BEriCHTE - DAV Sektion Freiburg i. Br.
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Ganz bei mir, Leidenschaft Achttausender<br />
Wir schreiben das Jahr 2009 – Gerlinde Kaltenbrunner<br />
hat in ihrem Buch zwölf der vierzehn<br />
Achttausender beschrieben, den Everest nach<br />
Redaktionsschluss. 2010 ist sie am K2 wenig unterhalb<br />
des Gipfels wieder abgestiegen, denn unmittelbar<br />
vor ihr stürzte ihr Bergkamerad in den<br />
Tod. Reinhold Messner adelt sie als „die stärkste<br />
Höhenbergsteigerin der Welt“ – in seinem neuen<br />
Buch „ On Top – Frauen ganz oben“. Im Übrigen<br />
setzt er sich darin sehr mit<br />
dem Feminismus und der<br />
Frauenemanzipation in der<br />
Bergwelt auseinander und<br />
ordnet deren Alpinleistungen<br />
gerecht ein, den Männern<br />
die Leviten lesend.<br />
Gerlinde Kaltenbrunners<br />
Buch schrieb im Wesentlichen<br />
ihre Freundin Karin<br />
Steinbach, beruhend auf 66<br />
Interview-Stunden und elektronischen Tagebüchern<br />
von Gerlinde. Sie hat es recht gut verfasst,<br />
es finden sich durchaus spannende Szenen und<br />
gleich zu Anfang berührende Bergstimmungen mit<br />
Sonnenuntergang und Sicht in die weite Bergwelt<br />
des Himalayas; für solche Momente steigt G.K. auf<br />
Achttausender, „weil es mein Weg ist, ein erfülltes<br />
Dasein zu leben.“<br />
Im Buch werden alle Besteigungen in zeitlicher<br />
Reihenfolge beschrieben, aber auch Kindheitserinnerungen<br />
erzählt. Um solche Bücher von Höhenbergsteigern<br />
durchzulesen, braucht man selber die<br />
Kondition eines Höhenbergsteigers, wie es kürzlich<br />
ein Rezensent in der Süddeutschen Zeitung schrieb<br />
– und darin liegt auch die Schwäche dieses Buches.<br />
Es ist ermüdend und wenig inspirierend, über<br />
Heli-Einsätze zu erfahren; von vielen Bergkameraden<br />
zu lesen, die man nicht kennt; immer wieder<br />
vom Basislager zu Lager 1,2,3,4 zu steigen (bei fair<br />
means!); die Kälte, den Gipfel mit seiner Aussicht,<br />
Freude, Tränen, Umarmungen, kurze Aufenthalte<br />
und Angst vor dem Abstieg zu erfahren, bei dem<br />
es manches Mal zur tödlichen Katastrophe kommt,<br />
die jeweils als „tragisch“ bezeichnet wird.<br />
Frau Kaltenbrunner ist ausgebildete Krankenschwester,<br />
Kortisonspritzen und Nifedipin-Tabletten<br />
verabreichte sie bei Höhenkrankheiten ganz geläufig<br />
– sie hilft, wo sie kann, womit sie den Einen<br />
oder Anderen der Vielen, die dann doch als Tote<br />
ihren Weg begleiteten, mithalf zu retten.<br />
Auffällig ist bei dieser durchaus sympathischen<br />
Frau ihre Naivität in Bezug auf Menschen, Land<br />
und Kultur: in Pakistan staunt sie plötzlich über<br />
ihre Abhängigkeit von den Trägern, über die Armut<br />
und nicht vorhandene medizinische Versorgung,<br />
so dass man meint, sie habe noch nie etwas<br />
von der Armut in Entwicklungsländern und dort<br />
tätigen Hilfsorganisationen gehört.<br />
Ich glaube, mit dem Profibergsteigen verarmt die<br />
Seele des Bergsteigens! Und ewig kann die jetzt<br />
ca. 41jährige diese Tätigkeit ja auch nicht bewältigen<br />
– es gibt aber andere Möglichkeiten und gute<br />
Beispiele, sich im geliebten Himalaya als berühmte<br />
Bergsteigerin zu engagieren: die Armut in Pakistan,<br />
Nepal, Sikkim, fordert geradezu dazu auf, sich sozial,<br />
besonders auch im medizinischen Bereich zu<br />
betätigen.<br />
Das Buch zeigt ganz deutlich die Ambivalenz dieser<br />
„neuen Sportart“ – des Achttausender-Fiebers.<br />
Friedrich Kluge<br />
Gerlinde Kaltenbrunner mit<br />
Karin Steinbach, Ganz bei mir,<br />
Leidenschaft Achttausender,<br />
Mit 71 farbigen Fotos und einer Karte,<br />
Malik-Verlag, München 2009<br />
ISBN 978-3-89029-332-5, Preis 15,40 €<br />
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