13.07.2015 Aufrufe

PDF-Datei herunterladen (ca. 1 MB) - gesev.de

PDF-Datei herunterladen (ca. 1 MB) - gesev.de

PDF-Datei herunterladen (ca. 1 MB) - gesev.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

64. JAHRGANG – NOVE<strong>MB</strong>ER 2013 – NR. 11ISSN 1861- 9746 Verkaufspreis: 3,- Euro H 6114Schlesischer GottesfreundNACHRICHTEN UND BEITRÄGE AUS DEM EVANGELISCHEN SCHLESIENDer HERR richtet auf,die nie<strong>de</strong>rgeschlagen sind.Psalm 146,8Losung am9. November 2013TITELGRAPHIK: ANN


162GEISTLICHES WORTAUS DEM INHALTGEISTLICHES WORTGedanken über Erinnern,Vergessen, Vergeben S. 162BEITRÄGEBettelt nicht um Entschuldigungson<strong>de</strong>rn bittet um Vergebung S. 164Von einem,<strong>de</strong>r vergeben konnte S. 165Joseph Freiherr von Eichendorffzum 225. Geburtstag S. 166Johann Gottlob Worbs S. 170MELDUNGENVorgestellt:Annemarie Franke S. 17190. Jahresfest <strong>de</strong>s MutterhausesEben-Ezer in Dziêgielów S.172Tagung <strong>de</strong>sJohann-Heermann-Kreises S.172LESERBRIEF S. 173VERANSTALTUNGEN S. 174AUS DER LESERGEMEINDE S. 174BUCHEMPFEHLUNG S. 176Titelgrafik: ANN, unter Verwendung einerAcrylarbeit aus <strong>de</strong>m Jahre 2002Gedanken über Erinnern, Vergessen, VergebenPredigt zum Volkstrauertag 2012„Verkün<strong>de</strong>n Sie Gottes Wort und halten Sie hier keine politischenPropagandare<strong>de</strong>n, platzte vor einigen Jahren lautstarkund erbost ein Gemein<strong>de</strong>glied in die tatsächlich nichtson<strong>de</strong>rlich glückvoll ausgeführte Ansprache eines Pfarrers.Ich weiß nicht mehr, woran nun genau <strong>de</strong>r verärgertePredigthörer Anstoß nahm, aber es hatte wohl etwas mit alszu reichlich empfun<strong>de</strong>ner Politikerschelte zu tun. Ein guteshatte <strong>de</strong>r Ausbruch allerdings, das wenigstens ergaben Gesprächeim Anschluss an <strong>de</strong>n Gottesdienst: ein Großteil <strong>de</strong>rHörerschaft war wachgerüttelt wor<strong>de</strong>n – nicht nur im übertragenenSinne – und fragte sich betroffen, was hat <strong>de</strong>r Pfarrereigentlich gesagt.Diese kleine Episo<strong>de</strong> macht allerdings auch ein weitverbreitetesMissverständnis <strong>de</strong>utlich: nämlich die Vorstellung,dass eine Predigt ausschließlich bibelnahe Schriftauslegungsein sollte und sich je<strong>de</strong>s Bezuges zum als politisch empfun<strong>de</strong>nenTagesgeschehen zu enthalten habe. Wer solches for<strong>de</strong>rt,vergisst, dass auch die Worte Jesu in seiner Zeit <strong>de</strong>neinen zur Seelenerquickung gereichten und an<strong>de</strong>ren zumAnstoß. Da ging es nicht nur um theologische Be<strong>de</strong>nken,son<strong>de</strong>rn vor allem um ganz diesseitige Interessen, die mandurch Jesu Wirken gefähr<strong>de</strong>t sah.Im November begehen wir <strong>de</strong>n Volkstrauertag, ein Ge<strong>de</strong>nktag,<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Landstrichen, die einst das Territorium <strong>de</strong>rDDR ausmachten dank seiner 44-jährigen Aussetzung fast inVergessenheit geraten ist. Jetzt, am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Kirchenjahres,da wir gerufen sind uns mit <strong>de</strong>n letzten Dingen zu befassen,mit Sterben, Tod, aber auch mit <strong>de</strong>m, was danach kommt, ist<strong>de</strong>r Kalen<strong>de</strong>r reichlich gefüllt mit Vergänglichkeitserinnerungen-und -ritualen – Pogromge<strong>de</strong>nken, Volkstrauertag,Buß- und Bettag, Ewigkeitssonntag.„Gedanken über Erinnern, Vergessen, Vergeben”, lautetdie Überschrift und es sind Gedanken, die sich gera<strong>de</strong> imMonat November förmlich aufdrängen. Doch soll es einge<strong>de</strong>nk<strong>de</strong>s Volkstrauertages bei <strong>de</strong>r Betrachtung nicht um <strong>de</strong>nEinzelnen, son<strong>de</strong>rn vielmehr um unser Volk und die Völkergehen, <strong>de</strong>ren Geschichte durch die schrecklichen Kriege <strong>de</strong>s20. Jahrhun<strong>de</strong>rts miteinan<strong>de</strong>r verwoben ist. Es ist <strong>de</strong>r Fragenachzugehen, inwieweit <strong>de</strong>r Ruf zu Buße und Umkehr imMiteinan<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Nationen Wirksamkeit zeigt.Beginnen will ich mit <strong>de</strong>m 9. November. Tagen, wie diesem,ist eine beson<strong>de</strong>re Erinnerungsmacht zu eigen. Der eine markiert<strong>de</strong>n Punkt, da die im nationalsozialistischen Deutschlandschon lang praktizierte, durch Gesetze und Verordnungenlegitimierte – ja zum Beweis wirklicher Staatstreueregelrecht gefor<strong>de</strong>rte – Ju<strong>de</strong>nfeindlichkeit in rohe Gewaltumschlug. Bei weitem war es nur ein winziger Teil <strong>de</strong>s <strong>de</strong>utschenVolkes, <strong>de</strong>r begeistert mittat. Die Masse sah zu undschwieg. Nur wenige erhoben ihre Stimme zu Einspruch undöffentlich geäußertem Wi<strong>de</strong>rstand. Aber es gab ein Unbehagen,ja eine Angst unter <strong>de</strong>n Menschen, die sich wohl amehesten mit <strong>de</strong>n Worten umschreiben lässt: „wo führt dashin?!” Ein <strong>de</strong>m schwäbischen Pietismus zugewandter Pfarrersei an dieser Stelle zitiert. Sein Name: Julius von Jan. Erpredigte am Buß- und Bettag <strong>de</strong>s Jahres 1938, es war <strong>de</strong>r 16.November: „Die Lei<strong>de</strong>nschaften sind entfesselt, die Gebotemissachtet, Gotteshäuser, die an<strong>de</strong>rn heilig waren, sind ungestraftnie<strong>de</strong>rgebrannt wor<strong>de</strong>n, das Eigentum <strong>de</strong>r Frem<strong>de</strong>ngeraubt o<strong>de</strong>r zerstört. Männer, die unserem <strong>de</strong>utschen Volktreu gedient haben …, wur<strong>de</strong>n ins KZ geworfen, bloß weilsie einer an<strong>de</strong>ren Rasse angehörten! Mag das Unrecht auchvon oben nicht zugegeben wer<strong>de</strong>n – das gesun<strong>de</strong> Volksempfin<strong>de</strong>nfühlt es <strong>de</strong>utlich, auch wo man darüber nicht zu sprechenwagt. Und wir als Christen sehen, wie dieses Unrechtunser Volk vor Gott belastet und seine Strafen überDeutschland herbeiziehen muss. … Gott lässt seiner nichtspotten. Was <strong>de</strong>r Mensch säet, wird er auch ernten!”*Der zweite „Neunte November”, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Jahres 1889, istdagegen mit guten Erinnerungen behaftet, eröffnete sichdoch <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Volk mit <strong>de</strong>r an diesem Tage erfolgtenÖffnung <strong>de</strong>r Mauer eine gemeinsame Perspektive.Die Reichspogromnacht und <strong>de</strong>r Mauerfall, zwei Ereignisse,wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Von ersteremhieß es vorzeiten, dass hier das <strong>de</strong>utsche Volk endgültigund unwie<strong>de</strong>rbringlich seine Unschuld verloren habe,ganz gleich, ob die vermeintliche o<strong>de</strong>r die tatsächliche. Undwenige Stun<strong>de</strong>n nach Bekanntwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Grenzöffnungsprach ein Pfarrer in einem improvisierten Dankgottesdienstdavon, dass nun das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r babylonischen Gefangenschaftangebrochen sei.


