Dr. h. c. Annemarie Renger - Mitmischen.de
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Dissonanzen ziehen sich je<strong>de</strong>nfalls durch ihr gesamtes politisches Leben: Nur wenige<br />
Monate waren seit ihrer Wahl zur Bun<strong>de</strong>stagspräsi<strong>de</strong>ntin vergangen, als sie im April 1973 aus<br />
<strong>de</strong>m Parteipräsidium abgewählt wur<strong>de</strong>.<br />
Gezweifelt aber hat <strong>Annemarie</strong> <strong>Renger</strong> nie – we<strong>de</strong>r an sich noch an ihrer Partei –:<br />
Ich bin mit <strong>de</strong>n Vorstellungen und Symbolen <strong>de</strong>r Sozial<strong>de</strong>mokratie aufgewachsen.<br />
Sie haben mir und meinen Eltern während <strong>de</strong>r Nazizeit inneren Halt gegeben.<br />
So notierte sie in ihren Lebenserinnerungen.<br />
Sie vertrat die sozial<strong>de</strong>mokratische I<strong>de</strong>e mit Überzeugung und Loyalität – was sie allerdings<br />
nicht daran hin<strong>de</strong>rte, sich als Abgeordnete auch schon mal gegen ihre Fraktion zu stellen:<br />
Dennoch habe ich in Fragen, die mir wichtig waren, eine eigene Meinung im<br />
Plenum vertreten, die zuweilen nicht „im Trend“ lag.<br />
So umschrieb <strong>Annemarie</strong> <strong>Renger</strong> diese Haltung, Artikel 38 <strong>de</strong>s Grundgesetzes auf ihrer<br />
Seite wissend – eine Verfassungslage, liebe Kolleginnen und Kollegen, die bis heute we<strong>de</strong>r<br />
an rechtlicher Verbindlichkeit noch an aktueller politischer Relevanz eingebüßt hat.<br />
<strong>Annemarie</strong> <strong>Renger</strong> beklei<strong>de</strong>te hohe politische Ämter, und sie war Kandidatin ihrer Partei<br />
für das Amt <strong>de</strong>s Staatsoberhauptes. Gleichwohl kann man von ihrer Biografie gewiss nicht<br />
sagen, ihr Leben sei vom Schicksal begünstigt gewesen – schon gar nicht immer. Sie hatte<br />
im Gegenteil eine ganze Reihe persönlicher Schicksalsschläge zu verkraften. Ihr erster Mann<br />
fiel im Weltkrieg, ebenso drei ihrer Brü<strong>de</strong>r. Auch ihren zweiten Mann und ihren einzigen<br />
Sohn hat sie überlebt. Aber <strong>Annemarie</strong> <strong>Renger</strong> besaß bewun<strong>de</strong>rnswerten Lebensmut und<br />
Durchhaltewillen. Ihre Devise war:<br />
Ich lasse mich nicht unterkriegen.<br />
Ihre Rolle als Präsi<strong>de</strong>ntin füllte <strong>Annemarie</strong> <strong>Renger</strong> sowohl nach <strong>de</strong>m Urteil ihrer Kolleginnen<br />
und Kollegen als auch in <strong>de</strong>r öffentlichen Wahrnehmung mit Bravour aus. Sie leitete<br />
die Sitzungen überparteilich, souverän und mit <strong>de</strong>r ihr eigenen charmanten Resolutheit.<br />
Sie hat das Parlament nach außen hervorragend repräsentiert und hat nach innen viel<br />
bewegt. Sie hat lange überfällige Parlamentsreformen angeschoben, sie brachte das Parlament<br />
<strong>de</strong>n Bürgern näher. Nicht zuletzt intensivierte sie die parlamentarischen Beziehungen<br />
zu unseren östlichen Nachbarn und leitete die ersten Bun<strong>de</strong>stags<strong>de</strong>legationen nach Polen,<br />
Rumänien und in die Sowjetunion.<br />
Beson<strong>de</strong>rs lag ihr die Verbun<strong>de</strong>nheit mit Israel am Herzen. 14 Jahre lang war sie Vorsitzen<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-israelischen Parlamentariergruppe. Ihr Engagement um die Aussöhnung<br />
mit Israel, um <strong>de</strong>n christlich-jüdischen Dialog wur<strong>de</strong> mit hohen Auszeichnungen gewürdigt,<br />
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