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Berichte über Landwirtschaft - BMELV

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Band 85 (1) · 1–160 · Mai 2007 ISSN 0005-9080<br />

<strong>Berichte</strong> <strong>über</strong><br />

<strong>Landwirtschaft</strong><br />

Zeitschrift für Agrarpolitik und <strong>Landwirtschaft</strong><br />

Herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung,<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> und Verbraucherschutz


Herausgeber: Die „<strong>Berichte</strong> <strong>über</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>“ und „Sonderhefte der <strong>Berichte</strong> <strong>über</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>“<br />

werden vom Bundesministerium für Ernährung, <strong>Landwirtschaft</strong> und Verbraucherschutz, Postfach<br />

14 02 70, D-53107 Bonn, Deutschland (Tel.: 0 30/20 06-32 06 oder -32 29), herausgegeben. Die Beiträge<br />

geben die persönliche Auffassung der Verfasser wieder, ihre Veröffentlichung bedeutet keine<br />

Stellungnahme des Herausgebers. Manuskripte senden die Verfasser an die Schriftleitung.<br />

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Pflanzliche Erzeugung, Forst- und Holzwirtschaft“. Verantwortlicher Schriftleiter: RegDir Dr. Ulrich<br />

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Geschäftsführung: dr. Jürgen gUtbrod, leopold Freiherr von Und zU Weiler.<br />

Erscheinungsweise und Bezugspreis 2007: Es erscheint Band 85 mit 3 Heften. Jahresabonnement 204,30 €/<br />

SFr 399,60 einschl. 7 % Mehrwertsteuer und Versandkosten.<br />

Das Abonnement wird zum Jahresanfang berechnet und zur Zahlung fällig. Es verlängert sich stillschweigend,<br />

wenn nicht spätestens 6 Wochen vor Jahresende eine Abbestellung beim Verlag vorliegt.<br />

Die Zeitschrift kann in jeder Buchhandlung oder beim Kohlhammer Verlag, D-70549 Stuttgart, Deutschland,<br />

bestellt werden. Internet: http://www.kohlhammer.de, E-Mail: landwirtschaft@kohlhammer.de<br />

This journal is covered by Biosciences Information Service of Biological Abstracts, by Current Contents (Series<br />

Agriculture, Biology and Environmental Sciences) of Institute for Scientific Information, and by World Agricultural<br />

Economics and Rural Sociology Abstracts (WAERSA) Bureau of the Commonwealth of Agriculture Economics.<br />

© 2007 W. Kohlhammer GmbH Stuttgart<br />

Gesamtherstellung: Druckerei W. Kohlhammer GmbH & Co. KG, Stuttgart<br />

Printed in Germany<br />

Ber. Ldw. 85 (2007), H. 1, S. 1–160<br />

ISSN 0005-9080


Inhalt<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen?<br />

Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Von peter Wagner, Jürgen heinrich und KlaUs hanK, Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

Von gabriele MacK und steFan Mann, Tänikon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden –<br />

Grundvoraussetzung für eine effektive und umweltverträgliche Pflanzenproduktion<br />

Von ManFred Kerschberger und gerhard MarKs, Jena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Von Karin ecKstein und helMUt hoFFMann, Freising-Weihenstephan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78<br />

Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebiets-<br />

ausweisung in Bayern<br />

Von Martina hUber, helMUt hoFFMann, helMUt haUsladen und andreas Jändl,<br />

Freising-Weihenstephan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />

„Lebensraum Dorf“ – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

Von JoachiM grUbe, Nienburg/Weser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

Methodische Optimalfall-Analyse technischer Probleme am Beispiel der Methanol-<br />

und Wasserabscheidung vom Biodiesel<br />

Von ratan KUMar ghosh und hartMUt gaese, Köln, hans-peter löhrlein und<br />

rüdiger KraUse, Kassel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen?<br />

Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Von Peter Wagner, Jürgen HeinricH und Klaus HanK 1) , Halle<br />

1 Einleitung<br />

Seit Januar 200 werden die ersten Vorgaben der EU-Agrarreform umgesetzt: Zahlungen<br />

werden zunehmend von der Produktion „entkoppelt“ und Prämien für landwirtschaftliche<br />

Betriebe gekürzt. Ziel der EU-Agrarreform ist es, mit den nun an Flächen gekoppelten<br />

Prämien die Landschaftspflege und Lebensmittelsicherheit zu fördern sowie die Produktion<br />

der Landwirte mehr an der Marktlage zu orientieren. Ursprünglich war die Prämienzahlung<br />

als Preisausgleich für die massive Reduktion landwirtschaftlicher Erzeugerpreise<br />

nach der vorherigen EU-Agrarreform gedacht. Davon ist bei der aktuellen Diskussion<br />

keine Rede mehr. „Die größere Transparenz der Zahlung und die Entkopplung an sich<br />

können dazu führen, dass die Legitimation der GAP zunehmend in Frage gestellt wird und<br />

der politische Druck zur Kürzung der Direktzahlung wächst.“ (13). Der EU-Agrarhaushalt<br />

sei langfristig bei 45 Mrd. € „einzufrieren“. Dies scheint allerdings eher eine Begrenzung<br />

nach oben als nach unten zu sein, wie etwa die Angriffe des Britischen Regierungschefs<br />

Blair Mitte 200 auf den EU-Agrarhaushalt zeigten. Alleine schon die seinerzeit kolportierte<br />

Überschrift „Kinder statt Kühe“ zeigt, dass hier auch durchaus emotionale Aspekte<br />

einfließen und jegliche sachrationale Aspekte in den Hintergrund gerückt werden. Dies<br />

liegt unter anderem daran, dass die politische „Power“ des Sektors <strong>Landwirtschaft</strong> zunehmend<br />

geringer wird. Die Bedeutung der Landwirte als zu berücksichtigende Wählerklientel<br />

nimmt immer weiter ab. Auch in Deutschland sind bereits mehrfach Stimmen laut<br />

geworden, die deutlich in Richtung Kürzung der EU-Agrarsubventionen zielen. Auch die<br />

Reform der Zuckermarktordnung wirkt in die gleiche Richtung.<br />

Müssen wir uns also auf eine <strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen einstellen?<br />

Kurzfristig sicher nicht, aber mittel- und langfristig besteht dringender Anlass, sich mit<br />

diesem Gedanken – zumindest abgeschwächt – zu beschäftigen. Der hier vorliegende Beitrag<br />

soll vor dem aufgezeigten Hintergrund einerseits aufzeigen, welche Betriebsformen<br />

bzw. -verfassungen eher Robustheit gegen<strong>über</strong> Ausgleichszahlungenabbau oder -kürzung<br />

zeigen und andererseits einige regionale Aspekte einer <strong>Landwirtschaft</strong> „ohne Ausgleichszahlungen“<br />

aufzeigen.<br />

2 Subventionen<br />

Subventionen (von lat. subvenire = zu Hilfe kommen) sind finanzielle Hilfen ohne unmittelbare<br />

Gegenleistung, die von staatlichen Institutionen an private Haushalte oder private<br />

Unternehmen geleistet werden (Wikipedia.de). Für den Begriff der Subventionen<br />

existieren jedoch keine einheitlichen, verbindlichen Definitionen. Befürworter von Subventionen<br />

tragen eine Vielzahl von Argumenten vor, etwa die der Einkommensstützung,<br />

der Beeinflussbarkeit von Marktpreisen, der Förderung politisch erwünschter Ziele und<br />

beispielsweise auch der Schaffung internationaler Vorteile von national subventionierten<br />

Unternehmen. Davon ist keinesfalls nur der landwirtschaftliche Sektor betroffen. Die Geg-<br />

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 000 -9080/07/8 01-00 $ 2. 0/0


Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

ner von Subventionen führen an, dass durch subventionsbedingte Eingriffe der Markt<br />

aus dem Gleichgewicht kommt („Nettowohlfahrtsverluste“), dass tendenziell unrentable<br />

Unternehmen länger am Markt verbleiben, dass Modernisierung bzw. Strukturwandel<br />

verzögert und finanzielle Mittel fehlgeleitet werden, in der <strong>Landwirtschaft</strong> also Prämien<br />

nicht beim Landwirt, sondern beim Bodeneigentümer verbleiben und dass alles auch noch<br />

einen aufgeblähten Verwaltungsapparat erfordert. Je nach öffentlicher Kassenlage werden<br />

die einen oder anderen Argumente deutlicher wahrgenommen. Insbesondere die Liste der<br />

Kontras ist allerdings erheblich länger, als oben aufgezählt. Subventionen für den Bereich<br />

der <strong>Landwirtschaft</strong>, werden nicht nur von der EU gezahlt, sondern auch vom Bund und<br />

den Ländern. Vielfach sind diese Zahlungen nur unter Schwierigkeiten der Herkunft zuzuordnen,<br />

dies ist allerdings für den vorliegenden Beitrag auch ohne Belang. Am Beispiel<br />

des Bundes ist allerdings die zurückgehende Bedeutung der Agrarsubventionen an den<br />

Subventionen insgesamt bereits deutlich zu sehen: Belief sich 1990 der Anteil der Agrarsubventionen<br />

noch auf 20 % mit 2,9 Mrd. € (6, S. 199), sind es 2006 nur noch 5,2 % mit<br />

1,17 Mrd. € (6, S. 16).<br />

Die öffentlichen Hilfen im Sektor <strong>Landwirtschaft</strong> erreichten 2004 insgesamt 14,3<br />

Mrd. €, die sich gemäß Tabelle 1 aufgliedern. Nicht alle der in der Tabelle aufgeführten<br />

öffentlichen Hilfen werden von der Öffentlichkeit gleichermaßen stark wahrgenommen.<br />

Unabhängig von dieser Wahrnehmung sind unternehmensbezogene Direktzahlungen und<br />

Zuschüsse von personenbezogenen Einkommens<strong>über</strong>tragungen zu unterscheiden. Die personenbezogenen<br />

Einkommens<strong>über</strong>tragungen, beispielsweise auch der Sozialversicherung<br />

und aus öffentlichen Mitteln, sind in aller Regel nicht auf Landwirte begrenzt, sondern<br />

kommen in mehr oder weniger abgewandelten Formen allen Teilen der Bevölkerung zugute.<br />

Sie gehen folgerichtig auch nicht in die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen<br />

ein. Die unternehmensbezogenen Direktzahlungen und Zuschüsse können einmal produktbezogen<br />

ausfallen (Flächenzahlungen, Tierprämien, etc.), sie können aufwandsbezogen<br />

sein (Investitionsbeihilfen, Agrardieselvergütung, etc.) oder betriebsbezogen gezahlt<br />

werden (Flächenstilllegung, Ausgleichszulage, etc.). Die unternehmensbezogenen Direkt-<br />

zahlungen und Zuschüsse belaufen sich im Wirtschaftsjahr 2004/2005 auf (1, S. 30):<br />

●<br />

●<br />

●<br />

396 € pro Hektar LF für Haupterwerbsbetriebe (24 274 € pro Unternehmen)<br />

399 € pro Hektar LF für Juristische Personen (531 351 € pro Unternehmen)<br />

421 € pro Hektar LF für Klein- und Nebenerwerbsbetriebe (8860 € pro Unternehmen).<br />

In diesem Beitrag geht es im Weiteren nicht um den weit gefassten Begriff der Subventionen<br />

sondern ausschließlich um unternehmensbezogene Zahlungen und Zuschüsse, hier<br />

„Ausgleichszahlungen“ oder synonym „Prämien“ genannt.<br />

Tabelle 1. Öffentliche Hilfen im Sektor <strong>Landwirtschaft</strong> (2004)<br />

Maßnahme Mrd. €<br />

Finanzhilfen Bund und Länder zusammen<br />

3,<br />

(dar. Gemeinschaftsaufgabe, Umweltprogramme … )<br />

sonst. Bundesmittel f. Agrarsozialpolitik<br />

3,4<br />

(dar. Alterssicherung, Krankenversicherung …)<br />

Steuermindereinnahmen<br />

0,7<br />

(dar. Agrardieselsteuer …)<br />

EU-Mittel im Agrarbereich für Deutschland<br />

,7<br />

(dar. Direktzahlungen, ländl. Entw., Ausfuhrerst., Lagerhaltung …)<br />

Summe 14,3<br />

Quelle: (nach 3, S. 38, Übersicht 1 )


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Produktstützungen nach OECD-Definition verteilen sich höchst unterschiedlich auf einzelne<br />

Produkte innerhalb einer politischen Einheit und sind zusätzlich <strong>über</strong> die Maßen<br />

zwischen den politischen Einheiten (Staaten) verschieden. Tabelle 2 zeigt einige Beispiele.<br />

Zwei Extreme aus der Tabelle sind sicherlich Rindfleisch und Milch, mit einem EU-Stützungsniveau<br />

von 74 bzw. 47 % des Wertes der Agrarproduktion, im Vergleich zu Schweinefleisch<br />

und Eiern mit 22 oder 2 % des Wertes der Agrarproduktion. Die Analyse von<br />

Buchführungsergebnissen landwirtschaftlicher Betriebe (Tabelle 3) kann allerdings nicht<br />

die These stützen, dass das Einkommen von Produzenten hoch subventionierter Produkte<br />

nachhaltig höher ist, als das Einkommen von Produzenten niedrig subventionierter Erzeugnisse.<br />

In Tabelle 3 ist die Eigenkapitalrentabilität landwirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe<br />

(oberste 25 %) <strong>über</strong> die Jahre 1990/91 – 2003/04 gemittelt. Dort ist zu sehen, dass<br />

Futterbaubetriebe mit einer Eigenkapitalrentabilität von 3, % im Durchschnitt der Jahre<br />

nicht die Hälfte der Eigenkapitalrentabilität von Veredlungsbetrieben (7,5 %) erreichen.<br />

Umgekehrt könnte gefolgert werden, dass eine umso geringere Stützung der Erzeugnisse,<br />

eine umso bessere Verzinsung der eingesetzten Ressourcen erbringt.<br />

Tabelle 2. Produktstützung 1 nach OECD-Definition<br />

Produkt EU USA<br />

1986 – 1988 2001 – 2003 1986 – 1988 2001 – 2003<br />

Weizen 1 4 49 3<br />

Ölsaaten 9 3 8 20<br />

Zucker 0 8 8<br />

Milch 7 47 0 48<br />

Rindfleisch 74 4<br />

Schweinefleisch 1 22 4 4<br />

Eier 13 2 9 4<br />

Insgesamt 39 35 25 20<br />

Produkt Australien Japan<br />

1986 – 1988 2001 – 2003 1986 – 1988 2001 – 2003<br />

Weizen 8 4 87 87<br />

Ölsaaten 3 7 48<br />

Zucker 13 10 41<br />

Milch 29 14 84 77<br />

Rindfleisch 4 44 32<br />

Schweinefleisch 3 3 42 3<br />

Eier 18 4 18 1<br />

Insgesamt 8 4 61 58<br />

1) in Prozent des Wertes der Agrarproduktion<br />

Quelle: (7, S.188)<br />

7


8 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Es besteht Grund zur Annahme, dass die Agrarpolitik sich zunehmend aus der Preisstützung/Subventionierung<br />

zurück zieht, weil mittlerweile allgemein erkannt worden ist,<br />

dass<br />

● die Einkommensprobleme der <strong>Landwirtschaft</strong> so nicht nachhaltig gelöst werden können,<br />

● die Wettbewerbsfähigkeit für landwirtschaftliche Unternehmen leidet,<br />

● Markt<strong>über</strong>schüsse produziert werden, die auf Dauer nicht finanzierbar sind und<br />

●<br />

im WTO-Kontext mittel- und langfristig die Politik der Vergangenheit nicht zu verteidigen<br />

ist.<br />

Tabelle 3. Eigenkapitalrentabilität landwirtschaftliche Haupterwerbsbetriebe<br />

(oberstes Viertel)<br />

Jahr *) Marktfrucht Futterbau Veredlung Gemischt<br />

1990/91 7,3 ,3 9,8 ,7<br />

1991/92 8,3 ,3 13,4 7,<br />

1992/93 ,9 , ,9 4,1<br />

1993/94 , ,2 4,0 2,<br />

1994/9 7,2 ,0 ,7 ,4<br />

199 /9 4,2 2,9 , 2,<br />

199 /97 ,0 2,3 9, 4,3<br />

1997/98 4,8 2,8 , 3,<br />

1998/99 4,2 2,3 ,1 2,0<br />

1999/00 ,1 3,3 ,7 3,4<br />

2000/01 4,8 3,8 12,3 ,3<br />

2001/02 , 2,7 9, 4,0<br />

2002/03 3,8 1,8 , 2,2<br />

2003/04 ,2 1,3 4,4 2,0<br />

Mittelwert: , 3, 7, 4,0<br />

*) bis 1994/95 nur früheres Bundesgebiet, ab 2001/02 neue Betriebsform nach EU-Typologie<br />

Quelle: Eigene Berechnung (nach Daten aus den Agrarberichten der<br />

Bundesregierung verschiedene Jgg.)<br />

Es sei nochmals hervorgehoben, dass die im Folgenden vorgetragenen Ergebnisse <strong>über</strong>zeichnet<br />

sind, da mit einem vollständigen kurzfristigen Wegfall der Zahlungen und Zuschüsse<br />

nicht zu rechnen ist.<br />

3 Folgen des Wegfalls unternehmensbezogener Zahlungen und<br />

Zuschüsse für ausgewählte Gruppen landwirtschaftlicher Betriebe<br />

JocHimsen (8, S. 26) stellt – basierend auf Auswertungen der Ackerbautestbetriebe (ohne<br />

juristische Personen) im Durchschnitt der Wirtschaftsjahre 2001/02 bis 2003/04 – erzielte<br />

Gewinne der Summe aus Flächen- und Tierprämien, gegliedert nach Bundesländern, gegen<strong>über</strong>.<br />

Am Beispiel Schleswig-Holsteins zeigt er, dass für den genannten Zeitraum im<br />

Durchschnitt die Gewinne genau so hoch ausgefallen sind wie die Prämien. Mit ande-


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

ren Worten: der erzielte Gewinn wurde nicht am Markt erwirtschaftet, sondern entstand<br />

ausschließlich aus unternehmensbezogenen Zahlungen und Zuschüssen. In den übrigen<br />

Ackerbaubetrieben der alten Länder, stammen 50 bis 70 % des erwirtschafteten Gewinns<br />

aus den EU-Zahlungen. In den Ackerbaubetrieben der neuen Länder steckt nur noch ein<br />

Teil der staatlichen Zahlungen im Gewinn, d. h. der andere Teil der Zahlungen wird benötigt,<br />

um den Aufwand zu decken. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dieser Analyse<br />

um Durchschnittswerte handelt. In allen Bundesländern gibt es natürlich auch sehr erfolgreiche<br />

Ackerbaubetriebe, bei denen sich das Bild erheblich positiver darstellt.<br />

Ausgehend von diesen Überlegungen werden im Folgenden für ausgewählte Betriebsformen<br />

in Sachsen-Anhalt und Bayern Betriebsergebnisse analysiert und aufgezeigt,<br />

zu welchem Ergebnis diese Betriebsgruppen ohne unternehmensbezogene Zulagen/Zuschüsse<br />

kommen würden. Die ausgewählten Betriebsgruppen wurden insbesondere unter<br />

dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit zwischen den beiden Bundesländen ausgewählt<br />

und weniger unter dem Gesichtspunkt, Aussagen für eine repräsentative Gruppe von Betrieben<br />

zu erlangen.<br />

Tabelle 4. Sachsen-Anhalt, Betriebsergebnisse 2003/2004<br />

Spezial-FB/WV HE Spezial-A-GETR<br />

Kennzahl Einheit (E) *) (M) *) (W) *) HE (E) *) HE (M) *) HE (W) *) GbR(E) *)<br />

LF ha 178,1 1 ,4 13 ,4 34 ,8 2 7,0 194,8 7 0,9<br />

Gewinn (ord.) €/ha LF 432 183 -113 377 219 -14 480<br />

Gewinn+Pers.aufw. €/AK 39 827 19 428 8 3 2 314 3 01 714 91 339<br />

Betriebseink. (ord.) €/ha LF 8 7 08 313 4 472 213 7 9<br />

Gewinn (ord.) €/FamAK 9 94 17 80 -12 844 108 9 3 43 29 -2 273 189 701<br />

€/Betrieb 7 939 30 2 8 -1 413 130 744 283 -2 727 3 0 432<br />

CashFlow III €/ha LF 181 7 -49 132 2 - 0<br />

EK-Verzinsung % 33,1 -7,7 -28,1 1 ,3 2,2 -18,2 29,<br />

Unternehmergewinn €/AK 12 9 8 - 733 -22 10 21 4 7 -3 803 -29 78 40 04<br />

€/ha LF 214 -119 -4 2 1 1 -32 -28 2<br />

Zulagen/Zuschüsse €/ha LF 433 40 299 3 1 3 3 8 3 7<br />

€/Betrieb 77 117 7 1 2 40 784 12 19 93 80 71 8 2 8 071<br />

Gewinn (ord.) o. ZZ €/ha LF -1 -223 -412 1 -14 -382 123<br />

*) E = (2 %) erfolgreiche Betriebe M = Mittelwert W = (2 %) weniger erfolgreiche Betriebe<br />

HE = Haupterwerbsbetriebe<br />

Quelle: Eigene Berechnung (nach 11)<br />

In Tabelle 4 sind zunächst für Sachsen-Anhalt die Betriebsergebnisse des letzten verfügbaren<br />

Wirtschaftsjahres (2003/04) für Spezialfutterbau/Weideviehbetriebe und Spezialackerbau-Getreidebetriebe<br />

abgetragen. Die Zahlen gelten jeweils für Haupterwerbsbetriebe,<br />

nachrichtlich in der letzten Spalte sind noch die Ergebnisse für die Rechtsform<br />

„GbR“ gezeigt. Des Weiteren sind die Ergebnisse jeweils gegliedert in E-M-W Betriebe,<br />

also die 2 % der erfolgreichen (E) und die 2 % weniger erfolgreichen Betriebe (W)<br />

sowie der Mittelwert <strong>über</strong> die gesamte Betriebesgruppe (M). Das Gliederungskriterium ist<br />

der Gewinn + Personalaufwand. Mit Hilfe der jeweiligen Spalten der M-Betriebe können<br />

prinzipiell die Aussagen von Jochimsen (8) verglichen werden.<br />

Zunächst ist bei Analyse der Tabelle 4 festzustellen, dass erfolgreiche Betriebe durchweg<br />

eine größere landwirtschaftliche Fläche aufweisen als weniger erfolgreiche Betriebe.<br />

Im Durchschnitt (M-Betriebe) wird ein positiver Gewinn erzielt. Als weitere Kennzahl<br />

9


10 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

ist der „ordentliche Gewinn“ ausgewiesen, d. h. hier sind neutrale (außerordentliche und<br />

zeitraumfremde) Größen nicht berücksichtigt; einmalige Einflüsse schlagen also nicht zu<br />

Buche. Unabhängig von der Betriebsform erwirtschaften die weniger erfolgreichen Betriebe,<br />

also die unteren 25 %, keine Gewinne mehr. Der ordentliche Gewinn pro Familienarbeitskraft<br />

ist bei den weniger erfolgreichen Betrieben negativ, d. h. hier genügt die<br />

Wertschöpfung bereits nicht, die Ansprüche der Unternehmensträger zufrieden zu stellen.<br />

Der Gewinn pro Betrieb kann grundsätzlich als Größe angesehen werden, die der Unternehmerfamilie<br />

aus landwirtschaftlicher Tätigkeit zur Verfügung steht. Im Durchschnitt<br />

der Betriebe (M-Betriebe) wird ein durchaus zufrieden stellendes Einkommen erzielt. Die<br />

weniger erfolgreichen Betriebe können allerdings ihre Lebenshaltung nicht bestreiten.<br />

Das Betriebseinkommen (Wertschöpfung zu Faktorkosten), welches für die Entlohnung<br />

der Unternehmensträger zur Verfügung steht, ist durchweg positiv. Auf Unternehmensebene<br />

ist der CashFlow III (Gewinn + Abschreibung + Einlagen – Entnahmen – Tilgung)<br />

ausgewiesen, der bei den weniger erfolgreichen Betrieben jeweils negativ ist. Das bedeutet,<br />

dass der Tilgung nicht ordnungsgemäß nachgekommen werden kann. Ein positiver<br />

CashFlow III zeigt das Potenzial für Nettoinvestitionen. Der Unternehmergewinn ist<br />

bereits im Durchschnitt negativ, d. h. dass es im Durchschnitt nicht gelingt, alle eingesetzten<br />

Produktionsfaktoren zufrieden stellend zu entlohnen. Die Eigenkapitalverzinsung<br />

[(Gewinn - Lohnansatz) / Eigenkapital * 100] ist nur bei den erfolgreichen Betrieben sehr<br />

hoch. Einer der Gründe dafür ist aber auch der hohe Fremdkapitalbesatz (vgl. Tabelle 6).<br />

Schließlich sind im unteren Fünftel der Tabelle die Zulagen/Zuschüsse ausgewiesen, die<br />

die jeweiligen Betriebsgruppen empfangen. Sie sind einmal pro Hektar LF ausgewiesen,<br />

zum anderen pro Betrieb. Der um die Zulagen/Zuschüsse bereinigte ordentliche Gewinn<br />

ist in der letzten Zeile der Übersicht ausgewiesen und ist bis auf die Ausnahme der erfolgreichen<br />

Spezialackerbau-Getreidebetriebe und der GbR-Gruppe negativ. Damit finden<br />

Jochimsens (8) Zahlen tendenziell Bestätigung.<br />

Tabelle 5. Bayern, Betriebsergebnisse 2003/2004<br />

Spezial-FB/WV HE Spezial-Ackerbau HE<br />

800<br />

Kennzahl Einheit (S) *) (M) *) (E) *) (S) *) (S) *) (M) *) (E) *)<br />

LF ha 4 ,3 41,8 40,8 9 ,1 44,7 43,7 44,3<br />

Gewinn (ord.) €/ha LF 9 7 3 27 798 1 2 2 7 17<br />

Betriebseink. (ord.) €/ha LF 1 187 7 9 283 1 282 1 44 1 013 3<br />

Gewinn (ord.) €/FamAK 29 0 1 208 734 2 2 40 8 0 19 829 4 70<br />

€/Betrieb 44 772 23 11 1 102 7 88 9 4 29 148 7 7 3<br />

CashFlow III €/ha LF 418 2 8 492 303 179 2 3<br />

EK-Verzinsung % 1, -2,0 - ,3 4,1 2,7 -0, -1,8<br />

Unternehmergewinn €/AK -1 04 -1 091 -30 117 12 988 1 -10 07 -21 01<br />

€/ha LF -3 - -1 122 273 2 -44 -1 148<br />

Zulagen/Zuschüsse €/ha LF 4 4 9 0 377 339 343 384<br />

€/Betrieb 21 0 7 19 18 20 4 3 230 1 1 3 14 989 17 011<br />

Gewinn (ord.) o. ZZ €/ha LF 12 94 -47 421 913 324 -209<br />

*) S = (2 %) Spitzen- M = Mittel- E = (2 %) Endgruppe<br />

Quelle: Eigene Berechnung (nach 10)


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

In Tabelle 5 sind die gleichen Kennzahlen für die entsprechenden Betriebsformen<br />

in Bayern abgetragen. Auch dort ist jeweils der Durchschnitt (M) die oberen 25 %<br />

(S = „Spitzenbetriebe“) und die unteren 2 % (E = „Endgruppe“) ausgewiesen. Es fällt zunächst<br />

auf, dass die Betriebe eine wesentlich geringere landwirtschaftliche Fläche aufweisen<br />

als die Betriebe in Sachsen-Anhalt. Dies scheint prinzipiell kein Nachteil zu sein, denn<br />

der ordentliche Gewinn ist hier, auch für die Endgruppe, immer noch positiv. Gleiches<br />

gilt auch für den ordentlichen Gewinn pro Familienarbeitskraft bzw. pro Betrieb. Zwar<br />

nähren auch die Betriebe der Endgruppe nicht mehr ihre bewirtschaftende Familie, allerdings<br />

ist der Gewinn auch nicht negativ. Gleiches gilt für den CashFlow III, auch diese<br />

Kennzahl wird bei keiner der Gruppen negativ d. h., die Tilgung der Verbindlichkeiten ist<br />

bei keiner der Gruppen in Gefahr. Die Eigenkapitalrentabilität ist auch bei der S-Gruppe<br />

unbefriedigend. Der Unternehmergewinn ist bei den Spezialfutterbau/Weideviehbetrieben<br />

<strong>über</strong> alle Erfolgsklassen negativ. D. h., die eingesetzten Produktionsfaktoren werden auch<br />

bei den Spitzenbetrieben nicht adäquat entlohnt. Auch hier sind im unteren Fünftel die<br />

Zulagen/Zuschüsse ausgewiesen und in der letzten Zeile schließlich der ordentliche Gewinn<br />

bereinigt um die Zulagen und Zuschüsse. Hier fällt ins Auge, dass im Durchschnitt<br />

immer noch positive Ergebnisse erzielt werden, lediglich in der „Endgruppe“, also bei den<br />

unteren 25 %, ist diese Kennzahl jeweils negativ. Bei den Spezialackerbaubetrieben werden<br />

zwei Spalten ausgewiesen, einmal für Spitzenbetriebe mit einem Vergleichswert unter<br />

800, zum anderen die S-, M- und E-Betriebe mit einem Vergleichswert von <strong>über</strong> 800. Die<br />

Betriebsgröße der Spezialackerbaubetriebe mit einem Vergleichswert unter 800 beträgt<br />

im Durchschnitt der Spitzengruppe 96,1 Hektar und ist damit besser mit den Betrieben<br />

Sachsen-Anhalts zu vergleichen.<br />

Tabelle 6. Vergleich LSA/BY Spezial-FB/WV (HE) Futterbau/(Weidevieh)<br />

Kennzahl Einheit LSA (E) BY (S)<br />

LF ha 178,1 4 ,3<br />

davon gepachtet % LF 91,7 ,3<br />

Betriebseinkommen (ord.) €/ha LF 8 7 1 187<br />

Rindviehbesatz VE/100ha 100,4 1 3,04<br />

Milchkühe St. 111, 37,7<br />

Milchleistung kg/Kuh 7 728 47<br />

Milchpreis ct./kg 30,2 34,0<br />

Gewinn (ord.) €/ha LF 432 9 7<br />

FamAK (n.entlohnt) nAK/Betrieb 1,1 1,<br />

LohnAK AK/Betrieb 1,8 0,04<br />

FK zu Aktiva % 79,9 12,1<br />

Personalaufwand o. Unf.Vers. €/ha LF 20 27<br />

Pachtpreis/ha Pachtfläche €/ha 109 208<br />

Aufwand Pacht €/ha LF 100 11<br />

Aufwand Zinsen (4 % v.FK) €/ha LF 113 7<br />

CashFlow III, o. Zulagen/Zuschüsse €/ha LF -2 2 -37<br />

Gewinn (ord.), o. Zulagen/Zuschüsse €/Betr.(Fam.) -178 23 70<br />

Unternehmergewinn €/ha LF 214 -3<br />

Quelle: Eigene Berechnung (nach 10; 11)<br />

11


12 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Dieser Vergleich ist in Tabelle 6 zunächst für die Spezialfutterbau-/Weideviehbetriebe<br />

vollzogen. Hier ist jeweils die Gruppe der Besten (obere 25 %) aufgeführt. Zunächst ist<br />

ersichtlich, dass die wesentlich kleineren bayerischen Betriebe eine niedrigere Pachtquote<br />

als die Betriebe in Sachsen-Anhalt aufweisen. Das Betriebseinkommen der bayerischen<br />

