> Eisenkerne darauf, dass diese Ausrichtungnicht mehr verän<strong>der</strong>t wird.Hinweis: Die Hallsonde ist aufgrund ihrer Flexibilität sehr empfindlich!2. Ein positives Vorzeichen <strong>der</strong> digitalen Magnetfeld-Anzeige verrät, dass die Feldliniendie Kammer von oben durchsetzen. Mit <strong>der</strong> Drei-Finger-Regel können Siekontrollieren, ob Sie für die entsprechenden <strong>β</strong>-Teilchen richtig gepolt haben.3. Während einer <strong>Messung</strong> sollte die unbenutzte Quelle im Präparate-Schrankaufbewahrt werden.4. Überlegen Sie sich im Vorhinein, in welchen Schritten Sie die Magnetfeldstärkeerhöhen, um sowohl das <strong>β</strong> − - als auch das <strong>β</strong> + -Spektrum im Rahmen <strong>der</strong> vorgesehenenPraktikumszeit aufnehmen zu können. Achtung:Der Spulenstrom darf dabei den Maximalwert von 2 A nicht überschreiten!5. Beginnen Sie mit <strong>der</strong> Aufnahme des 90 Sr-Spektrums!Die Auswertung dieser Daten sollte bereits während <strong>der</strong> <strong>Messung</strong> mit 22 Naerfolgen.Tipps & Fragen zur Auswertung1. Für die grafische Darstellung markieren Sie die Datenreihen und klicken Sieauf den Diagramm-Assistenten in <strong>der</strong> Symbolleiste. Nachdem das Diagrammerstellt wurde, können Sie durch Anklicken <strong>der</strong> Messpunkte Y-Fehlerindikatorenhinzufügen.2. Diskutieren Sie Auffälligkeiten und Unterschiede <strong>der</strong> gemessenen Verteilungen.Inwieweit wirkt sich kosmische bzw. terristische Untergrund-Strahlung auf dieZählraten aus? Führen Sie ggf. eine Untergrund-<strong>Messung</strong> durch!Woher kommt <strong>der</strong> hohe Untergrund im 22 Na-Spektrum?Wie könnte man die Schwankungen im aufgenommenen Spektrum minimieren?Warum sind die Zählraten so stark „verschmiert“?Führen Sie eine Fehlerbetrachtung durch!92


Versuch 27 - <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> Seite 94 Kontrollfragen1. <strong>Das</strong> Zählen von Impulsen eines radioaktiven Präparats pro Zeiteinheit ist einstatistischer Vorgang. Wie berechnet sich <strong>der</strong> Fehler auf eine gemessene Zählrate?Welche Wahrscheinlichkeitsverteilung steckt dahinter?2. Im Inneren eines Zählrohrs befindet sich in <strong>der</strong> Regel ein unter geringem Druckstehendes Gas. Warum?3. Erklären Sie, was man unter einer Kennlinie eines Zählrohrs versteht.4. Mit <strong>β</strong>-Teilchen muss relativistisch gerechnet werden. Wie groß ist die Geschwindigkeitv eines <strong>β</strong>-Teilchens, wenn seine kinetische Energie E kin bekannt ist?5. Wie sieht die Energieverteilung bei einem Elektroneneinfang aus?Literatur[1] Wursthorn, Elisabeth: <strong>Das</strong> <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> - <strong>Messung</strong> <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> Energieverteilungvon <strong>β</strong>-Teilchen als Schulversuch. Staatsexamensarbeit, 2010.[2] Tipler, Paul: Physik. Spektrum Akademischer Verlag, 2. Auflage, 1994.[3] Chadwick, James: Radioactivity and radioactive substances. Pitman, 3. Auflage,1931.[4] Dorn, Friedrich und Ba<strong>der</strong>, Franz: Physik Sek II, Gymnasium Gesamtband. WestermannSchroedel Diesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig, 2007.[5] Stolz, Werner: Radioaktivität, Grundlagen-<strong>Messung</strong>-Anwendung. Carl Hanser VerlagMünchen, Wien, 2. Auflage, 1990.93


