Ausgabe als PDF herunterladen - Gewerbeverein Wassenberg eV
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SUPER SONNTAG<br />
Seite 4 K 1 Sonntag, 27. Juni 2004<br />
Fortsetzung unserer Reihe „Sagen und Märchen aus <strong>Wassenberg</strong>“<br />
Noch heute hört man ein Wimmern am Burgstein ...<br />
Hanns Heidemanns<br />
erzählt nach einem<br />
Märchen von W.J.<br />
Spehl.<br />
Es war einmal, dass der<br />
Graf von <strong>Wassenberg</strong> –<br />
ein großer Jäger vor dem<br />
Herrn –die Wälder seiner<br />
Grafschaft durchstreifte.<br />
Vorsichtig bewegte er sich<br />
durch ein Tannendickicht,<br />
um das Wild nicht zu<br />
verscheuchen. Plötzlich<br />
traf er auf einen jungen<br />
Burschen, der dabei war,<br />
einen Rehbock zu zerlegen,<br />
den er in der Schlinge<br />
gefangen hatte. Der Graf<br />
stellte den Wilddieb mit<br />
zornigen Worten zur Rede,<br />
doch der junge Bursche<br />
griff zu seinem Beil<br />
und schleuderte es nach<br />
dem Grafen. Das Beil flog<br />
nur knapp am Kopf des<br />
Grafen vorbei und blieb<br />
im Stamm einer alten<br />
Eiche stecken. Der Graf<br />
stürzte sich auf den Wilddieb,<br />
kämpfte ihn nieder<br />
und fesselte seine Hände<br />
mit einem Strick. So trieb<br />
er ihn vor sich her und<br />
übergab ihn der Wache<br />
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Auftrag, ihn in den finsteren<br />
Kerker der Burg zu<br />
werfen.<br />
Am nächsten Tag ward<br />
mit dem Wilddieb kurzen<br />
Prozess gemacht: Todesstrafe<br />
am Galgen auf dem<br />
Galgenberg. Bis zu seiner<br />
Hinrichtung wurde er im<br />
Verlorenenturm eingekerkert.<br />
Der junge Mann war der<br />
einzige Sohn einer armen<br />
Witwe. Sie bat um ein<br />
Gespräch mit dem Grafen,<br />
aber sie klopfte vergebens<br />
an das Burgtor.Sie<br />
wurde nicht eingelassen.<br />
Nach einigen Tagen wollte<br />
der Graf zur Reiherbeize<br />
in den Orsbecker Rurwiesen<br />
reiten. Es war ein<br />
herrlicher Maitag. Im<br />
Burghof wieherten die<br />
Hengste. Die Falken<br />
rutschten unruhig auf den<br />
Händen der Knechte und<br />
jagdlustig bellte die Meute.<br />
Die Zugbrücke am<br />
Burgtor rasselte nieder<br />
und die Jagdgesellschaft<br />
ritt aus.Auf dem Burghof,<br />
am Fuße des Burgberges<br />
lag ein großer, mächtiger<br />
Stein, der auch heute noch<br />
dort zu finden ist. Dieser<br />
Inh. Lione Knorren-Schmidt<br />
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Stein ist so schwer, dass<br />
ihn auch heute noch zehn<br />
kräftige Männer nicht heben<br />
können.<br />
Bei diesem Stein nun<br />
stürzte die Witwe dem<br />
Grafen entgegen, warf<br />
sich vor sein Ross,sodass<br />
dieses sich hoch aufbäumte.<br />
Der Graf sah sie<br />
ungnädig an. Seine Miene<br />
wurde finster,sein Jagdeifer<br />
gestört. Die Witwe<br />
flehte ihn an: „O, Herr,<br />
habt Erbarmen mit mir.“<br />
Der Graf schrie zurück:<br />
„Scher dich zum Teufel,<br />
Alte, oder mein Pferd<br />
zerstampft dich.“ Die alte<br />
Frau rührte sich nicht vom<br />
Fleck, sondern schrie zurück<br />
mit erhobenen Händen:<br />
„Ich weiche nicht.<br />
Mag euer Ross mich zerstampfen.<br />
Gebt mir um<br />
Gottes Willen meinen einzigen<br />
Sohn frei.“<br />
„Nein“, schrie der Graf.<br />
„Er muss am Galgen sterben.“<br />
„Nun hört mich an“,<br />
rief die Frau mit tränenerstickender<br />
Stimme: „Ich<br />
will euch dienen Tagund<br />