164BEITRÄGEnämlich dann, wenn Völker tatsächlich aufeinan<strong>de</strong>r zugehen,wenn sie erfahrenes und begangenes Unrecht aussprechen,wenn sie <strong>de</strong>n unverstellten Blick auf gemeinsame Geschichtewagen. Denn nur wer eigenes Versagen, eigene Schuld zubenennen vermag, wird fähig, erfahrenes Unrecht und Leidanzunehmen und ... zu vergeben.(ANN)* Die Herkunft <strong>de</strong>r Zitate musste aus Platzgrün<strong>de</strong>n entfallen,kann aber bei <strong>de</strong>r Redaktion erfragt wer<strong>de</strong>n.Von einem, <strong>de</strong>r vergeben konnte ...Fast unkommentiert möchte ich zum Beschluss <strong>de</strong>r ersten Seitendieser Gottesfreundausgabe aus einem mir vorliegen<strong>de</strong>nBrief zitieren. Geschrieben hat ihn einer <strong>de</strong>r wenigen Überleben<strong>de</strong>neiner jüdischen Unternehmersfamilie aus Görlitz, <strong>de</strong>renFabrik im heute polnischen Teil <strong>de</strong>r Stadt lag. Auch hiergeht es um Vergebung und darum, dass einer lernen mussteloszulassen, nicht nur die Heimat, Besitz, väterliches Erbeson<strong>de</strong>rn auch Menschen, die ihm sehr nahe waren. Aber erlernte ebenso nicht in Verbitterung und Hass zu versinken.Der Brief ist in Originalorthographie wie<strong>de</strong>rgegeben. (ANN)20. September 1957, 32-74, 44th Street, Long Island City 3 N.Y.Mein lieber, alter Herr L.Von Herrn G. erfuhr ich auf Anfrage Ihre Anschrift; Sie wer<strong>de</strong>nin <strong>de</strong>n naechsten Tagen ein Liebesgabenpaket erhalten,wo fuer <strong>de</strong>r Zoll bereits bezahlt ist. Lassen Sie es sich gutmun<strong>de</strong>n. Und nun wird es Ihnen so gehen wie mir jetzt beimSchreiben dieses Briefes: Tausen<strong>de</strong> Meilen und Jahrzehnteentfernt von <strong>de</strong>n Moyser Tagen, wo ich mich erinnere, mit welcherPflichttreue und Anstaendigkeit Sie Ihrer taeglichenArbeit nachgingen – ich sehe Sie alle trotz<strong>de</strong>m noch vor mir:... Wir alle haetten nicht geahnt, was Furchtbares wir allenoch erleben sollten.Das Schicksal meines Bru<strong>de</strong>rs Paul wissen Sie; er, seineFrau, sein aeltester Sohn mit Frau und kleinem Baby vergastund elend zu Grun<strong>de</strong> gegangen. Und dann war die Vergessenheitund das Verbrechen, dass ein einst arbeitsscheuer Abendteureraus <strong>de</strong>m Wiener Obdachlosenasyl und seine Kumpanenüber unschuldige Opfer und Gegner brachte, schließlich überihn selbst und ganz Deutschland gekommen. So wur<strong>de</strong> erst dieFamilie Arna<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m väterlichen Erbe verstossen, dannalle Arbeitskollegen und zum Schluss das Land selbst ging inan<strong>de</strong>re Haen<strong>de</strong> ueber. Welch Tragoedie.Ich selbst verliess 1935 das mir fremd gewor<strong>de</strong>neDeutschland und wan<strong>de</strong>rte nach China aus, wo es mir anfänglichleidlich ging – doch es war nicht einfach im fortgeruecktenLebensalter mit unmündigen Kin<strong>de</strong>rn in einem so fernen, ganzan<strong>de</strong>ren Land mit nicht nur frem<strong>de</strong>r Sprache, son<strong>de</strong>rn frem<strong>de</strong>nSchriftzeichen Fuss zu fassen. Dann <strong>de</strong>r chinesisch-japanischeKrieg mit <strong>de</strong>r Folge, dass ich wie<strong>de</strong>r wan<strong>de</strong>rn musste.Mit <strong>de</strong>n Resten meiner spaerlichen Ersparnisse reiste ich nachSuedamerika, wo ich wie<strong>de</strong>r von vorne anfing – es ging mirleidlich und dann besser – bis wie<strong>de</strong>r dort eine ArtNazirevolution mich vertrieb. Nach Kriegsen<strong>de</strong> konnte ichdann in Amerika einwan<strong>de</strong>rn und fing schwer arbeitend an:Zuerst als Erdarbeiter ..., dann als Nachtreiniger von Buerohaeusern,spaeter als Arbeiter in einer Kofferfabrik. Dannkonnte ich in Abendstun<strong>de</strong>n Roentgen und Krankenpflege lernenund dadurch habe ich mich hochgearbeitet. Ich war bisvoriges Jahr ununterbrochen als Leiter einer chirurgischenAbteilung im Krankenhaus taetig, welche Arbeit mir grosse innereGenugtuung gab – ich war und hatte auch ohne <strong>de</strong>s VatersErbe und Namen im frem<strong>de</strong>n Land mich durchgesetzt –nie war ich auch nur einen Tag arbeitslos. ... Aber wir, meineFrau und ich <strong>de</strong>nken noch immer an die alte Heimat zurueck.Die wenigen Bil<strong>de</strong>r aus Moys, aus Goerlitz, <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>skronehaengen an <strong>de</strong>n Waen<strong>de</strong>n. Wie gern moechte ich nocheinmal Goerlitz wie<strong>de</strong>r sehen mit all <strong>de</strong>n Menschen, die ichwie Sie in bester Erinnerung habe. Niemals zu keiner Stun<strong>de</strong>habe ich das Unrecht, dass Hitler ueber meine Familie brachte,wie lei<strong>de</strong>r so viele, <strong>de</strong>m ganzen Volke in die Schuhe geschoben.Ich weiss, dass Sie alle damals schweigen mussten. Sohabe ich daher alles getan, um die nach 1945 noch bestehen<strong>de</strong>Feindschaft gegenueber <strong>de</strong>m <strong>de</strong>utschen Volke so gut alsmoeglich dadurch zu mil<strong>de</strong>rn, dass ich ihnen immer wie<strong>de</strong>rsagte, das ja das <strong>de</strong>utsche Volk selbst von <strong>de</strong>n Faschistenhor<strong>de</strong>ngeknechtet war. ... Ich wuensche Ihnen allen einen friedlichen,gesegneten Lebensabend.Mit herzlichen Gruessen, auch von meiner FrauIhr alter Kurt Arna<strong>de</strong>Miriam-MargotEine Geschichte nach alten TagebuchaufzeichnungenANDREAS NEUMANN-NOCHTENEs war für die bei<strong>de</strong>n Eheleute im Breslau <strong>de</strong>s Jahres1926 ein Weihnachtsgeschenk <strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>ren Art,wenn auch ein äußerst trauriger Anlass ihnen <strong>de</strong>nGrund zur Freu<strong>de</strong> lieferte. Doch <strong>de</strong>r Reihe nach.Er, Bruno H. (Jahrgang 1881) hatte seine Martha (Jahrgang1884) 1904 bei einem Eisenbahnerball kennengelernt.Es war eine eher flüchtige Begegnung, <strong>de</strong>nn die 20jährigewar in Begleitung <strong>de</strong>r Eltern und drei ihrer vier Schwestern.Doch hatten sie bei<strong>de</strong> aneinan<strong>de</strong>r Gefallen gefun<strong>de</strong>n,<strong>de</strong>nn die wenigen Augenblicke <strong>de</strong>s einen Tanzes hattenoffenbar gereicht, sich einan<strong>de</strong>r Namen und Adresse zuzuraunen.Seien wir gewiss, dass vor über 100 Jahren glückli-


BEITRÄGE 165Bruno H., 1905 Martha R. (5. v. l.) mit ihrer Mutter und <strong>de</strong>n Schwestern im Jahre 1904che Liebesgeschichten nicht viel an<strong>de</strong>rs verliefen als heute,wenn auch vielleicht in etwas gezügelteren Bahnen. Wie<strong>de</strong>m auch sei, es kam wie es kommem sollte, Bruno undMartha wur<strong>de</strong>n ein Paar, verlobten einan<strong>de</strong>r und heiratetenschließlich im Frühjahr 1906. Martha wusste vorzüglichmit <strong>de</strong>r Na<strong>de</strong>l umzugehen und Bruno verdiente seinenLebensunterhalt als Lokomotivführer. Sie hatten ein gutesAuskommen und bezogen mit <strong>de</strong>r Eheschließung in <strong>de</strong>nnoch jungen Vierteln südlich <strong>de</strong>s Zentralbahnhofs eine kleineWohnung.Nun, fast zwanzig Jahre später, sind sie immer noch einan<strong>de</strong>rin großer Liebe zugetan. Sie haben <strong>de</strong>n I. Weltkriegüberstan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ihnen mehr als vier Jahre raubte, habendie schweren Jahre danach durchlitten und konnten, dankmehrerer Beför<strong>de</strong>rungen, sogar in eine größere Wohnungziehen. Und doch gab es etwas, was ihrer Liebe undZuneigung versagt gelieben war. Was die flinke Näherin fürdie Freundinnen und Bekannten an Kin<strong>de</strong>rsachen auchgenäht und gestrickt haben mochte, das, was einst <strong>de</strong>meigenen Nachwuchs zugedacht war, lag unberührt in <strong>de</strong>ralten Aussteuertruhe.Ein Stück weit hatten sie sich darein gefun<strong>de</strong>n, kin<strong>de</strong>rloszu bleiben. Aber es sollte an<strong>de</strong>rs kommen. In <strong>de</strong>rNachbarschaft lebte ein junges Paar, gut 15 Jahre jünger.Willi, ein geschickter Uhrmachergeselle und seine FrauHannah, die sich um <strong>de</strong>n kleinen Haushalt kümmerte. Einknappes Jahr nach <strong>de</strong>ren Eheschließung kündigte sichNachwuchs an. Es war vor allem Martha, die <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n inihrem Glück beistehen wollte und so schenkte sie ihneneines Tages all die kleinen Jäckchen, Hemdchen und Jüpchen,die sie vorzeiten für die ausgebliebene eigene Kin<strong>de</strong>rscharangefertigt hatte.Das im September 1925 geborene Mädchen hörte auf<strong>de</strong>n Namen Miriam Clara, hatte rehbraune Augen und vonAnfang an einen wun<strong>de</strong>rbar dunklen Haarschopf. Das Kindgedieh prächtig, und Martha durfte an diesem Ge<strong>de</strong>ihenreichlich Anteil nehmen. Sie wur<strong>de</strong> zur Patin erkoren. EineTaufe, wie sie sie kannte, gab es freilich nicht, <strong>de</strong>nn Williund Hannah waren we<strong>de</strong>r katholisch noch evangelisch undhatten auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihnen religiöseDinge nicht son<strong>de</strong>rlich am Herzen lagen.Miriam war nun fast ein Jahr alt, war ein wahrer Ausbundan Fröhlichkeit und machte ihre ersten Gehversuche.Im September 1926 unternahmen die Eltern <strong>de</strong>r Kleineneine Urlaubsreise an die Ostsee. Kurz vor ihrem Geburtstagwollten sie wie<strong>de</strong>r daheim sein. Das Kind blieb für diegeplanten zwei Wochen in <strong>de</strong>r Obhut von Martha. Der Tag<strong>de</strong>r Rückkehr nahte. Doch es wur<strong>de</strong> Abend, <strong>de</strong>r nächste Tagund auch <strong>de</strong>r übernächste verstrichen, ohne dass Hannahund Willi vor <strong>de</strong>r Tür gestan<strong>de</strong>n hätten. Erst am dritten Tagerschien statt <strong>de</strong>s jungen Paares ein älterer Mann in Begleitungeines Polizeibeamten, die Martha eröffneten, dasses einen schlimmen Autounfall gegeben hätte, bei <strong>de</strong>m dieEltern <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s ums Leben gekommen wären. Der Herrim fortgeschrittenen Alter stellte sich als <strong>de</strong>r Vater Willisvor, <strong>de</strong>r aber, selbst Witwer, überhaupt nicht wisse, was nunmit <strong>de</strong>m Kind geschehen solle. Hannah selbst sei aus <strong>de</strong>mWaisenhaus gekommen und seine eigene gesamte Familievor ein paar Jahren nach Palästina ausgewan<strong>de</strong>rt. Er wärenun zwar <strong>de</strong>r Vormund <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s, trage sich aber mit <strong>de</strong>mGedanken, nach <strong>de</strong>m To<strong>de</strong> seines Sohnes <strong>de</strong>n übrigen Angehörigenins Ausland zu folgen. Nun wisse er aber, dassdie kleine Miriam hier bereits ein zweites Daheim gefun<strong>de</strong>nhabe, und er könne sich vorstellen, dass die Kleine hierzur Pflege bliebe o<strong>de</strong>r gar von <strong>de</strong>m kin<strong>de</strong>rlosen Paar anKin<strong>de</strong>sstatt angenommen wür<strong>de</strong>.Und tatsächlich, nach einigem Hin und Her und so manchemBehör<strong>de</strong>ngang, konnte noch vor <strong>de</strong>m Weihnachtsfest1926 die Adoption vollzogen wer<strong>de</strong>n. Die kleine Miriammusste zwischenzeitlich nicht einmal mehr in ein Heim,wie es in solchen Fällen meist üblich war, da <strong>de</strong>r Großvater<strong>de</strong>n künftigen Eltern ein wohlwollen<strong>de</strong>s Leumundszeugnisausgestellt hatte.So geschah es, dass sich Martha und Bruno in etwasganz und gar Neues zu fügen hatten: ihre Elternschaft undsie taten es von Herzen gern. Und noch etwas war neu: imZuge <strong>de</strong>r Namensän<strong>de</strong>rung war aus <strong>de</strong>r kleinen MiriamMargot gewor<strong>de</strong>n.(Fortsetzung folgt)