5 Versuchsanleitung für das Demonstrationspraktikum94


6. Zusammenfassung und AusblickIm Rahmen dieser wissenschaftlichen Arbeit wurde ein <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> als Erweiterungdes Versuchsangebots des physikalischen Demonstrationspraktikums für Lehramtsstudierendeeingerichtet. Nach <strong>der</strong> Auskundschaftung geeigneter Lehrmittelfirmen und<strong>der</strong> Beschaffung <strong>der</strong> benötigten Geräte, konnte eine intensive Beschäftigung mit demExperiment beginnen. Die Bestellung und Lieferung <strong>der</strong> radioaktiven Präparate mussteim Vorhinein mit dem Strahlenschutzbeauftragten des physikalischen Instituts abgesprochenwerden.Zahlreiche <strong>Messung</strong>en wurden durchgeführt und analysiert, um mögliche Abhängigkeitenvon Parametern z.B. Totzeit des Zählrohrs, Aufnahmezeit <strong>der</strong> Zählraten, Untergrundetc. herauszufinden. Bei den aufgenommenen Verteilungen <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen zeigte sich<strong>der</strong> charakteristische, kontinuierliche Verlauf. Damit kann die Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong> radioaktiven<strong>β</strong>-Strahlung und die Existenz des schwer nachweisbaren (Anti-)Neutrinoseindrucksvoll demonstriert werden.Die Auswertung <strong>der</strong> gemessenen <strong>β</strong>-Spektren basiert größtenteils auf Fermis Theoriezum <strong>β</strong>-Zerfall, die eine mathematische Beschreibung <strong>der</strong> <strong>kontinuierlichen</strong> Energiebzw.Impulsverteilung bereitstellt. Sie ist Ausgangspunkt für die Kurie-Darstellung,über die eine Bestimmung <strong>der</strong> Maximalenergie <strong>der</strong> <strong>β</strong>-Teilchen ermöglicht wird. Indiesem Zusammenhang machte sich das sehr begrenzte Auflösungsvermögen des <strong>Spektrometer</strong>sbemerkbar, was für eine breite Verschmierung <strong>der</strong> Messwerte sorgte. DieErmittlung <strong>der</strong> maximalen kinetischen Energie <strong>der</strong> Elektronen bzw. Positronen kann nurmit großer Ungenauigkeit durchgeführt werden. Um den Einfluss <strong>der</strong> instrumentellenAuflösung auf die Zählraten zu verdeutlichen, wurden die gemessenen Impulsverteilungenmit einer Faltungsfunktion approximiert. Die Umsetzung erfolgte mit Hilfedes Datenanalyseprogramms ROOT, in dem die Faltung aus theoretischem Spektrumund <strong>der</strong> Gaußfunktion zur Beschreibung <strong>der</strong> Verschmierung definiert werden konnte.Beim Arbeiten mit ROOT und Erstellen eines eigenen Programm-Codes wurden vielewertvolle und neue Erfahrungen gemacht.Interessant für mich als angehende Lehrerin war die zusätzliche Aufgabe, eine möglicheEinbindung des Versuch in den Physikunterricht vorzuschlagen. Bei <strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzungmit dem neuen Bildungsplan von 2004 fiel auf, dass innerhalb <strong>der</strong> vorgegebenenBildungsstandards sehr viel Freiraum für die Unterichtsgestaltung bleibt, um auchuntypische Experimente wie das <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> einbringen zu können. Meine Überlegungenzur Einbettung des Versuchs in den schulischen Kontext konnten lei<strong>der</strong> nicht95


6 Zusammenfassung und Ausblickin einer „realen“ Schulklasse ausprobiert werden. Ein erster praktischer Einsatz des<strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong>s fand jedoch im Rahmen <strong>der</strong> „Berufsorientierung am Gymnasium“(BOGY) statt, bei <strong>der</strong> eine Schülerin und ein Schüler eine Woche in unsere Abteilung„schnupperten“, um den Beruf <strong>der</strong> Physikerin und des Physikers kennenzulernen.Dieser erste Testlauf und die vorigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit dem Experimentbildeten die Grundlage für die Erstellung einer Versuchsanleitung für das physikalischeDemonstrationspraktikum. Ihre Struktur und optische Aufmachung wurden an dievorhandenen Anleitungen angepasst, so dass sich das <strong>β</strong>-<strong>Spektrometer</strong> als 27. Versuchin das Praktikums-Repertoire einreihen kann.Die radioaktiven Präparate befinden sich in ihren Schutzbehältern und wurden zusammenmit <strong>der</strong> fertig vorbereiteten „Versuchs-Kiste“ in das Praktikumsgebäude gebracht.Ich bin sehr gespannt, wie <strong>der</strong> erste Einsatz des neuen Experiments im kommendenWintersemester 2010/11 verlaufen wird. Dann zeigt sich, ob mein Konzept und dieAufgabenstellungen <strong>der</strong> Anleitung im Rahmen <strong>der</strong> Praktikumszeit erfolgreich realisierbarsind.Ein weiteres, zukünftiges Projekt könnte sich mit <strong>der</strong> Optimierung <strong>der</strong> <strong>Spektrometer</strong>anordnungbeschäftigen. Eine neue Konstruktion <strong>der</strong> Blendenkammer würde möglicherweiseeine Verringerung des Störuntergrunds und <strong>der</strong> Verschmierung erzielen.Hierbei wäre auch aufschlussreich, inwieweit sich die Schutzhülle des Präparats auf dieZählraten auswirkt.Ich hatte viel Spaß beim Anfertigen dieser wissenschaftlichen Arbeit. Die Kombinationaus theoretischen Betrachtungen, experimenteller Tätigkeit und schulpraktischemBezug machte das Thema beson<strong>der</strong>s interessant und vielseitig.96


