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Predigt beim Deutschlandtreffen <strong>de</strong>r Schlesierin <strong>de</strong>r Münchner Halle <strong>de</strong>s Messegelän<strong>de</strong>s zu Hannoveram Sonntag, 28. Juni 2009,über Psalm 97,10: „Der Herr bewahrt die Seelen seiner Heiligen“von Christian-Erdmann Schott, MainzLiebe schlesische Landsleute, manchmal sind es jüngere Menschen, die uns älterendie Frage stellen: Wie konntet Ihr das, was Ihr erlebt habt, eigentlich durchstehen?Das ist eine sehr freundliche Frage. Die, die uns nicht mögen, stellen sie nicht. Aberdie, die sie stellen, zeigen damit Interesse, Anteilnahme, vielleicht sogar ein bisschenBewun<strong>de</strong>rung. Diese Frage stellen sich aber auch viele Ältere. Das geschieht dannallerdings nicht so sehr mit Bewun<strong>de</strong>rung, son<strong>de</strong>rn eher mit Verwun<strong>de</strong>rung – ja, wiekonnten wir das alles durchstehen? Wie haben wir das eigentlich geschafft!?Ich persönlich glaube, dass es sich dabei keineswegs um eine überflüssige o<strong>de</strong>r umeine bloße Sonntagsfrage han<strong>de</strong>lt. Das merke ich immer wie<strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r Post, die ichnun schon seit vielen Jahren von vertriebenen Schlesiern bekomme – und zwar seitich 1993 angefangen habe, <strong>de</strong>n Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r „Gemeinschaft ev. Schlesier(Hilfskomitee) e. V.“ zu ihren run<strong>de</strong>n und halbrun<strong>de</strong>n Geburtstagen zu gratulieren,beginnend mit <strong>de</strong>m 70. In <strong>de</strong>n Dankesantworten spielt diese Frage eine auffallen<strong>de</strong>Rolle. Auch wenn nicht danach gefragt wor<strong>de</strong>n war. Ganz offensichtlich beschäftigtsie die Menschen auch für sich selbst – hier ein paar BeispieleHerr F. bedankte sich für <strong>de</strong>n Gruß zum 75. Geburtstag und schrieb im Oktober2008: „…..Die alte Heimat lässt mich nicht los und die Geschehnisse 1945 und 1946prägten mich wie mit einem Brandmal. Heimatlos, elternlos und zeitweilig ……auchnoch völlig rechtlos…… Die Gna<strong>de</strong> unseres Herrn hat es bewirkt, dass wir großeTiefen lebend überstan<strong>de</strong>n haben“.Frau H. bedankte sich für Gruß zum 80. Geburtstag und schrieb im Mai 2007:„Obwohl mein Leben durch viele Höhen und Tiefen führte, beson<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>n 12Jahren von 1945 -1957 in <strong>de</strong>r alten Heimat, so wur<strong>de</strong> ich doch in je<strong>de</strong>r Gefahr vonGott geführt und beschützt. …“Frau W. bedankte sich im März 2007 für <strong>de</strong>n Gruß zum 90. Geburtstag. „. …..Ichhabe viel zu danken, wenn ich daran <strong>de</strong>nke, wie Gott mich durch viel Schwereshindurch geleitet hat…..“Frau T. dankte im April 2009 für <strong>de</strong>n Gruß zum 95. Geburtstag: „Niemals habe ichdamit gerechnet, so alt zu wer<strong>de</strong>n…..Was mir fehlt, ist die Heimat und <strong>de</strong>renBewohner. Da wür<strong>de</strong> ich gern sagen: Suste nischt, ok heem. – aber - ….. Ich habeviel Grund zu danken, nicht nur am Geburtstag….“1


Solche und ähnliche Äußerungen können als zeitgemäße Auslegungen <strong>de</strong>s Textesfür diese Predigt angesehen wer<strong>de</strong>n. Der Text steht Psalm 97,10 und heißt:„Der Herr bewahrt die Seelen seiner Heiligen“Wie schon seit Jahrtausen<strong>de</strong>n wird die Frage - wie habt Ihr das alles durchgestan<strong>de</strong>n? - auch von Mitglie<strong>de</strong>rn unserer Gemeinschaft sehr häufig beantwortet mit<strong>de</strong>m Hinweis auf Gott. Er hat uns geholfen! Die Antwort hätte auch ganz an<strong>de</strong>rsausfallen können: „Glück gehabt“ – „Wir sind noch mal davongekommen“. O<strong>de</strong>r: „Wirwissen es nicht“ – „Es ist halt noch mal schief gegangen“ o<strong>de</strong>r so