166 BEITRÄGEJoseph Freiherr von Eichendorff zum 225. GeburtstagCHRISTOPH SCHOLZJoseph Karl Ben<strong>de</strong>dikt von Eichendorff wur<strong>de</strong> am 10.März1788 in Lubowitz bei Ratibor in Oberschlesien,kurz nach <strong>de</strong>r Kulminierung <strong>de</strong>s Mon<strong>de</strong>s geboren; erwar <strong>de</strong>r Sohn von Adolf Freiherr von Eichendorff und seinerFrau Karoline von Eichendorff, geb. von Kloch. DerVater war Offizier in <strong>de</strong>r preußischen Armee gewesen undbewirtschaftete danach seine vier bzw. fünf Güter. SeinenVater charakterisiert Joseph später so: „Er war seiner Familieein musterhafter Gatte und Vater, er war fromm un<strong>de</strong>hrenfest in Wan<strong>de</strong>l und Gesinnung, dabei mitten im Luxuseinfach und anspruchslos und von einer Herzensgüte...”. 1Seine Mutter schil<strong>de</strong>rt er „als eine geistvolle, lebendigeüberall entschie<strong>de</strong>n und tätig eingreifen<strong>de</strong> Dame ... von be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>rSchönheit.” 2 Sie brachte das Gut Lubowitz mitin die Ehe.Joseph wuchs mit seinem 1½ Jahre älteren Bru<strong>de</strong>rWilhelm auf <strong>de</strong>m Gut Lubowitz auf und hatte, wie er immerwie<strong>de</strong>r ausdrücklich schreibt, eine behütete und erfreulicheKindheit und Jugend. 1804 kam noch die Schwester Louisein die katholische Familie dazu. Joseph hat seine Elternsehr geliebt und ein sehr enges, herzliches Verhältnis zuseinen Geschwistern gehabt, beson<strong>de</strong>rs zu seinem Bru<strong>de</strong>r.Joseph und Wilhelm haben die Kindheit und Studienzeitzusammen erlebt und galten als unzertrennlich.Das Schloss Lubowitz, <strong>de</strong>r Gutshof, <strong>de</strong>r Garten undPark, die daran angrenzen<strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>r, die nahe vorbeifließen<strong>de</strong>junge O<strong>de</strong>r, die Landschaft mit <strong>de</strong>n West-Beski<strong>de</strong>nund <strong>de</strong>m Altvater-Gebirge haben Joseph ganz sicher tiefgeprägt.Die bei<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r bekamen ab 1793 zunächst einen katholischenHauslehrer und Erzieher Pfarrer Bernhard Heinke,mit <strong>de</strong>m die Brü<strong>de</strong>r eine lebenslange Freundschaft verband.Joseph war eine Leseratte: Antike und nordische Sagen,Märchen, Hel<strong>de</strong>nromane wur<strong>de</strong>n von ihm verschlungen,zusätzlicher Lesestoff wur<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>r Ratiborer Bibliothekausgeliehen. Über eine Reise in das benachbarte Österreichmachte Joseph als Zwölfjähriger zum ersten MaleTagebuchaufzeichnungen, die Erinnerungen an Erlebtessammelnd. Dieser Tätigkeit, für uns eine sehr wichtigeQuelle, blieb er bis zum Anfang seiner Berufstätigkeit treu.Von 1801-1803 besuchen die bei<strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>r das königlichkatholische Matthias-Gymnasium in Breslau. Sie wohntenim Internat St. Joseph-Konvikt. Die nicht unerheblichenKosten übernahmen Patenonkel Johann Friedrich vonEichendorff, ein Vetter <strong>de</strong>s Vaters, und seine Frau AnnaMaria, die kin<strong>de</strong>rlos waren und nicht weit von <strong>de</strong>r Grenzein Österreich wohnten.Joseph schrieb in dieser Zeit schon erste Gedichte undbesuchte mit seinem Bru<strong>de</strong>r häufig das Theater und dieOper: z. B. Schillers Wilhelm Tell und Mozarts Oper Titus,mit Carl Maria von Weber als Kapellmeister, LessingsEmilia Galotti. 126 Theaterbesuche hat man nach <strong>de</strong>mTagebuch gezählt. Auch in <strong>de</strong>r Schule wirkte Joseph beimSchultheater und an <strong>de</strong>r Schulzeitung mit.Wan<strong>de</strong>rungen indie Umgebung unternahmen die Brü<strong>de</strong>r gern. In <strong>de</strong>n Ferienund an <strong>de</strong>n Feiertagen genossen die Brü<strong>de</strong>r das gesellschaftlicheLeben zu Hause und auf <strong>de</strong>n Gütern <strong>de</strong>s benachbartenoberschlesischen Landa<strong>de</strong>ls und im nahen Ratibor.Man feierte gern und ausgelassen in Oberschlesien. ZuHause lernten die Kin<strong>de</strong>r im Umgang mit <strong>de</strong>n Gutsleutenselbstverständlich die wasserpolnische Umgangssprache.Wilhelm und Joseph betrieben viel Sport: Reiten, Schwimmen,Fechten, Tanzen.1803 erfolgte das Abschlussexamen am Gymnasium.Aus einem Schulzeugnis hören wir dies: „Ein Jüngling vonmehr als mittelmäßigen Geistesanlagen.” Dazu wer<strong>de</strong>n seinFleiß und die ständige Anwesenheit gelobt.1804 beganndas Studium an <strong>de</strong>r philosophischen Fakultät in Breslau;<strong>de</strong>r Bac<strong>ca</strong>laureus in Philosophie wur<strong>de</strong> geschafft. Auch1804/05 erfolgte das 2. Semester <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r Eichendorff,aber noch ohne Magister-Examen.1805/06 ließen sich die Gebrü<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r juristischenFakultät <strong>de</strong>r preußischen Universität Halle immatrikulieren.Joseph hörte dazu noch Vorlesungen in <strong>de</strong>r klassischenPhilologie, also in Latein und Griechisch, bei FriedrichAugust Wolf und in <strong>de</strong>r Theologie bei Friedrich Schleiermacher.In Bad Lauchstädt erlebte er eine Theater-Aufführungvon Goethes Weimarer Ensemble in Anwesenheit<strong>de</strong>s Intendanten und Regisseurs Johann Wolfgang vonGoethe.Nach <strong>de</strong>r Auflösung <strong>de</strong>r Universität in Halle durchNapoleon setzten die Brü<strong>de</strong>r ihr Studium in Hei<strong>de</strong>lbergfort, und das unter großen Geldmangel, wie das Tagebuchdrastisch belegt. Die Unterstützung durch <strong>de</strong>n Patenonkellief zwar weiter, aber die Kosten in Hei<strong>de</strong>lberg waren größergewor<strong>de</strong>n, auch weil man aus Stan<strong>de</strong>srücksichten nichtauf einen Diener verzichten durfte. Wegen <strong>de</strong>r Verschuldung<strong>de</strong>r Eichendorffschen Güter konnten die Eltern wenigo<strong>de</strong>r fast nichts zum Studium beitragen. Joseph hörte außer<strong>de</strong>n Jura-Vorlesungen auch noch die <strong>de</strong>s Philosophen JosephGörres, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Romantikern eng verbun<strong>de</strong>n war.Er lernte dort auch einen anerkannten Dichter <strong>de</strong>r Romantik,Achim von Arnim kennen. Joseph schloss sich voll undganz dieser Bewegung an. Es kommt zu einer intensiven


BEITRÄGE167Freundschaft mit <strong>de</strong>m Dichter von Loeben. Wichtig ist <strong>de</strong>rAustausch von Gedichten und die Kritik an ihnen. Nochwichtiger, dass von Löben das Talent Josephs anerkenntund ihn ermutigt. Eine unglückliche Liebe zur RohrbacherMüllerstochter Katharina Förster, erschütterte Josephdamals tief.1806 berührte <strong>de</strong>r Napoleonische Krieg gegen Preußenim Rahmen <strong>de</strong>r Belagerung <strong>de</strong>r preußischen Festung Koselauch die Eichendorffschen Güter. Durch eine O<strong>de</strong>r-Überschwemmungbleibt Lubowitz vor <strong>de</strong>r Plün<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r bayrischenTruppen, die Teil <strong>de</strong>s napoleonischen Heeres sind,verschont. 1808 erfolgen zwei Bildungsreisen von Hei<strong>de</strong>lbergaus nach Paris und nach Wien. 1809 verlobt sich Josephmit Louise von Larisch, Tochter eines Gutsbesitzersin <strong>de</strong>r Nähe. Im gleichen Jahr besuchen die Brü<strong>de</strong>r Berlinnach einer wagemutigen und abenteuerlichen O<strong>de</strong>r-Schiffsreise auf einem Kohlenschiff. In Berlin hören sieVorlesungen bei Fichte und treffen sich mit von Arnim,Brentano und von Kleist.1812 been<strong>de</strong>n die Brü<strong>de</strong>r das Jura-Studium in Wien,Joseph sogar mit Bestnoten. Die Brü<strong>de</strong>r trennen sich, zumerstenmal in ihrem Leben. Wilhelm tritt in <strong>de</strong>n österreichischenStaatsdienst ein und macht als höherer VerwaltungsfachmannKarriere, zuletzt als Kreishauptmann von Trient.Die traditionelle Verbindung <strong>de</strong>s oberschlesischen A<strong>de</strong>lsmit Österreich wird hier wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich. Joseph dagegenzeigt sich als Patriot und tritt als Freiwilliger bei <strong>de</strong>nLützower Jägern ein. Später wechselt er aus Geldmangelwegen <strong>de</strong>r teuren Reiterausrüstung bei <strong>de</strong>n Lützowern alsLeutnant in das 2. schlesische Infanterie-Regiment. Im Stabvon Gneisenau ist er dann bei <strong>de</strong>r Besetzung von Parisdabei.1815 erfolgt die Heirat mit Louise von Larisch, gegen<strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>r Eltern. Drei Kin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n in rascherReihenfolge geboren: Hermann 1815, Marie Therese 1817und Rudolf 1819.1816 tritt Joseph von Eichendorff in <strong>de</strong>n preußischenStaatsdienst ein. Da die österreichischen Examina nicht anerkanntwer<strong>de</strong>n, muss er sie nach preußischen Bestimmungenin Berlin nachholen. Zunächst ist er in Breslau Referendar.1818 stirbt sein Vater; die verschul<strong>de</strong>ten Güter müssenversteigert wer<strong>de</strong>n, auch das geliebte Lubowitz.1819 ist er bei <strong>de</strong>r Assessor-Prüfung in Berlin erfolgreichund wird 1821 Schulrat für katholische Angelegenheiten inDanzig. In dieser Zeit entsteht „Aus <strong>de</strong>m Leben einesTaugenichts”. In <strong>de</strong>n Sommermonaten darf er im LandhausSilberhammer bei Danzig, das ihm von einem Gönner, <strong>de</strong>mGrafen von Dohna, zur Verfügung gestellt wur<strong>de</strong>, ungestörtan <strong>de</strong>r Dichtung arbeiten. Nach <strong>de</strong>r Zusammenlegung vonWestpreußen und Ostpreußen 1824 wechselte er, inzwischenOberpräsidialrat, nach Königsberg.1815 war Eichendorffs Erstling das Jugenddrama„Ahnung und Gegenwart” erschienen, 1826 "Aus <strong>de</strong>mLeben eines Taugenichts" und eine Reihe seiner Gedichte.Das Werk wird ein großer Erfolg. Von Eichendorff wird alsDichter anerkannt, beson<strong>de</strong>rs auch in Wien. TheodorFontane in Berlin lobt ebenfalls sein Werk. Allerdings hilftihm das nicht bei seinen Bewerbungen um eine Professorenstellefür Geschichte o<strong>de</strong>r um die Intendanz <strong>de</strong>r königlichenMuseen o<strong>de</strong>r einen höheren Posten im Kultusministerium.Man vermutet, dass er im Ministerium zu liberaleAnsichten bei <strong>de</strong>r Ausarbeitung <strong>de</strong>s neuen Pressegesetzesgeäußert hat und auch als Katholik zu offen für <strong>de</strong>ren volleAnerkennung in Preußen plädiert habe. Mit großer Mühekann er seine Familie durchbringen. Immerhin erhält er inDanzig, Königsberg und später in Berlin interessante Aufgabenzugeteilt: zunächst das Thema Wie<strong>de</strong>raufbau <strong>de</strong>rMarienburg; auf Anordnung <strong>de</strong>s Königs Friedrich WilhelmIII. nimmt sich <strong>de</strong>r Kronprinz <strong>de</strong>r Sache an. Eichendorffschreibt ein Drama „<strong>de</strong>r letzte Held <strong>de</strong>r Marienburg”, dasim Auftrage <strong>de</strong>s Oberpräsi<strong>de</strong>nten in Königsberg gedrucktwird; im Theater in Königsberg hat er allerdings damit keinenErfolg. Er wird 1843 zur Abfassung <strong>de</strong>r „Geschichte<strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rherstellung <strong>de</strong>r Marienburg” beurlaubt, die 1844gedruckt und in einer beson<strong>de</strong>rs kunstvollen Fassung <strong>de</strong>mKönig vom Oberpräsi<strong>de</strong>nten überreicht wird. Im Rahmen<strong>de</strong>s Wie<strong>de</strong>raufbaus <strong>de</strong>s Kölner Doms wird er mit <strong>de</strong>r Überwachung<strong>de</strong>r Finanzierung beauftragt. Er verfasst einenAufruf zur Mithilfe am Aufbau <strong>de</strong>s Kölner Domes undgrün<strong>de</strong>t in Berlin mit an<strong>de</strong>ren Gleichgesinnten <strong>de</strong>n Vereinfür <strong>de</strong>n Kölner Dombau. 1837 erscheint die Novelle„Schloß Duran<strong>de</strong>”, die ihm erneut viel Beifall einbringt.1844 geht von Eichendorff nach schwerer Krankheit in<strong>de</strong>n Ruhestand. Er beschäftigt sich intensiv als Übersetzervon Cal<strong>de</strong>rons geistlichen Dramen.1846/47 ist vonEichendorff in Wien, wo er Robert Schumann trifft, <strong>de</strong>r wieviele an<strong>de</strong>re Komponisten Gedichte von Eichendorff vertonthat. Er begegnet dort auch Franz Grillparzer undAdalbert Stifter. 1849 trifft ihn <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>s Bru<strong>de</strong>rsWilhelm in Österreich schwer. Joseph erbt danach <strong>de</strong>ssenGut Sedlnitz. 1853-55 ist er Verfasser von Versepen mittelalterlicherGestalten. Er schreibt auch eine Geschichte <strong>de</strong>r<strong>de</strong>utschen Literatur aus katholischer Sicht. Zahlreiche literarischeund politische Aufsätze erscheinen, z.T. anonym,z.B. gegen <strong>de</strong>n Deutsch-Katholizismus, <strong>de</strong>r in Schlesienentstan<strong>de</strong>n war. 1853 wird von Eichendorff vom bayrischenKönig Maximilian II. durch Verleihung <strong>de</strong>s Maximiliansor<strong>de</strong>ngeehrt. 1855 stirbt seine Frau Louise, mit <strong>de</strong>rer zeitlebens ein gutes Verhältnis hatte.1856/57 ist er imSommer Gast beim befreun<strong>de</strong>ten Breslauer FürstbischofFörster auf Schloss Johannesberg in Jauernig. Die meisteZeit lebt von Eichendorff aber bei seiner Tochter und seinemSchwiegersohn von Besserer-Dahlfingen zuerst inBerlin, später in Neiße.Am 26.11 1857 stirbt Joseph von Eichendorff in Neiße,wahrscheinlich an einer Lungenentzündung, und wird dortauf <strong>de</strong>m Jerusalemer Friedhof neben seiner Frau bestattet.Zwei Würdigungen sollen diesen Text über das Lebenund Wirken Eichendorffs beschließen. „... wiewol diebe<strong>de</strong>utendsten Erzeugnisse <strong>de</strong>s Letzteren schon jenseits <strong>de</strong>reigentlichen Blüte <strong>de</strong>r romantischen Schule liegen, so daßer, wenn gleich <strong>de</strong>n Jahren nach einer <strong>de</strong>r Aeltern, doch <strong>de</strong>rWirksamkeit nach zu <strong>de</strong>n später zu erwähnen<strong>de</strong>n Jüngerenzu rechnen ist. Gedichte und Erzählungen von so seelenvollerWahrheit, wie Eichendorffs Poesieen und sein‚Leben eines Taugenichts’ hat die ältere romantische