Betriebe ist pro Hektar LF höher als das der sachsen-anhaltischen Betriebe, dies liegt u. a.<br />

an einem höheren Viehbesatz und einem höheren Milchpreis. Der in der Buchführung<br />

ausgewiesene ordentliche Gewinn ist bei den bayerischen Betrieben mehr als doppelt so<br />

hoch als bei den Betrieben in Sachsen-Anhalt. Die Ursachen hierfür liegen insbesondere<br />

in den hohen pagatorischen Kosten der Betriebe Sachsen-Anhalts d. h. am höher zu entlohnenden<br />

Fremdarbeitskraftbesatz, am höheren Fremdkapitalbesatz und an der höheren<br />

Pachtquote. Allerdings ist der Aufwand für Pacht pro Hektar LF in Bayern für die betrachtete<br />

Betriebsgruppe höher als in Sachsen-Anhalt, da die Pachtpreise pro Hektar Pachtfläche<br />

in Bayern in etwa doppelt so hoch sind wie in Sachsen-Anhalt. Wenngleich der<br />

unter Einbeziehung der Lohn und Pachtansätze ermittelte Unternehmergewinn in Bayern<br />

bereits inklusive der Zulagen/Zuschüsse negativ ist, ist der ordentliche Gewinn ohne Zulagen/Zuschüsse<br />

für die Gruppe der bayerischen Betriebe mit 23 706 € insgesamt noch<br />

deutlich positiv, während der ordentliche Gewinn für diese Betriebsgruppe in Sachsen-<br />

Anhalt bereits negativ ist. Dies bedeutet, dass auch für die erfolgreiche Betriebsgruppe<br />

der Spezialfutterbau-/Weideviehbetriebe in Sachsen-Anhalt unter den Bedingungen des<br />

Wirtschaftsjahres 2003/04 ohne Zulagen und Zuschüsse kein Gewinn mehr zu erzielen<br />

gewesen wäre. Einen durchaus immer noch zufrieden stellenden Gewinn allerdings erzielt<br />

diese Betriebsgruppe in Bayern. Hingegen ist dabei zu berücksichtigen, dass die eingesetzten<br />

Produktionsfaktoren, die im Eigentum der Betriebe stehen, bereits heute in Bayern<br />

nicht entsprechend belohnt werden. Durch die unzureichende Entlohnung der eingesetzten<br />

Produktionsfaktoren im Eigentum ist allerdings die Existenz des Betriebs kurz- und mittelfristig<br />

nicht gefährdet. Eine hochgradige Existenzgefährdung weisen allerdings sogar<br />

die erfolgreichen Betriebe in Sachsen-Anhalt auf, wenn die Zulagen und Zuschüsse nicht<br />

mehr gezahlt werden sollten.<br />

Die Situation der Spezialackerbaubetriebe in Bayern, verglichen mit Sachsen-Anhalt,<br />

ist in Tabelle 7 dargestellt. Obwohl die Betriebe dieser Betriebsgruppe in Sachsen-Anhalt<br />

etwa 3,5-mal so groß sind wie die bayerischen Betriebe, zeigen sich in der Pachtquote nur<br />

vergleichsweise geringe Differenzen. Ins Auge fällt das etwa doppelt so hohe Betriebseinkommen<br />

der bayerischen Betriebe. Die Ursache hierfür liegt zum Großteil im Fruchtartenverhältnis<br />

begründet. Während der Ackerflächenanteil für die Betriebe der entsprechenden<br />

Gruppe in den beiden Bundesländern sich noch in etwa entspricht, ist die Getreidefläche<br />

dieser Betriebsgruppe in Bayern wesentlich geringer. Dafür ist der Anteil von Kartoffeln<br />

und Zuckerrüben bzw. Feldgemüse, Tabak, Grassamen und Gartenbau erheblich höher.<br />

Dies ist sicherlich mit der Hauptgrund für das höhere Betriebseinkommen der bayerischen<br />

Betriebe. Die Getreide- bzw. Zuckerrübenerträge sind einmal höher und einmal niedriger<br />

für die jeweilige Gruppe, geben also keinen deutlichen Ausschlag zugunsten des höheren<br />

Betriebseinkommens der bayerischen Betriebe, allerdings sind die Preise sowohl für Getreide<br />

als auch für Zuckerrüben der bayerischen Betriebe wesentlich höher. Dementsprechend<br />

fällt auch der ordentliche Gewinn der bayerischen Betriebe etwa doppelt so hoch<br />

aus wie der der Betriebe in Sachsen-Anhalt. Die Familienarbeitskräfte entsprechen sich<br />

absolut in etwa, der Fremdarbeitskraftbesatz ist für die bayerischen Betriebe, wenngleich<br />

niedriger als für die sachsen-anhaltischen, unter der Berücksichtigung der bewirtschafteten<br />

Flächen vergleichsweise hoch. Dies liegt, wie bereits erwähnt, an der Anbaustruktur. Dementsprechend<br />

fällt der Personalaufwand pro Hektar LF für die bayerischen Betriebe etwa<br />

dreimal so hoch aus wie der in sachsen-anhaltischen Betriebe. Der Aufwand für Pacht pro<br />

Hektar LF entspricht in etwa dem Aufwand für Zinsen. Der CashFlow, hier jetzt wieder<br />

kalkuliert ohne Zulagen und Zuschüsse, ist für die sachsen-anhaltischen erfolgreichen


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Tabelle 7. Vergleich ST/BY Spezial-A (HE) Ackerbau<br />

Kennzahl Einheit ST (E) BY (S)<br />

LF ha 34 ,8 9 ,1<br />

davon gepachtet % LF 78,4 2,8<br />

Betriebseinkommen (ord.) €/ha LF 4 1282<br />

AF % d. LF 98,3 94,<br />

Getreide o.KM % d. AF ,2 4 ,2<br />

Kartoffeln % d. AF 0,1 3,9<br />

Zuckerrüben % d. AF ,9 10,8<br />

Tabak, (Gras)samen, Gartenb. % d. AF . 2,9<br />

Feldgemüse % d. AF . 3,3<br />

Ertrag Getreide o.KM / ZR dt/ha 3,1 / 482,4 2,3 / 4,2<br />

Erlös Getreide o.KM / ZR €/dt 12,7 / ,30 1 ,1 / , 4<br />

Gewinn (ord.) €/ha LF 377 798<br />

FamAK (n.entlohnt) nAK/Betrieb 1,2 1,<br />

LohnAK AK/Betrieb 1,4 0,<br />

FK zu Aktiva % 41,9 12,2<br />

Personalaufwand o. Unfallvers. €/ha LF 79 233<br />

Aufwand Pacht €/ha LF 172 18<br />

Aufwand Zinsen (4 % v.FK) €/ha LF 42 9<br />

CashFlow III, o. Zulagen/Zuschüsse €/ha LF -229 11<br />

Gewinn (ord.), o. Zulagen/Zuschüsse €/Betr.(Fam.) 49 40 4 8<br />

Unternehmergewinn €/ha LF 1 1 273<br />

Quelle: Eigene Berechnung (nach 10; 11 )<br />

Spezialackerbaubetriebe deutlich negativ, während er für die entsprechenden bayerischen<br />

Betriebe positiv ist. Der Gewinn ohne Zulagen und Zuschüsse für den Gesamtbetrieb fällt<br />

für die Betriebe Sachsen-Anhalts gerade noch positiv aus, für die bayerischen Betriebe<br />

dürfte es, diesen Zahlen folgend, auch ohne Zulagen und Zuschüsse keine allzu großen<br />

Überlebensprobleme geben.<br />

Der hier stichprobenhaft und eher willkürlich geführte Vergleich zwischen Betrieben<br />

Sachsen-Anhalts und Bayerns zeigt deutlich, dass die Betriebsgröße allein noch keine<br />

Garantie für zukünftiges Überleben gewährleistet. Der Preis für die Inanspruchnahme der<br />

„Economies of Size“ ist hoch, ohne die Zahlung von Zulagen und Zuschüssen sogar zu<br />

hoch. Betriebe mit einer Eigentumsstruktur wie sie in den neuen Bundesländern zu finden<br />

ist, scheinen unter den hier projizierten Bedingungen nicht lebensfähig. Anders die Lage<br />

für die Betriebe in Bayern. Kurz- und mittelfristig haben die betrachteten Betriebe – es<br />

sei nochmals hervorgehoben, dass hier lediglich die Gruppen der erfolgreichen Betriebe<br />

sowohl für Sachsen-Anhalt auch als Bayern verglichen werden – auch ohne die Zahlung<br />

von Zulagen und Zuschüssen keine ernsthaften Existenzprobleme. Dass hierbei die<br />

eingesetzten Produktionsfaktoren im Eigentum, insbesondere bei der Betriebsgruppe der<br />

Spezialfutterbau-/Weideviehbetriebe nicht adäquat entlohnt werden, ist von nachrangiger<br />

Bedeutung. Diese fehlende Rentabilität ist zwar bedauerlich, aber kurz- und mittelfristig<br />

13


14 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

nicht existenzbedrohend. Demnach spielt die Eigentumsstruktur der Unternehmen für das<br />

langfristige Überleben landwirtschaftlicher Betriebe eine wesentlich größere Rolle als die<br />

schiere Betriebsgröße. Die Frage nach der Hofnachfolge bedürfte einer gesonderten Betrachtung.<br />

4 Regionale Auswirkungen einer “<strong>Landwirtschaft</strong> ohne<br />

Ausgleichszahlungen“<br />

Die regionalen Aspekte einer „<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen“ werden anhand<br />

eines Modells, auf Basis der Standarddeckungsbeiträge (9, S. 30 ff.), berechnet. Als<br />

regionale Basis liegen im Allgemeinen die Daten nach der Gliederung auf Kreisebene<br />

zu Grunde, die vom Statistischen Bundesamt letztmalig für 1999 ausgewiesen wurden.<br />

Zunächst werden die Umfänge der Produktionsverfahren auf Kreisebene für das Jahr<br />

1999 herangezogen (12). Das KTBL stellt ebenfalls auf Kreisebene Standarddeckungsbeitragsklassen<br />

zur Verfügung (9, S. 9 ff.). Diese Standarddeckungsbeitragsklassen sind<br />

gewissermaßen das im Durchschnitt erzielbare Potenzial der verschiedenen Produktionsverfahren<br />

auf Kreisebene. Die Spannweite reicht von Standarddeckungsbeitragsklasse 1<br />

(niedriges Ertragspotenzial) bis hin zur Standarddeckungsbeitragsklasse (hohes Ertragspotenzial).<br />

Durch die Verknüpfung der Produktionsumfänge, der Standarddeckungsbeitragsklassen<br />

und der für die jeweilige Standarddeckungsbeitragsklasse ausgewiesenen<br />

Standarddeckungsbeiträge wird so der Gesamtstandarddeckungsbeitrag jedes Kreises ermittelt.<br />

Dieser wird auf die berücksichtigte Fläche des Kreises, die sich aus Acker- und<br />

Gründlandfläche ergibt, umgelegt, um zum durchschnittlichen Standarddeckungsbeitrag<br />

pro Hektar zu gelangen. Diese Berechnung erfolgt sowohl ohne als auch mit Berücksichtigung<br />

der gezahlten Prämien für Getreide-, Mais-, Eiweißpflanzen und Stilllegung<br />

sowie für Milchkühe, Mastbullen und Schafe. Die Absenkungen bei Zucker (Reform der<br />

Zuckermarktordnung) und Milch (Senkung der Intervention) werden nicht betrachtet. Die<br />

Standarddeckungsbeiträge der im Modell berücksichtigten Produktionsverfahren sind in<br />

Tabelle 8 nach Leistungsklassen gelistet.<br />

Das im Folgenden näher vorgestellte Modell enthält einige Schwachpunkte. Zum einen<br />

beschränkt sich das Modell auf landwirtschaftliche Kulturen. Die Leistungen von<br />

Dauerkulturen sind auf Kreisebene mit vorliegender Datenbasis nicht zu quantifizieren.<br />

Gartenbau, Obst und insbesondere Wein finden bei den Betrachtungen also keinen Eingang.<br />

Dies führt in einigen Kreisen zu offensichtlich beträchtlichen Verzerrungen. Insbesondere<br />

einige typische Weinregionen aber auch sonst starke Dauerkulturregionen wie sie<br />

beispielsweise in Baden-Württemberg gehäuft zu finden sind, schneiden durch die reine<br />

Betrachtung der landwirtschaftlichen Kulturen schlechter ab, als sie unter Einbeziehung<br />

der nicht berücksichtigten Dauerkulturen tatsächlich abschneiden würden. Dieser Mangel<br />

ist dem vorliegenden Datenmaterial geschuldet und kann ohne weiteres nicht beseitigt<br />

werden. Kreise mit einem Dauerkulturanteil von mehr als 3 % bleiben deshalb im Weiteren<br />

unberücksichtigt. Diese nicht berücksichtigten Kreise sind in den folgenden Grafiken<br />

gesondert ausgewiesen.<br />

Weiterhin werden Stadtstaaten und kreisfreie Städte, für die zum Teil nur sehr lückenhafte<br />

Daten vorliegen, nicht berücksichtigt. Diese nehmen zusammen genommen rund<br />

3 % der landwirtschaftlichen Fläche ein und sind in den folgenden Grafiken ebenfalls<br />

gesondert ausgewiesen.<br />

Das hier vorgestellte Modell berücksichtigt keinerlei Anpassungsreaktionen landwirtschaftlicher<br />

Unternehmen. Es wird lediglich aufgezeigt, wie die Situation ohne Zulagen<br />

bzw. Zuschüsse aussehen würde, wenn die hier zu Grunde liegenden Strukturen auch in


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Tabelle 8. Standarddeckungsbeiträge der berücksichtigten Produktionsverfahren<br />

nach Leistungsklassen (ohne Prämien, in €/ha)<br />

Leistungsklasse<br />

Verfahren 1 2 3 4<br />

Winterweizen 212,79 291,0 340, 7 394,47 481,4<br />

Winterroggen - 1,9 -2 , 7 28, 3 78,23 1 8,27<br />

Wintergerste 100,91 138,14 1 2,49 192,73 249,21<br />

Sommergerste 77,08 1 , 1 177,00 188,89 217,93<br />

Hafer 7, 8 121, 1 4,80 181,23 209,00<br />

Körnermais 101, 9 139,7 1 1,70 198,7 22 ,<br />

Futtererbsen -170,32 -140, 7 - 7,89 -33,20 -17,80<br />

Frühkartoffeln 1 97,10 2 33 ,29 2 00, 3 2 97,48 3 142,77<br />

Spätkartoffeln 04,93 931, 1 114,73 1 224, 2 1 382, 4<br />

Zuckerrüben 1 399, 1 1 3,14 1 848, 2 143,8 2 484,04<br />

Winterraps -2,98 47,99 9,81 9 ,12 129,29<br />

Milchkühe 1 11 ,40 1 271,34 1 433,94 1 38,4 1 813,83<br />

Mastbullen, 19,2 Monate 10,1 24, 4 42,7 7,4 72,48<br />

Zuchtsauen 381,42 397,79 414,1 430,00 44 ,87<br />

Mastschwein > 0kg 143,1 1 2, 4 1 1,91 1 ,32 170,43<br />

Schafe jeden Alters -1 , 2 -1 , 2 -1 , 2 -1 , 2 -1 , 2<br />

Legehennen 7,27 8, 2 9,49 10, 0 11, 1<br />

pauschal:<br />

Feldgemüse<br />

Sonst. Handelsfrüchte<br />

Quelle: Eigene Berechnungen (nach 9)<br />

3 000<br />

0<br />

Zukunft Bestand haben würden. Obwohl also auch für die absehbare Zukunft die Maxime<br />

in der <strong>Landwirtschaft</strong> „wachsen oder weichen“ lauten wird und unwirtschaftliche Kulturen<br />

durch andere ersetzt werden, bleiben diese Sachverhalte unberücksichtigt. Dennoch – und<br />

das ist die Kernaussage - wird ersichtlich, welche Auswirkung in den verschiedenen Regionen<br />

tendenziell zu erwarten wären, wenn Zuschüsse und Zulagen zukünftig wegfielen.<br />

Ein weiterer Schwachpunkt des Modells ist sicher, dass auch die Gliederung in 322<br />

Landkreise nicht das tatsächliche, doch sehr differenzierte Bild der Landbewirtschaftung<br />

widerspiegeln kann. Auch innerhalb der Kreise existieren durchaus starke naturräumliche<br />

Gegensätze. In vielen Kreisen, wie beispielsweise im Kreis Bergstraße, findet sich normaler<br />

Ackerbau, es wird aber auch in größerem Umfang sowohl Feldgemüse als auch Wein<br />

angebaut; zusätzlich findet sich Richtung Odenwald eine beträchtliche Rinder- und Schafhaltung.<br />

Diese Heterogenität lässt sich aber auf Kreisebene nicht dezidiert darstellen.<br />

Vor diesem Hintergrund sind die im Folgenden dargestellten Sachverhalte zu interpretieren.<br />

In Abbildung 1a und 1b ist zunächst der Standarddeckungsbeitrag pro Hektar berücksichtigte<br />

Fläche angegeben, der sich im Durchschnitt der gefundenen Produktionsstruktu-<br />

1


1 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Abb. 1a. Durchschnittliche Standarddeckungsbeiträge der Kreise in €/ha mit Ausgleichszahlungen


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Abb. 1b. Durchschnittliche Standarddeckungsbeiträge der Kreise in €/ha ohne Ausgleichszahlungen<br />

17


18 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

ren <strong>über</strong> alle Flächen in den jeweiligen Kreisen ergibt. Die Berechnung der Werte erfolgt<br />

nach der Formel:<br />

mit k Index des Kreises<br />

DB 0,k Durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag des Kreises k mit Prämien<br />

in €/ha<br />

DB 1,k Durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag des Kreises k ohne Prämien<br />

in €/ha<br />

v Index des Produktionsverfahrens<br />

U v,k Umfang des Verfahrens v im Kreis k<br />

U k Umfang der berücksichtigten Fläche in Kreis k<br />

SDB v,LKk Standarddeckungsbeitrag des Verfahrens v bei der Leistungsklasse des<br />

Kreises LK k<br />

P v,Regk Prämie des Verfahrens v in der Region, der der Kreis k angehört Reg k<br />

Die Abbildung 1a zeigt die Situation mit den im Jahr 2002 gezahlten Zulagen und Zuschüssen,<br />

die Abbildung 1b zeigt die Situation ohne diese Zulagen und Zuschüsse. Die<br />

verwendeten Werte in der Pflanzenproduktion sind in Tabelle 9 zusammengestellt. In der<br />

Tierhaltung werden für Milchkühe 18,11 €/Platz und Jahr (Schlachtprämie umgelegt auf<br />

Nutzungsdauer), für Mastbullen 181,25 €/Platz und Jahr (290 €/Tier, also in 19,2 Monaten,<br />

umgelegt auf 1 Jahr) sowie für Schafe 28 €/Platz und Jahr unterstellt.<br />

In den Abbildungen 1a und 1b sticht hervor, dass <strong>über</strong>all dort, wo eine vergleichsweise<br />

niedrige Wertschöpfung bzw. Produktionstiefe vorherrscht, die Standarddeckungsbeiträge<br />

pro Hektar auch niedrig ausfallen. Dies betrifft fast den kompletten nordöstlichen Teil<br />

Deutschlands. Im nordwestlichen Teil Deutschlands, also insbesondere Südwest-Niedersachsen<br />

und Nordwest-Nordrhein-Westfalen, wo sehr hohe Viehdichten dominieren,<br />

sind die Standarddeckungsbeiträge pro Hektar auch entsprechend hoch. Ebenfalls bereits<br />

in diesen Abbildungen ist ersichtlich, dass ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Kreise einen<br />

hohen Dauerkulturanteil (größer 3 %) aufweist. Für diese Kreise, die insbesondere am<br />

Oberrhein und an der südlichen Weinstraße sowie in weiteren Weinanbaugebieten liegen,<br />

sind wie schon erwähnt, keine Standarddeckungsbeiträge ausgewiesen. Vergleichsweise<br />

hohe Standarddeckungsbeiträge finden sich des Weiteren in Niederbayern mit intensiver<br />

Bullenhaltung und in Oberbayern mit <strong>über</strong>wiegender Milchproduktion. Gleiches gilt für<br />

Südschwaben bzw. das Unterallgäu. Die Abbildung 1b zeigt die Situation, wie sie ohne<br />

die Zahlung von Zuschüssen und Zulagen aussehen würde. In keinem der Kreise würde<br />

der Standarddeckungsbeitrag unter Null fallen. In den Kreisen, in denen die Standarddeckungsbeiträge<br />

mit Zulagen und Zuschüssen hoch waren, bleiben sie auch ohne Zulagen<br />

und Zuschüsse vergleichsweise hoch. Besonders niedrig sind die Standarddeckungsbeiträge<br />

nun in der Region nordwestlich von Berlin. Dies gilt insbesondere für die Kreise<br />

Ostprignitz-Ruppin und Havelland. Auch Teile der schwäbischen Alb fallen durch niedrige<br />

Standarddeckungsbeiträge auf.<br />

Von den Standarddeckungsbeiträgen lassen sich die Standardfestkosten subtrahieren.<br />

Das Ergebnis ist das Standardbetriebseinkommen:


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

mit SBE Durchschnittliches Standardbetriebseinkommen in Kreis k bei Berech-<br />

b,k<br />

nungsverfahren b in €/ha<br />

DB Durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag des Kreises k bei Berech-<br />

b,k<br />

nungsverfahren b in €/ha<br />

FK Durchschnittliche Standardfestkosten des Kreises k in €/ha<br />

k<br />

b Berechnungsverfahren: 0 – mit Prämien, 1 – ohne Prämien<br />

k Index des Kreises<br />

Die Standardfestkosten werden mit Hilfe der vom KTBL ausgewiesenen Trendfunktionen<br />

aus durchschnittlichen festen Spezial- und Gemeinkosten errechnet (9, S. 51). Diese<br />

Trendfunktionen sind abhängig von Betriebsform und -größe. Sie verwenden als unab-<br />

Tabelle 9. Im Modell berücksichtigte Prämien (in €/ha)<br />

Bundesland Region Getreide/<br />

Ölpflanzen<br />

Mais Eiweißpflanzen<br />

Stilllegung<br />

Baden-Württemberg 324 4 9 384 333<br />

Bayern 348 474 407 3 3<br />

Berlin 28 28 328 28<br />

Brandenburg 28 28 328 28<br />

Bremen 33 33 387 33<br />

Hamburg 379 379 43 379<br />

Hessen 347 347 399 347<br />

Mecklenburg-Vorpommern 343 343 39 343<br />

Niedersachsen 1 348 348 400 348<br />

Niedersachsen 2 377 377 434 377<br />

Niedersachsen 3 3 3 3 3 407 3 3<br />

Niedersachsen 4 323 323 371 323<br />

Niedersachsen 311 311 3 7 311<br />

Niedersachsen 341 341 393 341<br />

Niedersachsen 7 322 322 370 322<br />

Niedersachsen 8 311 311 3 8 311<br />

Niedersachsen 9 330 330 380 330<br />

Nordrhein-Westfalen 3 3 421 3<br />

Rheinland-Pfalz 301 301 347 301<br />

Saarland 27 27 318 27<br />

Sachsen 392 392 4 2 392<br />

Sachsen-Anhalt 387 387 44 387<br />

Schleswig-Holstein 429 429 494 429<br />

Thüringen 38 38 444 38<br />

Quelle: (4)<br />

19


20 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

hängige Variable u. a. den Standarddeckungsbeitrag in DM. Die durchschnittliche Betriebsgröße<br />

auf Kreisebene in 1000 DM Standarddeckungsbeitrag wird errechnet aus dem<br />

Gesamtstandarddeckungsbeitrag des Kreises (inkl. Prämien) dividiert durch die Anzahl<br />

der Betriebe des Kreises:<br />

mit k Index des Kreises<br />

sdb k Durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag eines Betriebes im Kreis<br />

k in 1000 DM.<br />

DB 0,k Durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag des Kreises k mit Prämien<br />

in €/ha<br />

U k Umfang der berücksichtigten Fläche in Kreis k<br />

N k Anzahl der Betriebe in Kreis k<br />

Die festen Spezial- und Gemeinkosten werden nicht nach den Betriebsformen, sondern<br />

nach den Anteilen der Standarddeckungsbeiträge in den drei Kategorien Marktfruchtbau,<br />

Futterbau und Veredlung am Gesamtstandarddeckungsbeitrag berechnet. Ein Vergleich<br />

des Anteils der Dauerkulturbetriebe an allen landwirtschaftlichen Betrieben mit dem<br />

Anteil der Dauerkulturflächen an der LF zeigt, dass im Bundesdurchschnitt der Anteil<br />

der Dauerkulturbetriebe achtmal so hoch ist wie der Anteil der Dauerkulturflächen. Dies<br />

spricht für die hohen Deckungsbeiträge dieser Kulturen, die jedoch auch mit hohen festen<br />

Spezial- und Gemeinkosten verknüpft sind. Um systematische Verzerrungen zu vermeiden,<br />

müssen, da die Leistungen der Dauerkulturen unberücksichtigt bleiben, auch diese<br />

höheren Kosten eliminiert werden. Deshalb wird der Gesamtstandarddeckungsbeitrag jedes<br />

Kreises in drei Kategorien aufgespaltet:<br />

● Die Kategorie Marktfruchtbau (DB ) umfasst die Standarddeckungsbeiträge aller<br />

M,k<br />

Verfahren der pflanzlichen Produktion außer Silomais,<br />

● die Kategorie Futterbau (DB ) umfasst die Standarddeckungsbeträge für Rinder,<br />

F,k<br />

Schafe und Silomais und<br />

●<br />

die Kategorie Veredlung (DB ) umfasst die Standarddeckungsbeträge für Schweine<br />

V,k<br />

und Geflügel.<br />

Die festen Spezial- und Gemeinkosten für Marktfruchtbau, Futterbau- und Veredlungsbetriebe<br />

werden nach den Anteilen der Standarddeckungsbeiträge in den drei Kategorien am<br />

Gesamtstandarddeckungsbeitrag zu einem Durchschnittswert pro Kreis zusammengefasst.<br />

Im Ergebnis fallen die Standardfestkosten pro Hektar dort hoch aus, wo ein hoher Viehbesatz<br />

vorherrscht und wo kleine Betriebsstrukturen zu finden sind.<br />

mit FK Durchschnittliche Standardfestkosten des Kreises k in €/ha<br />

k<br />

k Index des Kreises<br />

c Kategorie (Marktfruchtbau, Futterbau, Veredlung)<br />

qdb Standarddeckungsbeitragsanteil der Kategorie c mit Prämien in Kreis<br />

c,k<br />

k: qdb = DB / DB c,k c,k 0,k<br />

SFK Standardfestkosten der zu Kategorie c analogen Betriebsform bei einem<br />

c,sdbk<br />

Standarddeckungsbeitrag sdb in DM/1000 DM StDB<br />

k


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

sdb k Durchschnittlicher Standarddeckungsbeitrag eines Betriebes im Kreis<br />

k in 1000 DM.<br />

U k Umfang der berücksichtigten Fläche in Kreis k<br />

N k Anzahl der Betriebe in Kreis k<br />

Das so errechnete Standardbetriebseinkommen entspricht der Nettowertschöpfung zu<br />

Faktorkosten. Aus dieser Nettowertschöpfung müssen die Ansprüche Dritter befriedigt<br />

werden, d. h. Fremdkapital, Fremdflächen und Fremdarbeit sind noch zu entlohnen. Die<br />

Nettowertschöpfung ist dann ein Maß für die Effizienz des eingesetzten Kapitals und der<br />

Arbeit und ist gleichbedeutend mit dem durch die Produktion geschaffenen „Mehrwert“.<br />

Abbildung 2a und 2b zeigen das Ergebnis einmal mit Zulagen und Zuschüssen und in<br />

der rechten Hälfte ohne Zulagen und Zuschüsse. Trotz hoher Standardfestkosten haben<br />

die viehstarken Regionen immer noch ein hohes Standardbetriebseinkommen; ohne Ausgleichszahlungen<br />

liegt das Standardbetriebseinkommen für einige Kreise allerdings schon<br />

unter Null. Dies betrifft insbesondere den Kreis Kassel, den Lahn-Dill-Kreis, Unterfranken<br />

und Gebiete der Schwäbische Alb. In diesen Kreisen erfolgt also keine vollständige<br />

Entlohnung der eingesetzten Arbeit und des eingesetzten Kapitals. An dieser Stelle sei<br />

angemerkt, dass die hier gezeigten Ergebnisse im Durchschnitt der Kreise Gültigkeit haben.<br />

Selbstverständlich gibt es in den einzelnen Kreisen mehr oder weniger erfolgreiche<br />

Betriebe; ein hier negatives Ergebnis bedeutet nicht, dass für alle Betriebe des Kreises das<br />

Ergebnis gleichermaßen negativ ist. Auch in Kreisen, die hier vergleichsweise schlecht<br />

abschneiden, existieren eine Reihe hervorragend geführter Betriebe, die deutlich positive<br />

Werte aufweisen. Unter diesen Gesichtspunkten sind die Wachstumschancen in den hier<br />

hell markierten Kreisen für landwirtschaftliche Betriebe unter Umständen größer als in<br />

den dunkler gezeichneten. Die gezeigten Ergebnisse bedeuten also nicht zwingend ein<br />

Ende der landwirtschaftlichen Produktion in den Kreisen mit extrem niedrigen Werten.<br />

Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass <strong>über</strong>durchschnittlich viele Betriebe die<br />

Produktion einstellen, in diesen Kreisen besonders hoch.<br />

Aus dem Standardbetriebseinkommen lässt sich unter Abzug von Personal-, Pacht- und<br />

Zinsaufwand ein Gewinn errechnen. Als Datengrundlage dienen die Buchführungsergebnisse<br />

der Testbetriebe (5, 2003). Diese liegen allerdings nicht auf Kreisebene, dafür aber<br />

für die einzelnen Bundesländer nach Betriebsformen gegliedert, vor. Wie bei den festen<br />

Spezial- und Gemeinkosten erfolgt auch hier für jeden Kreis eine Durchschnittsbildung<br />

auf Basis der Standarddeckungsbeitragsanteile in den drei Kategorien Marktfruchtbau,<br />

Futterbau und Veredlung.<br />

Der Personalaufwand der einzelnen Betriebsformen in den Ländern kann direkt <strong>über</strong>nommen<br />

werden. Der Pachtaufwand ergibt sich als Produkt aus betriebsformenspezifischem<br />

Pachtpreis und ländereinheitlichem Pachtflächenanteil. Der Zinsaufwand wird<br />

durch Anwendung eines durchschnittlichen Zinsfußes von 4 % auf die Höhe der Verbindlichkeiten<br />

pro Hektar geschätzt.<br />

mit G Durchschnittlicher Gewinn in Kreis k in €/ha<br />

b,k<br />

b Berechnungsverfahren: 0 – mit Prämien, 1 – ohne Prämien<br />

k Index des Kreises<br />

21


22 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Abb. 2a. Durchschnittliches Standardbetriebseinkommen der Kreise in €/ha mit Ausgleichszahlungen


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Abb. 2b. Durchschnittliches Standardbetriebseinkommen der Kreise in €/ha ohne Ausgleichszahlungen<br />

23


24 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

LA k Durchschnittlicher Lohnaufwand in Kreis k in €/ha<br />

L c,l Personalaufwand in Kategorie c und Bundesland l in €/ha LF<br />

c Kategorie (Marktfruchtbau, Futterbau, Veredlung)<br />

l Index des Bundeslandes<br />

qdb c,k Standarddeckungsbeitragsanteil der Kategorie c mit Prämien in Kreis<br />

k: qdb c,k = DB c,k / DB 0,k<br />

PA k Durchschnittlicher Pachtaufwand in Kreis k in €/ha<br />

PQ l Pachtanteil in Bundesland l in v. H.<br />

PP c,l Durchschnittlicher Pachtpreis in Kategorie c und Bundesland l in €/ha<br />