ähnlich. Nein, siebeharren darauf: Uns hat Gott geholfen. Dazu passt die Beobachtung, dass dieSchlesier von dieser Hilfe sprechen wollen. Sie müssten es nicht. Sie re<strong>de</strong>n von sichaus, gern, freiwillig und wahrscheinlich auch bei an<strong>de</strong>ren Gelegenheiten davon - soähnlich wie in <strong>de</strong>r Urgemein<strong>de</strong>, von <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Apostelgeschichte (Kap.4,20) <strong>de</strong>r Satzüberliefert wird „Wir können`s ja nicht lassen, dass wir nicht re<strong>de</strong>n sollten, von <strong>de</strong>mzu re<strong>de</strong>n, was wir gesehen und gehört haben“. „Wir können`s ja nicht lassen….“Immer wie<strong>de</strong>r fangen sie davon an, weil es ihnen wichtig ist.Auffällig ist aber auch, wie sie davon re<strong>de</strong>n. Es wirkt absolut überzeugt, fest, unbeirrt,gewiss und zugleich ruhig. Diese Worte haben Gewicht, ohne betont feierlichdaherzukommen. Von selbst verstehen sie sich aber auch nicht. Dem Hörer o<strong>de</strong>rLeser teilt sich die Überzeugung mit, dass die erfahrene Hilfe durch Gott innereRuhe, Dankbarkeit, Erleichterung, Übereinstimmung mit sich selbst, Frie<strong>de</strong>n bewirkthat. Manche Briefschreiben lassen ja auch ausdrücklich erkennen, auf welchemdunklen Hintergrund dieser Glaube an die Bewahrung <strong>de</strong>r Seele durch Gottgewachsen ist.Wenn man viel mit evangelischen Schlesiern zu tun hat und gelernt hat, auf ihrenHerzschlag zu achten, dann wird man auch wissen, dass sie in ihrer großen Mehrheitvor allem in drei Gefährdungen bewahrt geblieben sind.I. Nämlich einmal von <strong>de</strong>r inneren Vergiftung durch <strong>de</strong>n Hass gegen die, die sievertrieben haben. Es ist sehr auffällig, dass schon – o<strong>de</strong>r noch – 1946, als bereitstäglich die Güterwaggon-Transporte <strong>de</strong>r Reichsbahn mit <strong>de</strong>n Deutschen ausSchlesien abgingen, aber in Breslau noch einmal eine Syno<strong>de</strong>, die so genannteHofkirchensyno<strong>de</strong>, durchgeführt wer<strong>de</strong>n konnte, von nieman<strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r damals dasWort ergriffen o<strong>de</strong>r auch sonst eine Erklärung abgegeben hat, Hass gepredigt wur<strong>de</strong>.2


Diese Menschen haben ihr Schicksal angenommen aus <strong>de</strong>r Hand Gottes, sie habensich – wie Abraham (1. Mose 12,1) „Geh aus <strong>de</strong>inem Vaterland….“ – aufgemacht, dieSchikanen an sich abprallen lassen, aber <strong>de</strong>nen, die ihnen das antaten, nichtgeflucht. Sie sind gegangen in <strong>de</strong>r Ergebenheit in <strong>de</strong>n Willen Gottes. Das hat ihnenauch innere Kraft zum Durchhalten gegeben. Diese innere Haltung haben sie bisheute bewahrt.In dieser Haltung konnten sie auch bereits fünf Jahre nach <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>rVertreibungen, im August 1950, in ihrer großen Mehrheit die großartige „Charta <strong>de</strong>r<strong>de</strong>utschen Heimatvertriebenen“ mitunterschreiben, in <strong>de</strong>r ausdrücklich festgehaltenist „Wir verzichten auf Rache und Vergeltung….“II. Mit <strong>de</strong>r Ankunft im übrigen Deutschland ergab sich eine weitere, eine neue Gefahrfür ihr Leben und für ihre Seele durch die nicht selten sehr unfreundlicheBehandlung, die sie von <strong>de</strong>r aufnehmen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Bevölkerung erfahrenmussten. Die Behandlung <strong>de</strong>r Flüchtlinge und Vertriebenen aus <strong>de</strong>m Osten inDeutschland war zum Teil skandalös und hätte bei <strong>de</strong>n „Dahergelaufenen“, wie vieleSchlesier damals genannt wur<strong>de</strong>n, allzu leicht in Neid einmün<strong>de</strong>n können; in einenNeid, <strong>de</strong>r sich darauf hätte berufen können, dass es immerhin ein Unrecht ist, wenndie einen