168BEITRÄGESchule nicht zu schaffen vermocht.”(Vilmar, Geschichte <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschenNational-literatur, Marburg 3. Aufl.1848; zi-tiert bei Günther Schiwy,Eichendorff, S.636.)„In <strong>de</strong>m Werk Josephs von Eichendorffist etwas von <strong>de</strong>r Traumsehnsuchtunseres Volkes Wort gewor<strong>de</strong>n,im Rauschen <strong>de</strong>r Wäl<strong>de</strong>r, die keinerso geschil<strong>de</strong>rt hat wie er: Heimatliebe,Innigkeit, Glaube und Glück...Eichendorffs Werk wurzelt tief ineinem gesamt<strong>de</strong>utschen Kulturbewußtsein.Er ist durch seinen Lebensweg<strong>de</strong>m gesamten Deutschland verbun<strong>de</strong>n:<strong>de</strong>m ost<strong>de</strong>utschen Raume vonGeburt her, <strong>de</strong>m mittel<strong>de</strong>utschenLan<strong>de</strong> durch Studienzeit in Halle undStaatsdienst in Berlin, <strong>de</strong>m west<strong>de</strong>utschen(und süd<strong>de</strong>utschen) Lan<strong>de</strong>durch seinen Aufenthalt in Hei<strong>de</strong>lbergund am Nie<strong>de</strong>rrhein. Und doch will esrichtig erscheinen, daran zu erinnern,dass die Heimat Eichendorffs Ost<strong>de</strong>utschlandist ... und wo <strong>de</strong>r NameEichendorffs aufklingt, sollte auch dieunaufgebbare Zugehörigkeit diesesRaumes zum <strong>de</strong>utschen Kulturbereichmitklingen.” (Harald von Koenigswaldin Joseph von Eichendorff,Dichter und Staatsbürger, im Geleitwort,Troisdorf 1957, S.5)1Arbeitshilfe <strong>de</strong>s BdV Nr.28, verf. vonAlois M. Kosler, Bonn 1996, S.1.;2(ebenda S.1);Information über weitere Literaturbeim Verfasser.ZauberwortSchläft ein Lied in allen Dingen,Die da träumen fort und fort,Und die Welt fängt an zu singen,Triffst du nur das Zauberwort.Intermezzo – Gedicht an die BrautDein Bildnis wun<strong>de</strong>rseligHab ich im Herzensgrund,Das sieht so frisch und fröhlichMich an zu je<strong>de</strong>r Stund'.Mein Herz still in sich singetEin altes, schönes Lied,Das in die Luft sich schwingetUnd zu dir eilig zieht.(Zur Verlobung Juli 1810; 1837 gedrucktund 1840 von Robert Schumannvertont.)AbschiedO Täler weit, o Höhen,O schöner grüner Wald,Du meiner Lust und Wehen,Andächt'ger Aufenthalt !Da draußen stets betrogenSaust die geschäft'ge Welt,Schlag noch einmal die BogenUm mich, du grünes Zelt.Da steht im Wald geschriebenEin stilles, ernstes WortVom rechten Tun und LiebenUnd was <strong>de</strong>s Menschen Hort.Ich habe treu gelesenDie Worte schlicht und wahrUnd durch mein ganzes WesenWard's unaussprechlich klar.Wenn es beginnt zu tagenDie Er<strong>de</strong> dampft und blinkt,Die Vögel lustig schlagen,Daß dir <strong>de</strong>in Herz erklingtDa mag vergehn, verwehenDas trübe Er<strong>de</strong>nleid,Da sollst du auferstehenIn junger Herrlichkeit!Bald werd ich dich verlassenFremd in die Frem<strong>de</strong> gehn.Auf buntbewegten GassenDes Lebens Schauspiel sehn;Und mitten in <strong>de</strong>m LebenWird <strong>de</strong>ines Ernsts GewaltMich Einsamen erheben,So wird mein Herz nicht alt.(Für uns Schlesier eines <strong>de</strong>r innigstenund anrührendsten Gedichte. Ein Liedschon ohne Musik; von Felix Men<strong>de</strong>lssohn-Bartholdyvertont; auferstehen,herrlich auferstehen ist für unsChristen die aufbauen<strong>de</strong> Osterbotschaft:fast wie eine Predigt.)MondnachtEs war, als hätt' <strong>de</strong>r HimmelDie Er<strong>de</strong> still geküsst,Daß sie im BlütenschimmerVon ihm nun träumen müsst.Die Luft ging durch die Fel<strong>de</strong>r,Die Ähren wogten sacht,Es lauschten leis' die Wäl<strong>de</strong>rSo sternklar war die Nacht.Und meine Seele spannteWeit ihre Flügel aus,Flog durch die stillen Lan<strong>de</strong>,Als flöge sie nach Haus.UntreueIn einem kühlen Grun<strong>de</strong>,da geht ein Mühlenrad,Mein' Liebste ist verschwun<strong>de</strong>n,die dort gewohnet hat.Sie hat mir Treu' versprochen,gab mir ein'n Ring dabei,Sie hat die Treu' gebrochen,mein Ringlein sprang entzwei.Ich möcht' als Spielmann reisenweit in die Welt hinausUnd singen meine Weisenund geh’n von Haus zu Haus.


BEITRÄGE 169Ich möcht' als Reiter fliegenwohl in die blut'ge Schlacht.Um stille Feuer liegenim Feld bei dunkler Nacht.Hör' ich das Mühlrad gehen:ich weiß nicht, was ich will –Ich möchte' am liebsten sterben,da wär's auf einmal still.(Hei<strong>de</strong>lberg 1807/08; das Volkslied,geliebt und voller Wehmut; das Mühlradals Ort <strong>de</strong>s seligen, schmerzlichenErinnerns; Käthchen Förster ausRohrbach, das Liebeserlebnis in <strong>de</strong>rHei<strong>de</strong>lberger Stu<strong>de</strong>ntenzeit.)SehnsuchtEs schienen so gol<strong>de</strong>n die SterneAm Fenster ich einsam standUnd hörte aus weiter FerneEin Posthorn im stillen Land.Das Herz mir im Leibe entbrennte,Da hab ich mir heimlich gedacht:Ach, wer da mitreisen könnteIn <strong>de</strong>r prächtigen Sommernacht.Zwei junge Gesellen gingenvorüber am Bergeshang.Ich hörte im Wan<strong>de</strong>rn sie singenDie stille Gegend entlang:Von schwin<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n Felsenschlüften,Wo die Wäl<strong>de</strong>r rauschen so sachtVon Quellen, die von <strong>de</strong>n KlüftenSich stürzen in die Wal<strong>de</strong>snacht.Sie sangen von Marmorbil<strong>de</strong>rn,Von Gärten, die überm GesteinIn dämmern<strong>de</strong>n Lauben verwil<strong>de</strong>rn,Palästen im Mon<strong>de</strong>nschein,Wo die Mädchen am Fenster lauschen,Wann <strong>de</strong>r Lauten Klang erwachtUnd die Brunnen verschlafen rauschenIn <strong>de</strong>r prächtigen Sommernacht.(1834 entstan<strong>de</strong>n; Wan<strong>de</strong>rlust, etwas,was die bei<strong>de</strong>n Eichendorff-Brü<strong>de</strong>rschon als Schüler und Stu<strong>de</strong>nten verband:Wan<strong>de</strong>rn im Zobten, im Harzund um Hei<strong>de</strong>lberg; Sehnsucht nach<strong>de</strong>m Erleben <strong>de</strong>r Natur und nach <strong>de</strong>mSü<strong>de</strong>n; erinnert an <strong>de</strong>n „Taugenichts”.)Die Heimat – An meinen Bru<strong>de</strong>rDenkst du <strong>de</strong>s Schlosses nochauf stiller Höh?Das Horn lockt nächtlich dort,als ob's dich riefe,Am Abgrund grast das Reh,Es rauscht <strong>de</strong>r Waldverwirrend aus <strong>de</strong>r Tiefe –O stille, wecke nicht,es war, als schliefeDa drunten ein unnennbar Weh.Kennst du <strong>de</strong>n Garten?–Wenn sich Lenz erneut,Geht dort ein Mädchenauf <strong>de</strong>n kühlen GängenStill durch die EinsamkeitUnd weckt <strong>de</strong>n leisen Stromvon Zauberklängen,Als ob die Blumenund die Bäume sängenRings von <strong>de</strong>r alten schönen Zeit.Ihr Wipfel und ihr Bronnenrauscht nur zu!Wohin du auch in wil<strong>de</strong>r Lustmagst dringen,Du fin<strong>de</strong>st nirgends Ruh,Erreichen wird dichdas geheime Singen,-Ach dieses Banneszauberischen RingenEntfliehn wir nimmer, ich und du!Die Erinnerung an die Erlebnisse unddie Geborgenheit <strong>de</strong>r Kindheit wird aufgerufen,die Zauberklänge <strong>de</strong>r Heimat,von Lubowitz;das Waldhorn erinnert andas Weh <strong>de</strong>s Verlustes, das zum Bannwer<strong>de</strong>n kann. Erinnert uns Vertriebenedies nicht an unseren Verlust!Der EinsiedlerKomm Trost <strong>de</strong>r Welt, du stille Nacht!Wie steigst du von <strong>de</strong>n Bergen sacht,die Lüfte alle schlafen,Ein Schiffer nur noch, wan<strong>de</strong>rmüd,Singt übers Meer sein AbendliedZu Gottes Lob im Hafen.Die Jahre wie die Wolken gehnUnd lassen mich hier einsam stehn,Die Welt hat mich vergessen.Da tratst du wun<strong>de</strong>rbar zu mir,Wenn ich beim Wal<strong>de</strong>srauschen hierGedankenvoll gesessen.O Trost <strong>de</strong>r Welt, du stille Nacht!Der Tag hat mich so müd gemacht,Das weite Meer schon dunkelt,Laß ausruhn mich von Lust und NotBis daß das ew'ge MorgenrotDen stillen Wald durchfunkelt.DankMein Gott, Dir sag ich Dank,Daß Du die Jugend mirbis über alle WipfelIn Morgenrot getaucht und Klang,Und auf <strong>de</strong>s Lebens Gipfel,Bevor <strong>de</strong>r Tag geen<strong>de</strong>t,Vom Herzen unbewacht,Daß ich nicht taumle ruhmgeblen<strong>de</strong>t,Da nun herein die NachtDunkelt in ernster Pracht.Abbildungen: S. 166: Schloss Lubowitzvor <strong>de</strong>m Umbau Mitte <strong>de</strong>s 19. Jh,alte Ansichtskarte; S. 168/169: Plakatentwurfzum 200. Geburtstag imJahre 2008, ANN.