Nacht. Gebt ihn mir nur<br />
frei!“ „Verfluchtes Weib,<br />
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gen, so wär er kein Wilddieb<br />
und fast ein Mörder<br />
geworden. Einen, der seine<br />
Hand gegen mich erhoben<br />
hat, kann nichts mehr<br />
vom Galgen retten.“ Die<br />
Witwe warf sich zu Boden,<br />
richtete sich wieder auf,<br />
griff die Zügel des Pferdes<br />
und stammelte: „Bedenkt,<br />
Graf, mein Mann und<br />
mein ersten Sohn: Sie<br />
starben, <strong>als</strong> sie mit Euch in<br />
den Krieg zogen. Meine<br />
Tochter sprang in den<br />
Burggraben, <strong>als</strong> einer eurer<br />
Knappen sie verführt<br />
hatte und treulos verließ.<br />
Das ganze Leid, das mir<br />
geschah, das kam von<br />
Eurer Burg her.Nun lasst<br />
es genug sein. Gebt mir<br />
meinen Sohn frei!“<br />
„Weib, so geht es nicht.<br />
Das Gesetz sagt:Wenn ein<br />
Mann aus meiner Grafschaft<br />
die Hand wider<br />
Leib und Seele seines<br />
Herrn erhebt, dann ist er<br />
des Todes.“ Die alte Dame<br />
bäumte sich in ihrem<br />
unsäglichen Schmerz auf<br />
und rief: „Ihr seid ein<br />
Unmensch. Euer Herz ist<br />
so hart wie der Stein, der<br />
hier am Weg liegt.“ Der<br />
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Graf wurde zornig.<br />
„Weib“, schrie er, „So<br />
wenig wie du diesen Stein<br />
hier zu wenden vermagst,<br />
so kannst du auch mein<br />
Herz nicht wenden, dass<br />
deinem Sohn Gnade widerfahre.“<br />
Er gab seinem<br />
Hengst die Sporen und<br />
ritt erregt von Dannen<br />
samt Knechte und Meute.<br />
Die Witwe aber sank fast<br />
ohnmächtig von Trauer<br />
und Schmerzen nieder auf<br />
den Stein und weinte<br />
bittere Tränen. Wie sollte<br />
sie den Grafen umstimmen?<br />
Wiesollte sie diesen<br />
gewaltigen Stein wenden?<br />
So lag sie lange betend<br />
über dem Stein und rang<br />
mit sich und dem lieben<br />
Gott. Dann fing sie an, mit<br />
ihren Händen die Erde<br />
fort zu kratzen unter dem<br />
Stein, so dass eine Höhle<br />
entstand. Letztlich groß<br />
genug, einem Menschen<br />
Platz zu bieten. Ihre Hände<br />
waren blutig.Sie kroch<br />
in die Grube. Betend<br />
schrie ihre Seele zu Gott<br />
und der heiligen Jungfrau<br />
und bat um Beistand.<br />
Dann stemmte sie ihre<br />
Schultern unter den Stein,<br />
Sommerspeci<strong>als</strong><br />
nahm ihre ganze Kraft<br />
zusammen und versuchte,<br />
den Stein zu wenden.<br />
Vergeblich. Nach vielen<br />
Versuchen nahm sie ihre<br />
letzte Kraft zusammen, all<br />
ihren Glauben und ihre<br />
Liebe, steckte sie in eine<br />
letzte Anstrengung. Ächzend<br />
drückte sie an dem<br />
Stein und er fiel zur<br />
anderen Seite.<br />
Mit einem Aufschrei voller<br />
Jubel und Schmerz<br />
brach sie zusammen. Ihr<br />
Herz hatte aufgehört zu<br />
schlagen. Die tapfere<br />
Mutter war tot.<br />
Als der Graf von seiner<br />
Reiherbeize zurück kam,<br />
sah er die tote Frau über<br />
dem gewendeten Stein liegen.<br />
Auch sein Herz<br />
wandte sich, und er gab<br />
den jungen Burschen frei.<br />
Auf dem Stein –sokann<br />
man heute sehen – befindet<br />
sich in der Mitte eine<br />
kleine blank geputzte<br />
Stelle. Legt man sein Ohr<br />
bei großer Stille auf diese<br />
Stelle, sokann man zwar<br />
nicht immer, aber gelegentlich,<br />
ein Wimmern<br />
vernehmen. Von wem? –<br />
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