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Kurze Chronik dt Schule Tsingtau 1924-46

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<strong>Kurze</strong> <strong>Chronik</strong> der <strong>dt</strong>. <strong>Schule</strong> in <strong>Tsingtau</strong> - von Dr. Wilhelm Matzat - 2001 - www.tsingtau.org - Creative Commons-Lizenz<br />

sich die Schulleitung vor aller Welt blamiert, wenn nur noch 3 Abiturienten bei der<br />

ersten und einzigen Reifeprüfung <strong>Tsingtau</strong>s erschienen wären. So ist es wohl bei<br />

einer „Ermahnung“ geblieben. Hermann Schlichtiger trat daraufhin aus der HJ aus.<br />

Im Frühjahr 1945 war es dann soweit. Aus Berlin wurde „die Anstalt durch Erlaß<br />

des Herrn Reichserziehungsministers zur Abhaltung einer Reifeprüfung im Jahre<br />

1945 ermächtigt.“ Alle 6 Abiturienten absolvierten zunächst die 4 schriftlichen<br />

Prüfungen. Dann kam am 1.Mai die Nachricht vom Tode Hitlers. Am 4. Mai hielt<br />

die NSDAP-Ortsgruppe im Deutschen Heim eine Trauerfeier für ihn ab, bei der<br />

natürlich alle Schüler ab 11. Lebensjahr in der Uniform von HJ, BdM, DJ und JM<br />

aufmarschieren mußten. Als Teilnehmer war auch Konsul Dr. Hans von Saucken<br />

erschienen, der beim Verlassen des Deutschen Heimes von einigen (immer noch!)<br />

radikalen NS-Leuten in SA-Uniform angerempelt und beschimpft wurde. Was<br />

deren Motiv war, ist nicht so ganz klar. Anscheinend glaubte man, ihm für die<br />

letzte Zeit mangelnde Loyalität gegenüber Führer und Reichsregierung vorwerfen<br />

zu können. Just dieser Konsul nun führte 11 Tage später den Vorsitz bei der am 15.<br />

Mai 1945 stattfindenden mündlichen Reifeprüfung, die alle 6 Kandidaten bestanden:<br />

Rolf Klicker, Viktor Kusik, Irene Marks, Hellmut Matzat, Helga Nauert, Hermann<br />

Schlichtiger. Obwohl das Dritte Deutsche Reich als völkerrechtliche Körperschaft<br />

7 Tage vorher untergegangen war, prangen auf dem Abiturzeugnis der<br />

Stempel des deutschen Konsulates mit Reichsadler und Hakenkreuz und der Stempel<br />

der „Deutschen <strong>Schule</strong> <strong>Tsingtau</strong> China“ mit besonders großem Hakenkreuz in<br />

der Mitte. Weiter fällt auf, daß Dr. Wiemer als Leiter der Prüfungsverhandlungen<br />

unterzeichnet, nicht der Schulleiter Dr. Sieber. In der Rangordnung der Beamtenhierarchie<br />

stand Wiemer als Studienrat eben höher als Studienassessor Sieber.<br />

Meinem Bruder Hellmut sollten diese beiden besagten Stempel später noch<br />

Schwierigkeiten bereiten. Als er im Herbst 19<strong>46</strong> mit dem Studium an der Universität<br />

Münster beginnen wollte, legte er für die Immatrikulation das Abiturzeugnis<br />

aus <strong>Tsingtau</strong> vor. Dort sah man die Hakenkreuzstempel, andererseits das Datum:<br />

15. Mai 1945, und behauptete, das Dokument sei eine Fälschung! Hellmut mußte<br />

gewaltige Überredungsanstrengungen aufbieten, damit die Verwaltung ihm endlich<br />

Glauben schenkte.<br />

Die letzte Abschlußprüfung (mittlere Reife) der Deutschen <strong>Schule</strong> <strong>Tsingtau</strong> am 2.<br />

Juni 1945<br />

Nur zweieinhalb Wochen nach der mündlichen Abiturprüfung gab es noch einmal<br />

eine Prüfung, die ebenfalls die letzte in der Geschichte der Deutschen <strong>Schule</strong><br />

<strong>Tsingtau</strong> sein sollte: eine Abschlußprüfung nach der 5. Oberschulklasse (mittlere<br />

Reife). Einige Wochen vorher hatten an 4 Tagen die schriftlichen Klausuren in<br />

Mathematik, Deutsch, Englisch und Latein stattgefunden. Nicht alle Prüflinge<br />

nahmen an der Lateinklausur teil, denn die Kandidaten waren (zum ersten Male?)<br />

in „ordentliche“ und „außerordentliche“ Schüler geteilt worden. Bei Letzteren fiel<br />

eine Prüfung im Fach Latein weg. Den Vorsitz bei der mündlichen Prüfung am 2.<br />

Juni 1945 hatte wieder Konsul Dr. Hans von Saucken. Die „ordentliche“ Prüfung<br />

wurde von Christine Hoyer, Walter Himmelheber, Willi Matzat, die „außerordentliche“<br />

von Gertrud Eitel, Carola Fischborn und Maria Schmi<strong>dt</strong> bestanden. Auf dem<br />

Schluß-Zeugnis (das Formular, in gotischer Druckschrift, war schon viele Jahre<br />

vor 1945 gedruckt worden) steht zusätzlich, mit Schreibmaschine eingetragen:<br />

„Die Anstalt ist durch Drahterlaß des Auswärtigen Amts in Berlin an die Deutsche<br />

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