170BEITRÄGEJohann Gottlob Worbs wur<strong>de</strong> als Kind <strong>de</strong>s HäuslersGottlob Worbs am 7. Mai 1760 geboren. In seinerHeimatgemein<strong>de</strong> Röhrsdorf erhielt <strong>de</strong>r Knabe, <strong>de</strong>ssensich Pastor Chr. Friedrich Scheibner aus Frie<strong>de</strong>bergannahm, seinen ersten Schulunterricht. Ab 1774 besuchteer die Schule in Nie<strong>de</strong>rwiesa bei Greifenberg (KreisLauban) und seit 1777 die in Hirschberg. 1781 ging er andie Universität Halle, wo er sich neben seinem Hauptstudium,<strong>de</strong>r Theologie, unter Professor Fabri auch mitGeschichte befaßte. Nach Beendigung seiner Studien 1784übernahm er bei Pastor Scheibner eine Hauslehrerstelle un<strong>de</strong>rhielt im Januar 1787 das Pastorat zu Priebus, das er amSonntag Judi<strong>ca</strong> 1787 antrat. Im Jahre 1804 wur<strong>de</strong> ihm alsSuperinten<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>s Fürstenthums Sagan die Inspektion<strong>de</strong>r dortigen Kirchen und Schulen übertragen und 1818,nach vollzogener Neuordnung <strong>de</strong>s Kirchenwesens in <strong>de</strong>mvon Sachsen an Preußen abgetretenen Teil <strong>de</strong>r Oberlausitzdie Generalinspektion über sämtliche Superinten<strong>de</strong>nturen.Dennoch beklei<strong>de</strong>te er auch als Superinten<strong>de</strong>nt von Saganund <strong>de</strong>r Oberlausitz die Pfarrstelle in Priebus bis zu seinemTod. 1817 hatte er die philosophische Doktorwür<strong>de</strong> erlangt,zu <strong>de</strong>r 1830 noch die theologische hinzu kam. FriedrichWilhelm III. ehrte ihn für seine Verdienste mit <strong>de</strong>m RotenAdleror<strong>de</strong>n. Nach längerem Lei<strong>de</strong>n starb Worbs am 12. November1833 in Priebus.Er war als Prediger geliebt von seiner Gemein<strong>de</strong>, eingewandter, begeisterter Redner, seine Religiosität auf dasPraktische gewandt, seine Theologie auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>sRationalismus stehend und die Forschernatur nicht verleugnend,die stets klar zu <strong>de</strong>nken und <strong>de</strong>n Dingen auf <strong>de</strong>nGrund zu gehen strebte. Die Geistlichkeit|und LehrerschaftJohann Gottlob WorbsVor 180 Jahren starb <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> schlesische Geschichtsforscher und PfarrerANDREAS NEUMANN-NOCHTENseines Sprengels verehrte ihn, da er mit festem Willen undoffenem Han<strong>de</strong>ln Mil<strong>de</strong> und Freundlichkeit verband. Alsenergischer Vorkämpfer <strong>de</strong>r evangelischen Kirche in Schlesientrat er auch <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n gegenüber auf, als es galt,die Rechte <strong>de</strong>r Evangelischen auf ihnen früher entzogeneKirchen geltend zu machen. Seine Hauptbe<strong>de</strong>utung jedochberuht in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit als Historiker.Schlesien und bei<strong>de</strong> Teile <strong>de</strong>r Lausitz dürfen ihn mitRecht ihren wackersten Forschern zurechnen.Es ist hier nicht möglich, seine zahlreichen Aufsätzeaufzuzählen, die er für die schlesische Geschichte seit 1790in Plümicke’s „Neuem Schlesischen Magazin” und dannim „Schlesischen Provinzialblatt”, in „Stäudlin und Zschirner’sArchiv für alte und neue Kirchengeschichte” und in<strong>de</strong>r „Korrespon<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r schlesischen Gesellschaft für vaterländischeKultur” geliefert hat. Inhaltlich befassen siesich mit Fragen <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>s- und Ortsgeschichte, <strong>de</strong>rTopographie und Frühgeschichte. Beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeitseinerseits galt jedoch <strong>de</strong>r schlesischen Kirchengeschichte.Stellvertretend hierfür seien folgen<strong>de</strong> Publikationengenannt: „Geschichte <strong>de</strong>r evangelischen Kirchen,Prediger und Schullehrer im Herzogthum Sagan” (Bunzlau1809), <strong>de</strong>r „Katechismus <strong>de</strong>r vaterländischen (schlesischen)Geschichte für Bürger- und vorzüglich Landschulen”(Sagan 1818), „Die Rechte <strong>de</strong>r evangelischen Gemein<strong>de</strong>nin Schlesien an die ihnen im 17. Jahrhun<strong>de</strong>rt gewaltthätiggenommenen Kirchen und Kirchengüter” (Sorau1825). Bei allem Eifer für seinen Glauben und mannhaftemAussprechen seiner Ansichten über Recht und Unrecht,gelang es ihm doch immer historische Unparteilichkeit undMäßigung in <strong>de</strong>r Darstellung und in <strong>de</strong>n Schlußfor<strong>de</strong>rungenzu bewahren. Ebenso rege war sein Bemühen für dieGeschichte <strong>de</strong>r Lausitz und zwar vorwiegend <strong>de</strong>rNie<strong>de</strong>rlausitz. Seit 1790 Mitglied <strong>de</strong>r Gesellschaft <strong>de</strong>rWissenschaften zu Görlitz, veröffentlichte er seit 1792auch für die Geschichte dieser Nachbarregionen zahlreicheAbhandlungen u.a. in „Pescheck’s Lausitzischer Monatsschrift”,in Fielitz’ Vaterländischer Monatsschrift, und im„Neuen Lausitzischen Magazin. Zusammenfassend fürbei<strong>de</strong> Gebiete gab er sein „Archiv für GeschichteSchlesiens, <strong>de</strong>r Lausitz und zum Theil von Meißen” heraus,<strong>de</strong>m das „Neue Archiv für die Geschichte Schlesiens und<strong>de</strong>r Lausitz” folgte, bei<strong>de</strong> mit vielen Aufsätzen aus eigenerFe<strong>de</strong>r. Von eigenständigen Schriften wären zu nennen die„Kirchen-, Prediger- und Schulgeschichte <strong>de</strong>r HerrschaftenSorau und Triebel” (Sorau 1803), die „Geschichte <strong>de</strong>rHerrschaften Sorau und Triebel” (Sorau 1826) und seinHauptwerk, das „Inventarium diplomaticum Lusatiae inferioris.Verzeichniß und wesentlicher Inhalt <strong>de</strong>r bis jetztüber die Nie<strong>de</strong>rlausitz aufgefun<strong>de</strong>nen Urkun<strong>de</strong>n”Worbs’ Arbeiten zeigen großen Fleiß in <strong>de</strong>r Zusammenbringungalles zweckdienlichen Materials und ruhigesachliche Prüfung. Seine Verdienste sind um so höher anzuschlagen,je geringer die Vorarbeiten waren, die ihm zu