Pachtfläche<br />

ZA k Durchschnittlicher Zinsaufwand in Kreis k in €/ha<br />

VB c,l Verbindlichkeiten in Kategorie c und Bundesland l in €/ha LF<br />

Abbildung 3a und 3b zeigen als Ergebnis der Berechnungen die durchschnittlichen Gewinne<br />

auf Kreisebene. Es wird ersichtlich, dass bereits jetzt eine vergleichsweise hohe<br />

Anzahl von Kreisen keinen Gewinn erzielt. Weitaus dramatischer ist der Fall ohne Ausgleichszahlungen,<br />

in dem sich der „gewinnlose“ Gürtel vom Nordosten zum Südwesten<br />

mit zunehmender Tendenz durch Deutschland zieht. Einige Gebiete stechen dennoch „positiv“<br />

ins Auge. Dies sind insbesondere die Ackerbauregionen Hildesheimer und Magdeburger<br />

Börde, aber auch Teile Ostthüringens und die Querfurter Platte. Daneben sind es<br />

vor allem die viehstarken Regionen, die auch im Fall ohne Ausgleichszahlungen noch<br />

Gewinne aufweisen. Allerdings dürften gerade die Regionen mit einer hohen Milchkuhdichte<br />

zukünftig sehr mit dem Milchmarkt zu kämpfen haben, der aber Chancen hat, ins<br />

Gleichgewicht zu kommen, wenn der Ausstieg für die Betriebe leichter gemacht wird.<br />

Solange die Milchquote allerdings „einen Wert“ hat und Verkäufe von bilanziell niedrig<br />

oder nicht aktivierten Quoten erhebliche Gewinnwirkungen nach sich ziehen, denken viele<br />

Milchviehhalter nicht an Ausstieg.<br />

Es sei nochmals erwähnt, dass die gezeigten Ergebnisse aus Durchschnittsberechnungen<br />

herrühren. Erstens werden die „Besten“ auch auf den dunkler schattierten Regionen<br />

noch wirtschaften können. Beispiele dafür sind oben sowohl für Bayern als auch<br />

für Sachsen-Anhalt aufgezeigt worden. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sich die<br />

Situation in anderen Bundesländern unterschiedlich darstellen würde. Zweitens sind im<br />

Modell keinerlei Anpassungsreaktionen angenommen worden, die allerdings ganz sicher<br />

erfolgen werden (beispielsweise extensivere Verfahren, Sorten und Rassen, die insgesamt<br />

eine extensivere Produktion begünstigen. Hier ist Forschungsbedarf, denn die bisherige<br />

Entwicklung ging eher in die umgekehrte Richtung.) Drittens wird Wachstum ohne Quoten<br />

und ohne Kopplung von Zahlungen an die Fläche eher möglich.<br />

Das Pachtpreisniveau wird langfristig sinken, sobald die Ausgleichszahlungen zurückgehen.<br />

Natürlich wird es hiervon immer Ausnahmen geben, beispielsweise bei zwei


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Abb. 3a. Durchschnittliche Gewinne der Kreise in €/ha mit Ausgleichszahlungen<br />

2


2 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Abb. 3b. Durchschnittliche Gewinne der Kreise in €/ha ohne Ausgleichszahlungen


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

benachbarten Wachstumsbetrieben kann das Pachtpreisniveau erheblich vom Kreisdurchschnitt<br />

abweichen. Nochmals sei festgehalten, dass gute Betriebe in den „dunkleren“ Regionen<br />

bessere Wachstumschancen haben.<br />

Aus dem in den Abbildungen 3a und 3b gezeigten Gewinn lässt sich unter Abzug des<br />

Lohnansatzes, für „eigene“ nicht entlohnte Arbeit, und des Zinsansatzes für Eigenkapital,<br />

der kalkulatorische Gewinn berechnen. Damit wird dann schlussendlich gezeigt, inwieweit<br />

alle eingesetzten Produktionsfaktoren entlohnt werden. Ein positiver kalkulatorischer<br />

Gewinn stellt letztlich den Unternehmergewinn dar, ein Entgelt also für das als Unternehmer<br />

<strong>über</strong>nommene Risiko. Die Daten wurden der Testbetriebsstatistik (3, 2003) entnommen.<br />

Da auf Kreisebene keine Angaben <strong>über</strong> Geschlecht und Status der nicht entlohnten<br />

Arbeitskräfte sowie <strong>über</strong> Einheitswerte der Betriebe vorliegen, wird pauschal von 2000<br />

Stunden je Arbeitskraft und Jahr ausgegangen und jede Stunde mit 10 € bewertet. Auch<br />

bezüglich der möglichen alternativen Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals wird ein<br />

Pauschalwert (4 %) verwendet.<br />

mit kG Durchschnittlicher kalkulatorischer Gewinn in Kreis k in €/ha<br />

b,k<br />

G Durchschnittlicher Gewinn in Kreis k in €/ha<br />

b,k<br />

b Berechnungsverfahren: 0 – mit Prämien, 1 – ohne Prämien<br />

k Index des Kreises<br />

ZL k Durchschnittliche Zusatzkosten für Löhne in Kreis k in €/ha<br />

NAK c,l Besatz an nicht entlohnten Arbeitskräften in Kategorie c und Bundes-<br />

land l in AK pro Betrieb<br />

LF c,l LF in Kategorie c und Bundesland l in ha<br />

qdb c,k Standarddeckungsbeitragsanteil der Kategorie c mit Prämien in Kreis<br />

k: qdb c,k = DB c,k / DB 0,k<br />

ZZ k Durchschnittliche Zusatzkosten für Zinsen in Kreis k in €/ha<br />

EK c,l Eigenkapital in Kategorie c und Bundesland l in €/ha LF<br />

Das Ergebnis der Berechnung ist in den Abbildungen 4a und 4b dargestellt. Es ist sehr<br />

gut zu sehen, dass bereits gegenwärtig, also auch unter Einbeziehung der Zulagen und<br />

Zuschüsse, in den alten Ländern fast durchweg kein positiver kalkulatorischer Gewinn<br />

erzielt wird. Besonders deutlich stellt sich diese Situation für große Teile Bayerns, Baden-<br />

Württembergs und Rheinland-Pfalz dar. Lediglich in den besonders viehstarken Regionen<br />

im Nordwesten Deutschlands wird ein positiver kalkulatorischer Gewinn erwirtschaftet.<br />

Ganz anders die Situation in den neuen Bundesländern, wo in weiten Teilen durchaus<br />

ein positiver kalkulatorischer Gewinn erzielt wird, d. h. alle eingesetzten Produktionsfaktoren<br />

werden entlohnt. Im Fall ohne Ausgleichszahlungen, nach Abbildung 4b, gelingt<br />

dies allerdings auch in den neuen Ländern nicht mehr. Lediglich in den Kreisen Vechta<br />

27


28 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Abb. 4a. Durchschnittliche kalkulatorische Gewinne der Kreise in €/ha mit Ausgleichszahlungen


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

Abb. 4b. Durchschnittliche kalkulatorische Gewinne der Kreise in €/ha ohne Ausgleichszahlungen<br />

29


30 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

und Rhein-Pfalz (früher: Ludwigshafen) werden noch positive kalkulatorische Gewinne<br />

im Durchschnitt erzielt.<br />

Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass es vor allen Dingen die klein strukturierten<br />

Gebiete sind, in denen keine positiven kalkulatorischen Gewinne erzielt werden. Dies<br />

macht, salopp gesagt, nicht arm, sondern zeugt lediglich davon, dass die eigene Arbeit, der<br />

eigene eingesetzte Boden und das eigene eingesetzte Kapital nicht adäquat entlohnt werden.<br />

Ein negativer kalkulatorischer Gewinn ist keinesfalls gleichbedeutend mit fehlender<br />

Liquidität. Langfristig allerdings sind solche Betriebe, insbesondere unter dem Aspekt<br />

einer Hofnachfolge, nicht <strong>über</strong>lebensfähig. Kurz- und mittelfristig allerdings wäre deren<br />

Existenz nicht bedroht.<br />

5 Diskussion und Ausblick<br />

Die vorangehenden Ausführungen machten deutlich, dass Regionen und landwirtschaftliche<br />

Betriebsformen unterschiedlich stark betroffen wären, käme es zum Wegfall oder<br />

steigendem Abbau der derzeitigen Zahlungen und Zuschüsse. Die Ergebnisse sind mit der<br />

Einschränkung zu interpretieren, dass jegliche Anpassungsreaktionen der Betriebe an die<br />

zukünftigen Situationen nicht berücksichtigt wurden.<br />

Trotz allem ist offensichtlich, dass quasi schuldenfreie Eigentumsbetriebe ohne pagatorische<br />

Lohn-, Pacht- und Kapitalkosten unter Liquiditätsaspekten per se begünstigt sind,<br />

d. h. dass sie nicht unmittelbar wegen Liquiditätsengpässen vom Ausscheiden bedroht<br />

sind. Gerade diese Betriebe sind aber nicht unbedingt die zukunftsfähigen Wachstumsbetriebe,<br />

oft fehlt hier der Hofnachfolger. Solche Betriebe rechnen allerdings zu Grenzkosten,<br />

d. h. sie werden trotz sinkender oder ausbleibender Ausgleichszahlungen zunächst<br />

weiter produzieren. Da sie als auslaufende Betriebe ohne Hofnachfolger nicht auf Investitionen<br />

angewiesen sind, werden sie bis zur endgültigen sozialökonomisch bedingten<br />

Aufgabe nicht in ihrer Liquidität bedroht sein.<br />

Die wachstumsfähigen Zukunftsbetriebe, die investieren wollen und müssen, kommen<br />

allerdings in Liquiditätsschwierigkeiten. Diese Gefahr ist fast noch bedeutender, als der<br />

kommende mehr oder weniger starke Abbau von Ausgleichszahlungen. Gerade auf diese<br />

Gefahr müsste mit agrarpolitischen Maßnahmen reagiert werden. Hierauf sollten sich alle<br />

Anstrengungen konzentrieren, jedoch nicht darauf, einen Zug aufzuhalten, der ohnehin<br />

nicht mehr aufzuhalten ist. Bei dieser Diskussion kann es auch nicht um Präferenzen<br />

für bestimmte Rechtsformen gehen, denn die Konsequenzen der Verschiebung kalkulatorischer<br />

Kosten zu pagatorischen Kosten, die mit jeweils geringerem Eigentumsanteil an<br />

den Produktionsfaktoren einhergehen, sind für alle Rechtsformen identisch.<br />

In den bisherigen Überlegungen sind Anpassungsreaktionen landwirtschaftlicher Betriebe<br />

völlig ausgeklammert gewesen. Es stellt sich die Frage, wie Anpassungsreaktionen<br />

aussehen könnten, denn ein einfaches „weiter wie bisher“ wird in vielen Regionen, das<br />

haben die bisherigen Ausführungen deutlich gezeigt, nicht ohne weiteres sinnvoll oder<br />

gar möglich sein. Festzuhalten bleibt, dass die Chancen für gute und erfolgreiche Betriebe<br />

auf Grenzstandorten c. p. besser sein dürften als auf Gunststandorten, da Wachstum auch<br />

zukünftig nur dann möglich sein wird, wenn in einer Region entsprechend landwirtschaftliche<br />

Betriebe aus der Produktion ausscheiden. Auf Grenzstandorten also ist Wachstum<br />

<strong>über</strong> günstige Flächen noch eher möglich. Voraussetzung allerdings wäre eine Entkopplung<br />

der Prämien nicht nur von der Produktion, sondern auch von der Fläche. Unter den<br />

bisherigen Voraussetzungen ist mit einem Rückgang der Pachtpreise nicht grundsätzlich<br />

zu rechnen, im Gegenteil, der Wettbewerb um Flächen dürfte sich sogar verschärfen,<br />

da den Ansprüchen für Prämienzahlungen tatsächlich immer weniger Flächen – bedingt<br />

durch den tendenziellen Rückgang landwirtschaftlicher Fläche <strong>über</strong> die Zeit – gegen<strong>über</strong>


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

stehen. Erst dann, wenn es zu einer merklichen Reduktion der Pachtpreise für landwirtschaftliche<br />

Flächen kommt, ist es ökonomisch sinnvoll, extensive Produktionssysteme in<br />

die Überlegung einzubeziehen. Gerade für die durch die jetzige Agrarreform prinzipiell<br />

benachteiligte Tierproduktion – man denke nur an die Zahl der mit Cross Compliance in<br />

Verbindung stehenden Vorschriften tierhaltender Betriebe im Gegensatz zu reinen Ackerbaubetrieben<br />

– können sich hier neue Perspektiven ergeben. Bereits heute gibt es einige<br />

Pilotprojekte für großflächige Beweidungen durch anspruchslose Rinderrassen. Eine einfache<br />

Kopie solcher in Übersee existierenden Systeme wird nicht ohne weiteres möglich<br />

sein; eine Anpassung an unsere klimatischen Bedingungen ist notwendig. Hier besteht<br />

verstärkter Forschungsbedarf, um zumindest mittelfristig Lösungen anbieten zu können.<br />

Auch im Pflanzenbau kann es auf vielen Standorten vernünftig sein, <strong>über</strong> eine Verringerung<br />

der Bewirtschaftungsintensität nachzudenken. Voraussetzung allerdings ist auch<br />

hier eine Anpassung der Pachtpreise an die Grundrente. Dann stehen Robustheit und natürliche<br />

Resistenzen für zukunftsfähige Sorten im Vordergrund. Es sind Sorten gefragt,<br />

die einen geringeren Aufwand bei Bodenbearbeitung, Pflanzenschutz, Fruchtfolge und<br />

Düngung besser tolerieren.<br />

Unter bestimmten Standortbedingungen könnten unrentable Ackerflächen in Grünland<br />

umgewandelt werden, welches weiter landwirtschaftlich genutzt werden kann. Durch die<br />

Einbeziehung von Landschaftselementen, die einen rentablen Ackerbau stören würden<br />

und vielleicht auch von Waldstücken, könnten sich völlig neue Haltungsformen ergeben.<br />

Dies zielt in Richtung extensiver Weidekonzepte, wie sie zum Teil heute noch im Voralpenraum<br />

bei der Jungrinderaufzucht zu sehen sind. Es wäre zu <strong>über</strong>prüfen, inwieweit<br />

solche Konzepte in andere Regionen <strong>über</strong>tragbar sind.<br />

Auch im Milchbereich wird ein Umdenken möglicherweise sinnvoll sein. Schon lange<br />

ist bekannt, dass die höchste Rentabilität nicht mit der maximalen Milchleistung erzielt<br />

wird. In der Regel wird auch eine Amortisation der Aufzuchtkosten nicht mit einer Nutzungsdauer<br />

von zwei Laktationen erreichbar sein. Auch hier also wird der Trend sinnvollerweise<br />

eher zur dauerhaften und kostengünstigen Gesunderhaltung der Tiere, sprich<br />

Robustheit, gehen als zu weiterem Leistungszuwachs.<br />

Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass die hier vorgestellten Ergebnisse kurzfristig<br />

nicht eintreten werden, da von einem völligen Wegfall der Ausgleichszahlungen in naher<br />

Zukunft nicht auszugehen ist. Trotzdem sind es keine bequemen Wahrheiten die die Landbewirtschafter<br />

zukünftig erwarten. Dabei sollte bedacht werden, dass die heutige, für viele<br />

Betriebe und Produktionszweige unbefriedigende, Situation erst durch Subventionierung<br />

entstanden ist. Die unbefriedigende Situation im Rinderbereich ist insbesondere dadurch<br />

entstanden, dass dieser Bereich in eine starke Politikabhängigkeit geführt wurde, die jetzt<br />

langsam nach und nach gelöst wird. Das Gegenbeispiel findet sich in der flächenunabhängigen<br />

Veredlung.<br />

Wie die genaue Ausgestaltung der zukünftigen Agrarpolitik ausfallen wird, ist nicht<br />

prognostizierbar. Festzuhalten ist, dass die Zahlungen im Sozialbereich weitestgehend<br />

beibehalten werden bzw. parallel zur allgemeinen Entwicklung sinken. Die Ausgleichszahlungen<br />

dürften schrittweise bis auf ein bestimmtes Niveau abgebaut und verstärkt<br />

an Ziele gekoppelt, die Außenhandelspolitik insbesondere unter dem Druck der WTO-<br />

Verhandlungen weiter liberalisiert werden. Die Zahlungen an die <strong>Landwirtschaft</strong> aus der<br />

„zweiten Säule“ hängen an der Kofinanzierung, die bereits heute nicht in allen Fällen<br />

gewährleistet ist.<br />

Unabhängig von der Subventionsdiskussion ist zu bedenken: anhaltender biologischtechnischer<br />

Fortschritt führte in der Vergangenheit in unseren Klimaten zur Überproduktion.<br />

Wenn diese Produktion nicht weiter wachsen soll oder darf, der biologisch-technische<br />

Fortschritt aber anhält, müssen Flächen aus der Produktion fallen oder extensiv<br />

bewirtschaftet werden. Die Diskussion um Extensivierung in der Vergangenheit hat aber<br />

31


32 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

gezeigt, dass insbesondere auf Gunststandorten mit einer Extensivierung der Produktion<br />

auch unter sich weiter verschlechternden Rahmenbedingungen nicht zu rechnen ist; hier<br />

sollte aus ökonomischen Aspekten auch kein politischer Druck ausgeübt werden.<br />

Der Arbeitszeitbedarf zur Erzeugung einer Getreideeinheit ist seit den 1950-er Jahren<br />

dramatisch gesunken, ca. 8 Millionen Menschen sind in Deutschland aus der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

in den letzten 50 Jahren ausgeschieden. In einer Generation wird die notwendige<br />

Arbeitskapazität von derzeit knapp 600 Tsd. Vollarbeitskräften weiter dramatisch zurückgehen.<br />

Dabei werden allerdings höchstens noch ein Zwanzigstel der in den letzten<br />

0 Jahren ausgeschiedenen Arbeitskräfte ausscheiden. Der Strukturwandel wird weiterhin<br />

beträchtlich sein, allerdings bei weitem nicht so dramatisch wie in den letzen 0 Jahren,<br />

was die Zahlen beweisen. Trotz allem wird das Land weiter bewirtschaftet werden, in<br />

vielen Regionen allerdings anders als bisher.<br />

Zusammenfassung<br />

Wie die genaue Ausgestaltung der zukünftigen Agrarpolitik ausfallen wird, ist nicht prognostizierbar,<br />

es besteht allerdings berechtigter Grund zur Annahme, dass sie sich zunehmend aus den Ausgleichszahlungen<br />

zurückziehen wird.<br />

Um aufzuzeigen, welche Auswirkungen ein solcher Paradigmenwechsel für ausgewählte Betriebsformen<br />

in Sachsen-Anhalt und Bayern haben würden, wurden für vergleichbare erfolgreiche<br />

Betriebe die Abweichungen zwischen den Betriebsergebnissen mit und ohne unternehmensbezogene<br />

Zulagen/Zuschüsse ermittelt und ausgewiesen. Wie nicht anders zu erwarten war, entwickelte sich<br />

der um die Zulagen/Zuschüsse bereinigte ordentliche Gewinn negativ. Die Unterschiede zwischen<br />

den Betrieben Sachsen-Anhalts und Bayerns zeigten allerdings deutlich, dass die Betriebsgröße allein<br />

keine Garantie für zukünftiges Überleben gewährleistet. Unter den veränderten Rahmenbedingungen<br />

bekommt – ohne Einbeziehung sonstiger Anpassungsmaßnahmen – die Eigentumsstruktur<br />

der Betriebe eine <strong>über</strong>ragende Bedeutung für deren Stabilität. Die betrachteten Betriebe in Bayern<br />

hätten kurz- und mittelfristig auch ohne die Zahlung von Zulagen und Zuschüssen weniger ernsthafte<br />

Existenzprobleme als ihre Vergleichspartner in Sachsen-Anhalt.<br />

Um „flächendeckende“ Aussagen zu ermöglichen, wurden anhand eines Modells auf Basis<br />

von Standarddeckungsbeiträgen für ganz Deutschland Aspekte einer „<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen“<br />

berechnet. Als regionale Basis lagen den Kalkulationen weitestgehend Daten auf<br />

Kreisebene zu Grunde. Obwohl auch in Zukunft die Maxime in der <strong>Landwirtschaft</strong> „wachsen oder<br />

weichen“ lauten wird und unwirtschaftliche Kulturen durch andere ersetzt werden, bleiben diese Anpassungsreaktionen<br />

landwirtschaftlicher Unternehmen aus Übersichtsgründen im Modell unberücksichtigt.<br />

Es soll lediglich aufgezeigt werden, welche Veränderungen ohne Zulagen bzw. Zuschüsse in<br />

den verschiedenen Regionen tendenziell zu erwarten wären, wenn die bisherigen Strukturen auch in<br />

Zukunft Bestand haben würden. Für die Werte „Standarddeckungsbeiträge pro Hektar“, „Standardbetriebseinkommen“,<br />

„Gewinn“ und „Kalkulatorischer Gewinn“ zeigt eine Reihe von Abbildungen<br />

jeweils die Situation im Gegensatz, d. h. mit und ohne die gezahlten Zulagen und Zuschüsse.<br />

Aus den Untersuchungen wird deutlich, dass Regionen und landwirtschaftliche Betriebsformen<br />

unterschiedlich stark betroffen wären, käme es zum Wegfall oder steigendem Abbau der derzeitigen<br />

Zahlungen und Zuschüsse. Ein einfaches „weiter wie bisher“ wird demnach in vielen Regionen nicht<br />

sinnvoll oder gar möglich sein, deshalb wird abschließend die Frage diskutiert, wie Anpassungsreaktionen<br />

aussehen könnten.<br />

Summary<br />

Agriculture without compensatory payments<br />

Possible consequences for individual holdings and regions<br />

Exactly what form the future agricultural policy will take cannot be foreseen, but there is justified<br />

reason to believe that compensatory payments are more and more on their way out.<br />

To demonstrate the impact such a shift in paradigms would have on selected types of holdings<br />

in Saxony-Anhalt and Bavaria, deviations between the business results of comparable successful<br />

holdings with and without business-related allowances/subsidies were calculated and identified. As


<strong>Landwirtschaft</strong> ohne Ausgleichszahlungen? Mögliche Folgen für Einzelbetriebe und Regionen<br />

expected, regular profits after deduction of the allowances/subsidies showed a negative development.<br />

However, the differences between the holdings in Saxony-Anhalt and Bavaria showed that<br />

the holding size alone is no guarantee for future survival. Under the changed framework conditions<br />

the proprietary structure of the holdings – not including other adjustment measures – becomes paramount<br />

for their stability. Thus, in the short and medium term the bavarian holdings under consideration<br />

would in any case have displayed less serious existential problems than their counterparts in<br />

Saxony-Anhalt - even without payment of allowances and subsidies.<br />

In the interest of a „full-coverage“ statement, aspects of „agriculture without compensatory payments“<br />

were calculated for the whole of Germany using a model on the basis of standard profit<br />

contributions. For the regions the calculations were mainly based on data for the „Kreise“ (districts).<br />

Although agriculture will always to be ruled by the dictum „live or die“ and unprofitable crops<br />

will continue to be replaced by others, adjustment reactions by agricultural holdings are left out<br />

of the model for synoptic reasons. The aim is to show what kind of changes are to be expected in<br />

the different regions without allowances or subsidies, if present structures were to be maintained.<br />

For the values „standard profit contributions per hectare“, „standard producer income“ „profit“ and<br />

„calculatory profit“ a set of figures illustrates opposing situations, i. e. the situation with and without<br />

paid allowances and subsidies.<br />

The studies show that regions and agricultural holdings would be affected differently if payments<br />

and subsidies were abolished or reduced progressively. In many regions simply continuing as usual<br />

will therefore be neither sensible nor possible and the final discussion will invariably concern the<br />

question of what form adjustment reactions could take.<br />

Résumé<br />

L’agriculture sans versements de compensation?<br />

Eventuelles conséquences pour les exploitations individuelles et les régions<br />

Il n’est pas possible de prognostiquer avec précision le développement de la future politique agricole,<br />

mais toutefois il y a lieu de supposer à juste titre qu’elle abandonnera de plus en plus les versements<br />

de compensation.<br />

Afin de mettre en évidence les conséquences que pourrait avoir un tel bouleversement concernant<br />

des formes sélectionnées d’exploitations similaires, couronnées de succès, situées en Saxe-Anhalt<br />

et en Bavière, les différences entre les résultats obtenus par les exploitations bénéficiant ou non de<br />

subventions ou de primes ont été établies et justifiées. Comme il fallait s’y attendre, le bénéfice apuré,<br />

réglé, dû aux conséquences des subventions ou aux primes se développa d’une manière négative.<br />

Les différences entre les exploitations de la Saxe-Anhalt et de Bavière montrent toutefois clairement<br />

que l’importance de l’exploitation à elle seule n’apportait aucune garantie pour l’existence futur de<br />

la dite exploitation. Dans de telles conditions cadres changées, la structure des exploitations – sans<br />

l’inclusion de quelconques mesures d’adaption - acquiert une importance primordiale pour sa stabilité.<br />

Les exploitations de Bavière examinées auraient à court ou moyen terme, moins que leurs<br />

partenaires similaires de Saxe-Anhalt, sans jouir du versement des subventions et de primes, à faire<br />

face à de sérieux problèmes d’existence.<br />

Afin de permettre de faire des déclarations d’ensemble, on a, à l’appui d’un modèle sur la base de<br />

montants de la garantie standards pour l’ensemble de l’Allemagne, calculé des aspects d’une «agriculture<br />

ne bénéficiant pas de versements de compensation». En tant que base régionale, les calculations<br />

données de large envergure prenaient pour base le niveau du cercle. Bien que, également à l’avenir,<br />

la maxime répandue dans l’agriculture «croître ou céder», se fera entendre et que des cultures peu<br />

rentables seront remplacées par d’autres plus efficaces, cette, ces réactions d’adaption d’exploitations<br />

agricoles pour des motifs de vue d’ensemble ne sont prises en considérations. On devra se borner à<br />

mettre en évidence les changements qui privés de subventions ou de primes seraient tendantiellement<br />

attendus dans les différentes régions si les structures actuelles étaient maintenus à l’avenir. Pour les<br />

valeurs «montants de la couverture standards par hectar», «revenus de l’entreprise standard», «bénéfice»<br />

et «bénéfice calculé», une série d’illustrations expose pour chaque cas la situation contraire,<br />

c’est-à-dire avec ou sans le payment de subventions et de primes.<br />

Il ressort clairement des examens entrepris que des régions et des formes d’exploitations agricoles<br />

seraient différemment et sensiblement touchées si les subventions et les payments actuels étaient<br />

supprimés ou faisaient l’objet de réductions constamment en hausse. Dans de nombreuses régions<br />

un comportement «simplement comme par le passé» ne sera donc plus raisonable ou même, n’aura<br />

plus raison d’être, et c’est pourquoi la discussion de la question de savoir comment se présenteront<br />

les réactions d’adaption clôturera cette étude.<br />

33


34 Peter Wagner, Jürgen Heinrich und Klaus Hank<br />

Literatur<br />

1. Bundesministerium für Ernährung, <strong>Landwirtschaft</strong> und Verbraucherschutz (<strong>BMELV</strong>), 200 : Agrarpolitischer<br />

Bericht der Bundesregierung 200 .<br />

2. Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und <strong>Landwirtschaft</strong> (BMVEL), 200 : Agrarpolitischer<br />

Bericht der Bundesregierung 200<br />

3. –, 2004: Ernährungs- und Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2004, Übersicht 16, S. 38.<br />

4. –, 2002: Agenda 2000. Pflanzlicher Bereich, Tierprämien.<br />

5. –, 2003: Buchführungsergebnisse der Testbetriebe.<br />

. Bundesministerium der Finanzen (BMF), 200 : Bericht der Bundesregierung <strong>über</strong> die Entwicklung<br />

der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre<br />

2003 bis 2006 (20. Subventionsbericht) URL: http://www.bundesfinanzministerium.de/<br />

(1. .200 )http://mpix.bundesfinanzministerium.de/Mpix/count/BMF/r0?p=%2FSites%2<br />

Fbmf%2FDE%2FAktuelles%2FMonatsbericht_des_BMF%2F200 %2F04&u=http%3A%2F%2Fww<br />

w.bundesfinanzministerium.de%2Flang_de%2FDE%2FAktuelles%2FMonatsbericht__des__BMF%2<br />

F2006%2F04%2F060420agmb004%2CtemplateId%3Draw%2Cproperty%3DpublicationFile.pdf.<br />

7. DBV, 2005: Situationsbericht 2006. - Trends und Fakten zur <strong>Landwirtschaft</strong>.<br />

8. Jochimsen, 2005: Wo wird im Ackerbau noch Geld verdient? In: top agrar 6/2005, S. 24–29.<br />

9. KTBL, 2002: Kuratorium für Technik und Bauwesen in der <strong>Landwirtschaft</strong>, Standarddeckungsbeiträge<br />

2000/2001.<br />

10. LfL, 2005: Bayerische Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong> (Hrsg.). Buchführungsergebnisse des Wirtschaftsjahres<br />

2003/2004.<br />

11. LLG, 2005: Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong> und Gartenbau (Hrsg.). Buchführungsergebnisse landwirtschaftlicher<br />

Unternehmen Wirtschaftsjahr 2003/04.<br />

12. SBA, 2004: Statistisches Bundesamt (2004). Statistik regional, Daten für die Kreise und kreisfreien<br />

Städte Deutschlands, erweitert um Ergänzungen des Statistischen Bundesamtes.<br />

13. Wissenschaftlichen Beirat beim <strong>BMELV</strong>, 2003: Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirates Agrarpolitik,<br />

nachhaltige Landbewirtschaftung und Entwicklung Ländlicher Räume beim BMVEL zu den<br />

Beschlüssen des Rates EU zur Reform GAP vom 26. Juni 2003. <strong>Berichte</strong> <strong>über</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>, Band<br />

82, Heft 2, S. 165–172.<br />

Fußnoten<br />

1) Professur für <strong>Landwirtschaft</strong>liche Betriebslehre, Martin-Luther-Universität Halle<br />

Autorenanschrift: Prof. Dr. habil. Peter Wagner, Dr. agr. Jürgen heinrich und Dr. Klaus<br />

hanK, Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften der Martin-Luther-<br />

Universität Halle-Wittenberg, Luisenstraße 12, 06099 Halle, Deutschland<br />

peter.wagner@landw.uni-halle.de<br />

jürgen.heinrich@landw.uni-halle.de<br />

klaus.hank@landw.uni-halle.de


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen<br />

in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

Von Gabriele Mack und Stefan Mann, Tänikon<br />

1 Einleitung<br />

In den letzten zehn Jahren erfuhr die schweizerische Agrarpolitik eine deutliche Umgestaltung.<br />

Ausgangspunkt war die starke Preisstützung landwirtschaftlicher Produkte. Heute<br />

werden dagegen <strong>über</strong> 70 % des gesamten Agrarbudgets in Form von Direktzahlungen 1)<br />

ausgerichtet. Gemessen an den Producer Support Estimates (PSE) genießt der Schweizer<br />

Agrarsektor mit PSE von 70 international nach wie vor das höchste Stützungsniveau (1).<br />

Der rechtliche Rahmen für diese Unterstützung bildet Art. 104 der Schweizer Bundesverfassung.<br />

Dieser beauftragt den Bund dafür zu sorgen, dass die <strong>Landwirtschaft</strong> durch eine<br />

nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion einen wesentlichen Beitrag zur<br />

