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Bildungsbeteiligung und Sozialstruktur im beruflichen Schulsystem

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6 Kapitel 1der <strong>beruflichen</strong> Ausbildung in Betrieben hin: Diese Reichweite verschiebt sich entlangder Schulabschlusshierarchie nach oben <strong>und</strong> verengt den Zugang zur Ausbildungwie überhaupt das wählbare Ausbildungsspektrum nach unten hin. Gleichzeitig bildetsich eine mehrfache Wettbewerbssituation aus: Der Wettbewerb um Ausbildungsplätzedynamisiert die Entstehung von Laufbahnhierarchien <strong>und</strong> den wettbewerbsbedingtenLaufbahnaufstieg bzw. -verbleib <strong>im</strong> System. Außerdem konkurrieren Gymnasialabsolventenmit Hochschulreife wie auch entsprechende Absolventen der Berufskollegs(z.B. aus dem wirtschaftsgymnasialen Bildungsgang) um Ausbildungsplätze.Die in dieser Konkurrenz erkennbare Segmentation des Bildungssystems in dasgymnasiale <strong>und</strong> das übergangsorientierte Segment entspricht einer neuen Profilbildungin der Sek<strong>und</strong>arstufe II. Während das gymnasiale Segment der klassischen Laufbahntraditionfolgt, entspricht das übergangsorientierte Segment in dem zentralen Merkmalder inklusiven Schülerrekrutierung der Struktur einer Gesamtschule. Man kann festhalten:Während in der Sek<strong>und</strong>arstufe I die Aufhebung der dreigliedrigen Typenhierarchievon Hauptschulen, Realschulen <strong>und</strong> Gymnasien durch Gesamtschulen gescheitertist <strong>und</strong> die Einführung integrierter Haupt- <strong>und</strong> Realschulen uneinheitlich verläuft, hatdas berufliche <strong>Schulsystem</strong> der Funktion nach den Charakter einer Gesamtschule derSek<strong>und</strong>arstufe II angenommen.Die Gesamtschulfunktion stellt sich zum einen <strong>im</strong> Streamingcharakter der systemeigenenvollzeitschulischen Bildungsgänge dar, die eine Hierarchie nach Abschlüssenaufweisen, Durchlässigkeit zulassen <strong>und</strong> am Fachhochschul- bzw. Hochschulzugangausgerichtet sind. Zum andern stellt sie sich dar in der besonderen Bedeutung, dieder <strong>beruflichen</strong> Ausbildung in Betrieben für das Übergangssystem zukommt. Mit derAusbildung in Betrieben integriert das Übergangsystem ein marktvermitteltes, an privatbetrieblicheRekrutierungsentscheidungen <strong>und</strong> Herstellungsprozesse geb<strong>und</strong>enesBildungsgut in ein System der Bereitstellung öffentlicher Bildungsgüter, das ansonstendurch Schulen <strong>und</strong> Schullaufbahnstrukturen gewährleistet wird. Wer ausgebildet wird<strong>und</strong> wer nicht, ist eine Sache der privatbetrieblichen Entscheidung, die sich die Allokationnach Abschlüssen nicht notwendigerweise zueigen machen muss. 2 Deshalb folgtdie Zusammensetzung der Schülerschaft in einem Teilbereich des <strong>beruflichen</strong> <strong>Schulsystem</strong>s– nämlich dem der Teilzeitberufsschule – nicht der am Streamingcharakter derAbschlüsse orientierten Handlungslogik der Schule, sondern der am Investitions- <strong>und</strong>Kostenkalkül orientierten Nutzenrationalität von Betrieben.Die Angebotskrise der Ausbildung wirkt sich infolgedessen auf die Struktur des<strong>beruflichen</strong> <strong>Schulsystem</strong>s unmittelbar aus. Das System verarbeitet die privatbetrieblichenEntscheidungszusammenhänge, ohne in einem programmatischen <strong>und</strong> formalisiertenSinne tatsächlich darauf eingestellt zu sein: Die (vom konjunkturellen Prozessunabhängige) Knappheit an Ausbildungsplätzen führt <strong>im</strong> <strong>beruflichen</strong> <strong>Schulsystem</strong> zurvermehrten Nachholung von Schulabschlüssen, zum längeren Verbleib in vollzeitschulischenBildungsgängen <strong>und</strong> zur Anhebung des durchschnittlichen Alters der Absolventen.Dies löst eine über die angesprochene Segmentierung hinausgehende weitereSystemveränderung aus: Neben der Differenzierung in die Gymnasial- <strong>und</strong> in die Berufsübergangslinieentsteht eine an der lebenslaufbezogenen Sukzession der Schulab-2 Vgl. Baethge (2003).

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