BEITRÄGE 171Gebote stan<strong>de</strong>n; nahm doch unter allen <strong>de</strong>utschenTerritorien die Nie<strong>de</strong>rlausitz eine <strong>de</strong>r untersten Stellen hinsichtlich<strong>de</strong>r kritischen Sammlung ihrer urkundlichenQuellen und <strong>de</strong>r wissenschaftlichen Bearbeitung ihrerGeschichte ein und fällt sein Wirken doch noch vor dieZeit, beziehentlich nur in die ersten Anfänge <strong>de</strong>s Aufschwungs<strong>de</strong>r neueren <strong>de</strong>utschen Geschichtswissenschaft.Noch heute sind <strong>de</strong>shalb beim Mangel an<strong>de</strong>rer Arbeiten dieseinigen recht brauchbar. Beson<strong>de</strong>rs sein Inventarium, daser auf Veranlassung <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlausitzer Landstän<strong>de</strong> herausgab,bil<strong>de</strong>t, wenn auch gera<strong>de</strong> die Diplomatik in <strong>de</strong>n letztenJahrzehnten <strong>de</strong>n gewaltigsten Aufschwung genommenhat und man jetzt an <strong>de</strong>rartige Werke viel|höhere Anfor<strong>de</strong>rungenstellen muß, noch immer die schätzbare Grundlageurkundlicher Forschungen.Obwohl seine Aufgabe schwieriger war, als die <strong>de</strong>rRegesten-Editoren an<strong>de</strong>rer Län<strong>de</strong>r (Als Regest, lat. res gestae= „die getanen Dinge“ bezeichnet man in <strong>de</strong>r Geschichtswissenschaftdie Zusammenfassung <strong>de</strong>s rechtsrelevantenInhalts einer mittelalterlichen o<strong>de</strong>r frühneuzeitlichenUrkun<strong>de</strong>; Anm. d. Red.), hatte er sich nicht daraufbeschränkt, das bereits gedruckte Urkun<strong>de</strong>nmaterial zu verzeichnen,son<strong>de</strong>rn versuchte auch, so weit als möglich, dieungedruckten Urkun<strong>de</strong>n aus verschie<strong>de</strong>nen Archiven zusammeln und teils im Register, o<strong>de</strong>r sogar im Wortlaut mitaufzunehmen. Auch auf an<strong>de</strong>ren Arbeitsgebieten betätigteer sich: eine „Geschichte und Beschreibung <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s <strong>de</strong>rDrusen, nebst einem bisher in Deutschland unbekanntenReligionsbuche dieses Volkes” (Görlitz 1799) o<strong>de</strong>r „Alfreds,Königs von England, Beschreibung von Deutschlandin angelsächsischer Sprache, mit einer <strong>de</strong>utschen Übersetzungund erklären<strong>de</strong>n Bemerkungen”.All das zeigt Worbsals unermüdlichen Arbeiter auf <strong>de</strong>m Feld <strong>de</strong>r Wissenschaft,wenn auch seine bleiben<strong>de</strong>n Verdienste auf <strong>de</strong>m Gebiet <strong>de</strong>rheimischen, vor allem <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rlausitzischen Geschichtezu suchen sind.Der vorstehen<strong>de</strong> Artikel basiert im Wesentlichen auf<strong>de</strong>n Ausführungen Lipperts in: Allgemeine Deutsche Biographie(1898). Porträt.: Joachim Leopold Haupt (Hrsg.):Neues Lausitzisches Magazin, 1837.Für 2014 ist in Priebus ein Worbs-Symposium geplant.Der „Gottesfreund” wird entsprechend informieren. Zur Person:Annemarie Franke; Jahrgang ‘71;aufgewachsen im Rheinland; evangelisch.Kurz vorgestellt: Annemarie FrankeKulturreferentin für Schlesien am Schlesischen Museum zu GörlitzANDREAS NEUMANN-NOCHTENFoto: SMGSie hat am 19. August 2013 ihr Büro im „Haus zumGol<strong>de</strong>nen Baum” am Görlitzer Untermarkt bezogen undarbeitet seit<strong>de</strong>m als Kulturreferentin für Schlesien amSchlesischen Museum zu Görlitz. Sie hat die Nachfolgevon Dr. Maximilian Ei<strong>de</strong>n angetreten. Allerdings hatte sieschon länger die Gelegenheit die Arbeit ihrer Vorgänger zubegleiten, da ihre bisherige berufliche Tätigkeit in <strong>de</strong>r„Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung” das mitsich brachte. So betritt sie also mitnichten vollkommenesNeuland.Das Schlesische Museum zu Görlitz zählte schon langezu ihren Lieblingsorten auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utsch-polnischen Landkarte.Und die Stadt Görlitz ohnehin, <strong>de</strong>ren wun<strong>de</strong>rbaresAufblühen sie nach <strong>de</strong>r politischen Wen<strong>de</strong> mit Interesseund Freu<strong>de</strong> beobachtete und bgleitete.Als Kulturreferentin für Schlesien möchte sie inGörlitz/Zgorzelec zu einem lebendigen Kulturaustauschund vor allem vielen Begegnungen über die Grenzen hinwegbeitragen. Dabei sollen bewährte Formate und Kooperationenfortgesetzt, aber auch neue Partner eingela<strong>de</strong>nwer<strong>de</strong>n, sich mit Projekti<strong>de</strong>en zu beteiligen.Annemarie Franke hat in Bonn und Berlin Neuere undNeueste Geschichte mit Schwerpunkt Osteuropa, Russistikund Politikwissenschaften studiert. Das Rheinland ist ihreHeimat, aber seit <strong>de</strong>n friedlichen Revolutionen 1989 hat essie immer stärker in <strong>de</strong>n Osten Deutschlands und Europasgezogen. Auch St. Petersburg gehörte zu einer ihrerStationen. Ganz ohne persönlichen Bezug zu Schlesien istsie nicht: ihre Großeltern haben vor <strong>de</strong>m II. Weltkrieg inBreslau gelebt und sind, wie sie zu berichten weiß, dort inMaria-Magdalena getraut wor<strong>de</strong>n.Im Jahre 2001 wur<strong>de</strong> Kreisau/Krzy¿owa ihr Lebensmittelpunktund somit Nie<strong>de</strong>rschlesien zu ihrer WahlheimatDass ihre polnischen Nachbarn, Kollegen und Freun<strong>de</strong>sich die <strong>de</strong>utsche Vergangenheit Schlesiens zu eigenmachen und sie als gemeinsames europäisches Kulturerbepflegen wollen, beeindruckt sie immer wie<strong>de</strong>r.Gern möchte sie die vielfältigen Möglichkeiten <strong>de</strong>r kulturellenBreitenarbeit mit Veranstaltungen, Newsletter, Projektenund Exkursionen nutzen, um oft weniger bekannte,<strong>de</strong>shalb aber nicht weniger interessante Initiativen und Ortezu präsentieren. Dazu sei ihr von Herzen Erfolg und gutesGelingen gewünscht.


172MELDUNGEN90. Jahresfest <strong>de</strong>s Mutterhauses „Eben-Ezer in DziêgielówBERICHT AUS DZIĘGIELÓW VON PFARRER MAREK LONDZINVor 90 Jahren hat Pfarrer Karol Kulisz aus seinemempfindlichen Herzen auf Leid und Unrecht <strong>de</strong>rKin<strong>de</strong>r und alte Leute und im Auftrag Gottes dasDiakonissenhaus „Eben-Ezer” in Dziegielow gegrün<strong>de</strong>t.Jahre vergingen, so manches hat sich verän<strong>de</strong>rt, aber dieBedürftigen, über die man sich beugen muss, die brü<strong>de</strong>rlicheHand reichen und ans Herz schließen sollte, fehlenauch heute nicht.Trotz verschie<strong>de</strong>nen schweren, manchmal auch tragischenSituationen hat „Eben-Ezer” dank <strong>de</strong>r vielen Gebeteund Gottes eingreifen<strong>de</strong>r Hilfe durchgehalten.Am 15. September 2013 haben wir mit vielen Gästenaus <strong>de</strong>m In- und Ausland unser 90tes Jubiläum gefeiert.Vertreter aus sieben Mutterhäusern in Deutschland habenuns im Loben und Danken begleitet.In die Stimmung <strong>de</strong>s Festtages führte uns am Samstag,<strong>de</strong>n 14. September ein Konzert <strong>de</strong>s Kammerorchester ein.Am Sonntag begannen wir mit einem Festzug in die „Eben-Ezer” Kirche zum festlichen Gottesdienst mit <strong>de</strong>r Predigtvon Pfarrer Jan Szarek, Bischof i.R. über die Worte aus <strong>de</strong>nPsalmen: (119,59; 37,5) „Ich betrachte meine Wege undkehre meine Füße zu <strong>de</strong>inen Zeugnissen. Befiel <strong>de</strong>m Herrn<strong>de</strong>ine Wege und hoffe auf ihn; er wird es wohl machen”.Darauf dürfen und wollen wir uns weiterhin verlassen.Grußworte während <strong>de</strong>s Gottesdienstes überreichten:<strong>de</strong>r Bischof <strong>de</strong>r Evangelischen Kirche in Polen JerzySamiec, Vertreter <strong>de</strong>s Kaiserswerther Verban<strong>de</strong>s <strong>de</strong>utscherDiakonissen-Mutterhäuser Pfarrer Stefan Süß, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>nschriftlichen Gruß von <strong>de</strong>r Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n S. EstherSelle vorgelesen hat, Sejmabgeordnete Aleksandra Trybusund Kreislandrat Jerzy Nogowczyk.An <strong>de</strong>mselben Tag durften auch sechs Diakonissen ihrSchwesternjubiläum feiern. S. Zuzanna Lazar - 65 Jahre; S.Irena Morawiec - 50 Jahre; S. Ewa Cieslar, S. Anna Cieslarund S. Helena Pinkas - 40 Jahre. Nach <strong>de</strong>m Gottesdienstnach <strong>de</strong>r Tradition von Pfarrer Karol Kulisz durften sichalle Teilnehmer mit Kuchen bedienen.Nach <strong>de</strong>m festlichen Mittagessen für gela<strong>de</strong>ne Gäste beiKaffe und Kuchen gab es viele Grußworte, Segenswünscheund Ansprachen <strong>de</strong>r Gäste, Schwestern aus <strong>de</strong>n Mutterhäusernund ehemalige Kin<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Kin<strong>de</strong>rheim „Eben-Ezer”. Inzwischen gab es auch Musik von Jugendlichen aus<strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> und vom Schwesternchor.Wir sind Gott dankbar für all die Jahre in <strong>de</strong>nen ER unsgeleitet, getragen und gesegnet hat. Heute zählt unsereSchwesternschaft 18 Diakonissen, davon <strong>de</strong>r größere Teilim tätigen Ruhestand und vor allen unterstützend stehen siemit ihren Gebeten und Erfahrungen <strong>de</strong>n Tätigen Schwesternbei und tragen das Werk „Eben-Ezer” täglich in <strong>de</strong>rFürbitte mit.Eben-Ezer; Foto: DTG, Wikimedia CommonsTagung <strong>de</strong>s Johann-Heermann-Kreisesschlesischer Pädagogen im Lutherheim SpringeCHRISTOPH SCHOLZIch bin Herr zu dir gekommen,komme du nun auch zu mir.Wo du Wohnung ha+t genommen,da i+t lauter Himmel hier.”Benjamin Schmolck,EG 166,2„Präge meinem Herzen ein, laß es <strong>de</strong>inen Tempel sein.”Zum 46. Male trafen sich schlesische Lehrer, aus östlichenund westlichen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn, inzwischensämtlich pensioniert, zu ihrer Jahrestagung. Wie<strong>de</strong>rerwartete die fünfzehn Teilnehmer eine stark von schlesischenThemen und schlesischen Persönlichkeiten bestimmtesProgramm. Mit „Joseph Freiherr von Eichendorff zum225.Geburtstag” begann Christoph Scholz, Großburgwe<strong>de</strong>l.Ausschnitte aus seinem größten Prosa-Erfolg <strong>de</strong>m „Taugenichts”,eine ausführliche Darstellung seines Lebens unddanach selbstverständlich eine Auswahl seiner wichtigstenGedichte, <strong>de</strong>m zweiten großen Erfolg, sollten mit diesemgroßen schlesischen Dichter wie<strong>de</strong>r vertraut machen. DieSchullektüre liegt ja doch schon Jahrzehnte zurück!Am 2. Tage stand <strong>de</strong>r be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Soziologe aus <strong>de</strong>n 50erund 60er Jahren Helmut Schelsky, Professor in Hamburg,Münster, Bielefeld und wie<strong>de</strong>r Münster auf <strong>de</strong>m Programm.Georg K. Schmelzle, Nor<strong>de</strong>n, versuchte ihn uns nahe zubringen. Bekannt wur<strong>de</strong> er als Gegner <strong>de</strong>r bis heute einflussreichenTheorien <strong>de</strong>r Frankfurter Schule und <strong>de</strong>r radikalen