●<br />

●<br />

●<br />

sicheren Versorgung der Bevölkerung,<br />

Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Pflege der Kulturlandschaft und<br />

dezentralen Besiedelung des Landes (Art. 104, Abs. 1 BV)<br />

leistet.<br />

Abs. 3a von Art. 104 BV befugt den Bund, die bäuerlichen Einkommen durch Direktzahlungen<br />

zu ergänzen, damit bäuerliche Betriebe ein angemessenes Entgelt für die erbrachten<br />

gesellschaftlichen Leistungen erzielen können – unter der Voraussetzung eines<br />

ökologischen Leistungsnachweises. Abs. 3b beauftragt den Bund, mit wirtschaftlich lohnenden<br />

Anreizen Produktionsformen zu fördern, die besonders naturnah, umwelt- und<br />

tierfreundlich sind. Die Umsetzung des Verfassungsauftrages erfolgte im Jahr 1998 mit<br />

der gesetzlichen Verankerung von allgemeinen und ökologischen Direktzahlungen im<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>sgesetz. Allgemeine Direktzahlungen erhalten bäuerliche Betriebe für ihre<br />

landwirtschaftlich genutzte Fläche und raufutterverzehrende Tiere, wenn sie nach einem<br />

gesetzlich festgelegten Umweltstandard, dem so genannten ökologischen Leistungsnachweis<br />

(ÖLN) 2) , wirtschaften. Ökologische Direktzahlungen werden zusätzlich für besonders<br />

naturnahe und umweltfreundliche bzw. tierfreundliche Produktionsformen ausgerichtet.<br />

Im Jahr 2002 entrichtete der Bund insgesamt 2,426 Mrd. Franken Direktzahlungen für die<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>. 82 % davon entfielen auf die allgemeinen, der Rest auf die ökologischen<br />

Direktzahlungen (6).<br />

Da die ökologischen Direktzahlungen eine Entschädigung für die Bereitstellung von<br />

besonderen ökologischen Leistungen (öffentlichen Gütern) darstellen, können diese aus<br />

ordnungstheoretischer Sicht als effizient gelten. Für die allgemeinen Direktzahlungen hingegen<br />

lagen bisher keine gesamtsektoralen Untersuchungen vor, ob diese in der Vergangenheit<br />

zur Erfüllung der gesellschaftlichen Funktionen der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong><br />

beigetragen haben. Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, die Wirkungen der allgemeinen Direktzahlungen<br />

ex-post im Hinblick auf die Erfüllung der politisch vorgegebenen Zielsetzungen<br />

und <strong>über</strong>geordneter staatspolitischer Ziele zu untersuchen. Vertieft wird dabei die<br />

Frage der Transfereffizienz von allgemeinen Direktzahlungen. Daraus werden Schlussfolgerungen<br />

zur Effektivität und Effizienz der Direktzahlungen abgeleitet.<br />

Der vorliegende Artikel gibt in Kapitel 2 einen zusammengefassten Überblick <strong>über</strong><br />

Forschungsergebnisse aus dem internationalen Raum zu den Wirkungen von Direktzah-<br />

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9080/07/8501-035 $ 2.50/0<br />

35


36 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

lungen in der <strong>Landwirtschaft</strong>. Kapitel 3 beschreibt das Direktzahlungssystem der Schweizer<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> und die mit den Direktzahlungen angestrebten agrarpolitischen Ziele.<br />

In Kapitel 4 werden aus den in den meisten Fällen nicht messbaren agrarpolitischen Zielen<br />

messbare Zielindikatoren und Richtwerte für die Zielereichung aus der Fachliteratur<br />

und aus politischen Proklamationen abgeleitet. Die eigentliche Wirkungsanalyse wird mit<br />

einem Optimierungsmodell für den Schweizer Agrarsektor durchgeführt. Kapitel 5 gibt<br />

eine kurze Übersicht <strong>über</strong> dieses Modell. Nach der Vorstellung der Varianten in Kapitel 6<br />

dient Kapitel 7 der Wiedergabe der Modellergebnisse. In Kapitel 8 werden Kennzahlen<br />

zur Einkommenswirkung vorgestellt, bevor in Kapitel 9 ein abschließendes Fazit folgt.<br />

2 Wirkung von Direktzahlungen<br />

Grundsätzlich kann zwischen einer normativen und einer positiven Herangehensweise<br />

bei der Wirkungsanalyse der Direktzahlungen unterschieden werden. Unter bestimmten<br />

Maximen bzw. Zielfunktionen können Direktzahlungen zunächst normativ betrachtet werden.<br />

Die normative Betrachtung lässt sich wiederum unterteilen in die Prognose, welche<br />

Wirkungen Direktzahlungen bei der Annahme bestimmter sozioökonomischer Mechanismen<br />

haben werden und die Beurteilung, inwieweit Direktzahlungen in der Lage sind,<br />

bestimmte definierte Ziele möglichst wirksam und effizient zu erfüllen. Auf der anderen<br />

Seite steht eine positive Betrachtungsweise, die nur dort zur Anwendung kommen kann,<br />

wo Direktzahlungen bereits eingeführt wurden. Die positive Betrachtungsweise beschreibt<br />

anhand der beobachtbaren Realitäten, welche Wirkungen die Direktzahlungen in einer definierten<br />

Region und einem definierten Zeitraum auf bestimmte Parameter gehabt haben.<br />

Normative Aussagen zur Auswirkung der Direktzahlungen gründen sich zumeist auf<br />

quantitative ökonomische Modelle, die die Wirkung von Direktzahlungen auf Betriebe<br />

(19; 43; 55; 2) oder auf den gesamten Agrarsektor (38) mittels linearer Optimierungsmodelle<br />

simulieren. Die einzelbetrieblichen Modelle haben dabei den Vorteil, dass nur mit<br />

ihnen die heterogene Wirkung der Direktzahlungen auf unterschiedliche Betriebstypen<br />

abgeschätzt werden kann, wobei dieser Aspekt hier nicht zu vertiefen ist. Die hier aufgeführten<br />

Studien sagen allerdings nichts <strong>über</strong> die Wirkung des Instrumentes Direktzahlungen<br />

an sich aus. Vielmehr gibt es zahllose Möglichkeiten zur Ausgestaltung von Direktzahlungssystemen<br />

und jede Variante wirkte auf die unterschiedlichen Betriebstypen<br />

unterschiedlich.<br />

Der Aspekt der Extensivierung steht auch bei den sektoralen Wirkungsprognosen von<br />

Direktzahlungen im Mittelpunkt. Eine Drosselung der Produktionsintensität wird nicht<br />

nur bei der Entkopplung der Direktzahlung von den bewirtschafteten Faktoren prognostiziert,<br />

sie gilt auch vergleichsweise uneingeschränkt als wichtigste Wirkung des Übergangs<br />

von der Preisstützung zu den Direktzahlungen. Rösti und RiedeR (48) belegen dies<br />

beispielsweise für die Schweizer Bergregion. Allerdings wird die Extensivierung letztlich<br />

nicht durch die Einführung von Direktzahlungen angeregt, sondern durch die Absenkung<br />

der Preise und der damit einhergehenden Absenkung der optimalen Intensität. Während<br />

dies in qualitativer Hinsicht unumstritten ist, stellt sich natürlich die Frage, wie weit die<br />

aus dem agrarpolitischen Wandel resultierende Produktionseinschränkung geht. Sowohl<br />

Kleinhanss und Kögl (35) als auch Fuchs und tRunK (20) machen darauf aufmerksam,<br />

dass durch die Preissenkung bei Getreide in der Tierproduktion c. p. die optimale Intensität<br />

erhöht wird. In der Summe der Einwirkungen hängt die Entwicklung der Intensität in<br />

der Tierproduktion in hohem Maße von Produktlinie und Standort ab.<br />

Doch weder mit der Beschäftigung der Absenkung der Produktionsintensität, die in<br />

Wirklichkeit nichts weiter als die Konsequenz sinkender Preise ist, noch mit der Prognose<br />

der Auswirkung von Besonderheiten der Gestaltung des Direktzahlungssystems kann die


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

Frage nach der spezifisch zu prognostizierenden Wirkung von Direktzahlungen beantwortet<br />

werden. Auf welche ökonomischen Variablen hat es nun gemäß ökonomischer Theorie<br />

eine Wirkung, wenn die Landwirte Direktzahlungen vom Staat erhalten?<br />

Die Direktzahlungen waren mit Ausnahme der Betriebsbeiträge 1993 – 1998 an die<br />

Faktoren Fläche bzw. Tiere geknüpft. heRoK und lotze (27) vergleichen daher mittels des<br />

GTAP-Modells die Auswirkungen einer Flächenprämie mit denen einer Arbeitsprämie.<br />

Während die Arbeitsprämie die Abwanderung von Arbeitskräften aus der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

vermindert, führt die Flächenprämie zu einer Steigerung des Bodenpreises. Dass eine<br />

Flächenprämie gegen<strong>über</strong> dem freien Markt zum Anstieg der Bodenrente führt, bestätigen<br />

auch Berechnungen mit aggregierten Betriebsmodellen. gömann (24). happe und<br />

Balmann (26) gelangen anhand eines agentenbasierten Simulationsmodells bezüglich der<br />

Flächenprämie zu den gleichen Schlussfolgerungen: Gemäß ihren Berechnungen steigt<br />

durch die Flächenprämie der Pachtpreis für Boden annähernd um die Höhe der Flächenprämie.<br />

Für die Schweiz muss allerdings bemerkt werden, dass der Übergang von der<br />

Marktstützung zu Direktzahlungen einen deutlichen Abfall der Kauf- und einen leichten<br />

Abfall der Pachtpreise landwirtschaftlicher Flächen mit sich brachte (23).<br />

Für den Kanton Graubünden hat FluRy (18) modellgestützt die zukünftige Entwicklung<br />

der Landbewirtschaftung untersucht. Dieser prognostiziert für das Jahr 2010 einen Rückgang<br />

der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Kanton Graubünden um 12 %, wenn sich<br />

die <strong>Landwirtschaft</strong>spolitik im Trend der letzten Jahre entwickeln würde (Beibehaltung<br />

der Direktzahlungen, Alleingang der Schweiz mit moderaten Preissenkungen im Rahmen<br />

von 1 % pro Jahr). Bei einer Streichung aller flächengebundenen Direktzahlungen<br />

prognostiziert er einen Rückgang der landwirtschaftlichen Nutzfläche um 39 – 67 % im<br />

Jahr 2010. Diese Berechnungen stehen allerdings im Widerspruch zu den normativen und<br />

empirischen Erkenntnissen des landwirtschaftlichen Bodenmarkts (z. B. 23). Neuere Modellrechnungen<br />

von gotsch et al. (25) <strong>über</strong> die zukünftige Entwicklung des Schweizer<br />

Berggebiets kommen ebenfalls zu anderen Ergebnissen. Die Autoren kommen in der Studie<br />

zum Schluss, dass flächenbezogene Direktzahlungen ein effektives Mittel sind, die<br />

flächendeckende Bewirtschaftung zu sichern. Das alleinige Ziel einer flächendeckenden<br />

Bewirtschaftung könnte allerdings mit wesentlich tieferen als den gegenwärtig gewährten<br />

flächenbezogenen Zahlungen erreicht werden.<br />

Die Relevanz normativer Aussagen zu den Wirkungen der Direktzahlungen beweist<br />

sich letztendlich erst durch die Beobachtung, ob die prognostizierten Effekte eingetreten<br />

sind, d. h. ob sowohl die Grundannahmen als auch die entwickelten Kausalketten der<br />

normativen Modelle in der Realität wiedergefunden werden können. Umgekehrt können<br />

durch Abweichungen, die in der Realität von den Prognosen beobachtet werden, Rückschlüsse<br />

auf sinnvolle Modifikationen ökonomischer Grundannahmen gezogen werden.<br />

Doch im Allgemeinen gilt für die positiven Untersuchungen in noch stärkerem Masse<br />

als für normative Überlegungen, dass meist der unmittelbare Vergleich zwischen dem<br />

früheren System der Marktstützung und dem System von Direktzahlungen gesucht wird.<br />

Dabei sind sich ex-post die meisten Agrarökonomen darin einig, dass der Wechsel ein<br />

Schritt in die „richtige“ Richtung war, ungeachtet kritischer Bemerkungen wie der des<br />

Wissenschaftlichen Beirates des BML (54), durch den Wechsel zu Direktzahlungen habe<br />

sich der Einfluss des Staates auf Märkte zum Teil noch erhöht (vor allem durch Verzerrungen<br />

in den Faktorpreisrelationen durch bodengebundene Direktzahlungen). So zeigen<br />

thompson et al. (51) in Modellberechnungen, dass die zusätzlichen Ausgaben der Europäischen<br />

Kommission durch den Systemwechsel, die Steigerungen der Konsumentenwohlfahrt<br />

und Produzentengewinne <strong>über</strong>kompensiert wurden. popp (47, S.107) bemerkt, dass<br />

mit den Direktzahlungen „die nötig gewordenen Agrarpreissenkungen sozial erträglich<br />

abgefedert und die gemeinwirtschaftlichen Leistungen sowie die ökologischen Ziele besser<br />

gesichert werden.“<br />

37


38 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

Auch die normativen Ergebnisse, nach denen der Systemwechsel von der Marktstützung<br />

zu Direktzahlungen zu einer Extensivierung der Produktion führt, können durch<br />

positive Untersuchungen bestätigt werden. nellingeR (45) berichtet, durch das niedrige<br />

Preisniveau seien kostengünstige Produktionsverfahren, wie z. B. die Minimalbodenbearbeitung,<br />

gefördert worden. hovland und Bennett (29) bestätigen dies, betonen aber<br />

zugleich die Unzufriedenheit der Landwirte mit dem Paradigmenwechsel. Auch für die<br />

Schweiz stellen duBois et al. (16) fest, extensive Anbauverfahren seien durch den Systemwechsel<br />

wettbewerbsfähiger geworden.<br />

Werden jedoch die Direktzahlungen nicht mit einem System der Marktstützung, sondern<br />

mit dem des freien Marktes verglichen, so kann von einer extensivierenden Wirkung<br />

der Direktzahlungen keine Rede mehr sein. Untersuchungen des U. S. Department of<br />

Agriculture (52) zeigen, dass die Frage, inwieweit Direktzahlungen Produktion stimulieren,<br />

sehr differenziert und in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung der Direktzahlungen<br />

zu beantworten ist. Analysen wie die von connolly (12), wonach die irische<br />

Schafzucht ohne Direktzahlungen nicht rentabel wäre, können ebenfalls in diese Richtung<br />

interpretiert werden: Gäbe es keine Direktzahlungen, würde weniger Schaffleisch erzeugt<br />

werden, da viele Schafhalter die Rentabilitätsschwelle nicht erreichen würden.<br />

Die (zumindest teilweise) produktionsanregende Wirkung von Direktzahlungen ist im<br />

agrarökologischen Bereich besonders prekär. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn<br />

man Untersuchungsergebnissen von salhoFeR und sinaBell (49) Glauben schenkt, nach<br />

denen die Extensivierungswirkung agrarökologischer Maßnahmen <strong>über</strong>kompensiert wurde<br />

durch die, von den Direktzahlungen im Vergleich mit einer Situation des freien Marktes<br />

ausgehende, Intensivierungswirkung.<br />

Empirisch bestätigt werden konnte durch deutsche Daten auch der prognostizierte Effekt<br />

von flächenbezogenen Direktzahlungen auf das Niveau der Boden- und Pachtpreise<br />

(21). iseRmeyeR (32) spricht gar davon, dass die Direktzahlungen „immer stärker den<br />

Charakter von Grundeigentümer-Subventionen“ annähmen. Ebenfalls empirisch bestätigt<br />

werden konnte der strukturkonservierende Effekt von Direktzahlungen: hoFeR (28) zeigt<br />

mittels Regressionsanalyse für die Schweiz und Key und RoBeRts (34) für die USA, dass<br />

das Ausscheiden von Betrieben durch Direktzahlungen verlangsamt wird. Dabei zeigen<br />

Untersuchungen von BauR (3) und mann (39), dass sowohl große Betriebe als auch besonders<br />

kleine Nebenerwerbsbetriebe in Direktzahlungssystemen verhältnismäßig gute<br />

Chancen auf den Betriebserhalt haben.<br />

3 Das Schweizer Direktzahlungssystem im Kontext<br />

agrarpolitischer Ziele<br />

Die schweizerische Agrarpolitik, ab dem zweiten Weltkrieg bis Ende der 1980er-Jahre,<br />

war in erster Linie durch agrarpolitische Maßnahmen geprägt, die auf Preisstützung und<br />

hohem Außenhandelsschutz basierten (44). Die Trendwende weg von der Preisstützung<br />

hin zu den Direktzahlungen erfolgte zu Beginn der 1990er-Jahre aufgrund der inländischen<br />

Sättigung der Märkte, Umweltproblemen, einer veränderten Werthaltung der Bevölkerung<br />

und internationalem Druck zum Abbau der Preisstützung (8). Auf politischer und gesellschaftlicher<br />

Ebene vollzog sich gleichzeitig eine tief greifende Debatte <strong>über</strong> die agrarpolitischen<br />

Ziele des Bundes. Diese führte 1996, auf der Grundlage einer breiten Referendumsmehrheit,<br />

zu einer Revision des <strong>Landwirtschaft</strong>sartikels in der Bundesverfassung<br />

und 1998 zu der Neuformulierung des <strong>Landwirtschaft</strong>sgesetzes. Die Periode von 2000 bis<br />

2003 stellte unter dem Überbegriff der „Agrarpolitik 2002“ die zweite Reformetappe der<br />

Schweizer Agrarpolitik dar, wobei der Schwerpunkt der Reformen bei der Einführung von


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

Direktzahlungen verknüpft mit ökologischen Auflagen sowie bei der Liberalisierung der<br />

Nahrungsmittelmärkte lag. Die agrarpolitischen Ziele für diese Etappe hat der Bundesrat<br />

(9) in seiner Botschaft zur Agrarpolitik 2002 – auf der Grundlage der Verfassungsziele<br />

– fixiert. Das Verfassungsziel – der sicheren Versorgung der Bevölkerung – strebt der<br />

Bundesrat unter anderem durch die Erhaltung der Produktionsbereitschaft an, speziell im<br />

Ackerbau. Das zweite Verfassungsziel – die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen<br />

und Pflege der Kulturlandschaft – soll zum einen durch eine flächendeckende Landbewirtschaftung<br />

erreicht werden. Zum anderen sind extensiv bewirtschaftete Flächen ökologisch<br />

erwünscht. Brachliegende Flächen werden gerade aus ökologischen Gründen nicht angestrebt.<br />

Das dritte Verfassungsziel, – der Erhaltung einer dezentralen Besiedelung – erfordert<br />

gemäß Bundesrat (9) <strong>über</strong> das Offenhalten der Landschaft hinaus eine bäuerliche<br />

Struktur. Das Ziel vergleichbarer Einkommen für ökonomisch und ökologisch leistungsfähige<br />

landwirtschaftliche Betriebe leitet der Bundesrat (9) aus Art. 104 Abs. 3a BV und<br />

Art. 5 LwG ab.<br />

Zentrales Element der Schweizer Agrarpolitik stellen Direktzahlungen an die <strong>Landwirtschaft</strong><br />

dar, welche die von der Gesellschaft geforderten Leistungen abgelten sollen (6).<br />

Diese sind unterteilt in allgemeine und ökologische Direktzahlungen. Ziel der allgemeinen<br />

Direktzahlungen ist es, die gemeinwirtschaftlichen Leistungen der <strong>Landwirtschaft</strong> abzugelten.<br />

Die zusätzlich zu den allgemeinen Direktzahlungen ausgerichteten ökologischen<br />

Direktzahlungen sollen einen Anreiz für besondere ökologische Leistungen geben, die<br />

<strong>über</strong> den ökologischen Leistungsnachweis hinausgehen.<br />

Die allgemeinen Direktzahlungen bestehen aus den vier Elementen I) Flächenbeiträge<br />

(FB) 3) , II) RGVE-Beiträge 4) , III) TEP-Beiträge 5) , IV) Hangbeiträge 6) .<br />

Die Flächenbeiträge werden zur Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen gewährt<br />

(Art. 72 LwG). Die RGVE-Beiträge werden für die Haltung Raufutter verzehrender Nutztiere<br />

(Mastrinder, Schafe, Pferde, Ziegen) ausgerichtet mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Milch- und Fleischproduktion auf Raufutterbasis sowie die flächendeckende<br />

Grünlandnutzung sicherzustellen (Art. 73 LwG). Die Förderung ist auf einen maximalen<br />

Tierbesatz je Zone begrenzt, der zonenspezifisch abgestuft ist. Durch diese Fördergrenze<br />

sollen die Beiträge produktionsneutral wirken (6). Die RGVE-Beiträge vermindern sich<br />

bei Milcherzeugung auf den Betrieb. In der Berg- und Hügelregion werden dar<strong>über</strong> hinaus<br />

TEP-Beiträge für Nutztiere auf Raufutterbasis zum Ausgleich von erschwerenden Produktionsbedingungen<br />

7) gezahlt (Art. 74 LwG). Mit diesen Beiträgen verfolgt der Bund<br />

nicht nur flächennutzende, sondern auch soziale, strukturelle und siedlungspolitische<br />

Ziele (6). In der Berg- und Hügelregion richtet der Bund Beiträge für landwirtschaftliche<br />

Nutzflächen in Hanglagen, zur Förderung und Erhaltung der <strong>Landwirtschaft</strong> in Lagen mit<br />

erschwerenden Produktionsbedingungen sowie für den Schutz und die Pflege der Kulturlandschaft,<br />

aus (Art. 75 LwG). Voraussetzung für alle allgemeinen Direktzahlungen ist die<br />

Erfüllung des ökologischen Leistungsnachweises.<br />

Die ökologischen Direktzahlungen sollen einen Anreiz für besondere ökologische<br />

Leistungen schaffen. Sie bezwecken, die Artenvielfalt in den <strong>Landwirtschaft</strong>sgebieten zu<br />

erhalten und zu erhöhen, die Nitrat- und Phosphorbelastung der Gewässer und die Verwendung<br />

von Hilfsstoffen zu vermindern sowie landwirtschaftliche Nutztiere besonders<br />

tierfreundlich zu halten.<br />

39


40 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

4 Zielindikatoren und Richtwerte für die Zielerfüllung<br />

Um Aussagen dar<strong>über</strong> treffen zu können, ob die allgemeinen Direktzahlungen zielkonform<br />

wirken oder nicht, müssen messbare Zielindikatoren aus den mehrheitlich nicht<br />

messbaren agrarpolitischen Zielen abgeleitet werden. Anschließend müssen Richtwerte<br />

für die Zielerfüllung definiert werden, anhand derer beurteilt wird, ob die Direktzahlungen<br />

zielkonform oder -konträr wirken. Die Auswahl der Indikatoren fußt zum einen auf Forschungsarbeiten,<br />

zum anderen auf Zielvorgaben der Verwaltung.<br />

Das Ziel der sicheren Versorgung der Bevölkerung wird in dieser Studie nicht direkt<br />

mit dem Selbstversorgungsgrad, sondern indirekt mit dem Indikator „Umfang offene<br />

Ackerfläche“ gemessen. Dieser Indikator basiert auf Forschungsarbeiten von mülleR<br />

(44), der gezeigt hat, dass eine offene Ackerfläche in der Größenordnung von 250 000 ha<br />

ausreichend ist für einen Selbstversorgungsgrad von 55 – 60 % und auch als Vorsorge<br />

für Zeiten gestörter Zufuhr genügt. Da die Naturalerträge im Ackerbau trotz Extensivierungstendenzen<br />

in den letzten 30 Jahren kontinuierlich gestiegen sind, kann heute davon<br />

ausgegangen werden, dass sich dieser kritische Wert eher nach unten verschoben hat, aber<br />

grundsätzlich noch gültig ist.<br />

Das gesellschaftliche Ziel der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen und Pflege<br />

der Kulturlandschaft wird mit mehreren Indikatoren gemessen. Indikator für eine flächendeckende<br />

Landbewirtschaftung ist der „Umfang der landwirtschaftlichen Nutzfläche“. Sie<br />

gilt als erfüllt, wenn die gesamte im Jahr 2002 bewirtschaftete Fläche genutzt wird. Das<br />

Ziel der extensiven Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird mit dem<br />

vom Bundesrat (10) empfohlenen Indikator „Umfang der Öko-Ausgleichsfläche“ gemessen.<br />

Dieser Indikator gilt als geeignet, da die Öko-Ausgleichsfläche zu einem hohen Anteil<br />

aus extensiv genutzten Naturwiesen und Weiden besteht. Hinsichtlich der Zielereichung<br />

existieren aus ökologischer Sicht im Grunde genommen keine Obergrenzen. Auf politischer<br />

Ebene wird bis 2005 ein Öko-Ausgleichsflächenanteil von 10 % an der landwirtschaftlichen<br />

Nutzfläche angestrebt. Im Jahr 2002 waren diese Ziele allerdings noch nicht<br />

erreicht (6). Deshalb wird untersucht, ob eine Annäherung oder Entfernung von diesem<br />

Ziel, bei einer Variation der allgemeinen Direktzahlungen, zu erwarten gewesen wäre.<br />

Weitere agrarökologische Indikatoren für das Ziel „Erhaltung der Lebensgrundlagen und<br />

Pflege der Kulturlandschaft“, stellen die ÖLN-Fläche 8) und die Bio-Fläche dar. Gemäß<br />

Zielsetzung der Agrarpolitik 2007 wird eine fast flächendeckende Bewirtschaftung nach<br />

ÖLN- oder Biorichtlinien bis 2005 angestrebt. Diese Zielsetzung war schon im Jahr 2002<br />

annährend erreicht (6).<br />

Neueste Forschungserkenntnisse von gaillaRd (22) im Bereich der Agrarökologie zeigen,<br />

dass es dar<strong>über</strong> hinaus noch eine ganze Reihe wichtiger Agrarumwelt-Indikatoren<br />

gibt, die für eine umfassende Beurteilung der <strong>Landwirtschaft</strong> unter dem Gesichtspunkt der<br />

Nachhaltigkeit notwendig sind. Es ist bisher jedoch nicht möglich, alle diese Indikatoren<br />

mit dem Agrarsektormodell abzubilden. Modelliert werden kann der mengenmäßige Gebrauch<br />

an Pflanzenschutzmitteln (PSM), wobei allerdings nicht der spezifische Wirkstoffverbrauch,<br />

sondern nur die Veränderung des Gesamtverbrauchs geschätzt werden kann.<br />

Wegen der großen Unterschiede zwischen den einzelnen Wirkstoffen bezüglich ihrer ökotoxischen<br />

Eigenschaften und ihres Verhaltens in der Umwelt erlaubt der Indikator keine<br />

Rückschlüsse auf die Gefährdung der Umwelt, sondern nur auf den potenziellen Druck,<br />

den die <strong>Landwirtschaft</strong> auf die Umwelt ausübt. Als weiterer Nachhaltigkeitsindikator<br />

wurde der mengenmäßige Ergänzungsfuttermittelverbrauch 9) ausgewählt, da neueste Forschungsarbeiten<br />

von eRzingeR et al. (17) zeigen, dass dieser einen entscheidenden Einfluss<br />

auf die Umweltverträglichkeit eines Systems ausübt.<br />

Das in Art. 5 LwG verankerte Ziel vergleichbarer Einkommen für die <strong>Landwirtschaft</strong><br />

wird mit dem in der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Gesamtrechnung verwendeten Indikator Net-


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

tounternehmenseinkommen gemessen. Ferner konnte mann (40) nachweisen, dass eine<br />

enge kausale Verknüpfung zwischen der <strong>Landwirtschaft</strong> und dem ländlichen Raum besteht.<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>liche Haupterwerbsbetriebe tragen trotz der bestehenden Größenunterschiede<br />

nicht weniger zum Erhalt bzw. zur Zunahme der Besiedelungsdichte bei<br />

als Industrie- bzw. Dienstleistungsunternehmen. Aufgrund dieser Ergebnisse erscheint es<br />

zulässig, das Nettounternehmenseinkommen als Indikator für die Erfüllung des agrarpolitischen<br />

Zieles „Erhaltung der dezentralen Besiedelung“ zu verwenden. Dabei wird<br />

unterstellt, dass sinkende Einkommen sich strukturwandelfördernd und damit negativ auf<br />

die dezentrale Besiedelung auswirken, während steigende Einkommen eine positive Wirkung<br />

ausüben. In Tabelle 1 werden die ausgewählten Indikatoren und plausibel scheinende<br />

Schwellenwerte zusammengefasst.<br />

Tabelle 1. Agrarpolitische Ziele, Indikatoren und Richtwerte für die Zielerfüllung<br />

Agrarpolitische Ziele Indikator Richtwert für Zielerfüllung<br />

Sichere Versorgung der ● Umfang der offenen ● > 250 000 ha gesamt-<br />

Bevölkerung durch Erhaltung<br />

des Produktionspotenzials<br />

und Aufrechterhaltung des<br />

Selbstversorgungsgrades<br />

Ackerfläche (oA) sektoral<br />

Erhaltung der natürlichen ● Umfang der landwirt- ● Flächendeckende Bewirt-<br />

Lebensgrundlagen und die schaftlichen Nutzfläche schaftung bei<br />

Pflege der Kulturlandschaft (LN)<br />

> 1 050 000 ha LN<br />

durch flächendeckende Be- ● Umfang der Ökoaus- ● 10 % der gesamtschweizewirtschaftung,<br />

Förderung der gleichsfläche (öAF) rischen LN sind öAF, d. h.<br />

Biodiversität, Förderung der ● Umfang der Bio-Fläche 108 000 ha. 65 000 ha öAF<br />

Nachhaltigkeit<br />

und der ÖLN-Fläche im Talgebiet.<br />

(ÖLN+BIO)<br />

● 98 % der LN werden nach<br />

den Prinzipien des ÖLN<br />

oder des biologischen Landbaus<br />

genutzt.<br />

Vergleichbare Einkommen, ● Nettounternehmensein- ● Keine Verschlechterung<br />

Erhaltung der dezentralen Bekommen (NUE) gegen<strong>über</strong> Referenzsituation<br />

siedelung<br />

(2002)<br />

Sicherstellung der<br />

● Tierbestand an ● Keine Verschlechterung<br />

Wettbewerbsfähigkeit der Mutterkühen (MUK), gegen<strong>über</strong> Referenzsituation<br />

Fleischproduktion auf Raufut- Ziegen, Schafen, (2002)<br />

terbasis<br />

Grossviehmast auf<br />

Raufutterbasis (GVM)<br />

5 Modellbeschreibung<br />

Die Wirkungsanalyse wurde mit dem regional differenzierten Sektormodell für die<br />

Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong> (SILAS-dyn) durchgeführt. Dieses Modell wird als entscheidungsunterstützendes<br />

System bei der Planung der Bundesmittel für den schweizerischen<br />

Agrarsektor eingesetzt. Dar<strong>über</strong> hinaus wird das System zur Analyse der Auswirkungen<br />

agrarpolitischer Maßnahmen verwendet.<br />

Das regionalisierte Sektormodell SILAS-dyn stellt ein mehrperiodisch dynamisches<br />

Optimierungsmodell für die landwirtschaftliche Erzeugung des Schweizer Agrarsektors<br />

41


42 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

dar (38). Über die Maximierung des Sektoreinkommens ergeben sich im Rahmen der<br />

Nebenbedingungen die optimalen Umfänge der einzelnen Verfahrensalternativen. In konventionellen<br />

Optimierungsmodellen erfolgt eine vereinfachte Abbildung der Verhaltensweisen<br />

des Betriebsleiters dadurch, dass ausschließlich gewinnmaximierendes Verhalten<br />

unterstellt wird. Da in der Realität die Verhaltensweisen eines Betriebsleiters aufgrund<br />

multipler Zielstrukturen, unvollkommener Information und individueller Risikoeinstellungen<br />

jedoch wesentlich komplexer sind, wurde mit der positiven mathematischen Programmierung<br />