A. AnhangPHYWE Betriebsanleitung 09104.00:Beta-Spektroskop97


RBeta-Spektroskop09104.00BetriebsanleitungAbb. 1: Beta-Spektroskop 09104.001 ZWECKMit dem Beta-Spektroskop 09104.00 (Abb. 1) wird die Geschwindigkeitvon Beta-Teilchen gemessen und daraus<strong>der</strong>en Energie berechnet; <strong>der</strong> Wert e/m wird dabei als bekanntvorausgesetzt.<strong>Das</strong> Beta-Spektroskop ist sowohl als Demonstrationsgerätwie auch für Praktikumsversuche geeignet.2 ANGABEN ZUM GERÄT2.1 Beschreibung<strong>Das</strong> Beta-Spektroskop (vgl. die schematische Darstellung,Abb. 2) ist eine runde Flachkammer, <strong>der</strong>en dicke zylindrischeWand 1 aus nicht magnetisierbarem Material besteht;Boden und Deckel werden von zwei flachen, planen Polschuhengebildet.In <strong>der</strong> Wand 1 befinden sich drei Durchbrüche: die Präparathalterung2 mit Eintrittsblende 3, die Magnetfeldsondendurchführung4 und die Zählrohrhalterung 5 mit Austrittsblende6.Auf dem Kammerboden ist ein System von Blenden angeordnet,welches die von <strong>der</strong> vorgegebenen Kreisbahn abweichendenBeta-Teilchen ausblendet.Zur Halterung des Beta-Spektroskops auf einem Aufbau-Magneten (vgl. 4.1.1) dient ein von außen in den Kammerbodeneinschraubbarer Zentrierstift. Der Kammerdeckelkann nach Lösen einer Schraube abgenommen werden.2.2 Technische Daten und physikalische Konstantenmittlerer Bahnradius: r = 50mmKonstanten: c = 299792,5 · 10 3 m/sm 0= 9,1091 · 10 –31 kge = 1,60210 · 10 –19 C3. MESSMETHODEIm Beta-Spektroskop werden Beta-Teilchen dadurch nachihrer Energie selektiert, daß eine feste Kreisbahn in einemhomogenen Magnetfeld durch Blenden vorgegeben ist undeine eindeutige Beziehung zwischen <strong>der</strong> Kraftflußdichte Bund <strong>der</strong> Geschwindigkeit v <strong>der</strong> Beta-Teilchen auf dieserKreisbahn besteht.Auf <strong>der</strong> Kreisbahn sind die Lorentzkraft, hervorgerufendurch das magnetische Querfeld, und die Zentrifugalkraftim Gleichgewicht:evB =mv r2.Hieraus folgt für den Impuls:p= mv= eBr.Abb. 2: Schematische Darstellung des Beta-Spektroskops miteingezeichneter Flugbahn <strong>der</strong> gezählten ZeichenPHYWE SYSTEME GMBH · Robert-Bosch-Breite 10 · D-37079 · Göttingen · Telefon (05 51) 6 04-0 ·Telefax (05 51) 60 41 07