LESERBRIEF 173Stu<strong>de</strong>ntenbewegung <strong>de</strong>r 60er Jahre und als Verfasser <strong>de</strong>r Bücher„Arbeitslosigkeit und Berufsnot <strong>de</strong>r Jugend” 1952,„Soziologie <strong>de</strong>r Sexualität” 1955 und <strong>de</strong>s Bestsellers „Dieskeptische Generation” 1957. Er kämpfte im schulischenBereich, für uns beson<strong>de</strong>rs interessant, für das duale Ausbildungs-system,das ja gera<strong>de</strong> jetzt als erfolgreiche <strong>de</strong>utscheErrungenschaft in an<strong>de</strong>ren EU-Län<strong>de</strong>rn und <strong>de</strong>n USAgefragt ist. Schelsky erinnerte damals daran, die praktischenBegabungen <strong>de</strong>r Schüler und Jugendlichen in Deutschlandnicht verkümmern zu lassen, und warnte vor <strong>de</strong>r Kopflastigkeitunserer Schulmetho<strong>de</strong>n und Lehrpläne.Dieter Günther, Hammelburg, hatte sich ein schwierigesThema ausgesucht: <strong>de</strong>n Pastor Benjamin Schmolck,1672 imschlesischen Brauchitschdorf geboren, studierte er in Leipzigund lebte später bis an sein Lebensen<strong>de</strong> als Diakon undPastor Primarius in Schweidnitz. Er war auch erfolgreich alsKirchenlie<strong>de</strong>r-Dichter; 1188 Lie<strong>de</strong>rtexte sollen von ihmstammen, selbstverständlich in barocker Sprache und vollerGelehrsamkeit. Er war auch ein herausragen<strong>de</strong>r Vertreter <strong>de</strong>rlutherischen Orthodoxie. Heute stehen nur noch sechs seinerLie<strong>de</strong>r im Evangelischen Gesangbuch und Schmolke brachtees im Glaubenseifer fertig, <strong>de</strong>n jungen, feuerköpfigen JohannChristian Günther aus Striegau von <strong>de</strong>r Kanzel <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>nskirchewegen seiner freizügigen Gedichte „abzukanzeln”.Am dritten Tag brachte Ulrich Goe<strong>de</strong>, Bad Mün<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>nschlesischen Baumeister und Architekten Ernst FriedrichZwirner in Erinnerung. Auf Anordnung von König FriedrichWilhelm IV. leitete er die allzu späte Vollendung <strong>de</strong>s KölnerDomes. 1248 war <strong>de</strong>r Bau begonnen wor<strong>de</strong>n und stand dannnach baulichen Zwischenstufen 600 Jahre unvollen<strong>de</strong>t. AuchEichendorff hat große Verdienste an <strong>de</strong>r Vollendung. Erwur<strong>de</strong> als preußischer Beamter zuständig für die Finanzenund war auch Verfasser <strong>de</strong>s Berliner Aufrufs für <strong>de</strong>n Weiterbau<strong>de</strong>s Doms.Am Anfang <strong>de</strong>s Programms stan<strong>de</strong>n an allen drei Tagenjeweils Andachten in <strong>de</strong>r Kapelle. Die Aben<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n vollständigzum Informationsaustausch genutzt. Brennpunktebil<strong>de</strong>ten die Bun<strong>de</strong>stagswahl, die Abwahl und die Umstän<strong>de</strong><strong>de</strong>r Abwahl <strong>de</strong>s Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Landsmannschaft Schlesien,um nur zwei Themen hervorzuheben.Die Atmosphäre <strong>de</strong>s Lutherheims -dazu gehören: diefreundliche Begrüßung und optimale Betreuung durch dieHeimleitung, das Ehepaar Schrö<strong>de</strong>r, die liebevolle Ausstattung<strong>de</strong>s gesamten Hauses mit geschmackvollen Gesteckenund Blumenvasen und das lecker zubereitete und einfallsreichpräsentierte Essen – trug maßgeblich zum Gelingen <strong>de</strong>rTagung bei.Leserbrief... (noch einmal) zum Beitrag „Jenseitsvon O<strong>de</strong>r und Neiße”, SGF - August2013, S. 123, äußert sich Herr WolfgangSchubert aus Görlitz wie folgt:Sehr geehrte Damen und Herren,mit Interesse habe ich die Fortsetzungen <strong>de</strong>s Beitrages vonHerrn Schmelzle, <strong>de</strong>r sich mit Literatur über die ehemaligenost<strong>de</strong>utschen, jenseits <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>r-Neiße, richtiger LausitzerNeiße, liegen<strong>de</strong>n Gebiete in <strong>de</strong>r SBZ und <strong>de</strong>r DDRbefasste, gelesen. Auch ich fand es in mehreren Passagenten<strong>de</strong>nziös.Erfrischend dagegen <strong>de</strong>r Beitrag von Herrn Kiehl,„Diesseits von O<strong>de</strong>r und Neiße”. Aber auch dieser Beitragwäre noch um manches Lesenswerte aus <strong>de</strong>r SBZ und DDRzu ergänzen. Wie in <strong>de</strong>r Alt-BRD <strong>de</strong>r Roman von HansVenatier, „Vogt Bartold” über die Besiedlung Schlesiensjenseits <strong>de</strong>s Flusses Queis, kaum unterSchlesiern bekanntwar, obwohl er nach 1950 zweimal neu heraus gegebenwur<strong>de</strong>, sind wohl auch bei ehemaligen DDR Bürgern zweiwichtige Romane mit schlesischem Inhalt kaum bekannt.1968 war <strong>de</strong>r Roman „Schlesisches Himmelreich” vonHil<strong>de</strong>gard Maria Rauchfuss herausgekommen. Der Inhaltbefasst sich mit <strong>de</strong>m Schicksal einer Familie vom ErstenWeltkrieg bis zur Flucht aus Breslau 1945.Dazu wäre zu bemerken. dass es bei einem einheitlichemSchrifttum kaum ein zweites Buch mit <strong>de</strong>m gleichen Titelwie später von Rotraut Schöne gegeben hätte.Ein weiteres Buch mit schlesischem Bezug zur GrafschaftGlatz, Breslau, Wal<strong>de</strong>nburg und Berlin kam nacheinem dreiteiligen Fernsehfilm „Hotel Bohemia” unter <strong>de</strong>mTitel „Bohemia” – mein Schicksal, von Jan Koplowitz1972 heraus. Auch das ist ein Familienroman <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>mGroßvater <strong>de</strong>s Autors in Bad Kudowa beginnt. Zu bei<strong>de</strong>nBüchern anbei kurze Angaben. ln bei<strong>de</strong>n Büchern sindauch hier die Ortschaftsnamen ausschließlich mit <strong>de</strong>utscherBezeichnung ohne polnische Angaben .Bereits 1962 brachte Prof. Hans Mayer acht Bän<strong>de</strong>„Ausgewählte Werke Gerhart Hauptmann”, im Aufbau-Verlag Berlin heraus.Erwähnenswert ist auch <strong>de</strong>r sehenswerte mehrteiligeFilm mit <strong>de</strong>r Familiengeschichte <strong>de</strong>rer von Hochberg (Fürstensteinund Pless).Auf alle Vertreibungsgebiete bezogen gab es noch vielmehr Literatur und Filme zum Thema. Lei<strong>de</strong>r sind auch siemir nicht alle bekannt. <strong>de</strong>r Mehrteiler „Wege übers Land”wur<strong>de</strong> auch nach <strong>de</strong>r politischen Wen<strong>de</strong> im <strong>de</strong>r BRD gezeigt.Zum Schluss noch ein Witz aus DDR-Zeiten:Erich Honnecker macht eine Betriebsbesichtigung. Es wer<strong>de</strong>nihm drei verdienstvolle Mitarbeiter vorgestellt. Honneckerfragt sie was sie sind . Der Erste sagt: Er sei Ingenieur,darauf E.H. ab morgen sind sie Oberingenieur. DerZweite sagt: Er ist Meister, darauf macht ihn E.H. zumObermeister und <strong>de</strong>r Dritte sagt er ist Schlesier, darauf E.H,ab morgen sind sie Oberschlesier.


174TERMINEVorankündigungWie schon in <strong>de</strong>n vergangenen Jahren wird die Kirchliche Stiftung Ev. Schlesien auch im nächsten Jahr wie<strong>de</strong>rExkursionen und eine Studienfahrt anbieten. Zum Vormerken und auch zum Vorfreuen hier schon einmal dieTermine und die Zielorte:1. Am Dienstag, <strong>de</strong>m 20.05.2014 geht unsere Exkursion nach Lan<strong>de</strong>shut, Görbersdorf, Sandberg/Wal<strong>de</strong>nburg.Die 300-jährige Geschichte dieser Region und speziell das Schaffen von M. Avenarius stehen auf unseremProgramm.2. Die 2. Exkursion führt uns am 12.08.2014 in die entgegengesetzte Richtung nach Sprottau und Freystadt unter<strong>de</strong>r Themenstellung: Kin<strong>de</strong>r-Beten und A. Gryphius.3. Unsere Studienreise vom 3. Juli bis 9. Juli 2014 wird uns diesmal ins Zentrum Schlesiens führen. Von Breslauaus als unserem Standquartier, wer<strong>de</strong>n wir u. a. Namslau, Neumittelwal<strong>de</strong>, Groß Wartenberg, Carlsruhe, Döbern,Löwen und weitere Orte erkun<strong>de</strong>n. Selbstverständlich wer<strong>de</strong>n wir uns auch Breslau ausgiebig ansehenund an <strong>de</strong>n Christlichen Begegnungstagen (s. SGF Juli 2013, S. 109) teilnehmen.Bei Interesse mel<strong>de</strong>n Sie sich bitte bei <strong>de</strong>r Kirchlichen Stiftung Ev. Schlesien, Schlaurother Str. 11, 02827 GörlitzTel.: 03581/744-205Fax: 03581/744-299e-Mail: evschlesien@kkvsol.netVERANSTALTUNGEN DERGEMEINSCHAFT EVANGELISCHER SCHLESIERHamburgGemein<strong>de</strong>nachmittag <strong>de</strong>r evangelischen SchlesierFreitag, 1. November 2013 im Gemein<strong>de</strong>saalvon St. Petri in Altona, Schmarjestr. 31.LAG Ba<strong>de</strong>n-Württemberg/StuttgartGottesdienst mit Feier <strong>de</strong>s Hl. Abendmahlsnach <strong>de</strong>r Liturgie <strong>de</strong>r Altpreußischen UnionEwigkeitssonntag, 24. November um 14.30 Uhrin <strong>de</strong>r Schlosskirche in Stuttgart.LAG Hessen/KasselGottesdienst mit Feier <strong>de</strong>s Hl. Abendmahlsnach <strong>de</strong>r Liturgie <strong>de</strong>r Altpreußischen Union,2. Sonntag im Advent, 8. Dezember um 14 Uhr in <strong>de</strong>rMutterhauskirche <strong>de</strong>s Diakonissenhauses in Kassel,Goethestr. 85.EVANGELISCHE GOTTESDIENSTEIN DEUTSCHER SPRACHE IN SCHLESIENBreslau:an je<strong>de</strong>m Sonntag um 10 Uhr in <strong>de</strong>r Christophorikirche,pl. Św. Krzyzstofa 1.Lauban:an je<strong>de</strong>m 2. Sonnabend um 10 Uhr in <strong>de</strong>r Frauenkirche,al. Kombatantów.Liegnitz:am 1. und 3. Sonntag um 13 Uhrin <strong>de</strong>r Liebfrauenkirche, pl. Mariacki 1.Schweidnitz:an je<strong>de</strong>m 4. Sonnabend um 9 Uhr im Lutherhaus, pl. Pokoju 6.Wal<strong>de</strong>nburg:an je<strong>de</strong>m 2. Sonntag und je<strong>de</strong>m 4. Sonnabend um 14 Uhrin <strong>de</strong>r Erlöserkirche, pl. Kościelny 4.Bad Warmbrunn:an je<strong>de</strong>m 2. Sonnabend in <strong>de</strong>r Erlöserkirche, pl. Piastowski 18.JauerFrie<strong>de</strong>nskircheAuf Anfrage: Park Pokoju 2, 59-400 Jawor.Tel. (+4876) 870 51 45. E-Mail: jawor@luteranie.plPfarramt:ul. Partyzantów 60, 51-675 Wrocław.Tel. 0048 - 71-3484598. Pfarrer Andrzej Foberwww.stchristophori.euchristophori@poczta.onet.euGEBURTSTAGE AUS DER LESERGEMEINDE96. Am 22.11. Frau Alice Schenkling, geb. Langner,65199 Wiesba<strong>de</strong>n, früher Breslau.94. Am 03.11. Diakonisse Erika Hoffmann, 34119Kassel, früher Marxdorf (Breslau). Am 11.11. FrauLeonie Köhn, 31707 Bad Eilsen, früher Pretschkau, Krs.Neiße.93. Am 03.11. Frau Charlotte Schnei<strong>de</strong>r, 61118 BadVilbel, früher Breslau. Am 20.11. Herr Günter Steiner,35582 Wetzlar, früher Schöngarten.92. Am 09.11. Herr Bernhard Staudacher, 70374 Stuttgart,früher Rosenberg O/S. Am 12.11. Herr WolfgangRichter, 30655 Hannover, früher Sagan.91. Am 22.11. Herr Rektor i.R. Siegfried Beul, 72074Tübingen, früher Bunzlau/Nd. Schles..90. Am 09.11. Frau Martha Pawlik, 76185 Karlsruhe.89. Am 03.11. Frau Brigitta Häuser, 86500 Kutzen-