(PMP) gearbeitet (30; 31). Bei dieser Methode werden ergänzende Informationen<br />

aus den Beobachtungsdaten in die Zielfunktion aufgenommen. Aus den beobachteten<br />

Produktionsstrukturen des Basisjahres werden mittels Kalibrierungsbeschränkungen<br />

implizite Kosten und Leistungen ermittelt, die als nichtlineare Terme in die Zielfunktion<br />

aufgenommen werden.<br />

Gemäß cypRis (13) wird bei dem PMP-Ansatz in einem ersten Schritt die Optimierung<br />

mit Hilfe von Kalibrierungsbeschränkungen dazu gezwungen, die in der Realität<br />

beobachteten Produktionsstrukturen abzubilden. Auf den Kalibrierungsbeschränkungen<br />

können Dualwerte (Schattenpreise) abgelesen werden. Die Dualwerte informieren dar<strong>über</strong><br />

wie „teuer“ die Realisierung der beobachteten Strukturen im Vergleich zu den optimalen<br />

Strukturen laut Modellspezifikation ist. Annahmegemäß werden so die Kosten- und Leistungsstrukturen<br />

quantifiziert, die in der Realität abweichend zur Basis-Spezifikation des<br />

Modells bestehen. Diese auch impliziten Kosten und Leistungen werden als zusätzliche,<br />

nichtlineare Terme, als Kalibrierungsterme, in die Zielgleichung aufgenommen. Mit Hilfe<br />

dieser Kalibrierungsterme kann das Modell reale Produktionsprogramme reproduzieren.<br />

Dadurch nimmt die positive mathematische Programmierung eine Mittelstellung zwischen<br />

normativen Optimierungsmodellen und positiven ökonometrischen Methoden ein (13).<br />

Vergleichende Studien von mann et al. (41) haben gezeigt, dass PMP-basierte Optimierungsmodelle<br />

ein verhältnismäßig stetiges und realistisches Angebotsverhalten aufweisen,<br />

während ohne die PMP-Methode das Prognoseverhalten der Modelle oftmals realitätsfern<br />

und sprunghaft ist.<br />

Eine dynamische Modellstruktur ermöglicht, dass neben Produktionsentscheidungen<br />

auch technisch auf Langfristigkeit angelegte Entscheidungen wie etwa der Bau von Stallgebäuden<br />

modelliert werden können (14; 36; 4). Der Planungszeitraum des Sektormodells<br />

deckt mittlerweile die Jahre 2001 bis 2011 ab. In der Zielfunktion des Modells werden<br />

nur die im Planungszeitraum anfallenden jährlichen Fixkosten für Ersatz- und Neuinvestitionen<br />

berücksichtigt. Aus diesem Grund sind die Fixkosten zu Beginn der Planungsperiode<br />

nicht entscheidungsrelevant. Bei mittel- bis langfristigen Berechnungen fallen die<br />

Kosten für Ersatz- und Neuinvestitionen dagegen stärker ins Gewicht. Die vorliegenden<br />

Berechnungen, die sich auf das Jahr 2002 beziehen, beinhalten deshalb nicht die vollen<br />

Fixkosten, sondern nur jene, die im ersten Planungsjahr 2002 aufgrund von Ersatz- und<br />

Neuinvestitionen anfallen. Deshalb ist es nicht möglich, die Modellergebnisse auf einen<br />

längerfristigen Planungszeitraum zu <strong>über</strong>tragen.<br />

Die flächen- und tierbezogenen Direktzahlungen sind direkt an die pflanzlichen und<br />

tierischen Produktionsaktivitäten geknüpft und bilden in der Zielfunktion neben den<br />

Markterlösen eine wichtige Einnahmequelle.<br />

Das mathematische Modell lautet:


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

unter der Bedingung<br />

Z = Zielfunktionswert<br />

P = Vektor der Produktpreise<br />

D = Vektor der Direktzahlungen<br />

V = Vektor der Investitionskosten<br />

X = Vektor der Produktionsaktivitäten (Kultur- und Tierarten)<br />

u = Vektor der Investitionsaktivitäten (Stallgebäude und Maschinen)<br />

y = Vektor der Zu- und Verkaufsaktivitäten<br />

c = Vektor der variablen Kosten der Produktionsaktivitäten<br />

a = Koeffizientenmatrix Anspruch der Produktionsaktivitäten an der Kapazität<br />

e = Koeffizientenmatrix Investitionsbedarf der Produktionsaktivitäten<br />

b = Vektor der verfügbaren Kapazitäten<br />

Q = Matrix der PMP-Terme<br />

θ = Kehrwert aus den Abschreibungszeiträumen<br />

j = 1...n (Anzahl der Produktionsaktivitäten)<br />

i = 1...m (Anzahl der Zukauf- und Verkaufsaktivitäten<br />

k = 1...r (Anzahl der Investitionsaktivitäten)<br />

t = 1...11 (Anzahl der Jahre)<br />

t-1 = Vorjahr<br />

z = 1...8 (Anzahl der Zonen)<br />

Um den großen Unterschieden in den Standortbedingungen des Schweizer Agrarsektors<br />

Rechnung zu tragen, ist das Modell regional in 8 Produktionszonen unterteilt, die nach<br />

erschwerenden Produktions- und Lebensbedingungen abgegrenzt sind (5). Vorteilhaft ist<br />

diese regionale Einteilung auch deshalb, weil sich das schweizerische Direktzahlungssystem,<br />

das durch regional abgestufte Direktzahlungsansätze und Beitragsrestriktionen<br />

gekennzeichnet ist, sehr detailgetreu modellieren lässt.<br />

Im Modell ist der landwirtschaftliche Sektor nach dem Konzept der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen<br />

Gesamtrechnung abgegrenzt (vgl. 7). Innerhalb des Sektors werden sämtliche Verflechtungsbeziehungen<br />

bei der Produktions-, Vorleistungs- und Produktionsfaktorentstehung<br />

und -verwendung abgebildet (vgl. 33). Die Einkommen werden regionsspezifisch<br />

nach der Methode der <strong>Landwirtschaft</strong>lichen Gesamtrechnung ermittelt. Die regionalen<br />

In- und Outputmengen berechnen sich aus der Produktionsstruktur und den dazugehörigen<br />

Technologien. Für die Einkommensermittlung werden diese monetär bewertet.<br />

Das Sektormodell SILAS optimiert die landwirtschaftliche Produktion mit den vorgegebenen<br />

Produktpreisen für das Jahr 2002. Eine modellendogene Schätzung der Marktpreise<br />

in Abhängigkeit von der Nachfrage nach Nahrungsmitteln und eine Optimierung<br />

des Angebotes mit Gleichgewichtspreisen ist nicht möglich. Für die ex-post-Wirkungsanalyse<br />

der allgemeinen Direktzahlungen wurden die im Jahr 2002 realisierten Durchschnittspreise<br />

für landwirtschaftliche Produkte und Betriebsmittel vorgegeben.<br />

Datengrundlagen für die mehrheitlich regionsspezifischen In- und Outputkoeffizienten<br />

der pflanzlichen und tierischen Produktionsaktivitäten bilden die Buchhaltungsdaten der<br />

FAT sowie arbeitswirtschaftliche und technische Normdaten. Im Rahmen der Datenaufbereitung<br />

erfolgt eine Konsistenzprüfung aller regionalen Koeffizienten mit den Werten aus<br />

43


44 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

der Sektorstatistik (vgl. 33). Für längerfristige Prognosen wurden Expertenbefragungen in<br />

der Bundesverwaltung bezüglich der Entwicklung der Produkt- und Faktorpreise durchgeführt.<br />

Diese Vorgehensweise erscheint zulässig, da die Preisbildung bei den wichtigsten<br />

landwirtschaftlichen Produkten in hohem Maße von marktstützenden und zollpolitischen<br />

Maßnahmen beeinflusst wird. Die Variablen, hinsichtlich der Entwicklung des technischen<br />

Fortschritts, werden mittels Trendfortschreibung prognostiziert. Modellergebnisse sind<br />

die Flächennutzung und Produktionsstruktur des Schweizer Agrarsektors, der Faktoreinsatz,<br />

Ökoindikatoren für die Umweltwirkungen sowie das Einkommen auf regionaler und<br />

sektoraler Ebene.<br />

Einschränkend muss eingewendet werden, dass aufgrund der kurzfristigen Betrachtungsweise<br />

im rekursiv dynamischen Modell die fixen Kosten nur beschränkt berücksichtigt<br />

sind. Eine weitere Einschränkung der Modellergebnisse ergibt sich durch die Modellierung<br />

mit Regionshöfen. Bei diesen wird eine vollkommene Mobilität der Produktionskapazitäten<br />

unterstellt, die in der Realität aufgrund der bestehenden Betriebsstrukturen<br />

nicht vorhanden ist. Da keine betrieblichen Strukturen in SILAS modelliert werden, können<br />

auch keine Anpassungsreaktionen auf betrieblicher Ebene mit dem Modell abgebildet<br />

werden. Ferner muss einschränkend bemerkt werden, dass gerade in der Bergregion keine<br />

realen Transportwege vom Hof zum Feld und keine unterschiedlichen Hanglagen modelliert<br />

werden. Diese, die Produktionskosten beeinflussenden, Standortfaktoren können in<br />

der Realität jedoch bei einer Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen dar<strong>über</strong><br />

entscheiden, ob zukünftig die Flächen noch weiter bewirtschaftet oder aufgegeben<br />

werden. Dies führt dazu, dass die Nutzungsaufgabe in entlegenen Gebieten etwas unterschätzt<br />

sein kann. Die Vorgabe der Preise für landwirtschaftliche Produkte und Betriebsmittel<br />

bewirkt, dass eventuelle Gleichgewichtspreisänderungen, die durch eine Zu- oder<br />

Abnahme der Angebotsmenge verursacht werden, nicht in den Optimierungsrechnungen<br />

berücksichtigt werden können. Dies hat zur Folge, dass mit dem Angebotsmodell Produktionssteigerungen<br />

etwas <strong>über</strong>schätzt, während Produktionssenkungen etwas unterschätzt<br />

werden.<br />

6 Berechnungsvarianten für die sektoralen Analysen<br />

Die Analyse erfolgt ex-post für das Jahr 2002. Das heißt, es wird rückwirkend untersucht,<br />

ob die gesellschaftlichen Ziele gemessen an den in Tabelle 1 dargestellten Zielindikatoren<br />

auch erfüllt worden wären, wenn die allgemeinen Direktzahlungen nur teilweise oder gar<br />

nicht ausgerichtet worden wären. Überall dort, wo die politischen Ziele auch ohne oder<br />

mit deutlich weniger Direktzahlungen hätten erreicht werden können, muss im Nachhinein<br />

konzediert werden, dass Effizienzpotenziale ungenutzt blieben.<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Für die Wirkungsanalyse werden die allgemeinen Direktzahlungen wie folgt variiert:<br />

Referenzvariante (Ref): Allgemeine Direktzahlungen gemäß AP 2002.<br />

RGVE-Beitrag -100 %: Änderung des RGVE-Beitrags um -100 %.<br />

FB -100 %: Änderung des allgemeinen Flächenbeitrags um -100 %.<br />

TEP-Beitrag -100 %: Änderung des TEP-Beitrags um -100 %.<br />

RGVE-Beitrag u. FB -100 %: Änderung des Flächenbeitrags gemäß Art. 27 der Direktzahlungsverordnung<br />

und des RGVE-Beitrags um -100 %.<br />

Die Varianten wurden so konzipiert, dass die grundsätzlichen sektoralen Wirkungen der<br />

allgemeinen Direktzahlungen erforscht werden können. Da diese modellmäßig am besten<br />

sichtbar werden, wenn sie bei den Berechnungen ein- und ausgeschaltet werden, wurden<br />

Varianten mit und ohne allgemeine Direktzahlungen definiert. Die Modellwirkungen der<br />

einzelnen Beiträge werden aus der Differenz zum Modellergebnis mit allen Beiträgen<br />

(Referenzvariante) abgeleitet. Durch die Analyse der gleichzeitigen Änderung der beiden


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

kostenaufwändigsten Beiträge um minus 100 % in einem zweiten Arbeitsschritt werden<br />

Schlussfolgerungen <strong>über</strong> die kumulative Wirkung der Beiträge möglich.<br />

7 Modellergebnisse<br />

7.1 Wirkungsanalyse von RGVE-Beiträgen<br />

Die in Tabelle 2 wiedergegebenen Modellrechnungen zeigen sehr deutlich, dass in den<br />

Varianten ohne RGVE-Beiträge (RGVE-Beitrag -100 %) der Tierbestand zur Fleischproduktion<br />

auf Raufutterbasis (Mutterkühe, Schafe und Ziegen) bedeutend niedriger ist als in<br />

der Referenzvariante (Ref) mit RGVE-Beiträgen. In der Variante „RGVE-Beitrag -100 %“<br />

ist beispielsweise die Mutterkuhhaltung in der Talregion (TR) und Hügelregion (HR) nicht<br />

mehr wettbewerbsfähig (-94 % v. Ref in TR, -91 % v. Ref in HR). Ferner geht die Großviehmast<br />

auf Raufutterbasis in dieser Variante deutlich zurück (-23 % v. Ref in TR, -8 %<br />

v. Ref in HR). In den Modellergebnissen für die Bergregion ist der Bestandsrückgang<br />

etwas geringerer als in der Talregion, da dort Raufutterverzehrer noch TEP-Beiträge als<br />

Ausgleich für die erschwerenden Produktionsbedingungen erhalten. Bei den Tierbeständen,<br />

welche nicht RGVE-beitragsberechtigt sind, ergeben sich keine Unterschiede zwischen<br />

den Varianten mit und ohne RGVE-Beiträge. Weder die vom Modell ermittelten<br />

Schweine-, Geflügel- und Milchviehbestände unterscheiden sich in den verschiedenen<br />

Varianten.<br />

Insgesamt zeigen die Modellergebnisse, dass die RGVE-Beiträge vor allem in der Tal-<br />

und Hügelregion sehr zielgerichtet gewirkt haben, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Rindfleischproduktion auf Raufutterbasis <strong>über</strong>haupt erst sicherstellen. In der Bergregion<br />

leisteten die RGVE-Beiträge zwar einen geringeren Beitrag zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit<br />

als in den anderen beiden Regionen, die Zielkonformität der Beiträge<br />

war jedoch auch dort gewährleistet.<br />

In den Modellrechnungen beeinflussen die RGVE-Beiträge die genutzte Fläche nur<br />

geringfügig. Verglichen mit der Referenzvariante wird die landwirtschaftliche Nutzfläche<br />

auch in den Varianten ohne RGVE-Beiträge flächendeckend bewirtschaftet. Daraus ist zu<br />

schließen, dass die RGVE-Beiträge im Jahr 2002 keinen signifikanten Beitrag zum Ziel<br />

der flächendeckenden Nutzung der Kulturlandschaft geleistet haben. Der im Durchschnitt<br />

um rund 10 % niedrigere Tierbestand in den Varianten ohne RGVE-Beiträge bewirkt, dass<br />

in allen Regionen weniger Grünlandfläche für die Fütterung benötigt wird. In der Talregion<br />

wird aus diesem Grund Grünlandfläche in offene Ackerfläche umgewandelt. Wegen<br />

den im Jahr 2002 verhältnismäßig hohen Preisen für pflanzliche Produkte nimmt der Getreideanbau<br />

in den Varianten ohne RGVE-Beiträge zu. In der Hügel- und Bergregion wird<br />

in den Varianten ohne RGVE-Beiträge die Raufutterproduktion durch eine extensivere<br />

Nutzung des Grünlands stark reduziert. Aus diesem Grund steigt die Öko-Ausgleichsfläche<br />

in den Varianten ohne RGVE-Beiträge im Vergleich zur Referenzvariante um bis zu<br />

47 %. Die Modellrechnungen ergeben somit, dass die Beiträge eine Teilnahme am Ökoausgleich<br />

eher hemmen als fördern. Insgesamt machen diese Extensivierungstendenzen<br />

aber deutlich, dass sich ohne RGVE-Beiträge im Berggebiet eine starke Tendenz hin zu<br />

einer reinen Pflegelandwirtschaft ergeben würde.<br />

Dass die RGVE-Beiträge im Jahr 2002 eher kontraproduktiv auf das Ziel der „Erhaltung<br />

und Pflege der Kulturlandschaft und des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen“<br />

gewirkt haben, zeigt der Parameter „Umfang der Bio-Fläche“. In den Varianten ohne<br />

RGVE-Beiträge ist die Bio-Fläche bedeutend höher als in der Referenzvariante. Solche<br />

Zielkonflikte können durchaus auch bei anderen Direktzahlungsarten auftreten, werden<br />

hier aber besonders plastisch.<br />

45


46 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

Die Einkommensberechnungen in den Varianten ohne RGVE-Beiträge ergeben sehr<br />

unterschiedliche regionale Wirkungen. In der Talregion werden die geringeren Direktzahlungen<br />

durch Kosteneinsparungen im Tierhaltungsbereich, Erlöszuwächse im Ackerbau<br />

und höhere Ökobeiträge vollständig kompensiert. Allerdings kann das Modell eventuelle<br />

Preissenkungen im pflanzlichen Bereich aufgrund der Produktionssteigerungen nicht<br />

implizieren, weshalb die Einkommenssteigerungen tendenziell etwas <strong>über</strong>schätzt sein<br />

können. In der Bergregion ist das Nettounternehmenseinkommen in den Varianten ohne<br />

RGVE-Beiträge bedeutend geringer als in der Referenzvariante, da dort grundsätzlich<br />

weniger Produktionsalternativen zur Rindfleischproduktion auf Raufutterbasis für eine<br />

Beitragskompensation zur Verfügung stehen. Aus den Modellrechnungen kann insgesamt<br />

abgeleitet werden, dass die RGVE-Beiträge in der Tal- und Hügelregion keinen nachweisbaren<br />

Beitrag zu den Zielen „vergleichbare Einkommen“ und „dezentrale Besiedelung“<br />

geleistet haben. In der Bergregion kann dagegen auf einen positiven Beitrag zur Erhaltung<br />

der dezentralen Besiedelung geschlossen werden, wenn man einen Zusammenhang zwischen<br />

steigenden Einkommen und der Erhaltung der dezentralen Besiedelung unterstellt.<br />

Agrarpolitische<br />

Ziele<br />

Sichere<br />

Versorgung<br />

Erhaltung der<br />

Lebensgrundlagen<br />

und Pflege<br />

der Kulturlandschaft<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

der<br />

Milch- und<br />

Fleischproduktion<br />

auf Raufutterbasis<br />

Vergleichbare<br />

Einkommen,<br />

Dezentrale<br />

Besiedelung<br />

Tabelle 2. Wirkungsanalyse der RGVE-Beiträge<br />

Indikatoren Einheit<br />

Ref<br />

Talregion (TR) Hügelregion (HR) Bergregion (BR)<br />

Ref RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Offene Ackerfläche ha 243 785 +7 % 44 819 +16 % 3 896 +15 %<br />

Landw. Nutzfläche % v. LN 100 - 100 - 100 -<br />

Öko-Fläche % v. LN 11 +9 % 16 +47 % 21 +34 %<br />

ÖLN- +Bio-Fläche % v. LN 96 - 97 - 96 -<br />

Bio-Fläche % v. LN 4 - 9 +14 % 23 +16 %<br />

Mutterkühe GVE 23 166 -94 % 24 890 -91 % 51 274 -24 %<br />

Großviehmast GVE 65 113 -23 % 26 447 -8 % 22 108 -7 %<br />

Schafe und Ziegen GVE 4 559 -81 % 534 -87 % 20 076 -58 %<br />

Milchkühe GVE 244 444 -1 % 190 065 -5 % 131 166 -1 %<br />

Schweine GVE 181 605 - 89 436 - 26 918 -<br />

Geflügel GVE 19 389 - 9 869 - 3 654 -<br />

Bruttowertschöpfung Mio Fr. 2 593 - 812 -4 % 389 -5 %<br />

Subventionen Mio Fr. 986 -3 % 653 -6 % 836 -17 %<br />

Nettounternehmenseinkommen<br />

Mio Fr. 1 934 +3 % 786 -1 % 642 -22 %<br />

7.2 Wirkungsanalyse von Flächenbeiträgen<br />

Die Flächenbeiträge zeigen im Modell sehr unterschiedliche regionale Wirkungen. In der<br />

Tal- und Hügelregion ist die Flächenrentabilität in der Variante ohne Flächenbeiträge zwar<br />

bedeutend niedriger, allerdings sinkt sie nicht unter die ökonomische Bewirtschaftungsschwelle.<br />

Gemäß den Modellrechnungen (und, wie erwähnt, unter Nichtbeachtung der<br />

Grenzertragsstandort-Problematik) liegt in der Tal- und Hügelregion die gesamte land-


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

wirtschaftliche Nutzfläche auch ohne Flächenbeiträge noch oberhalb der ökonomischen<br />

Bewirtschaftungsschwelle. Ohne die Beiträge ist allerdings die offene Ackerfläche um<br />

rund 22 000 ha niedriger als in der Referenzvariante mit den Flächenbeiträgen. Die für<br />

eine sichere Versorgung angenommene notwendige offene Ackerfläche von 250 000 ha<br />

ist jedoch auch in der Variante ohne Flächenbeiträge nicht unterschritten. Konflikte, mit<br />

dem Ziel der sicheren Versorgung der Bevölkerung, können aus den Modellergebnissen<br />

nicht abgeleitet werden.<br />

Natürlich ist die Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen auch immer in hohem<br />

Maße abhängig von der Höhe der Opportunitätskosten für familieneigene Arbeitskräfte.<br />

Dieses Problem wird im Modell SILAS-dyn durch Einsatz der PMP-Methode umgangen,<br />

indem keine expliziten Opportunitätskosten eingesetzt werden, sondern jene Opportunitätskosten<br />

(Schattenpreise) zugrunde gelegt werden, die aus den in der Realität beobachteten<br />

Produktionsstrukturen ablesbar sind. Diese spiegeln das heutige Produktionsverhalten<br />

der Landwirte wider.<br />

Die Ergebnisse für die Bergregion zeigen, dass in der Variante ohne die Flächenbeiträge<br />

eine flächendeckende Bewirtschaftung nicht mehr gewährleistet ist. Rund 4 % der<br />

Nutzfläche bzw. 20 % der Weidefläche scheiden in der Variante ohne Flächenbeiträge<br />

aus der Nutzung aus. Im Modell werden gerade die Weideflächen nicht mehr genutzt, da<br />

diese nur Anspruch auf die Flächenbeiträge haben und ansonsten keine weiteren Beiträge<br />

(Ökobeiträge oder Hangbeiträge) erhalten. Werden <strong>über</strong>haupt keine Direktzahlungen mehr<br />

für Weideflächen in der Bergregion ausgerichtet, geht die Nutzung zurück. Die Modellergebnisse<br />

ohne Flächenbeiträge weisen auch eine niedrigere Ökoausgleichs- und Bio-<br />

Fläche auf. Für die Talregion ergibt sich in den Varianten ohne Flächenbeiträge vor allem<br />

eine niedrige Bio-Fläche als in der Referenzvariante. In der Bergregion geht die Öko-<br />

Ausgleichsfläche in den Flächenbeitragsvarianten zurück. Der Rückgang der nach den<br />

Richtlinien des ÖLN bewirtschafteten Fläche und damit auch der Ökoausgleichsfläche<br />

ergibt sich in den Modellvarianten ohne Flächenbeiträge, da dort die an die allgemeinen<br />

Direktzahlungen gebundenen ÖLN-Auflagen in geringerem Umfang wirksam werden.<br />

Insgesamt kann aus den Modellergebnissen abgeleitet werden, dass sich die Flächenbeiträge<br />

im Jahr 2002 im Grossen und Ganzen positiv auf das Ziel der „Erhaltung der<br />

Lebensgrundlagen und Pflege der Naturlandschaft“ ausgewirkt haben. In der Talregion<br />

haben die Flächenbeiträge im Jahr 2002 keinen signifikanten Beitrag zur flächendeckenden<br />

Bewirtschaftung geleistet; in der Bergregion haben sie dagegen die flächendeckende<br />

Bewirtschaftung sichergestellt.<br />

Die Flächenbeiträge haben im Jahr 2002 in der Realität wie im Modell einen vergleichsweise<br />

hohen Anteil am Einkommen ausgemacht. In den Varianten ohne Flächenbeiträge<br />

geht das Nettounternehmenseinkommen um 36 % (TR) bis zu 52 % (BR) zurück.<br />

Insgesamt zeigen die sektoralen Einkommensberechnungen, dass gerade die Flächenbeiträge<br />

eine zentrale Rolle bei der Einkommenssicherung gespielt haben. Zu vermuten ist<br />

auch, dass von den Flächenbeiträgen positive Effekte auf die Erhaltung der dezentralen<br />

Besiedelung ausgegangen sind.<br />

Die Auswirkungen auf die Entwicklung der Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe<br />

können mit dem Sektormodell SILAS-dyn nicht modellendogen ermittelt werden, da<br />

keine betrieblichen Einheiten modelliert sind. Allerdings wurden im Anschluss an die<br />

Modellrechnungen statische Analysen durchgeführt, die veranschaulichen sollen, welche<br />

Auswirkungen ein verändertes Direktzahlungsregime auf die Zahl der Betriebe und die<br />

Betriebsgröße haben könnte. Unter der Annahme, dass die landwirtschaftlichen Betriebe<br />

auch zukünftig ein mit der Referenzvariante vergleichbares Einkommen anstreben, müsste<br />

die Zahl der Betriebe in den einzelnen Regionen gemäß dem Einkommensrückgang zurückgehen.<br />

In der Talregion würde dadurch die durchschnittliche Betriebsgröße von heute<br />

17 ha auf 26 ha steigen. In der Hügel- und Bergregion ergäbe sich ein Rückgang der Zahl<br />

47


48 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

der Betriebe um 42 % (HR) bzw. 52 % (BR). Umgerechnet auf die durchschnittliche Betriebsgröße<br />

würde in der Hügelregion die durchschnittliche Betriebsgröße von heute 15 ha<br />

auf 26 ha und in der Bergregion von 15 ha auf 30 ha steigen.<br />

Agrarpolitische<br />

Ziele<br />

Sichere<br />

Versorgung<br />

Erhaltung der<br />

Lebensgrundlagen<br />

und Pflege<br />

der<br />

Kulturlandschaft<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

der<br />

Milch- und<br />

Fleischproduktion<br />

auf<br />

Raufutterbasis<br />

Vergleichbare<br />

Einkommen,<br />

Dezentrale<br />

Besiedelung<br />

Tabelle 3. Wirkungsanalyse der Flächenbeiträge<br />

Indikatoren Einheit<br />

Ref<br />

Talregion (TR) Hügelregion (HR) Bergregion (BR)<br />

Ref Flächen-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref Flächen-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref Flächen-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Offene Ackerfläche ha 243 785 -8 % 44 819 -5 % 3 896 -7 %<br />

Landw. Nutzfläche % v. LN 100 - 100 - 100 -4 %<br />

Öko-Fläche % v. LN 11 -2 % 16 -4 % 21 -10 %<br />

ÖLN- +Bio-Fläche % v. LN 96 -10 % 97 -10 % 96 -5 %<br />

Bio-Fläche % v. LN 4 -25 % 9 -11 % 23 -9 %<br />

Mutterkühe GVE 23 166 +7 % 24 890 +7 % 51 274 -2 %<br />

Großviehmast GVE 65 113 +6 % 26 447 +3 % 22 108 -3 %<br />

Schafe und Ziegen GVE 4 559 +8 % 534 +145 % 20 076 -<br />

Milchkühe GVE 244 444 +3 % 190 065 +1 % 131 166 -1 %<br />

Schweine GVE 181 605 - 89 436 - 26 918 -<br />

Geflügel GVE 19 389 - 9 869 - 3 654 -<br />

Bruttowertschöpfung Mio Fr. 2 593 -1 % 812 +1 % 389 -1 %<br />

Subventionen Mio Fr. 986 -66 % 653 -50 % 836 -40 %<br />

Nettounternehmenseinkommen<br />

Mio Fr. 1 934 -36 % 786 -42 % 642 -52 %<br />

7.3 Kombinierte Wirkung der Flächen- und RGVE-Beiträge<br />

In der Variante ohne Flächen- und ohne RGVE-Beiträge haben sich im Modell die Wirkungen<br />

kumuliert bis verstärkt. Die Modellrechnungen zeigen, dass in der Tal- und Hügelregion<br />

im Jahr 2002 weder Flächen- noch RGVE-Beiträge für eine flächendeckende<br />

Bewirtschaftung notwendig sind. In der Bergregion steigt dagegen der Anteil der nicht<br />

mehr bewirtschafteten Fläche auf 7 %, was 30 % der Weiden entspricht. Beim Vergleich<br />

der Ergebnisse mit den Einzelwirkungen zeigt sich, dass die strukturellen Auswirkungen<br />

der Beiträge stark vom allgemeinen Förderniveau abhängen. Bei einem hohen Förderniveau<br />

wirkt sich eine Beitragskürzung strukturell stärker aus als bei einem tieferen Förderniveau.<br />

In der Variante ohne Flächen- und RGVE-Beiträge ergeben sich nur sehr geringfügige<br />

Änderungen bei der offenen Ackerfläche im Vergleich zur Referenzvariante. Allerdings<br />

werden in allen Regionen bedeutend weniger Tiere zur Fleischproduktion auf Raufutterbasis<br />

gehalten. Die nicht mehr benötigte Futterfläche wird gemäß den Modellrechnungen<br />

in Öko-Ausgleichsflächen umgewandelt, was sich positiv auf den Umfang der Öko-Ausgleichsflächen<br />

auswirkt. Die Ergebnisse machen allerdings auch deutlich, dass die beiden<br />

Beiträge eine Tendenz weg zur Produktion, hin zu einer reinen Pflegelandwirtschaft verhindern.<br />

Auf den Bereich „Umfang ÖLN- und Bio-Fläche“ wirken die Beiträge dagegen<br />

natürlich insofern zielgerichtet, dass diese einen starken Anreiz zur Teilnahme ausüben.<br />