aufgrund <strong>de</strong>s gemeinsam verlorenen Krieges alles verlieren und nichtsmehr haben und die an<strong>de</strong>ren alles behalten und haben dürfen. Dieser Neid hätteganz schnell zu sozialen Unruhen, zu einer revolutionären Stimmung im Land führenkönnen, in<strong>de</strong>m die Habenichtse aus <strong>de</strong>m Osten <strong>de</strong>n Besitzern im Westen ihreBesitztümer wegnehmen wollen. Es fällt sehr auf, dass auch bei <strong>de</strong>n heute alt o<strong>de</strong>rälter gewor<strong>de</strong>nen Kin<strong>de</strong>rn von damals, die wir ja heute sind, im Rückblick auf dieseJahre nach 1945 kaum Neid gegen die unfreundlichen <strong>de</strong>utschen Besitzen<strong>de</strong>nausgesprochen wird. Diese Bewahrung vor <strong>de</strong>m Neid ist heute fast vergessen. Sie istaber überhaupt nicht selbstverständlich.III. Die dritte Quelle <strong>de</strong>r seelischen Vergiftung ist am schwierigsten zu erfassen. Dennhier geht es um die <strong>de</strong>utsche Schuld, die wir durch die Verbrechen an <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n undan <strong>de</strong>n Völkern <strong>de</strong>s Ostens in <strong>de</strong>r Nazi-Zeit auf unser Volk gela<strong>de</strong>n haben. Hier mussman sehr genau hinhören und unterschei<strong>de</strong>n: Wir sind davon überzeugt, dass es dieVertriebenen waren, die die größte Last <strong>de</strong>r Strafe für die <strong>de</strong>utsche Schuld getragenhaben. Das heißt, wir sind die Hauptbestraften, aber wir sind nicht die3


Hauptstraftäter. Wir sind die Hauptleidtragen<strong>de</strong>n, aber nicht die Hauptleidverursacher– und so sind wir auch nicht die Repräsentanten <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Schuld, son<strong>de</strong>rn dieRepräsentanten <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Bezahlung.Es ist verständlich, dass diese Unterscheidungen nicht immer und überall klarausgesprochen wer<strong>de</strong>n; mit <strong>de</strong>r Folge, dass wir statt die Solidarität unseres Volkeszu erhalten, nun auch noch als Belastung und als Störenfrie<strong>de</strong> angesehen wer<strong>de</strong>n,eben weil wir uns nicht als Hauptstraftäter ansehen und verstehen. Diese mangeln<strong>de</strong>Solidarität belastet und bedrückt heute die Seele auch vieler Schlesier. Hier müssenwir uns in <strong>de</strong>n eigenen Reihen immer wie<strong>de</strong>r gut zure<strong>de</strong>n und ermuntern, nicht inVerbitterung zu verfallen. Wir tun das in unserer Gemeinschaft auch. Aber hier sindwir auch auf entgegenkommen<strong>de</strong> Zeichen und Maßnahmen aus <strong>de</strong>r übrigenGesellschaft angewiesen.Die evangelischen Schlesier sind in ihrer großen Mehrheit seelisch gesundgeblieben. Wir trauern um unsere alte Heimat, aber wir hassen nicht; wir tragen eineWun<strong>de</strong> in unserer Seele, aber wir sind nicht neidisch und kämpfen gegen dasAbgleiten in die eigene Verbitterung. Diese Stärke <strong>de</strong>r Seele hat uns gesundgehalten und fähig, mit Konzentration, Kraft, Ausdauer an <strong>de</strong>n Aufbau neuerExistenzmöglichkeiten zu gehen und in unserem Leben wirklich etwas zu Wege zubringen. Hass, Neid, Verbitterung schwächen die Seele, Glaube und Gottvertrauenbauen sie auf und machen sie stark.Darum ist es nur recht und billig, Gott für die Bewahrung, die wir erfahren durften, zudanken. Wir singen das Lob Gottes laut und kräftig und aus ganzem Herzen, mitganzer und nicht mit gespaltener Seele. Dieser Glaube hat schon unsere Mütter undunsere Väter stark gemacht. Er gibt auch uns Mut und Ausdauer und Hoffnung undFreu<strong>de</strong> und Dankbarkeit für die Aufgaben, die noch vor uns liegen.Und <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsre Herzenund Sinne in Christus Jesus, unserm Herrn.Amen.4

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