AUS DER LESERGEMEINDE 175hausen, früher Liegnitz. Am 07.11. Herr Pfarrer OttoCarl Springer, 94036 Passau. Am 18.11. Frau LiselotteFehr, 34130 Kassel, früher Vellmar.88. Am 07.11. Herr Dr. Gerhard Kaske, 45770 Marl.87. Am 16.11. Carl Christian Graf v. Kospoth, 85567Grafing, früher Briese. Am 21.11. Herr Diether v.Trzebiatowski, 55218 Ingelheim, früher Gleinig, Krs.Guhrau.85. Am 15.11. Herr Pfarrer i.R. Martin Kiock, 02826Görlitz, früher Kreisewitz,Kr.Brieg. Am 16.11. FrauJutta Rüdiger-Ettlich, 71732 Tamm, früher Breslau. Am20.11. Herr Horst-Klaus Hofmann, 64614 Bensheim. Am 23.11. Frau E<strong>de</strong>lgard Schrö<strong>de</strong>r, 40489 Düsseldorf.84. Am 05.11. Herr Dieter Günther, 97762 Hammelburg,früher Haasenau/Breslau.83. Am 12.11. Herr Siegfried Streubel, 71679 Asperg,früher Breslau. Am 20.11. Herr Superinten<strong>de</strong>nt i.R.Karl-Hans Schnell, 31785 Hameln, früher Labes/Pommern. Am 29.11. Herr Ernst Hei<strong>de</strong>r, 69469 Weinheim,früher Militsch, Bez. Breslau. Am 30.11. Mrs. DorotheaKlein, geb. Wehowsky, CAN - Edmonton AB T6J 7G8, früherSchnellewal<strong>de</strong>/Krs. Neustadt O/S.82. Am 16.11. Herr Wolfgang Ueberschär, 26123Ol<strong>de</strong>nburg, früher Breslau. Am 17.11. Herr Hans-JoachimLe<strong>de</strong>r, 91522 Ansbach, früher Cosel-Hafen O/S.80. Am 06.11. Herr Pfarrer Klaus Lobisch, 82131Gauting. Am 10.11. Frau Gisela Hartwig, 08066Zwickau, früher Breslau-Zimpel. Am 29.11. Frau RenateLehmann, 71083 Herrenberg, früher Breslau. Am29.11. Herr Albrecht Störmer, 10117 Berlin, früher Fürsten-Ellguth.79. Am 02.11. Hans-Christoph Graf v. Schweinitz u.Krain, 64342 Seeheim-Jugenheim, früher CraynKrs.Liegnitz. Am 30.11. Frau Brigitte Taubmann, geb.Knittel, 02708 Obercunnersdorf, früher Birkholz/Kr.Schweidnitz.77. Am 28.11. Frau Gerda Schaefer, 14129 Berlin. Am 29.11. Herr Siegfried Schnecke, 06502 Thale/OT Neinstedt,früher Friedrichsdorf.76. Am 15.11. Herr Pfarrer i.R. Georg-Gottfr. Peters,48157 Münster, früher Breslau. Am 18.11. Herr HaraldDierig, 48161 Münster. Am 22.11. Herr Gotthardt v.Wallenberg Pachaly, 02894 Reichenbach, früher Siebischau/Breslau. Am 27.11. Frau Erika Menge, 97980Bad Mergentheim, früher Sagan/Ndr.schl.. Am 29.11.Herr Arnhold Sinna, 06502 Thale/OT Westerhausen, früherHonig Kr. Ostrowo.75. Am 25.11. Herr Dr. Eike Gelfort, 51107 Köln, früherEssen.74. Am 08.11. Frau Charlotte Kastner, geb. Tokarski,90596 Schwanstetten, früher Althei<strong>de</strong> Bad/Krs. Glatz. Am 29.11. Herr Dr. Ulrich An<strong>de</strong>rs, 45529 Hattingen,Eltern: Vater - Breslau; Mutter - Guhren, Kr. Wohlau.72. Am 15.11. Herr Arnold Rißler, 03119 WelzowN/L, früher Weißwasser O/L.63. Am 09.11. Herr Eugen Walther, 06122 Halle, früherRoßbach.Beitrittserklärung:Ich erkläre hiermit meinen Beitritt zur Gemeinschaft evangelischerSchlesier e. V. bei einem Mitglie<strong>de</strong>r-Jahresbeitrag von aktuell 30 Eurofür das laufen<strong>de</strong> Kalen<strong>de</strong>rjahr; im Rahmen meiner Vereinsmitgliedschafterhalte ich die Zeitschrift „Schlesischer Gottesfreund” kostenfrei.Ich möchte kein Mitglied wer<strong>de</strong>n, bestelle aber die Monatszeitschrift„Schlesischer Gottesfreund” zum Abo-Preis von 36 Euro proJahr.Bitte sen<strong>de</strong>n Sie mir eine Probenummer <strong>de</strong>r Zeitschrift „SchlesischerGottesfreund” zu.Datum:Titel:Nachname:Vorname:Straße:PLZ, Ort:Geburtsdatum/-ort:Unterschrift:Beruf:persönlicher bzw. familiärerschlesischer Herkunftsort:Sollten Sie nicht mit <strong>de</strong>r Veröffentlichung einiger Ihrer persönlichenDaten in <strong>de</strong>r Geburtstagsliste <strong>de</strong>s „Gottesfreun<strong>de</strong>s” einverstan<strong>de</strong>nxsein, kreuzen Sie es bitte in <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Kästchen an.Bitte einsen<strong>de</strong>n an: Gemeinschaft evangelischer Schlesier e.V.Postfach 1410, D – 32440 Porta Westfali<strong>ca</strong>o<strong>de</strong>r Stiftung Evangelisches SchlesienSchlaurother Straße 11, D – 02827 GörlitzBankverbindung: Stadtsparkasse Porta Westfali<strong>ca</strong>BLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997ImpressumHerausgeber:Gemeinschaft evangelischer Schlesier (Hilfskomitee) e.V.D 32440 Porta Westfali<strong>ca</strong>, PF 1410, Tel.: 0571-971 99 74,Bankverbindung: Stadtsparkasse Porta Westfali<strong>ca</strong>BLZ: 490 519 90 Kto.-Nr.: 26 997E-mail: info@<strong>gesev</strong>.<strong>de</strong>Verantwortlich für <strong>de</strong>n Inhalt:Andreas Neumann-NochtenHotherstraße 32, D - 02826 GörlitzTel.: 03581 - 878988E-mail: gottesfreund@nochtenart.<strong>de</strong>Beiträge/Grafik/Satz/Layout: Andreas Neumann-NochtenHerausgegeben in Zusammenarbeit mit <strong>de</strong>rStiftung Evangelisches SchlesienEinsendungen: Schlaurother Straße 11, 02827 GörlitzE-Mail: gottesfreund@kkvsol.netDruck: JAENSCH & AHRENSMEYER, Porta Westfali<strong>ca</strong>


Denn das, was <strong>de</strong>r studierte Agrarökonom und spätereSozial- und Erziehungswissenschaftler Pollack verfassthat, ist we<strong>de</strong>r Sachbuch noch Biografie. Für ersteres istes zu sehr durchsetzt von eigenem Erleben und Befindlichkeiten,für letzteres schil<strong>de</strong>rt es zu wenig PollacksLeben, dafür mehr <strong>de</strong>n Ort, die Zeit, die Umstän<strong>de</strong>.Es ist ein wichtiger Zeitzeugenbericht, <strong>de</strong>r viel von<strong>de</strong>m wie<strong>de</strong>rgibt, was damals im Kleinen, im Dorfe, passierteund von <strong>de</strong>r Welt oft unbemerkt blieb. Aber es istauch einer mit klarer Ten<strong>de</strong>nz, die Deutschen als Opfer<strong>de</strong>r Polen und Russen zu sehen. Die Schuld, die vieleunter <strong>de</strong>n Nazis auf sich gela<strong>de</strong>n hatten, sei es durchWegschauen o<strong>de</strong>r aktives Mittun, durch Nichtwissenwolleno<strong>de</strong>r Schönre<strong>de</strong>n, spielt so gut wie gar keineRolle. Erwin Pollack, <strong>de</strong>r als Deutscher in Schlesienaufwuchs und seit 1975 in Deutschland lebt, blen<strong>de</strong>tdas aus.Freu<strong>de</strong> über das PostautoBuchempfehlungEin Stückchen SchlesienIRMELA HENNIG„Alte Oma und viele Kin<strong>de</strong>r“, sprachen die Soldaten,machten auf <strong>de</strong>m Absatz kehrt und gingen. Und das warsie <strong>de</strong>nn auch schon – Erwin Pollacks erste Begegnungmit <strong>de</strong>n Sowjets. Auf <strong>de</strong>r Suche nach Essbarem,Frauen, Geld und was auch immer war die Rote Armeeirgendwann im zeitigen Frühjahr 1945 auch nach Lobkowitzgekommen. Das kleine Örtchen in Oberschlesien,das unter <strong>de</strong>n Nazis Jägershausen hieß, sich heuteaber längst Polnisch £owkowice schreibt, war damalsHeimat vor allem für Deutsche. So wie Erwin Pollack.Geboren 1940. Ein Fünfjähriger, als die Russen kamenund die Angst umging unter <strong>de</strong>n Deutschen. Als mandie Frauen versteckte, wenn sich Soldaten näherten.Und man die Oma mit acht schreien<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn alleinim Haus ließ. „Alte Oma und viele Kin<strong>de</strong>r“ – da gab esnichts zu tun für die Soldaten.Diese kurze Begebenheit ist einer von vielen eindrucksvollenMomenten in Erwin Pollacks Buch„Deutsche Schlesier im sozialistischen Polen“. Ein „AutobiografischesDokument“ hat es <strong>de</strong>r herausgeben<strong>de</strong>Verlag Osteuropa Zentrum Berlin genannt. Passend.Dafür aber vermittelt er ein klares und übersichtlichesBild davon, wie so ein kleines Dorf wie Lobkowitz aufgebautwar, wie es funktionierte. Seitenweise beschreibter die Menschen im Ort. Wer lebte wo, arbeitetewas, widmete sich welchen persönlichen Interessen.Da ist zum Beispiel Johann Zok, <strong>de</strong>r Müller, <strong>de</strong>r aberdurch seine Sanitäterausbildung beim Militär so etwaswie <strong>de</strong>r dörfliche Gesundheits- und Ernährungsberaterwur<strong>de</strong>. O<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gastwirt Herr Kie³bassa, <strong>de</strong>r die Feuerwehrgrün<strong>de</strong>te und Lebensmittel an Arme verteilte.Da sind aber auch viele kleine Einschübe, dieZeitkolorit vermitteln – wie die wenigen Sätze über dieFreu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r, wenn das gelbe Postauto im Dorfvorfuhr, weil Autos damals noch eine Sensation darstellten.Erwin Pollack kommt aber auch vom Kleinenzum Großen. Dann zum Beispiel, wenn er die Zerschlagungkleiner Unternehmen beschreibt undschlussfolgert: „Diese neue Gesellschaftsordnung (dieKommunistische, d. Red.) zerstörte in Polen <strong>de</strong>n traditionellenHan<strong>de</strong>l, die Privatinitiative, eigentlich die gesamtejahrhun<strong>de</strong>rtealte Gesellschaftsstruktur.“Man muss sich schon einlassen wollen auf diesesBuch, das oft zusammenhanglos von einem Thema zumnächsten wechselt. Aber spannen<strong>de</strong> Einblicke gewährtin ein Stückchen wenig bekanntes Schlesien.„Deutsche Schlesier im sozialistischen Polen“,Erwin Pollack,Verlag OEZ Berlin,24,90 Euro176

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!