Zum Versorgungsziel haben die Flächen- und RGVE-Beiträge dagegen sehr wenig bei-


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

getragen, da auch ohne diese Beiträge eine für Krisenfälle ausreichende offene Ackerfläche<br />

zur Verfügung gestanden hätte. Für die Einkommenssicherung und den Erhalt der<br />

dezentralen Besiedelung waren die beiden Beiträge dagegen förderlich. Insgesamt kann<br />

geschlussfolgert werden, dass die Flächenbewirtschaftung und das Versorgungsziel auch<br />

dann gewährleistet gewesen wäre, wenn der Bund andere Instrumente zur Einkommensstützung<br />

landwirtschaftlicher Haushalte gefunden hätte.<br />

Tabelle 4. Wirkungsanalyse der Flächenbeiträge und der RGVE-Beiträge<br />

Agrarpolitische<br />

Ziele<br />

Sichere<br />

Versorgung<br />

Erhaltung der<br />

Lebensgrundlagen<br />

und Pflege<br />

der Kulturlandschaft<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Milch-<br />

und Fleischproduktion<br />

auf<br />

Raufutterbasis<br />

Vergleichbare<br />

Einkommen,<br />

Dezentrale<br />

Besiedelung<br />

Indikatoren Einheit<br />

Ref<br />

Talregion (TR) Hügelregion (HR) Bergregion (BR)<br />

Ref FB u.<br />

RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref FB u.<br />

RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

49<br />

Ref FB u.<br />

RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref<br />

Offene Ackerfläche ha 243 785 - 44 819 +3 % 3 896 -7 %<br />

Landw. Nutzfläche % v. LN 100 - 100 - 100 -7 %<br />

Öko-Fläche % v. LN 11 +14 % 16 +50 % 21 +28 %<br />

ÖLN- +Bio-Fläche % v. LN 96 -8 % 97 -11 % 96 -17 %<br />

Bio-Fläche % v. LN 4 -24 % 9 +14 % 23 +10 %<br />

Mutterkühe GVE 23 166 -92 % 24 890 -87 % 51 274 -25 %<br />

Großviehmast GVE 65 113 -23 % 26 447 -8 % 22 108 -7 %<br />

Schafe und Ziegen GVE 4 559 -67 % 534 -87 % 20 076 -62 %<br />

Milchkühe GVE 244 444 -1 % 190 065 -4% 131 166 -2 %<br />

Schweine GVE 181 605 - 89 436 - 26 918 -<br />

Geflügel GVE 19 389 - 9 869 - 3 654 -<br />

Bruttowertschöpfung Mio Fr. 2 593 -1 % 812 -4 % 389 -6 %<br />

Subventionen Mio Fr. 986 -71 % 653 -57 % 836 -57 %<br />

Nettounternehmenseinkommen<br />

Mio Fr. 1 934 -33 % 786 -43 % 642 -73 %<br />

7.4 Wirkung der TEP-Beiträge<br />

Die TEP-Beiträge wirken sich in erster Linie auf den Tierbestand in der Hügel- und Bergregion<br />

aus. In der Variante ohne TEP-Beiträge ist dieser bedeutend niedriger als in der<br />

Referenzvariante mit TEP-Beiträgen.<br />

In der Bergregion fördern die Beiträge in erster Linie die Wettbewerbsfähigkeit der<br />

Rindfleischproduktion auf Raufutterbasis und zeigen somit eine ähnliche Wirkung wie<br />

die RGVE-Beiträge für Raufutterverzehrer. In der Hügelregion sind die Bestandeseffekte<br />

etwas geringer, da die Beitragssätze je Tier bedeutend niedriger sind. Die Modellergebnisse<br />

für die Bergregion zeigen, dass die TEP-Beiträge sich negativ auf Ökoindikatoren<br />

wie Ökoausgleichsfläche und Bio-Fläche auswirken. Insgesamt sind die Effekte mit denen<br />

einer Kürzung der RGVE-Beiträge vergleichbar. Eine Verminderung der Flächennutzung<br />

ist dagegen nicht festzustellen. Damit sind im Jahr 2002 von den TEP-Beiträgen keine positiven<br />

Effekte auf das Ziel einer flächendeckenden landwirtschaftlichen Nutzung ausgegangen.<br />

Die Einkommensminderungen sind allerdings in der Variante ohne TEP-Beiträge<br />

sehr hoch. Wird unterstellt, dass mit den hohen Einkommensbeiträgen vor allem soziale,


50 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

strukturelle und siedlungspolitische Ziele verfolgt werden, kann davon ausgegangen werden,<br />

dass die TEP-Beiträge zielgerichtet wirken. In der Hügelregion ist der Einkommensbeitrag<br />

bedeutend niedriger als in der Bergregion.<br />

Agrarpolitische<br />

Ziele<br />

Sichere<br />

Versorgung<br />

Erhaltung der<br />

Lebensgrundlagen<br />

und Pflege der<br />

Kulturlandschaft<br />

Wettbewerbsfähigkeit<br />

der Milch-<br />

und Fleischproduktion<br />

auf<br />

Raufutterbasis<br />

Vergleichbare<br />

Einkommen,<br />

Dezentrale<br />

Besiedelung<br />

Tabelle 5. Wirkungsanalyse der TEP-Beiträge<br />

Indikatoren Einheit<br />

Ref<br />

Talregion (TR) Hügelregion (HR) Bergregion (BR)<br />

Ref FB u.<br />

RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref FB u.<br />

RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref]<br />

Ref FB u.<br />

RGVE-<br />

Beitrag<br />

-100 %<br />

[% v.<br />

Ref<br />

Offene Ackerfläche ha 243 785 +1 % 44 819 +6 % 3 896 +8 %<br />

Landw. Nutzfläche % v. LN 100 - 100 - 100 -<br />

Öko-Fläche % v. LN 11 - 16 +17 % 21 +29 %<br />

ÖLN- +Bio-Fläche % v. LN 96 - 97 - 96 -<br />

Bio-Fläche % v. LN 4 - 9 +7 % 23 +12 %<br />

Mutterkühe GVE 23 166 +4 % 24 890 -2 % 51 274 -17 %<br />

Großviehmast GVE 65 113 +4 % 26 447 -8 % 22 108 -6 %<br />

Schafe und Ziegen GVE 4 559 +5 % 534 -45 % 20 076 -55 %<br />

Milchkühe GVE 244 444 - 190 065 -5 % 131 166 -2 %<br />

Schweine GVE 181 605 - 89 436 - 26 918 -<br />

Geflügel GVE 19 389 - 9 869 - 3 654 -<br />

Bruttowertschöpfung Mio Fr. 2 593 +1 % 812 -2 % 389 -7 %<br />

Subventionen Mio Fr. 986 - 653 -12 % 836 -25 %<br />

Nettounternehmenseinkommen<br />

Mio Fr. 1 934 +1 % 786 -7 % 642 -34 %<br />

8 Entwicklung der Transfereffizienz<br />

Um die Wirkung der Direktzahlungen auf das Nettounternehmenseinkommen noch plastischer<br />

darstellen zu können, wurde die Transfereffizienz ermittelt (15), die das Verhältnis<br />

von Direktzahlungen (DZ) und Nettounternehmenseinkommen NUE) weiter illustriert.<br />

Durch die Formel<br />

wird beschrieben, wie viele Franken zusätzliches Einkommen (bzw. Mindereinkommen)<br />

durch einen Franken zusätzliche Direktzahlungen generiert werden. Je höher dieser Wert<br />

liegt, desto effizienter scheint die entsprechende Maßnahme auf das Einkommensziel zu<br />

wirken.<br />

Die Ergebnisse werden in Abbildung 1 visualisiert. Insbesondere bei den RGVE-Beiträgen<br />

gibt es eine klare Abstufung der Transfereffizienz: Die Kürzungen hätten insbesondere<br />

in der Bergregion zu entsprechenden Einkommensverlusten geführt, während die<br />

Transfereffizienz in der Talregion vom Modell als negativ eingeschätzt wird. Eine ähnliche<br />

Abstufung zwischen Hügel- und Bergregion ist bei den TEP-Beiträgen zu beobachten. Die<br />

Flächenbeiträge hingegen sind in allen drei Regionen voll einkommenswirksam.


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

Abb. 1. Transfereffizienz der allgemeinen Direktzahlungen<br />

9 Schlussfolgerungen<br />

Eine normative Analyse der Wirkung der Direktzahlungen in der <strong>Landwirtschaft</strong> hat zweierlei<br />

zu leisten. In erster Linie ist zu prüfen, ob die durch die Politik postulierten Ziele<br />

mit den Direktzahlungen erreicht werden. Dar<strong>über</strong> hinaus kann hinterfragt werden, ob die<br />

im Einzelnen formulierten Ziele der Agrarpolitik in Übereinstimmung mit den <strong>über</strong>geordneten<br />

Zielen des Staates wie Effizienz, Gerechtigkeit und Freiheit (46) zu bringen sind.<br />

Im Hinblick auf die Effektivität der Maßnahmen können auf der vorhandenen Grundlage,<br />

<strong>über</strong> diese Aussagen hinaus, kaum Angaben <strong>über</strong> die Effizienz der Maßnahmen gemacht<br />

werden. Als weitere Einschränkung sollte festgehalten werden, dass die Ergebnisse in<br />

starkem Maße von heutigen Preisrelationen abhängig waren. Eine Verschiebung, etwa<br />

zwischen pflanzlichen und tierischen Produkten, hätte auch andere Modellergebnisse zur<br />

Folge.<br />

Besonders kritisch stellt sich die Beurteilung der Effektivität der Maßnahmen bei den<br />

an Tiere gebundenen Direktzahlungen dar. Die Analyse hat gezeigt, dass mit den tierbezogenen<br />

Beiträgen (RGVE-Beiträge und TEP-Beiträge) vor allem das Ziel der Sicherstellung<br />

der Wettbewerbsfähigkeit der Fleischproduktion auf Raufutterbasis erfüllt werden<br />

könnte. Dabei ist zu fragen, ob die Wettbewerbsfähigkeit eines Produktionszweiges, der<br />

auch bei aller Großzügigkeit nicht zu den ‚infant industries’ zählen kann, als staatspolitisches<br />

Ziel gelten darf. In der strukturpolitischen Literatur wird dies mit dem Hinweis<br />

darauf, dass nur Marktversagen staatliche Eingriffe legitimiert, eher verneint (53; 37).<br />

Auch Vorsorgestrategien für Zeiten gestörter Zufuhr stützen sich üblicherweise kaum auf<br />

tierische Produkte. In der Talregion ging von den RGVE-Beiträgen insgesamt sogar ein<br />

negativer Beitrag zur Erfüllung gesellschaftlicher Ziele (sichere Versorgung, Erhaltung<br />

und Pflege der Kulturlandschaft, Einkommenssicherung und dezentrale Besiedelung) aus.<br />

Während auch die Transfereffizienz in der Hügelregion insbesondere bei den RGVE-Bei-<br />

51


52 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

trägen unbefriedigend ist, kann nur für die Bergregion attestiert werden, dass die tierbezogenen<br />

allgemeinen Beiträge Wirkungen bei der Einkommenssicherung und damit<br />

der dezentralen Besiedelung haben. Das Ziel der Einkommenssicherung kann aufgrund<br />

der kritischen sozialen Situation der schweizerischen <strong>Landwirtschaft</strong> (50) mit Einschränkungen<br />

akzeptiert werden.<br />

Die Analyse der Wirkungen der allgemeinen Flächenbeiträge hat gezeigt, dass diese<br />

Maßnahmen in der Vergangenheit kaum auf die Struktur der Flächennutzung, sondern fast<br />

ausschließlich auf das landwirtschaftliche Einkommen gewirkt haben. Dies ist einerseits<br />

in Hinblick auf die WTO-Verhandlungen positiv zu beurteilen, denn nun kann argumentiert<br />

werden, dass die flächengebundenen Direktzahlungen weitgehend produktionsunabhängig<br />

sind. Andererseits ist zu fragen, ob sich die Effizienz und vor allem die Gerechtigkeit<br />

des Systems nicht erhöhen ließe, wenn man die Transfers von der Flächenausstattung<br />

der Betriebe entkoppeln würde. Bei dieser Fragestellung darf allerdings die bestehende<br />

Cross Compliance, d. h. die Bindung der Direktzahlungen an ökologische Auflagen, nicht<br />

vernachlässigt werden.<br />

Immerhin lässt sich grundsätzlich festhalten, dass das derzeitige Direktzahlungssystem<br />

eine <strong>Landwirtschaft</strong> ermöglicht, die im internationalen Vergleich durch sparsamen<br />

Faktoreinsatz und strenge ökologische und ethologische Auflagen behutsam mit natürlichen<br />

Ressourcen umgeht. Die zukünftige agrarökonomische Forschung sollte sich auf<br />

die Frage konzentrieren, ob vergleichbare Wirkungen auch mit geringerem Mitteleinsatz<br />

erzielt werden könnten.<br />

Zusammenfassung<br />

Mittels des Optimierungsmodells SILAS-dyn wird ex-post ermittelt, wie sich die allgemeinen Direktzahlungen<br />

für die Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong> auf die agrarpolitischen Ziele wie Einkommenssicherung,<br />

flächendeckende Bewirtschaftung und Ressourcenschutz ausgewirkt haben. Im Ergebnis<br />

sind deutliche Unterschiede zwischen den pro Tier und den pro Fläche ausgezahlten Beiträgen<br />

festzustellen. Die pro Tier ausbezahlten Beiträge tragen in erster Linie zur vermehrten Produktion<br />

im Vergleich zu einer Situation ohne Stützung bei, während die Flächenbeiträge vor allem eine einkommenssichernde<br />

Wirkung haben.<br />

Summary<br />

How do the general direct payments affect Swiss agriculture?<br />

Using the SILAS-dyn optimisation model we are able to determine ex post facto how the general<br />

direct payments to Swiss agriculture producers have affected agricultural policy objectives such<br />

as income support, area-wide cultivation and resource conservation. The results show distinct differences<br />

between the premia paid per animal and per area. The payments per animal contribute first<br />

and foremost to increasing production as compared to a situation without support whereas the premia<br />

per hectare primarily secure farm income.<br />

Résumé<br />

Effets des paiements directs généraux dans l’agriculture suisse<br />

A l’aide du modèle d’optimisation SILAS-dyn, une étude ex post a été réalisée afin de savoir quels<br />

ont été les effets des paiements directs généraux attribués à l’agriculture suisse sur les objectifs de<br />

la politique agricole, tels que la garantie des revenus, l’exploitation de l’ensemble du territoire et la<br />

protection des ressources. Le résultat met à jour des différences très nettes entre les contributions versées<br />

en fonction du nombre d’animaux et celles versées en fonction de la surface. Les contributions<br />

versées en fonction du nombre d’animaux provoquent avant tout une augmentation de la production<br />

par rapport à une situation sans soutien économique, tandis que les contributions à la surface servent<br />

essentiellement à garantir les revenus.


Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

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53


54 Gabriele Mack und Stefan Mann<br />

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Wie wirken die allgemeinen Direktzahlungen in der Schweizer <strong>Landwirtschaft</strong>?<br />

Fußnoten<br />

1) Als Direktzahlungen werden alle Zahlungen bezeichnet, welche direkt zum Empfänger gelangen<br />

und an keinen Produktpreis gebunden sind (11).<br />

2) Damit der Nachweis erbracht ist, muss die Düngerbilanz ausgeglichen und ein Mindestanteil<br />

an ökologischen Ausgleichsflächen vorhanden sein, eine geregelte Fruchtfolge, ein geeigneter<br />

Bodenschutz obendrein eine gezielte Anwendung von Pflanzenbehandlungsmitteln bestehen.<br />

3) An Flächenbeiträgen werden 1200 Fr. pro Hektar Grünland, für Acker- und Dauerkulturfläche<br />

werden 1600 Fr. gezahlt. Die Beiträge sind in allen Zonen gleich hoch.<br />

4) An RGVE-Beiträgen werden 900 Fr. pro Rinder- und Pferde-Grossvieheinheit sowie für Milchziegen<br />

und Milchschafe (ebenfalls pro GVE) ausgerichtet. Für die meisten anderen Raufutterverzehrer<br />

werden 400 Fr./GVE gezahlt. Die Beiträge sind in allen Zonen gleich hoch.<br />

5) In differenzierter Abstufung betragen die Beiträge für die Tierhaltung unter erschwerenden<br />

Produktionsbedingungen (TEP-Beiträge) in der Hügelzone 260 Fr./GVE, in der Bergzone IV<br />

1190 Fr./GVE. Beiträge werden für höchstens 20 RGVE pro Betrieb ausgerichtet.<br />

6) Je nach Hangneigung werden ab einer Neigung von 18 % 370 – 510 Fr./ha Hangbeitrag gezahlt.<br />

Auf Rebflächen sind die Ansätze deutlich höher, werden allerdings erst ab 30 % Hangneigung<br />

gezahlt.<br />

7) Die Hügel- und Bergregion sind bei den Produktionsbedingungen gegen<strong>über</strong> der Talregion benachteiligt<br />

aufgrund der kürzeren Vegetationszeit, der teueren Bewirtschaftung von Hanglagen<br />

und des höheren Arbeitszeitaufwandes infolge ungünstigerer Verkehrslagen (6).<br />

8) Bewirtschaftung erfolgt nach den Prinzipien des ökologischen Leistungsnachweises.<br />

9) Futtermittel, die nicht auf Raufutter basieren.<br />

Autorenanschrift: Dr. gaBRiele macK und Dr. steFan mann, Forschungsanstalt Agroscope,<br />

Reckenholz-Tänikon (ART), 8356 Ettenhausen, Schweiz<br />

gabriele.mack@art.admin.ch<br />

55


56<br />

Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen<br />

optimalen pH-Wertes im Boden – Grundvoraussetzung für<br />

eine effektive und umweltverträgliche Pflanzenproduktion<br />

Von Manfred Kerschberger und gerhard MarKs, Jena<br />

1 Einleitung<br />

Ein geordneter Kalkversorgungszustand des Bodens ist wesentliche Voraussetzung für<br />

einen erfolgreichen Pflanzenbau. Der Kalkgehalt des Bodens beeinflusst alle für das Pflanzenwachstum<br />

relevanten Faktoren und bestimmt insofern erstrangig den Bodenfruchtbarkeitszustand.<br />

Als Abgleich zur Bewertung der gegebenen Kalkversorgung im Boden hat<br />

sich die Untersuchung auf den pH-Wert des Bodens seit Jahrzehnten für die Düngergabenbemessung<br />

in der landwirtschaftlichen Praxis bewährt. Der Bedeutung entsprechend<br />

wird auf der Grundlage von Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und Düngemittelgesetz<br />

(DüMG) für die landwirtschaftliche Bodennutzung im Rahmen der Düngeverordnung<br />

(DüV) auf die Untersuchung des pH-Wertes im Boden besonderer Wert gelegt (1; 2; 3).<br />

Hier ist bei der Ermittlung des Kalkdüngerbedarfs für jeden Schlag oder jede Bewirtschaftungseinheit<br />

der Kalkgehalt oder die Bodenreaktion (pH-Wert) zu berücksichtigen. Die<br />

Verantwortung des Staates um die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit, insbesondere auch<br />

für zukünftige Generationen, ist hiermit ausdrücklich bestätigt.<br />

Die regelmäßige Ausbringung von Kalkdüngern zur Regulierung der Bodenreaktion<br />

ist in der <strong>Landwirtschaft</strong> seit jeher üblich und fester Bestandteil der guten fachlichen<br />

Praxis. Die Kalkung wirkt der unter unseren Boden- und Klimabedingungen gegebenen<br />

natürlichen Bodenversauerung entgegen und dient somit der Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.<br />

Eine ausreichende Kalkversorgung lässt sich in ihrem Einfluss auf den Boden in<br />

drei grundlegende Wirkungsbereiche aufgliedern.<br />

2 Grundlegende Wirkungsbereiche der Kalkversorgung<br />

2.1 Physikalische Wirkung<br />

In dem ständig ablaufenden Prozess der Bodenentwicklung ist die Tonbildung ein wichtiger<br />

Vorgang. Die Tonkolloide mit ihren günstigen Eigenschaften wie z. B. dem Basenaustausch<br />

werden aber im Wesentlichen nur entstehen, wenn beim Zerfall von primären<br />

Tonmineralien auch ausreichend Ca-Ionen im Boden vorhanden sind und somit Kieselsäure<br />

(SiO 2 ) und Tonerde (Al 2 O 3 ; Fe 2 O 3 ) sich gegenseitig ausfällen und damit sekundäre<br />

Tonminerale bilden.<br />

Ca-Ionen stabilisieren das Bodengefüge, sind strukturbildend und für die Entstehung<br />

von Ton-Humus-Komplexen unentbehrlich. Wasseraufnahme und Wasserspeicherungsvermögen<br />

werden erhöht, Verschlämmungs- und Erosionsgefahr vermindert. Die Tragfähigkeit<br />

des Bodens wird verbessert – die Verdichtungsneigung nimmt ab. Böden mit<br />

optimalem pH-Wert trocknen schneller ab und lassen sich leichter bearbeiten. Tonbildung<br />

wird begünstigt und Tonverlagerung vermindert.<br />

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Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

2.2 Chemische Wirkung<br />

Die zugeführten Ca-Ionen neutralisieren sowohl die im Boden entstehenden als auch die<br />

zugeführten Säuren. Solange die Bereitstellung basisch wirkender Ionen geogen bedingt<br />

vom Boden selbst durch Verwitterung seines Ausgangsgesteines erfolgt, bleibt die Bodenversauerung<br />

aus (z. B. Muschelkalk- und Keuperböden). Liegt eine solche Situation nicht<br />

vor, d. h. ist der natürliche Basenvorrat verbraucht, bedarf es der regelmäßigen Zufuhr<br />

von basisch wirkenden Ionen. Die Unterlassung solcher Maßnahmen führt infolge der Anhäufung<br />

von Säuren zur Bodenversauerung. Hierbei werden dann im stark sauren Bereich<br />

(pH-Klasse A) infolge Tonzerstörung insbesondere vermehrt Al 3+ -Ionen freigesetzt, deren<br />

zunehmende Konzentration im Boden zur verstärkten Aufnahme durch die Pflanzen führt<br />

und als Wurzelgift phytotoxische Wirkung besitzt. Die in diesem Prozess in besonders<br />

großer Menge freiwerdenden Fe 3+ - und Mn 2+ -Ionen wirken hier ebenfalls schädigend auf<br />

die Pflanzen. Im sauren pH-Bereich wird außerdem die Pflanzenverfügbarkeit von Magnesium,<br />

Phosphor und Molybdän stark gemindert. Durch optimale Kalkversorgung des<br />

Bodens wird dar<strong>über</strong> hinaus die Löslichkeit von geogen vorhandenen toxisch wirkenden<br />

Schwermetallen abgesenkt und somit die Aufnahme durch die Pflanzen reduziert.<br />

2.3 Biologische Wirkung<br />

Ca-Ionen fördern die Tätigkeit der Mikroorganismen und der im Boden lebenden Tiere<br />

(insbesondere Regenwürmer). Hierdurch erfolgt eine Erhöhung der Umsetzung organischer<br />

Substanz, was unter den Bedingungen zunehmenden Verbleibs der Nebenprodukte,<br />

insbesondere Stroh, auf dem Feld von besonderer Bedeutung ist. Die Mineralisierung der<br />

dem Boden zugeführten organischen Substanz (vor allem organische Düngestoffe) führt<br />

zur Anreicherung niedermolekularer organischer Verbindungen im Boden und schließlich<br />

zu der erwünschten Verklebung der Bodenkolloide. Damit werden die Bodenaggregate<br />

vermehrt und zugleich stabilisiert. Gleichzeitig werden pflanzenverfügbare Nährstoffe<br />

freigesetzt.<br />

Schließlich soll noch auf die essenzielle pflanzenphysiologische Bedeutung des Calciums<br />

verwiesen werden, die im Vergleich mit den für den Boden genannten Funktionen<br />

weniger umfangreich ist. Hervorzuheben ist die entquellende Wirkung der Ca-Ionen auf<br />

die Pflanzenzelle. Ausreichende Mengen Ca-Ionen in der Bodenlösung entquellen die<br />

Wurzelzellen und verhindern damit, dass bereits aufgenommene Ionen, wie P, K, Mg, Ca<br />

infolge des Bestrebens nach Konzentrationsausgleich wieder in die Bodenlösung zurück<br />

diffundieren. Diese verstärkte Retention bremst den so genannten Efflux, verbessert die<br />

Aufnahme von Pflanzennährstoffen und somit das Pflanzenwachstum. Calcium ist am<br />

Aufbau der Zellwände beteiligt, stabilisiert die Zellmembranen und greift in Hormonreaktionen<br />

der Pflanzen ein.<br />

3 Verfahren der Kalkbedarfsermittlung<br />

Wie lassen sich die für das Pflanzenwachstum so entscheidenden Faktoren der Kalkwirkung<br />

für den Kalkdüngebedarf messen?<br />

Neben den vorrangig aus Gefäßversuchen und Laboruntersuchungen erhaltenen Gesetzmäßigkeiten<br />

wurden für die Ermittlung der optimalen Bodenreaktion vor allem Feldversuche<br />

durchgeführt. Hierbei hat sich als Eichwert der pH-Wert des Bodens bewährt.<br />

In langjährig, insbesondere auf sauren Böden durchgeführten Kalkdüngungsversuchen,<br />

wurden pH-Wert-Bereiche ermittelt, die für ein optimales Pflanzenwachstum erforderlich<br />

57


58 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

sind. Im Ergebnis zeigten sich dabei die Faktoren Bodenart (Tongehalt), Humusgehalt des<br />

Bodens und die Kulturart für die Festlegung optimaler pH-Wert-Bereiche als besonders<br />

relevant. Gleichzeitig wurden im Zuge der Versuchsauswertung die zur Erreichung eines<br />

optimalen pH-Wertes erforderlichen Kalkdüngermengen der Böden ermittelt. In Deutschland<br />

kamen bis zum Jahr 2000 zwei unterschiedliche Verfahren der Kalkbedarfsermittlung<br />

zur Anwendung.<br />

In den westdeutschen Bundesländern wurde dabei nach der auf Arbeiten von Schacht-<br />

Schabel zurückgehenden Verbandsmethode des VDLUFA (Methode A 5.2.1 im Methodenbuch,<br />

Band I) sowie der im Rahmen der Zuckerproduktion auf Németh zurückgehenden<br />

Elektro-Ultrafiltrationsmethode (Methode A, 6.4.2 in Band I des VDLUFA) vorgegangen<br />

(7). Im Nachfolgenden wird näher auf die Kalkbedarfsbestimmung auf Basis des pH-<br />

Wertes eingegangen.<br />

In den ostdeutschen Bundesländern wurde die Kalkbedarfsbestimmung nach Schacht-<br />

Schabel und anderen Methoden im Jahre 1965 durch eine heute nur auf dem pH-CaC 12<br />

basierenden Kalkbedarfsermittlung abgelöst. Sie basiert auf pH- und Ertragswirkungen<br />

aus Ergebnissen zahlreicher Feldversuche zur Kalkdüngung unter Berücksichtigung der<br />

Bodenart und des Humusgehaltes (4; 5). Die daraus abgeleiteten pH-Stufen (pH-Bereiche<br />

A bis F) sowie die ermittelten Kalkmengen zur Erreichung optimaler pH-Werte auf Acker-<br />

und Grünland waren die Grundlage für die Kalkbedarfsermittlung.<br />

Da der VDLUFA die Einführung und Anwendung bundesweit einheitlicher Untersuchungsmethoden<br />

und Beurteilungsgrundsätze zum Ziel hatte, wurde vorgeschlagen, das<br />

in den ostdeutschen Ländern gehandhabte Verfahren zur Kalkbedarfsermittlung zu <strong>über</strong>arbeiten<br />

und einheitlich in allen Bundesländern anzuwenden. (9).<br />

Die wesentlichen Gründe für diese Entscheidung waren folgende:<br />

● Die Vorgehensweise in den ostdeutschen Bundesländen ist aus zahlreichen Feldversuchen<br />

abgeleitet. Hingegen war die Verbandsmethode von SchachtSchabel theoretisch<br />

und durch Laborversuche untermauert, jedoch ist ihre Prüfung im Feldversuch weitgehend<br />

unterblieben.<br />

● Zwischen den einzelnen LUFA bzw. Bundesländern waren selbst bei gleichen Ausgangsbedingungen<br />

die Kalkdüngungsempfehlungen stark voneinander abweichend.<br />

●<br />

Zur Bewertung des Nährstoffversorgungszustandes des Bodens werden für Phosphor,<br />

Kalium und Magnesium seit langem fünf Gehaltsklassen (A bis E) verwendet. Dabei<br />

gilt jeweils die Klasse C als „anzustreben” (optimal). Entsprechend sollte auch der<br />

Kalkversorgungszustand des Bodens nach fünf pH-Klassen gruppiert werden.<br />

Die fünfklassige Einteilung ist infolge der allgemein relativ geringen Variabilität des pH-<br />

Wertes eines Feldes und der damit verbundenen hohen Treffsicherheit zur Klassenzugehörigkeit<br />

besonders gerechtfertigt. Außerdem ermöglicht eine solche Gruppierung ausreichende<br />

Beratungsansätze für eine kulturarten spezifische Kalkbedarfsermittlung.<br />

Die wesentlichen Teile des vorgeschlagenen Verfahrens sowie detailliertere Informationen<br />

zur neuen Verbandsmethode des VDLUFA können dem VDLUFA-Standpunkt zur<br />

Bestimmung des Kalkbedarfes von Acker- und Grünlandböden entnommen werden (9).<br />

Für die im Rahmen der Kalkbedarfsermittlung erforderliche Berücksichtigung der Bodenart<br />

wurde zunächst geprüft, welche Bodenarteneinteilung für die landwirtschaftliche<br />

Praxis sinnvoll erscheint. Das im VDLUFA-Methodenbuch (Bd. I A 5.2.1) beschriebene<br />

Schema der Bodenarteneinteilung wurde als geeignet befunden (7). Bei der Übernahme<br />

erfolgte eine Rundung der Tongehalte in ganze Zahlen (Tab. 1).