BmT 18016014012010080604020Abb. 3: Kalibrierkurve des Beta-Spektroskops0Abb. 3a: Magnetfeld 0,4 als 0,8 Funktion 1,2 <strong>der</strong> Stromstärke 1,6 2 bei 2,4 2,8Verwendung <strong>der</strong> Spule 06514.00 (600 Wdg.) IAFür relativistische Partikel mit dem Impuls p gilt die Impulsbeziehung:Ec222 2 2= p + m c .Dabei ist E die Gesamtenergie <strong>der</strong> Partikel, die sich in diekinetische Energie E kinund in die Ruheenergie m 0c 2 aufteilt:E = Ekin+ m 0c2 .Für die kinetische Energie gilt demzufolge02 4E ( eBrc)kin= + m0c −m0c2Dies ist die gesuchte Beziehung zwischen Teilchenenergieund Kraftflußdichte. Bei einem mittleren Kreisbahnradiusr von 50 mm ergibt sich die in Abb. 3 dargestellte Kalibrierkurve.Steht kein Magnetfeldmeßgerät zur Verfügung, sokann die Feldstärke aus Abb. 3a ermittelt werden.2 .4 HANDHABUNG IM EXPERIMENT4.1 Erzeugung des magnetischen GleichfeldesZur Erzeugung des magnetischen Gleichfeldes für dasBeta-Spektroskop kann entwe<strong>der</strong> (wie in Abb. 4) ein Aufbau-Elektromagnetbenutzt werden o<strong>der</strong> aber <strong>der</strong> Elektromagnet06480.01, <strong>der</strong> zur Erzeugung eines starken, homogenenFeldes mit zwei planen Polschuhen 06480.02auszurüsten ist.4.1.1 Anordnung mit Aufbau-ElektromagnetEinen geblätterten U-förmigen Eisenkern versieht man aufeinem Schenkel mit einer Spule (600 Wdg) und steckt darüberdas Beta-Spektroskop (wozu in den Kammerboden<strong>der</strong> Zentrierstift eingeschraubt sein muß).Auf den an<strong>der</strong>en Schenkel des U-Kerns steckt man denrunden, massiven Eisenkern 06490.01, <strong>der</strong> die gleicheHöhe wie das Beta-Spektroskop hat. Als Joch wird ein stabförmigergeblätterter Eisenkern aufgelegt. Bevor man dasJoch mit Hilfe einer Spannvorrichtung 06506.00 andrückt,muß das Beta-Spektroskop so gedreht werden, daß seinedrei Wanddurchbrüche (für Präparat, Zählrohr und Magnetfeldsonde)frei zugänglich sind.4.1.2 Anordnung mit Elektromagnet 06480.01Der Elektromagnet ist gemäß zugehöriger Bedienungsanleitungmit zwei planen Polschuhen 06480.02 zu versehen.Zwischen diesen soll das Beta-Spektroskop – mit seinenPolschuhen an den Magnetpolschuhen anliegend – eingeklemmtwerden, und zwar etwa mittig zwischen den Feldspulen.Bei zunächst geringfügig größerem Abstand <strong>der</strong>Magnetpolschuhe richtet man das Beta-Spektroskop (dessenZentrierstift entfernt wurde) so aus, daß die drei Wanddurchbrüche(für Präparat, Zählrohr und Magnetfeldsonde)frei zugänglich sind. Dann wird das Beta-Spektroskop mitden Magnetpolschuhen festgeklemmt.4.2 MagnetfeldmessungZur <strong>Messung</strong> <strong>der</strong> magnetischen Flußdichte im Innern desBeta-Spektroskopes dient das Teslameter in Verbindungmit <strong>der</strong> Tangentialsonde. Die Sonde wird – Sondenflächeparallel zu den Polschuhflächen des Beta-Spektroskops –209104.00


