Verkehrsunfälle und Unfallrekonstruktion Medizinische Aspekte
Verkehrsunfälle und Unfallrekonstruktion Medizinische Aspekte
Verkehrsunfälle und Unfallrekonstruktion Medizinische Aspekte
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Ist der Unfall aus technischer Sicht<br />
unvermeidbar, bleibt der Autofahrer<br />
bei einem Unfall straffrei<br />
➤ Beulenversatz<br />
➤ Messerer-Bruchkeile<br />
Bei der Spurensicherung müssen die<br />
Kleidungsstücke des Fußgängers genau<br />
untersucht werden<br />
Wurde der Fußgänger angefahren <strong>und</strong><br />
danach überfahren?<br />
Gehrichtung des Fußgängers<br />
Eine der forensisch wichtigen Fragen ist die Frage der Gehrichtung des Fußgängers.<br />
Überquert ein Fußgänger aus der Sicht eines herannahenden Pkw-Fahrers die Straße<br />
von links nach rechts, so ist dieser Fußgänger längere Zeit im Blickfeld des Autofahrers,<br />
<strong>und</strong> dieser kann sein Fahrverhalten darauf einstellen. Tritt ein Fußgänger jedoch<br />
von rechts plötzlich in die Fahrbahn des Pkw, kann der Unfall aus technischer<br />
Sicht unvermeidbar sein. In einem solchen Fall bleibt der Autofahrer straffrei. Deshalb<br />
muss gelegentlich anhand der Bef<strong>und</strong>e überprüft werden, ob der Fußgänger tatsächlich<br />
von rechts nach links die Fahrbahn überquert hat, oder ob es sich hierbei um<br />
eine Schutzbehauptung handelt.<br />
Aus technischer Sicht kann der so genannte ➤ Beulenversatz einen Hinweis zu<br />
Gehrichtung <strong>und</strong> Gehgeschwindigkeit geben. Wird der Fußgänger gehend erfasst,<br />
liegt der Schulter- <strong>und</strong> Kopfaufschlag auf der Motorhaube oder Scheibe weiter in Gehrichtung<br />
des Fußgängers als der Hüftauftreffpunkt. Mit zunehmender Gehgeschwindigkeit<br />
wächst die Distanz zwischen beiden Anschlagpunkten.<br />
Eindeutige Verletzungsbef<strong>und</strong>e sind Unterhaut-Fettgewebsblutungen, Quetschungen<br />
<strong>und</strong> W<strong>und</strong>taschen in Stoßstangen- <strong>und</strong> Haubenhöhe an der Außenseite desjenigen<br />
Beines, das dem Fahrzeug zugewandt war, sowie an der Innenseite des anderen<br />
Beines bei jeweiligem Fehlen von Verletzungen an den anderen Seiten der Beine. An<br />
den langen Röhrenknochen der Beine können anstoßbedingt sog.➤ Messerer-Bruchkeile<br />
entstehen, wobei die Spitze des Bruchkeils die Richtung der Gewalteinwirkung<br />
anzeigt. Der Bruchkeil markiert jedoch im Gegensatz zur anstoßbedingten Weichteilquetschung<br />
nicht die Anstoßhöhe über Sohlenebene.<br />
Schürfspuren an den Schuhsohlen können ebenfalls Aufschluss über die Anstoßrichtung<br />
geben. Im Hinblick auf Beschädigungen <strong>und</strong> Spurenantragungen unerlässlich<br />
ist die Besichtigung der Kleidungsstücke des Fußgängers durch den Rechtsmediziner,<br />
den technischen Sachverständigen <strong>und</strong> ggf. den Spurensachverständigen.<br />
Unfallflucht<br />
Bei Fußgängerunfällen mit Unfallflucht stellt sich nicht nur die Frage nach der Körperposition<br />
des Fußgängers zum Kollisionszeitpunkt, sondern auch die Frage, ob der<br />
Fußgänger im Anschluss noch von einem oder mehreren anderen Fahrzeugen überfahren<br />
oder überrollt wurde.<br />
Bei der Überfahrung kann es je nach Bodenfreiheit des Fahrzeuges zu einer stärkeren<br />
Rumpfkompression <strong>und</strong> auch zu schweren Kopfverletzungen kommen, bei der<br />
Überrollung zu einer flächigen Belastung des Körpers an der jeweiligen Stelle. Bei<br />
dieser Art von Unfällen ist besonders auf Spurenantragungen wie Glas- oder Lacksplitter,<br />
Ölschmutz, Reifenprofilabdrücke an Kleidung <strong>und</strong> Körperoberfläche sowie<br />
vital <strong>und</strong> avital imponierende Verletzungen zu achten.Anhand der Bef<strong>und</strong>e muss zusammen<br />
mit dem technischen Sachverständigen differenziert werden, wer welche<br />
Verletzungen, insbesondere tödliche oder todeswürdige Verletzungen, in welcher Unfallphase<br />
gesetzt hat.<br />
Zweiradunfälle<br />
Entsprechend den Fußgängerunfällen stellt sich hier zunächst die Frage der Fahrrichtung<br />
des Zweiradfahrers. Das Verletzungsmuster eines Zweiradfahrers, der von<br />
einem Pkw erfasst wurde, ist analog zu interpretieren wie beim Fußgängerunfall.<br />
In der Regel sind jedoch die Beschädigungen am Fahrzeug ebenso wie die Verletzungen<br />
am Körper des Zweiradfahrers höher lokalisiert als bei gleicher Kollisionsgeschwindigkeit<br />
beim Fußgängerunfall.<br />
Rad gefahren oder geschoben?<br />
Beim Radfahrer stellt sich gelegentlich die Frage, ob er beim Überqueren der Straße<br />
auf einem Zebrastreifen das Fahrrad vorschriftsmäßig geschoben hat oder gefahren<br />
ist. In diesem Fall muss das Verletzungsmuster gemeinsam mit dem technischen<br />
Sachverständigen in Verbindung mit den Fahrzeugbeschädigungen analysiert wer-<br />
Rechtsmedizin 1·2002 43<br />
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