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

Tabelle 1. Rahmenschema für die Gruppierung der Bodenarten nach VDLUFA<br />

Nr. Bodenartengruppe/vorwiegende<br />

Bodenart<br />

Symbol Tongehalt 1)<br />

(%)<br />

Ton plus<br />

Feinschluff 2)<br />

(%)<br />

Bezeichnung in<br />

der Düngungspraxis<br />

1 Sand S bis 5 bis 7 leichte Böden<br />

2 schwach lehmiger Sand l’S >5 bis 12 >7 bis 16<br />

3 3) stark lehmiger Sand LS >12 bis 17 >16 bis 23 mittlere Böden<br />

(Nr. 4 wird regional<br />

als schwerer<br />

Boden eingestuft)<br />

4 3) sandiger/schluffiger Lehm sL/uL >17 bis 25 >23 bis 35<br />

5 4) toniger Lehm bis Ton<br />

schwach toniger Lehm<br />

toniger Lehm<br />

lehmiger Ton<br />

Ton<br />

6 Moor (Böden mit<br />

>30 % Humus)<br />

t’L<br />

tL<br />

lT<br />

T<br />

>25 bis 35<br />

>35 bis 45<br />

>45 bis 65<br />

>65<br />

>35 schwere Böden<br />

Mo - - -<br />

1) Korngröße


60 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

Tabelle 2. Definition der pH-Klassen für die Kalkversorgung des Bodens sowie<br />

des Kalkdüngungsbedarfs mit dem Ziel der Erreichung und<br />

Erhaltung der anzustrebenden, optimalen Bodenreaktion auf der<br />

landwirtschaftlich genutzten Fläche (LN)<br />

pH-Klasse/<br />

Kalkversorgung<br />

Beschreibung von Zustand und Maßnahme Kalkdüngungsbedarf<br />

A/sehr niedrig Zustand:<br />

Erhebliche Beeinträchtigung von Bodenstruktur<br />

und Nährstoffverfügbarkeit, sehr hoher Kalkbedarf,<br />

signifikante Ertragsverluste bei fast allen<br />

Kulturen bis hin zum gänzlichen Ertragsausfall,<br />

stark erhöhte Pflanzenverfügbarkeit von Schwermetallen<br />

im Boden.<br />

Maßnahme:<br />

Kalkung hat weitgehend unabhängig von der<br />

anzubauenden Kultur Vorrang vor anderen Düngungsmaßnahmen.<br />

B/niedrig Zustand:<br />

Noch keine optimalen Bedingungen für Bodenstruktur<br />

und Nährstoffverfügbarkeit, hoher Kalkbedarf,<br />

meist noch signifikante Ertragsverluste bei<br />

kalkanspruchsvollen Kulturen, erhöhte Pflanzenverfügbarkeit<br />

von Schwermetallen im Boden.<br />

Maßnahme:<br />

Kalkung innerhalb der Fruchtfolge bevorzugt zu<br />

kalkanspruchsvollen Kulturen.<br />

C/anzustreben,<br />

optimal<br />

Zustand:<br />

Optimale Bedingungen für Bodenstruktur und<br />

Nährstoffverfügbarkeit sind gegeben, geringer<br />

Kalkbedarf, kaum bzw. keine Mehrerträge durch<br />

Kalkdüngung.<br />

Maßnahme:<br />

Kalkung innerhalb der Fruchtfolge zu kalkanspruchsvollen<br />

Kulturen.<br />

D/hoch Zustand:<br />

Die Bodenreaktion ist höher als anzustreben, kein<br />

Kalkbedarf<br />

Maßnahme:<br />

Unterlassung einer Kalkung<br />

E/sehr hoch Zustand:<br />

Die Bodenreaktion ist wesentlich höher als<br />

anzustreben und kann die Nährstoffverfügbarkeit<br />

sowie den Pflanzenertrag und die Qualität negativ<br />

beeinflussen.<br />

Maßnahme:<br />

Unterlassung jeglicher Kalkung, Einsatz von Düngemitteln,<br />

die infolge physiologischer bzw. chemischer<br />

Reaktion im Boden versauernd wirken.<br />

Gesundungskalkung<br />

Aufkalkung<br />

Erhaltungskalkung<br />

Keine Kalkung<br />

keine Kalkung und keine<br />

Anwendung<br />

physiologisch bzw.<br />

chemisch alkalisch wirkender<br />

Düngemittel


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

Für eine sachgerechte Durchführung der Kalkung in der Pflanzenproduktion ist die Bewertung<br />

der Neutralisationswirkung der Düngekalke von besonderer Bedeutung. Sie erfolgt<br />

grundsätzlich nach dem Gehalt an basisch wirksamen Bestandteilen. Werden sehr hohe<br />

Kalkmengen empfohlen, sind diese aufzuteilen. Dabei sollten die folgenden Mengen an<br />

CaO-Äquivalenten je Ausbringungsgang nicht <strong>über</strong>schritten werden: leichte Böden 30 dt<br />

CaO/ha, mittlere Böden 60 dt CaO/ha und schwere Böden 90 dt CaO/ha.<br />

Die als erforderlich geltenden Kalkmengen beziehen sich auf Ackerland im Allgemeinen<br />

auf Böden mit 20 bis 30 cm mächtiger, weitgehend steinfreier (steinarmer) Ackerkrume<br />

(Grünland bis 10 cm Tiefe). Ist diese wesentlich geringer (flachgründiger) oder der<br />

Boden steinhaltiger, kann eine Verringerung der empfohlenen Kalkmenge um 20 bis 40 %<br />

erfolgen. Die Ausbringung des Düngekalkes erfolgt innerhalb der Fruchtfolge zweckmäßig<br />

zu den Kulturen mit höheren Ansprüchen an den Kalkversorgungszustand des Bodens.<br />

Das gilt insbesondere im Rahmen der Erhaltungskalkung. Auf leichten Böden sind bevorzugt<br />

karbonatische Kalke einzusetzen.<br />

Da der pH-Wert natürlicherweise, beeinflusst durch Bewirtschaftung, Witterung und<br />

Bodenzustand, in gewissen Grenzen schwankt, sollte der Erfolg der Kalkung, insbesondere<br />

nach Gesundungs- und Aufkalkungsmaßnahmen, durch wiederholte Bodenuntersuchung<br />

in kürzeren Abständen (gegebenenfalls jährlich) <strong>über</strong>prüft werden.<br />

4 Ausgewählte Themen aus Ergebnissen von Dauerversuchen<br />

zur Kalkdüngung<br />

4.1 Kalkhaushalt unserer Ackerböden<br />

Die Notwendigkeit der Bodenversauerung durch Kalkdüngung entgegenzuwirken, wurde<br />

in den oben diskutierten Funktionen der Ca-Ionen in Boden und Pflanze ausführlich herausgestellt.<br />

Kalkdüngungsmaßnahmen sind jedoch nicht auf allen landwirtschaftlich genutzten Böden<br />

notwendig. So ist die Bodenversauerung in besonderem Maße vom Ausgangsgestein<br />

der Bodenbildung abhängig. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge ist deshalb von hohem<br />

Stellenwert insbesondere für die Strategie der Kalkdüngerbemessung im <strong>Landwirtschaft</strong>sbetrieb.<br />

Es ist in der Düngungspraxis bekannt, dass insbesondere Böden aus Unterem und Mittlerem<br />

Buntsandstein, Gneis, Porphyr, Schiefer, degradierte Lösse sowie leichte diluviale<br />

und alluviale Böden am ehesten Kalkbedarf anzeigen und so auch an erster Stelle der<br />

Wiederholungskalkung bedürfen. Dagegen zeigen z. B. Böden aus Muschelkalk, Keuper,<br />

Oberem Buntsandstein (Röt), Zechstein kaum nennenswerten bzw. keinen Kalkbedarf.<br />

Zur weiteren Aufklärung dieser Zusammenhänge wurden Ende der 80er-Jahre im Institut<br />

für Pflanzenernährung Jena-Zwätzen (6) Böden verschiedener geologischer Herkünfte<br />

entsprechend untersucht. Die verwendeten Böden nehmen in Ostdeutschland einen hohen<br />

Anteil an der landwirtschaftlich genutzten Fläche ein.<br />

4.1.1 Untersuchungsmethode<br />

Ziel der Untersuchungen war eine analytische Trennung der Ca-Bindungsformen des Bodens.<br />

Das entwickelte Verfahren beinhaltete unterschiedliche Extraktionsmittel, um die<br />

verschiedenen Ca-Bindungsformen zu erfassen (Tab. 3).<br />

61


62 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

Tabelle 3. Ermittelte Ca-Bindungsformen durch fraktionierte Extraktion<br />

Ca-Bindungsformen Extraktionsmittel<br />

bzw. Methode<br />

pH-Wert der<br />

Extraktionslösung<br />

wasserlösliches Ca H 2 O 6,1<br />

austauschbar gebundenes Ca KCl 5,9<br />

leicht lösliches CaCO 3 Acetat-Puffer 5,5<br />

schwerer lösliche Carbonate und andere<br />

Ca-Verbindungen<br />

HCl


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

leichten Böden und etwa ab 0,7 % auf mittleren und schweren Böden optimale pH-Werte<br />

vor.<br />

Aus der Kenntnis des Gesamt-Ca-Gehaltes im Boden lässt sich noch kein Rückschluss<br />

darauf ziehen, welche Ca-Fraktion im jeweiligen Boden aufgrund ihrer Löslichkeit die<br />

entscheidende Größe für die Ca-Nachlieferung ist.<br />

Mit den Ergebnissen der fraktionierten Extraktion konnte gefunden werden, dass die<br />

Bindung des Calciums in zwei Ca-armen Böden extrem unterschiedlich sein kann. Auf<br />

einem Sandboden war das Calcium im Wesentlichen den schwer zersetzlichen Ca-Verbindungen<br />

zuzuordnen. Damit geht hiervon nur ein geringer Einfluss auf die Ca-Dynamik<br />

des Bodens aus. Dagegen war auf einem Schieferverwitterungsboden der <strong>über</strong>wiegende<br />

Teil des Gesamt-Ca-Gehaltes wasserlöslich und austauschbar gebunden und besitzt so für<br />

die Ca-Nachlieferung verhältnismäßig große Bedeutung. Das ist insgesamt typisch für<br />

Schieferverwitterungsböden.<br />

Wie zu erwarten, weisen die Ca-reichsten Böden, wie Löss-Schwarzerden, Keuperund<br />

Muschelkalkböden eine andere Verteilung der Ca-Bindungsformen auf. Diese Böden<br />

besitzen den größten Vorrat an austauschbar gebundenem Calcium. Die hohen Gehalte an<br />

den übrigen Fraktionen stellen eine große Reserve für die Ca-Nachlieferung dar, wenn<br />

eine Verringerung des austauschbaren Calciums eintritt.<br />

In der Düngungspraxis wird die Veränderung des pH-Wertes im Boden als die entscheidende<br />

Messgröße für die Ermittlung des Kalkdüngebedarfes angesehen. Es war deshalb<br />

von Interesse, wie die entwickelte Methode der fraktionierten Extraktion die Kalkumsetzung<br />

im Boden widerspiegelt. Hierzu wurden die Daten von Kalksteigerungsversuchen<br />

ausgewertet. So führte z. B. die Düngung mit einem dolomitischen Kalk (Kamsdorfer<br />

Mergel) zu einer Anhebung des Ca-Gehaltes in allen untersuchten Fraktionen. Im zweiten<br />

Nachwirkungsjahr wird angereichertes Calcium aus der Acetat-Puffer- und HCl-Fraktion<br />

in die austauschbare Bindungsform nachgeliefert. Im Gegensatz dazu setzte sich Branntkalk<br />

schneller im Boden um. Hierdurch wurde im Wesentlichen nur die austauschbare<br />

Fraktion angereichert, der pH-Wertanstieg verlief somit rasch und deutlich stärker. Zu den<br />

ermittelten Beziehungen der vorhandenen Ca-Reserven auf verschiedenen Böden bei unterschiedlichen<br />

pH-Werten kann abschließend ein zusammenfassender Überblick zu den<br />

Ca-Gehalten des Bodens bei optimalen, anzustrebenden pH-Werten gegeben werden:<br />

●<br />

Leichte und auch noch mittlere Böden verfügen <strong>über</strong> insgesamt geringe leichtlösliche<br />

und nachlieferbare Ca-Gehalte. Da diese für die Aufrechterhaltung des pH-Wertes im<br />

Boden von entscheidender Bedeutung sind, lässt sich ableiten, warum Kalkdüngungsmaßnahmen<br />

auf diesen Böden ständig erforderlich werden. Auf schweren Böden liegen<br />

dagegen die leichtlöslichen Ca-Gehalte allgemein um das 2- bis 3-fache höher und<br />

ermöglichen so <strong>über</strong> wesentlich längere Zeit den anzustrebenden pH-Wert im Boden<br />

aufrecht zu erhalten, zumal die nachlieferbare Ca-Fraktion unvergleichbar größer ist.<br />

Allerdings zeigt dabei der in die Untersuchung einbezogene Schwarzerdeboden bereits<br />

eine beginnende bzw. schon vorhandene Schwachstelle an. Mit nur 3 % nachlieferbarem<br />

Ca-Gehalt liegt der Hinweis für einen weit geringeren Gehalt in dieser Fraktion<br />

vor, als bei dem ermittelten pH-Wert von 7,3 erwartet werden konnte. Unterdessen<br />

zeigen nämlich Schwarzerden insbesondere auf vorwiegend Sandsubstrat im Unterboden<br />

(C-Horizont) z. T. bereits einen deutlichen Trend zur pH-Wertverminderung, d. h.<br />

eine langsame Erschöpfung der löslichen Calciumreserven im Boden an. Damit wird<br />

Kalkungsbedarf auch auf solchen Böden zunehmend zum Erfordernis. Dagegen lassen<br />

sich auf Schwarzerden mit Ca-reichen Unterböden, wie z. B. im Thüringer Becken mit<br />

Muschelkalk- und Keupersubstrat solche Defizite im pH-Wert kaum erkennen. Hier<br />

spielt offenbar auch die Ca-Nachlieferung aus dem Unterboden infolge kapillaren Aufstiegs<br />

mit dem Bodenwasser eine besondere Rolle. Hierzu zählen Löss-Schwarzerden<br />

63


64 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

vergesellschaftet mit Löss-Rendzinen, Grieserden, Löss-Schwarzgleyen, sowie Löss-<br />

Kerf-Schwarzerden, Lehm- und Ton-Schwarzerden vorwiegend auf Keuperton.<br />

● Ohne auf die schwer zersetzlichen Ca-Gehalte weiter einzugehen, die deutlich stärker<br />

von der geologischen Herkunft und vom Humusgehalt als von der Bodenart abhängig<br />

sind, sei gesagt, dass ihr Mitwirken an der Ca-Dynamik im Boden wohl weit weniger<br />

bedeutsam sein sollte. Dennoch ist ihr Anteil, mit Ausnahme von Keuper- und Muschelkalkboden,<br />

beträchtlich und <strong>über</strong>steigt mitunter den Anteil der leichtlöslichen/<br />

nachlieferbaren Ca-Gehalte. Auf den leichten und mittleren Böden, außer auf dem<br />

Schieferverwitterungsboden, machen die schwer zersetzlichen Ca-Gehalte rund zwei<br />

Drittel der Gesamt-Ca-Gehalte aus. Die Ermittlung der Gesamt-Ca-Gehalte erlaubt<br />

deshalb keine zuverlässige Aussage <strong>über</strong> die im Kalkhaushalt des Bodens relevanten<br />

Ca-Mengen. Allerdings sollte die Rolle der schwer zersetzlichen Ca-Gehalte im Rahmen<br />

der Ca-Dynamik des Bodens auch keinesfalls als völlig unbedeutend eingeschätzt<br />

werden.<br />

● Die untersuchten schweren Böden weisen die höchsten Gehalte an leicht löslichem<br />

Calcium auf und unterscheiden sich dabei nicht, obwohl die nachlieferbare und die Gesamt-Ca-Fraktion<br />

doch gravierende Unterschiede aufzeigen. Offenbar stellt sich unter<br />

den jeweiligen Bodenbedingungen ein Fließgleichgewicht ein, das schließlich ständig<br />

pH-Werte um 7,0 ermöglicht.<br />

Fazit: Ursachen für den Kalkungsbedarf unserer Ackerböden sind der jährliche Kalkverbrauch<br />

und die ungenügende Nachlieferung basisch wirksamer Stoffe aus dem Boden.<br />

Dieser enthält in Abhängigkeit von seiner geologischen Herkunft mehr oder weniger hohe<br />

Anteile an Calcium als entscheidenden Träger der Bodenreaktion.<br />

Neben der Kenntnis des pH-Wertes im Boden als Abgleich zur Ca-Konzentration des<br />

Bodens ist deshalb von Interesse, <strong>über</strong> welchen Ca-Vorrat unsere Böden verfügen und in<br />

welchen Bindungsformen das Calcium vorliegt. Daraus ergeben sich Hinweise <strong>über</strong> die<br />

Stabilität des pH-Wertes im Boden und auch <strong>über</strong> die Möglichkeit bzw. die Notwendigkeit<br />

den pH-Wert im Boden durch kurz- oder längerfristig vorzunehmende Kalkungsmaßnahmen<br />

zu erhalten bzw. zu erhöhen.<br />

4.2 Ursachen der Bodenversauerung im Pflanzenbau<br />

Im humiden Klimabereich Mitteleuropas tendieren die Böden zur Versauerung. Das heißt,<br />

im Boden werden basisch wirkende Ionen – vor allem Ca 2+ und Mg 2+ , aber auch K + und<br />

Na + – durch den Austausch mit Al 3+ - und H + -Ionen bzw. durch deren Neutralisation ver-<br />

braucht. Die Notwendigkeit zur Entsäuerung entsteht durch<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

den Einsatz chemisch und physiologisch sauer wirkender Düngemittel,<br />

die Bodenatmung, in deren Verlauf Wurzeln und Mikroorganismen Säuren bilden,<br />

die bei der Mineralisation und Humifizierung organischer Substanz entstehenden Säuren,<br />

die Verwitterung (Hydrolyse) mineralischer Bestandteile des Bodens (saure Gesteine<br />

wie Gneis, Glimmerschiefer, Tonschiefer, diluviale Sande, Buntsandstein u. a.) und<br />

die Einträge saurer Stoffe (saurer Regen) aus der Atmosphäre.<br />

Der durch Neutralisation und Auswaschung jährlich entstehende Kalkverbrauch im Boden<br />

wird in der Literatur in Abhängigkeit vom Standort zwischen 300 und 700 kg CaO/ha<br />

angegeben. Schließlich wird dieser Kalkverbrauch durch den Ca-Entzug der Pflanzen und<br />

die Ca-Abfuhr mit der Ernte vom Feld noch beträchtlich erhöht.<br />

Die konkret durch Auswaschung verursachten Kalkverluste lassen sich anhand des in<br />

Lysimetern gesammelten Sickerwassers feststellen. Bei Untersuchungen in der Schweiz<br />

wurden im Mittel zweier Fruchtfolgen (kalkreicher Boden, sandiger Lehm) bei einem Jahresniederschlag<br />

von etwa 1000 mm rund 550 kg CaO/ha ausgewaschen. Zwar spiegelt das


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

die weit trockneren Wachstumsbedingungen in Thüringen nicht wider, aber auch in den<br />

niederschlagsreicheren Regionen unseres Landes sollte mit jährlichen Kalkauswaschungsraten<br />

von 200 bis 300 kg CaO/ha zu rechnen sein. Während sich diese Vorgänge auf<br />

geogen bedingt kalkreichen Standorten, z. B. auf Muschelkalkverwitterungsböden, nicht<br />

pH-senkend auswirken, haben sie auf kalkarmem Ausgangsgestein, wie z. B. Schieferverwitterungsböden<br />

negative Folgen. Der pH-Wert fällt hier mehr oder weniger schnell ab.<br />

Leichte Sandböden zeigen aufgrund ihrer geringen Pufferkapazität in wesentlich kürzerer<br />

Zeit Kalkbedarf an als schwere Böden. Dennoch ist der Ca-Verlust schwerer Böden allgemein<br />

höher als der leichter Böden.<br />

Wasserproben aus Lysimetern belegen bei zunehmender Bodenversauerung nicht nur<br />

die Auswaschung beträchtlicher Kalkmengen, sondern gleichzeitig das verstärkte Auftreten<br />

von Al 3+ -, Mn 2+ - und Fe 3+ -Ionen im Boden.<br />

Entsprechende Untersuchungen zeigen, dass die Konzentrationen dieser Ionen unter<br />

solchen Bedingungen, z. B. in Wasserschutzgebieten, die Grenzwerte für Trinkwasser<br />

<strong>über</strong>schreiten können.<br />

Wesentlichen Einfluss auf die Bodenreaktion nimmt auch die mineralische Düngung.<br />

Eine Reihe von Düngemitteln weist CaO-Äquivalente auf, die rein rechnerisch angeben,<br />

dass bei ihrer Düngung im Boden basisch wirkende Stoffe des Bodens zu ihrer Neutralisation<br />

verbraucht werden. Neben der bodenchemisch bedingten Kalkzehrung bzw. auch<br />

-mehrung, die auf der Saldierung aller im Düngemittel enthaltenen sauer und basisch<br />

wirkenden Bestandteile beruht, spielt der physiologische Effekt des Düngemittels eine<br />

wichtige Rolle. Kation und Anion eines Salzes werden häufig nicht gleich schnell aufgenommen.<br />

Eilt die Absorption des Kations der des Anions voraus – das ist meist bei<br />

der Kombination einwertiger Kationen mit zweiwertigen Anionen im Nährsalz (Düngemittel)<br />

der Fall – werden H + -Ionen von den Pflanzen zur Kompensierung des entstandenen<br />

negativen Ladungs<strong>über</strong>schusses abgeschieden. Es entsteht also im Nährmedium eine<br />

Säure, man spricht von physiologisch bedingter Versauerung. Entsprechende Nährsalze<br />

sind daher physiologisch sauer wirkende Düngemittel. Hierzu gehören zum Beispiel Kaliumsulfat<br />

(K 2 SO 4 ) und vor allem Ammoniumsulfat (NH 4 ) 2 SO 4 . Bei letzterem kommt zur<br />

Spezifität des NH 4 +-Aufnahmemechanismus auch noch die Nitrifikation (NH 4 + HNO 3 )<br />

hinzu, bei der eine gewisse Menge Salpetersäure entsteht.<br />

Wird dagegen bei einem Nährsalz das Anion schneller aufgenommen, scheidet die<br />

Pflanze für die Kompensation des positiven Ladungs<strong>über</strong>schusses an der Wurzeloberfläche<br />

Säureanionen aus. Dann entstehen im Boden Salze, die bei einem Anion einer schwachen<br />

Säure und dem Kation einer starken Base der Hydrolyse unterliegen und den Boden alkalisieren.<br />

Man spricht in diesem Fall von physiologisch alkalisch wirkenden Substanzen.<br />

Hierzu gehören vor allem Natronsalpeter (NaNO 3 ) und Kalksalpeter Ca(NO 3 ) 2 . Bei der<br />

Düngung sind solche Nebenwirkungen der verschiedenen Mittel zu beachten.<br />

In der Thüringer Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong> Jena-Zwätzen wurden rund 20 Mineraldünger<br />

bezüglich ihres Einflusses auf den pH-Wert des Bodens getestet. Es zeigte<br />

sich, dass die in der Literatur genannten Kalkäquivalente durch die gefundenen pH-Reaktionen<br />

bestätigt werden. Der pH-absenkende Effekt unter Brache war bei den Düngemitteln<br />

mit Kalkzehrung noch deutlicher als bei einem Pflanzenbewuchs. Beispielsweise<br />

ließ Kalkammonsalpeter (KAS) auf der Brache eine deutlich saure, bei Pflanzenbewuchs<br />

jedoch eine fast neutrale Wirkung erkennen. Selbst Mineraldünger wie Kali-, Kalk- und<br />

Natronsalpeter, die keine Kalkzehrer sind, sondern einen so genannten Kalkzuwert von<br />

1 kg CaO/kg N besitzen, wirkten auf unbewachsener Fläche nicht pH-erhöhend. Erst bei<br />

einem Pflanzenbewuchs war ihr pH-Einfluss deutlich positiv.<br />

Alle Prozesse der Bodenversauerung zu saldieren und daraus den Kalkbedarf zu ermitteln<br />

ist selbst in Näherung an die Realität nicht möglich. Da aber der pH-Wert im Boden<br />

hier<strong>über</strong> recht zuverlässig Auskunft gibt, gilt es ihn regelmäßig zu ermitteln.<br />

65


66 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

Bedeutsam für den Kalkverbrauch im Boden ist vor allem der Ca-Bedarf bzw. die Ca-<br />

Aufnahme der Pflanzen. Hierdurch erfolgt auch eine mehr oder weniger hohe jährliche<br />

Ca-Abfuhr mit den Pflanzenernten vom Feld. Richtwerte hierfür lassen den Landwirt bzw.<br />

auch den Düngungsberater erkennen, welcher Kalkverbrauch allein durch Pflanzenwachstum<br />

und Ernte entsteht.<br />

Zur Ermittlung solcher Richtwerte wurden die im ehemaligen Institut für Pflanzenernährung<br />

Jena-Zwätzen durchgeführten Feldversuche zur Grunddüngung ausgewertet. Das<br />

umfangreich vorliegende Versuchsmaterial besteht aus rund 55 P/K- und rund 45 Kalkdauerdüngungsversuchen,<br />

die vorwiegend auf Feldern in der Praxis durchgeführt wurden.<br />

Die Laufzeit der Versuche lag in den Jahren 1955 bis 1980. Die Anzahl der auswertbaren<br />

Versuchserntejahre betrug rund 500. In die Berechnung des Ca-Entzuges wurden im Versuch<br />

für jedes Erntejahr die Prüfglieder mit dem höchsten und dem zweithöchsten Ertrag<br />

einbezogen. Zur Ermittlung von Ca-Entzügen der Kulturpflanzen konnte dadurch ein Datenumfang<br />

von rund 1000 Prüfgliedwerten verwendet werden.<br />

Im Rahmen der Ergebnisfindung wurde die Beziehung zwischen Pflanzenertrag und<br />

Ca-Entzug für Kulturen auf den verschiedenen Bodenartengruppen ermittelt. Die mathematisch-<br />

statistische Auswertung erfolgte mittels der linearen Regressionsanalyse<br />

(y = a+b x; y = Ca-Entzug; x = Ertragsniveau),<br />

1<br />

weil diese Funktion die zweckmäßigste Anpassung an das Datenmaterial erkennen<br />

ließ. Die Bestimmtheitsmaße der Regressionen für die so ermittelten Beziehungen lagen<br />

im Bereich von 40 – 70 %.<br />

Diese so ermittelten Daten für den Ca-Entzug durch die Pflanzenernte enthält Tabelle<br />

5. Dabei weist der angeführte Ertrag für das Haupternteprodukt den Ca-Entzug jeweils<br />

für das Haupt- und Nebenernteprodukt aus. So werden z. B. bei einem Kornertrag von 60<br />

dt/ha Winterweizen einschließlich Strohertrag 40 kg Ca/ha entzogen usw. Die Ergebnisse<br />

in Tabelle 5 werden wie folgt interpretiert:<br />

● Es werden die Ca-Entzüge sowohl für ein niedriges/mittleres als auch für ein hohes<br />

Ertragsniveau angegeben.<br />

● Der Ca-Entzug steigt vom niedrigeren zum höheren Ertragsniveau bei fast allen Kulturen<br />

nicht proportional sondern degressiv an. Dieser Effekt ist jedoch von insgesamt<br />

geringer Bedeutung.<br />

● Von den Halmfrüchten weist der Winterraps (hier den Halmfrüchten zugeordnet) die<br />

höchsten Ca-Entzüge auf. Innerhalb des Getreides hat die Sommergerste den höchsten<br />

Ca-Entzug.<br />

● Bei den Blattfrüchten zeigen Luzerne und Rotklee mit bis zu rund 300 kg/ha die höchsten<br />

Entzüge an. Bedeutsam sind ebenfalls die Ca-Entzüge der Rüben. Auffällig sind die<br />

äußerst geringen Ca-Entzüge der Kartoffeln.<br />

● Die insgesamt geringen Ca-Entzüge von Winterroggen, Kartoffeln und auch dem Gemenge<br />

von Futterroggen/Grünhafer lassen die Schlussfolgerung zu, dass diese Kulturen<br />

auch bei niedrigeren pH-Werten des Bodens, was damit insbesondere die leichten<br />

Böden betrifft, noch ausreichend Ca-Ionen für ein weitgehend optimales Pflanzenwachstum<br />

aufnehmen können.<br />

●<br />

Ein Ca-Entzug von rund 300 kg/ha entspricht theoretisch einer CaO-Menge von 420 kg<br />

bzw.750 kg CaCO ! Daraus lässt sich ableiten, dass eine Erhaltungskalkung von 10 bis<br />

3<br />

20 dt CaO/ha (je nach Bodenart) für einen Zeitraum von 3 bis 4 Jahren allein nur den<br />

Ca-Entzug abzudecken vermag. Allerdings gilt dieses Beispiel streng genommen nur<br />

für Luzerne und Rotklee. Deshalb kommt im Besonderen beim Anbau kalkanspruchsvoller<br />

Kulturen mit zugleich hohen Erträgen im Rahmen der Düngebedarfsermittlung<br />

der Untersuchung des Kalkungsbedarfes des Bodens besondere Bedeutung zu. Aus den<br />

aufgezeigten Aspekten erhält eine wiederholte pH-Wertbestimmung im Abstand von


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

nicht mehr als 3 bis 4 Jahren, selbst wenn Nebenernteprodukte auf dem Feld verbleiben,<br />

einen besonderen Stellenwert .<br />

Tabelle 5. Ca-Entzug (kg/ha) pflanzenbaulicher Kulturen in Abhängigkeit<br />

vom Ertragsniveau (Frischmasseertrag in dt/ha 1) )<br />

Kultur Frischmasse 2) dt/ha Ca-Entzug 3) kg/ha Ca<br />

Winterraps 30 60 70 150<br />

Wintergerste 50 80 35 50<br />

Winterroggen 40 70 25 45<br />

Winterweizen 60 90 40 55<br />

Hafer 40 70 35 55<br />

Sommergerste 40 70 40 65<br />

Kartoffeln 400 600 25 35<br />

Zuckerrüben 500 700 130 170<br />

Futterrüben 800 1000 110 130<br />

Silomais 500 700 50 70<br />

Rotklee 500 800 170 270<br />

Kleegras 500 800 130 170<br />

Luzerne 500 800 210 310<br />

Feldgras 500 800 70 100<br />

Hülsenfrucht-<br />

Futtergemenge 300 400 60 70<br />

Futterroggen/Grünhafer 300 400 30 40<br />

1) Versuchsergebnisse des Institutes für Pflanzenernährung Jena-Zwätzen<br />

2) Angaben für Haupternteprodukt: Korn, Knollen, Rüben, Grünmasse<br />

3) Ca-Entzug für Haupt- und Nebenernteprodukt (Stroh, Kraut, Blatt)<br />

Das ausgewertete umfangreiche Versuchsdatenmaterial zeigt statistische Zusammenhänge<br />

zwischen Ertragsniveau und Ca-Entzug im Mittel der Kulturen von 40 bis 70 %. Hierdurch<br />

kommt zum Ausdruck, wie auch zu erwarten war, dass die untersuchten Beziehungen insgesamt<br />

weniger eng sind. Als Ursachen hierfür lassen sich Faktoren wie Jahreswirkungen<br />

von Witterung und Wachstum, Sorteneinfluss der Kulturen, Ca-Aufnahmebedingungen<br />

aus dem Boden, d. h. vor allem auch bei unterschiedlichen pH-Werten des Bodens, sowie<br />

Wechselwirkungen zwischen allen Wachstumsfaktoren u. a. m. anführen. So <strong>über</strong>rascht<br />

nicht, dass beim Vergleich verschiedener Literaturergebnisse sowohl Näherungen bestehen,<br />

aber doch mitunter auch erhebliche Abweichungen festzustellen sind.<br />

Fazit: Ein optimaler Kalkversorgungszustand des Bodens ist die wesentliche Voraussetzung<br />

für erfolgreiche Pflanzenproduktion. Im humiden Klimabereich tendieren die Böden<br />

zur Versauerung. Der Entbasung der Böden liegt eine Reihe von Ursachen zugrunde,<br />

wobei die Neutralisation von chemisch und pflanzenphysiologisch sauer wirkenden Mineraldüngern<br />

sowie der Ca-Entzug der Kulturpflanzen bzw. die Ca-Abfuhr mit der Ernte<br />

vom Feld entscheidende Faktoren sind.<br />

Zur Kontrolle des Kalkversorgungszustandes der Böden hat sich die Untersuchung<br />

des pH-Wertes der Böden in der landwirtschaftlichen Praxis seit Jahrzehnten bewährt. Da<br />

jedoch solche agrochemischen Untersuchungen allgemein in der Praxis erst in größeren<br />

67


68 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

Zeitabständen erfolgen (gemäß Düngeverordnung im Abstand von max. 6 Jahren), sollte<br />

die Kenntnis der genannten Einflussfaktoren auf den pH-Wert im Boden und deren Ausmaß<br />

hinsichtlich seiner Versauerung von zusätzlichem Interesse für die Düngerbemessung<br />

sein.<br />

Die Angaben zur Kalkzehrung bzw. Kalkmehrung mineralischer Düngemittel entstammen<br />

der aktuellen Fachliteratur. Die Richtwerte zum Ca-Entzug beruhen dagegen auf<br />

eigenen umfangreichen Feldversuchsergebnissen.<br />

4.3 Kalkversorgung des Bodens und Pflanzenertrag<br />

Ein geordneter Kalkzustand des Bodens ist die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen<br />

Pflanzenbau. Deshalb ist die Kenntnis der Bodenreaktion durch die agrochemische<br />

Bodenuntersuchung in der Pflanzenproduktion so bedeutsam. Der Kalkversorgungszustand<br />

des Bodens beeinflusst alle für das Pflanzenwachstum relevanten Faktoren und<br />

bestimmt insofern erstrangig den Bodenfruchtbarkeitszustand. Eine der Hauptursachen<br />

für Wachstumsbehinderungen in der Praxis sind Säureschäden. Vor Jahren wurden vom<br />

ehemaligen Institut für Pflanzenernährung Jena-Zwätzen solche Schadfälle in Ostdeutschland<br />

untersucht. Mit dem Ergebnis, dass fast die Hälfte der registrierten Schadfälle auf<br />

Bodenversauerung zurückzuführen ist (vgl. Tab. 6).<br />

Bodenversauerung<br />

N-Mangel<br />

P-Mangel<br />

Mg-Mangel<br />

K-Mangel<br />

Mo-Mangel<br />

Cu-, B-, Mn- und Zn-Mangel<br />

Quelle: (10)<br />

Tabelle 6. Wachstumsminderung im Feldbestand<br />

44 %<br />

14 %<br />

13 %<br />

11 %<br />

9 %<br />

5 %<br />

4 %<br />

Nach aktuellen Untersuchungsergebnissen der Thüringer Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong><br />

Jena-Zwätzen beruhen rund 20 % sämtlicher in den vergangenen Jahren in Thüringen<br />

beobachteten Ernährungsstörungen der Kulturen in der praktischen Pflanzenproduktion<br />

auf einer unzureichenden Kalkversorgung des Bodens. Dabei liegen in diesem Bundesland<br />

infolge der geologischen Herkunft mit 60 bis 70 % meist Böden mit ausreichender<br />

Kalkversorgung vor. In Bundesländern mit höheren Anteilen zur Versauerung neigender<br />

Böden können solche Schadfälle einen noch beträchtlicheren Umfang einnehmen. Erhebliche<br />

Ertragsausfälle werden die Folge sein.<br />

Es ist festzustellen, dass die unzureichend mit Kalk versorgten Böden im letzten Jahrzehnt<br />

deutschlandweit eine zunehmende Tendenz aufweisen. Diesen Befund müssen die<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>sbetriebe in ihrer Düngungsstrategie zukünftig stärker beachten. Für die<br />

Düngungspraxis werden dazu nachstehende Empfehlungen erteilt.<br />

Für die praktische Düngung interessiert in erster Linie der pH-Anspruch der einzelnen<br />

Kultur an die Bodenreaktion. Hierbei gibt es erhebliche Unterschiede, die im Interesse<br />

sicherer Pflanzenerträge, aber auch gezielter und ökonomisch gerechtfertigter Kalkdüngungsmaßnahmen<br />

bekannt sein müssen.<br />

Durch die Steigerung von Kalkgaben auf sauren Böden findet man anhand der Ertragsreaktion<br />

der Pflanzen das Maximum bzw. Optimum für den Ertrag und kann so pH-Werte<br />

für optimale pH-Klassen ableiten.