vorsichtig so weit in den Wanddurchbruch eingeschoben,bis ein mechanischer Wi<strong>der</strong>stand spürbar ist. In dieser Stellungist die Sonde mit Hilfe von Stativmaterial sicher zu haltern,damit sie nicht abknicken kann, wodurch sie zerstörtwerden könnte.4.3 Zählrohr und Beta-StrahlerBeim Einsetzen von Zählrohr und Phywe-Präparaten (sieheGeräteliste) in die entsprechenden Wanddurchbrüche desBeta-Spektroskops ist keinerlei Justierung erfor<strong>der</strong>lich: dasZählrohr wird vorsichtig bis zum Anschlag eingeschoben,das Präparat bis zum deutlich spürbaren Einrasten.4.4 AUFNAHME EINES BETA-SPEKTRUMSDurch Verän<strong>der</strong>n des Spulenstromes wird das Magnetfeldschrittweise variiert und die jeweils zugehörige Zählrate gemessen.Trägt man die Zählrate über dem gemessenenMagnetfeld auf, so erhält man ein Diagramm, wie es inAbb. 5 für einen Sr-90-Strahler dargestellt ist. Mit Hilfe <strong>der</strong>Kalibrierkurve (Abb. 3) läßt sich das Diagramm auswerten.5. MATERIALLISTEBeta-Spektroskop 09104.00Eisenkern, d = 40 mm, h = 25 mm 06490.01Amperemeter 1 mA– 3 A∼ 07036.00Netzgerät, universal 13500.93Digitalzähler, 4 Dekaden 13600.93Teslameter, digital 13610.93Hallsonde, tangential 13610.02Eisenkern, stabf., kurz, geblättert 06500.00Eisenkern, U-förmig, geblättert 06501.00Spannvorrichtung 06506.00Spule 600 Windungen 06514.01Zählrohr, Typ A 09025.11BNC-Kabel, l = 750 mm 07542.11Verbindungsleitungen(3x)Radioaktive Präparate:Präparat Sr-90, 74 kBq 09047.53Präparat Na-22, 74 kBq 09047.52Abb. 5: Beta-Spektrum von Sr-903 09104.00


A Anhang102


Literaturverzeichnis[1] Schnei<strong>der</strong>, F.: Aufbau und Gestaltung eines physikalischen Demonstrationspraktikums- Schwerpunkt Mechanik. Staatsexamensarbeit, Physikalisches InstitutFreiburg, 2008.[2] Schmid, K.: Aufbau und Gestaltung eines physikalischen Demonstrationspraktikums- Versuche zum Elektromagnetismus. Staatsexamensarbeit, Physikalisches InstitutFreiburg, 2008.[3] Patzner, K.: Aufbau und Gestaltung eines physikalischen Demonstrationspraktikums- Versuche zur Quantenmechanik. Staatsexamensarbeit, Physikalisches InstitutFreiburg, 2008.[4] Chadwick, J.: Radioactivity and radioactive substances. Pitman, 3. Auflage, 1931.[5] Neckar-Verlag (Herausgeber): Bildungsplan für das Gymnasium. Ministerium fürKultus, Jugend und Sport, 2004. http://www.bildung-staerkt-menschen.de/service/downloads/Bildungsplaene/Gymnasium/Gymnasium_Bildungsplan_Gesamt.pdf.[6] Bodenstedt, E.: Experimente <strong>der</strong> Kernphysik und ihre Deutung, Teil 1. WissenschaftsverlagMannheim, 1979.[7] Brachner, A., Hartl, G. und Hladky, S.: Atom-, Kern-, Elementarteilchenphysik;Informationen zur Ausstellung im Deutschen Museum. 1987.[8] Curie, M.: Oeuvres de Marie Sklodowska Curie. Panstwowe Wydawnictwo Naukowe,1954.[9] Rutherford, E.: Radioavtive substances and their radiations. The University Press,1913.[10] Meschede, D.: Gerthsen Physik, Die ganze Physik zum 21. Jahrhun<strong>der</strong>t. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 23. Auflage, 2005.[11] Povh, B., Rith, K., Scholz, C. und Zetsche, F.: Teilchen und Kerne, Eine Einführungin die physikalischen Konzepte. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, NewYork, 7. Auflage, 2006.[12] Mayer-Kuckuk, T.: Kernphysik - Eine Einführung. Teubner Verlag Suttgart,Leipzig, Wiesbaden, 7. Auflage, 2002.103


Literaturverzeichnis[13] Demtrö<strong>der</strong>, W.: Experimentalphysik 4, Kern-, Teilchen- und Astrophysik. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, 2. Auflage, 2005.[14] Stolz, W.: Radioaktivität, Grundlagen-<strong>Messung</strong>-Anwendung. Carl Hanser VerlagMünchen, Wien, 2. Auflage, 1990.[15] Kleinknecht, K.: Detektoren für Teilchenstrahlung. Teubner Verlag / GWV FachverlageGmbH, Wiesbaden, 4. Auflage, 2005.[16] Pauli, W.: Writings on Physics and Philosophy. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg,New York, 1994.[17] Dorn, F. und Ba<strong>der</strong>, F.: Physik in einem Band. Schroedel Schulbuchverlag GmbH,Hannover, 1993.[18] Krieger, H.: Grundlagen <strong>der</strong> Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes. TeubnerVerlag / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden, 2. Auflage, 2004.[19] Stolz, W.: <strong>Messung</strong> ionisieren<strong>der</strong> Strahlung, Grundlagen und Methoden. Physik-Verlag, Weinheim, 1985.[20] Fermi, E.: Nuclear Physics: A Course Given by Enrico Fermi at University ofChicago. Univerity of Chicago Press, 1974.[21] Mayer-Kuckuk, T.: Atomphysik. Teubner Verlag, Stuttgart, 4. Auflage, 1994.[22] Bethge, K., Walter, G. und Wie<strong>der</strong>mann, B.: Kernphysik - Eine Einführung.Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, 3. Auflage, 2001.[23] Grupen, C.: Grundkurs Strahlenschutz. Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, 4. Auflage,2008.[24] Dorn, F. und Ba<strong>der</strong>, F.: Physik Gymnasium (G8) 11/12. Westermann SchroedelDiesterweg Schöningh Winklers GmbH, Braunschweig, 2010.[25] Geiger, H. und Müller, W. Physikalische Zeitschrift, 29, 1928.[26] Bindhammer, M.: Geiger-Müller-Zähler. www.b-kainka.de/Geiger-M%FCller-Z%E4hler.pdf.[27] Demtrö<strong>der</strong>, W.: Experimentalphysik 2, Elektrizität und Optik. Springer-VerlagBerlin, Heidelberg, New York, 2. Auflage, 2002.[28] PHYWE Handblatt LEP 5.2.32-00: beta-spectroscopy. http://www.nikhef.nl/~h73/kn1c/praktikum/phywe/LEP/Experim/5_2_32.pdf.[29] PHYWE Handblatt 09104.00: Beta-Spektroskop. http://www.phywe.de/index.php/fuseaction/download/lrn_file/bedanl.pdf/09104.00/d/0910400d.pdf.104


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Literaturverzeichnis106


DanksagungAn dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen herzlich bedanken, die zum Gelingenmeiner wissenschaftlichen Arbeit beigetragen haben.Die Arbeit wurde betreut von Prof. Horst Fischer. Neben <strong>der</strong> Vergabe eines großartigenThemas, danke ich für die vielen wertvollen Ratschläge und Anmerkungen. Seine Türestand je<strong>der</strong>zeit für alle möglichen Probleme und Fragen offen.Mein Dank gilt ebenso Prof. Kay Königsmann, für die freundliche Aufnahme in seineAbteilung und die Bereitstellung meines eigenen Büros.Alle Abteilungsmitglie<strong>der</strong> standen mir während <strong>der</strong> Arbeit mit Rat und Tat zu Seite:Stefan Bartknecht, Rainer Fastner, Elisabeth Gruber, Tillmann Guthörl, FlorianHerrmann, Louis Lauser, Andreas Mutter, Khalil Rehmani, Susanne Rombach-Mikl,Christian Schill, Katharina Schmidt, Sebastian Schopferer, Julia Vogel, Johannes terWolbeek und Heiner Wollny. Beson<strong>der</strong>s erwähnen möchte ich meine liebe BüropartnerinChristiane Imlintz, die für lustige Abwechslung während des Schreibens sorgte, sowiePhilipp Jörg, <strong>der</strong> mir beim Arbeiten mit ROOT sehr behilflich war.Für das Probelesen und die konstruktive Kritik möchte ich mich bei Dr. ChristianSchill, Tillmann Guthörl, Sebastian Schopferer und bei meiner Tante Sylvia Schnurbedanken.Ein großes Dankeschön gilt meiner tollen Familie. Danke Mama, Papa, Theresa undMax, dass ihr immer für mich da seid und mich während meines gesamten Studiumsunterstützt, beraten, beruhigt und ertragen habt! Mein abschließen<strong>der</strong> Dank geht anmeinen Freund Christian, <strong>der</strong> mir jeden Tag und in je<strong>der</strong> Hinsicht eine riesengroßeStütze ist.


ErklärungIch erkläre, dass ich die Arbeit selbständig angefertigt und nur die angegebenenHilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut o<strong>der</strong> dem Sinn nach an<strong>der</strong>enWerken, gegebenenfalls auch elektronischen Medien, entnommen sind, sind von mirdurch Angabe <strong>der</strong> Quelle als Entlehnung kenntlich gemacht. Entlehnungen aus demInternet sind durch Ausdruck belegt.Freiburg im Breisgau, 14. Mai 2009Elisabeth Wursthorn

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