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

Doch auch die anzustrebende pH-Klasse C ist nur ein Kompromiss zwischen stark<br />

und schwach kalkanspruchsvollen Kulturen, sodass für den effektiven Kalkeinsatz in der<br />

Praxis immer Beratungsbedarf besteht. Düngeempfehlungsprogramme sollten hierauf hinweisen.<br />

Die Richtwerte zur Einstufung der pH-Werte des Bodens in pH-Klassen sowie die<br />

Richtwerte zur Kalkung werden von der nach Landesrecht für die landwirtschaftliche<br />

Beratung zuständigen Behörde vorgegeben. Unterdessen gibt es auch deutschlandweit<br />

verbindliche Empfehlungen vom VDLUFA, die bei der zuständigen Behörde vorliegen.<br />

Zur Höhe der Kalkgaben sei gesagt, dass bei der erforderlichen Aufkalkung der pH-<br />

Klasse A und B hin zur Klasse C eine Aufteilung der nötigen Kalkmengen (bis auf wenige<br />

Ausnahmen bei sehr hohem Kalkbedarf) wenig sinnvoll ist. Abgesehen davon, dass mehrmaliges<br />

oder jährlich wiederholtes Überfahren der Flächen unnötige Kosten verursacht,<br />

wird bei nur niedrigen Kalkdüngermengen der angestrebte Aufkalkungseffekt zumindest<br />

verzögert, wenn nicht sogar verfehlt, gleich welche Kalkform verwendet wird.<br />

Der Kalkbedarf, das belegen die oben erwähnten Schadfälle, betrifft weit weniger das<br />

ganze Feld, oft bedürfen nur Teilflächen großer Felder einer intensiven Kalkdüngung. Die<br />

satellitengestützte verhältnismäßig kleinflächige Bodenprobenahme (GPS) und die auf<br />

diesen Ergebnissen beruhende Kalkdüngung gewährleisten einen ökonomisch effektiven<br />

Kalkeinsatz.<br />

Bei der Aufkalkung saurer Böden sollte den zum Anbau kommenden Kulturen besondere<br />

Beachtung geschenkt werden, da deren Ansprüche an die Bodenreaktion unterschiedlich<br />

sind (Tab. 7). So bedürfen vor allem Sommer- und Wintergerste, Sommer- und<br />

Winterraps, Rüben, Mais, Luzerne und Ackerbohnen einer optimalen Kalkversorgung.<br />

Roggen, Hafer, Triticale und Kartoffeln dagegen brauchen weit weniger Kalk. Weizen<br />

nimmt im Vergleich zu den beiden Gruppen eine Mittelstellung ein.<br />

Tabelle 7. Rangfolge der Kulturen hinsichtlich der Ansprüche an die<br />

Bodenreaktion 1)<br />

1. Gruppe<br />

sehr stark kalkbedürftig;<br />

Ertragsverlust 2) 50 bis 30 %:<br />

2. Gruppe<br />

stark kalkbedürftig;<br />

Ertragsverlust 2) 30 bis 20 %:<br />

3. Gruppe<br />

mittel kalkbedürftig;<br />

Ertragsverlust 2) 20 bis 10 %:<br />

4. Gruppe<br />

gering kalkbedürftig;<br />

Ertragsverlust 2) 10 bis 0 %:<br />

Sommergerste, Winterraps, Ackerbohne, Leindotter,<br />

Zuckerrübe, Futterrübe, Luzerne , , ,<br />

Wintergerste, Triticale, Durum, Sommerweizen, Hafer,<br />

Sommerraps, Senf, Rotklee , , ,<br />

Winterweizen, Sommerroggen, Mais 3) , Feldgras, Kartoffeln,<br />

(Weidelgräser 3) , Knaulgras 3) , Wiesenschweidel, Lieschgras),<br />

Ölrettich, Wicken , , ,<br />

Winterroggen, Sonnenblume, Krambe, Öllein, Lupine, Erbse,<br />

Seradella , , ,<br />

1) Ergebnisse aus Feld- und Gefäßversuchen des Institutes für Pflanzenernährung Jena-Zwätzen<br />

und der Thüringer Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong> Jena-Zwätzen<br />

2) bei sehr niedriger Kalkversorgung des Bodens<br />

3) Kultur reagierte im Feldversuch eher stark kalkbedürftig<br />

Während die Mehrerträge der kalkanspruchsvollen Kulturen durch Kalkung bei pH-Klasse<br />

A mit rund 40 % und bei pH-Klasse B mit rund 20 % beträchtlich sein können, werden bei<br />

Vorliegen von pH-Klasse C (optimaler anzustrebender pH-Bereich) meist keine bzw. nur<br />

69


70 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

noch geringe Ertragsvorteile durch Kalkung erzielt. Dennoch ist die unter diesen Reaktionsbedingungen<br />

des Bodens zu verabfolgende Erhaltungskalkung von hohem Stellenwert,<br />

da so ein Rückgang der Kalkversorgung in eine für das Pflanzenwachstum kritische Bodenreaktion<br />

vermieden werden kann.<br />

4.3.1 Hinweise zur praktischen Kalkdüngung<br />

Für eine hohe Wirkung der Kalkung auf dem Ackerland ist die sachgemäße Einbringung<br />

zum richtigen Zeitpunkt wichtig. Besonders günstig ist die Ausbringung nach abgeernteten<br />

Halmfrüchten (Stoppelkalkung) und eine leichte Einarbeitung mit Grubber, Scheibenegge<br />

oder Schälpflug. Weniger günstig ist sofortiges tiefes Einpflügen, da hierbei der Kalk<br />

nicht gleichmäßig verteilt und in gewisser Weise auch „vergraben“ wird. Die Einarbeitung<br />

kann auch zusammen mit der Strohdüngung vorgenommen werden. Zu Sommerungen ist<br />

die Kalkung auch im zeitigen Frühjahr zur Saatbettbereitung möglich, wobei für eine unmittelbar<br />

folgende Aussaat Kohlensaurer Kalk zu bevorzugen ist. Insgesamt gesehen sind<br />

Kalkdüngungsmaßnahmen das ganze Jahr <strong>über</strong> möglich, wobei auch hier die Gebote der<br />

guten fachlichen Praxis für die Ausbringung von Mineraldüngern zu beachten sind.<br />

4.4 Bodenreaktion im Feldgemüsebau<br />

Im erfolgreichen Feldgemüsebau kommt der Bodenreaktion eine besondere Bedeutung zu.<br />

Daher gilt es dem spezifischen Anspruch der einzelnen Kulturarten durch entsprechende<br />

Kalkdüngungsmaßnahmen Rechnung zu tragen.<br />

In der praktischen Pflanzenproduktion werden pH-Richtwerte des Ackerlandes auch<br />

für den Feldgemüsebau herangezogen. Allerdings liegen zur Treffsicherheit dieser Richtwerte<br />

für die spezifischen Ansprüche der Gemüsekulturen weit weniger Ergebnisse als für<br />

typische Ackerkulturen vor. Es ist deshalb Anliegen des Beitrages hierzu durchgeführte<br />

eigene Untersuchungen zum Anspruch der Gemüsekulturen an die Bodenreaktion vorzustellen<br />

und durch Literaturergebnisse zu ergänzen.<br />

4.4.1 Gefäßversuchsergebnisse<br />

Zur raschen Untersuchung aktueller Fragen sind Gefäßversuche ein geeignetes Testfeld.<br />

Gegen<strong>über</strong> Feldversuchen weisen sie den Vorteil der sofortigen Machbarkeit, insbesondere<br />

ohne Fruchtfolgeprobleme auf. Die meisten Wachstumsfaktoren sind dabei steuerbar,<br />

sodass der Prüffaktor exakt bewertbar wird. Schließlich ist die Durchführung im Vergleich<br />

mit Feldversuchen weit weniger kostenträchtig und so auch ökonomisch effektiv.<br />

Als nachteilig hierbei könnte man das Fehlen des unter natürlichen Bedingungen, d. h.<br />

im Feldversuch gegebenen und das Pflanzenwachstum mehr oder weniger beeinflussenden<br />

Unterbodens nennen. Da aber insbesondere die Gemüsearten weitgehend weniger tief<br />

wurzelnde Pflanzen sind, sollten die zur anstehenden Problematik durchgeführten Gefäßversuche<br />

doch eine hohe Aussagekraft besitzen.<br />

Das verwendete Bodensubstrat bestand aus einer Mischung von Sand- und Lehmboden.<br />

Das so hergestellte Substrat entsprach der Bodenartengruppe 3 (Tonanteil 15 %)<br />

sowie im pH-Wert des Bodens der pH-Klasse A (sehr niedriger pH-Wert des Bodens).<br />

Durch entsprechende Kalkung wurde der pH-Wert des Bodens auf weitere 3 Stufen wie<br />

folgt eingestellt (Tab. 8):


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

Tabelle 8. Versuchsschema des Gefäßversuches 1)<br />

Variante pH-Wert pH-Klasse<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

1) Gefäßversuch der TLL Jena, 2003<br />

4,4<br />

4,9<br />

5,4<br />

6,3<br />

A<br />

A/B<br />

B<br />

C<br />

Auf diese Weise konnte der in der praktischen Pflanzenproduktion allgemein vorliegende<br />

pH-Bereich mittlerer Böden weitgehend im Versuch eingestellt werden. Der mittelschwere<br />

Boden wurde gewählt, um mit vertretbarem Versuchsaufwand einen sachlogischen Schluss<br />

auch für leichtere bzw. schwerere Böden ziehen zu können.<br />

Die Auswahl der geprüften Gemüsearten erfolgte ohne spezifische Hintergründe, sondern<br />

rein willkürlich ohne Wertung pflanzenbaulicher und marktwirtschaftlicher Kriterien.<br />

Eine Erhöhung der Artenzahl war aus versuchstechnischen Gründen nicht möglich.<br />

Die Gefäßversuchsergebnisse enthält die Tabelle 9. Daraus lassen sich nachstehende<br />

Aussagen ableiten.<br />

● Zunächst wurde eine Gruppierung der Gemüsearten nach dem erreichten Mehrertrag<br />

infolge pH-Erhöhung vorgenommen. Daraus ließen sich sachlogisch 4 Gruppen ableiten.<br />

Eine weitere Gruppe stellt das Ergebnis der einbezogenen Sommergerste dar.<br />

Das erfolgte, da sich diese Kultur in vorangegangenen Gefäßversuchen unter vergleichbaren<br />

Bodenbedingungen unter den landwirtschaftlichen Kulturpflanzen immer<br />

als besonders sensibel hinsichtlich der Kalkbedürftigkeit im Boden erwiesen hat. Die<br />

erzielten Mehrerträge entsprachen auch im Rahmen dieser durchgeführten Prüfungen<br />

dem für die Sommergerste bisher gefundenen Ertragsverhalten. Damit lassen sich im<br />

Analogieschluss auch die für die Gemüsearten erzielten Ergebnisse als repräsentativ<br />

in Bezug auf die Bodenreaktion betrachten.<br />

● In Gruppe 1 mit den höchsten Mehrerträgen von rund 100 bis 200 Prozent (Variante<br />

4) ist auffällig, dass bereits mit Variante 2 ein hoher Mehrertrag eintritt. Auch noch<br />

in Gruppe 2 wird bereits durch die geringe Anhebung des pH-Wertes von 4,4 (pH-<br />

Klasse A) auf pH 4,9 (pH-Klasse A/B) schon ein beachtlicher Ertragsanstieg erzielt.<br />

Der insgesamt erreichte Mehrertrag beträgt rund 50 bis 60 Prozent (Variante 4). Ebenso<br />

wie in Gruppe 1 handelt es sich damit um Pflanzen, die bei Vorliegen der pH-Klasse<br />

A ihr Ertragsoptimum stark unterschreiten. Dagegen wird in Gruppe 3 und 4 erst mit<br />

Variante 3 (pH-Klasse B) ein nennenswerter Ertragsanstieg erzielt. Im Mittel dieser<br />

Kulturen liegen die möglichen Mehrerträge bei rund 30 % (Variante 4).<br />

● Ein Vergleich des Ertragszuwachses von Variante 4 (pH-Klasse C, optimaler pH-Wert<br />

im Boden) zur Variante 3 soll aufzeigen, ob bei pH-Klasse C die Bodenreaktion für die<br />

jeweilige Gemüseart bereits als optimal einzuschätzen ist.<br />

Hierzu folgende Anmerkungen:<br />

●<br />

Die Mehrerträge von Porree, Spinat, Radieschen, Kopfsalat, Weißkohl und Paprika<br />

sind weniger hoch, sodass pH-Werte der pH-Klasse C offenbar als ausreichend angesehen<br />

werden können.<br />

71


72 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

●<br />

Der Mehrertrag von Speisezwiebel, Sellerie und Rotkohl ist bedeutsam und deutet darauf<br />

hin, dass ein pH-Wert von 6,3 gegebenenfalls noch nicht ausreicht und durchaus<br />

etwas höher liegen kann. Eingeschränkt, aber in der Tendenz vorhanden, gilt das auch<br />

für Brokkoli, Möhre und Kohlrabi.<br />

Tabelle 9. Relativer Mehrertrag durch Erhöhung der Bodenreaktion<br />

(Variante 2, 3 und 4) im Vergleich zu Variante 1 = pH-Wert 4,4 (pH-Klasse A) 1)<br />

Gemüseart<br />

Gruppe<br />

Gruppe 1<br />

Porree<br />

Spinat<br />

Speisezwiebel<br />

Sellerie<br />

Gruppe 2<br />

Rotkohl<br />

Radieschen<br />

Kopfsalat<br />

Gruppe 3<br />

Weißkohl<br />

Brokkoli<br />

Paprika<br />

Möhre<br />

Kohlrabi<br />

pH-Klasse / pH-Wert Relativer Mehrertrag<br />

von Variante 4 zu<br />

Variante 2<br />

A/B / 4,9<br />

Variante 3<br />

B / 5,4<br />

Variante 4<br />

C / 6,3<br />

Relativer Mehrertrag auf Basis FM 3) in % in %<br />

154<br />

115<br />

61<br />

0<br />

7<br />

30<br />

27<br />

0<br />

0<br />

0<br />

1<br />

0<br />

200<br />

118<br />

65<br />

62<br />

18<br />

50<br />

31<br />

203 2)<br />

137<br />

115<br />

101<br />

56<br />

50<br />

46<br />

Variante 3<br />

auf Basis FM 3)<br />

Gruppe 4<br />

Erbse 0 6 4 0<br />

Kontrolle<br />

So-Gerste 22 38 51 0<br />

25<br />

17<br />

17<br />

7<br />

10<br />

1) Gefäßversuch der TLL Jena 2003 (Bodenartengruppe 3)<br />

2) Höchstertrag unterstrichen<br />

3) Frischmasse in g/Gefäß<br />

Schlussfolgernd aus den Versuchergebnissen kann davon ausgegangen werden, dass bei<br />

Vorliegen von pH-Klasse A die in Tabelle 10 zusammengestellten Kalkdüngungsempfehlungen<br />

eine weitgehende Treffsicherheit aufweisen. Die Kulturen der Gruppe 1 sind im<br />

Betriebsablauf vorrangig vor den nachfolgenden Gruppen/Kulturen zu kalken.<br />

35<br />

35<br />

29<br />

28<br />

27<br />

1<br />

8<br />

30<br />

38<br />

33<br />

0<br />

12<br />

7<br />

15<br />

10<br />

19<br />

16


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

Tabelle 10. Rangfolge der geprüften Gemüsekulturen hinsichtlich des<br />

Anspruches an die Bodenreaktion 1)<br />

Gruppe 1: sehr stark kalkbedürftig – Ertragsverlust 70 bis 50 %<br />

Porree, Spinat, Speisezwiebel, Sellerie<br />

Gruppe 2: stark kalkbedürftig – Ertragsverlust 50 bis 30 %<br />

Rotkohl, Radieschen, Kopfsalat<br />

Gruppe 3: mittel kalkbedürftig – Ertragsverlust 30 bis 20 %<br />

Weißkohl, Brokkoli, Paprika, Möhre, Kohlrabi<br />

Gruppe 4: gering kalkbedürftig, – Ertragsverlust


74 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

4.5.1 Versuchsmaterial<br />

Das Institut für Pflanzenernährung Jena-Zwätzen der ehemaligen DDR war u. a. für die<br />

Analyse des Kalkversorgungszustandes der landwirtschaftlich genutzten Böden zuständig.<br />

An dieser Institution wurden auch Fragen im Hinblick auf eine optimale Bodenreaktion<br />

für die Kulturpflanzen untersucht. In diesem Zusammenhang wurden <strong>über</strong> 40 Dauerversuche<br />

zur Kalkdüngungsproblematik unter Praxisbedingungen durchgeführt. Diese Versuche<br />

beinhalteten u. a. Prüfglieder mit gestaffelter Zufuhr der Kalkgaben als Hauptprüfungsmerkmal.<br />

Hierdurch wurde der pH-Wert des Bodens zwischen den Prüfgliedern im<br />

Feldversuch rasch differenziert, sodass die jeweilige jährlich angebaute Kultur mit ihrer<br />

Ertragshöhe entsprechend reagiert hat. Die zahlreichen und vor allem langjährigen Untersuchungen<br />

ermöglichten es der Frage nach der Ertragssicherheit in Abhängigkeit von der<br />

Kalkdüngung nachzugehen.<br />

Zur objektiven Beurteilung der spezifischen Wirkung des Kalkversorgungszustandes<br />

des Bodens auf die Ertragsvariabilität bedurfte es der Nutzung biometrischer Auswertungsmethoden.<br />

Zunächst wurden in den <strong>über</strong> 40 Dauerversuchen zur Kalkdüngung bei jedem Prüfglied<br />

eines Versuches der Variationskoeffizient für den Ertrag und der mittlere pH-Wert des<br />

Bodens <strong>über</strong> die Jahre im Versuchszeitraum berechnet.<br />

Bei der Gegen<strong>über</strong>stellung von pH-Wert und Variationskoeffizienten zeigte sich für die<br />

Gesamtheit aller einbezogenen Daten eine mehr oder weniger enge Beziehung aus der sich<br />

die in der Tabelle 11 enthaltenen Ergebnisse ableiten ließen.<br />

Tabelle 11. Ertragsschwankungen im Mittel aller Kulturen in Abhängigkeit<br />

von der Bodenreaktion 1)<br />

pH-Wert im Boden Variationskoeffizient (s %)<br />

70<br />

4,1 – 4,5 70 – 40<br />

4,6 – 5,0 40 – 20<br />

5,1 – 5,5 20 – 10<br />

5,6 – 6,0 15 – 5<br />

6,1 – 6,5 10 – 5<br />

>6,5 um 5<br />

1) Kerschberger, M. (1985) Ergebnisse von 40 Dauerversuchen zur Kalkdüngung auf Ackerland in<br />

Odeutschland im Mittel aller Kulturen und Standorte (abgeleitet aus biostatistischen Untersuchungen)<br />

Auf Basis der angestellten statistischen Verrechnung des Versuchsmateriales lassen sich<br />

nachstehende Schlussfolgerungen ziehen:<br />

● Unter den Bedingungen sehr niedriger pH-Werte im Boden (


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

noch vorhandenen Ertragsschwankungen von 5 bis 15 % (Tab. 11) resultieren aus<br />

Wechselwirkungen aller Wachstumsfaktoren und sind nicht weiter quantifizierbar.<br />

Es zeigte sich, dass die „kalkanspruchsvolleren“ Kulturen, wie Gerste, Raps, Rüben,<br />

Mais, Luzerne und Rotklee bei einem vom optimalen pH-Wert des Bodens abweichenden<br />

Kalkversorgungszustand deutlich zunehmende Ertragsschwankungen aufweisen. Die entscheidende<br />

Schwelle für hohe und weiter zunehmende Unsicherheit im Ertragsniveau liegt<br />

bei pH-Werten um 4,5. Bei darunter liegenden pH-Werten ist die Ertragsleistung fast aller<br />

Kulturen von vornherein höchst unsicher, wobei die Wechselwirkung zwischen Jahreswitterung<br />

und Kalkversorgung des Bodens mit ihrem Einfluss auf alle anderen Wachstumsfaktoren<br />

zunehmende Wirkung hat.<br />

Fazit: Ein wesentliches Ziel in der Pflanzenproduktion ist eine hohe Konstanz der<br />

Kulturpflanzenerträge im Verlauf der Jahre. Unter den jeweils gegebenen Standortbedingungen<br />

ist sowohl die Erzielung eines hohen Ertragsniveaus mit gewünschter Produktqualität<br />

als auch vor allem die Erreichung einer hohen Ertragssicherheit von besonderem<br />

Stellenwert. Ertragssicherheit bedeutet, dass die Erträge der Kulturen von Jahr zu Jahr nur<br />

unbedeutend schwanken, wobei eine positive Ertragsentwicklung inbegriffen ist.<br />

Jeder Wachstumsfaktor trägt mehr oder weniger zur Ertragsbildung und damit zur<br />

Ertragshöhe und letztendlich zur Ertragssicherheit bei. Dabei ist es schwierig aus der<br />

Vielzahl der Wachstumsfaktoren die Wirkung des einzelnen zu betrachten und zu quantifizieren,<br />

da zwischen allen Wachstumsfaktoren Wechselwirkungen bestehen.<br />

5 Ausblick<br />

Der Einfluss der Kalkversorgung auf die aktuelle und potenzielle Bodenfruchtbarkeit hat<br />

einen hohen Stellenwert insbesondere auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Dies impliziert<br />

die Aufgabe des Gesetzgebers, durch geeignete und wirksame rechtliche Regelungen sicherzustellen,<br />

dass die landwirtschaftlich genutzte Fläche vor Degradierung weitestgehend<br />

geschützt wird. Das kann vorzugsweise in der Bodenschutzgesetzgebung erfolgen,<br />

die durch die Düngeverordnung nach praktischen Maßgaben ergänzt wird. Ziel muss es<br />

sein, dass ein Landwirt öffentliche Fördergelder nur dann im Rahmen der Bodenbewirtschaftung<br />

erhalten sollte, wenn er seinerseits durch gute fachliche Praxis die Bodenfruchtbarkeit<br />

durch sachgerechte Maßnahmen (hier Gesundungs- und Erhaltungskalkung) auf<br />

der Basis amtlicher Empfehlungen sicherstellt. Auf diese Weise könnte der Gesetzgeber<br />

die größtmögliche Effizienz der Förderung bewirken.<br />

Insbesondere sollte in der Bodenschutzgesetzgebung die Liste der besonders beachtenswerten<br />

Bodenfruchtbarkeitsparameter (Humus, Erosion, Verdichtung) aus den genannten<br />

Gründen um den Faktor Kalkzustand des Bodens bzw. Bodenreaktion ergänzt werden.<br />

Es wird daher vorgeschlagen, die amtlichen, bundeseinheitlichen Empfehlungen, die<br />

sich auf breiten Konsens stützen, zur Grundlage dieser rechtlichen Regelung zu machen.<br />

Zusammenfassung<br />

Der Kalkgehalt des Bodens beeinflusst alle für das Pflanzenwachstum wesentlichen Faktoren und bestimmt<br />

insofern erstrangig den Bodenfruchtbarkeitszustand. Als Abgleich hierzu hat sich die Erfassung<br />

des pH-Wertes im Boden und seine Zugrundelegung für die Ermittlung des Kalkdüngebedarfs<br />

der Böden und Pflanzen bewährt. In diesem Sinn wird auch staatlicherseits auf die Kontrolle des<br />

Kalkversorgungszustands (im Rahmen der Düngeverordnung DüV) besonderer Wert gelegt.<br />

Anhand von Ergebnissen zahlreicher Dauerfeldversuche zur Kalkdüngung wird dargestellt, welche<br />

Bedeutung der Kalkversorgung des Bodens für eine erfolgreiche und nachhaltige Pflanzenproduktion<br />

zukommt.<br />

Die Untersuchungen beziehen sich auf: den Kalkhaushalt von Ackerböden, Ursachen der Bodenversauerung<br />

im Pflanzenbau, Ertragsreaktionen pflanzenbaulicher Kulturen und Feldgemüse in Ab-<br />

75


76 Manfred Kerschberger und Gerhard Marks<br />

hängigkeit vom pH-Wert des Bodens sowie auf Aspekte der Ertragssicherheit. Aus dem besonderen<br />

Stellenwert der Kalkversorgung des Bodens hinsichtlich seines Einflusses auf die Bodenfruchtbarkeit<br />

lässt sich herleiten, dass in der Bodenschutzgesetzgebung die Liste der besonders beachtenswerten<br />

Bodenfruchtbarkeitsparameter um den Faktor „Kalkzustand des Bodens“ bzw. „Bodenreaktion“ ergänzt<br />

werden sollte.<br />

Summary<br />

Adjustment and Preservation of an Optimal pH Value Typical for the Soil of a Particular Location<br />

– Basic Requirement for an Effective and Environmentally Compatible Plant Production<br />

The lime content of the soil exerts an influence on all factors important for plant growth and thus<br />

primarily determines the soil fertility condition. For this purpose, the measurement of the pH value of<br />

the soil as a basis for determining the lime fertilising requirements for soils and plants has proved its<br />

worth. In this context, the state also emphasizes the importance of control of the soil lime condition<br />

(within the framework of the German Fertiliser Application Ordinance – “Düngeverordnung”).<br />

The results of numerous long-term field trials regarding lime fertilising demonstrate the importance<br />

of the lime application to soils for a successful and sustainable plant production.<br />

The studies refer to: lime content of arable soils, reasons for soil acidification in plant production,<br />

yield reaction of crops and field vegetables in correlation to the pH value of soils as well as aspects<br />

of yield security. It can be inferred from the particular significance of the lime supply of soils for its<br />

impact on soil fertility that the catalogue of especially noteworthy soil fertility parameters should be<br />

supplemented by the factors “lime status of the soil” and “soil reaction” respectively.<br />

Résumé<br />

Ajuster et maintenir un pH optimal du sol adapté à sa situation géographique – Condition<br />

préalable à l’obtention des rendements de cultures efficaces et respectueux de l’environnement<br />

La teneur en chaux du sol a un impact sur tous les facteurs qui sont essentiels pour la croissance des<br />

plantes et de ce fait est primordiale pour l’état de fertilité du sol. Dans ce contexte, la mesure du pH<br />

du sol qui sert de base pour la détermination du besoin en engrais calcique des sols et plantes a fait<br />

ses preuves. La législation allemande relative aux engrais (Düngeverordnung, DüV) va dans le même<br />

sens et attache une importance spécifique au contrôle de l’état de l’alimentation du sol en chaux.<br />

Les résultats de nombreux essais au champ de longue durée concernant le chaulage illustrent<br />

l’importance de l’alimentation du sol en chaux pour assurer une production végétale efficace et<br />

durable.<br />

Les analyses avaient pour objet l’examen de la teneur en chaux des sols cultivés, des causes<br />

racines de l’acidification du sol dans les cultures, des taux de rendement des cultures de plantes et<br />

des légumes de grande culture en fonction du pH du sol et des aspects de sécurité du rendement.<br />

La grande importance de l’apport de chaux au sol, compte tenu de son impact sur la fertilité du sol,<br />

démontre que dans la législation relative à la protection des sols, le paramètre « état calcique du sol<br />

» ou bien « réaction du sol » devrait être ajouté à la liste des paramètres de fertilité du sol méritant<br />

une attention particulière.<br />

Literatur<br />

1. Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) vom 17. März 1998 (BGBl. I S. 502), zuletzt geändert durch<br />

Artikel 3 des Gesetzes vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3214).<br />

2. Düngemittelgesetz (DüMG) vom 15.11.1977 (BGBl. I S. 2134), zuletzt geändert durch Artikel 1 des<br />

Gesetzes zur Änderung des Düngemittelgesetzes und des Saatgutgesetzes vom 21.10.2005 (BGBl. I<br />

S. 3012).<br />

3. Düngeverordnung (DüV) vom 10.Januar 2006 (BGBl. I S. 33) zuletzt geändert durch Artikel 2 und 3<br />

der Verordnung vom 27. September 2006 (BGBl. S. 2163).<br />

4. KerSchberger, M.; FraNKe, G., 2001: Düngung in Thüringen nach „Guter fachlicher Praxis“, Schriftenreihe<br />

der Thüringer Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong>, Heft 11/2001, S. 1 – 86.<br />

5. KöNig, V.; KerSchberger, m., 1999: Wieviel Kalk braucht das Grünland? ; Neue <strong>Landwirtschaft</strong>,<br />

Berlin, (1999), S. 42 – 46.<br />

6. trier, K., 1988: Untersuchungen zur Charakterisierung der Calciumbindungsformen im Boden,<br />

Tagungsbericht der Akademie der <strong>Landwirtschaft</strong>swissenschaften der DDR, Berlin, (1988), 267, S.<br />

101 – 107.


Einstellung und Erhaltung eines standorttypischen optimalen pH-Wertes im Boden<br />

7. VDLUFA, 1997: Methodenbuch des VDLUFA, Darmstadt (1997) Band. I, Methode 5.2.1.<br />

8. VDLUFA, 2001: Methodenbuch des VDLUFA, Darmstadt (2001) Band. I, Methode 5.2.2.<br />

9. VDLUFA, 2000: VDLUFA-Standpunkt; Bestimmung des Kalkbedarfes von Acker- und Grünlandböden,<br />

Darmstadt, 19.09.2000.<br />

10. ZorN, W., 1994: Ergebnisse von Praxisschlägen Ostdeutschlands. Neue <strong>Landwirtschaft</strong> (6/1994).<br />

Autorenanschrift: Dr. sc. Manfred Kerschberger und Dr. gerhard MarKs, Thüringer Landesanstalt<br />

für <strong>Landwirtschaft</strong>, Naumburger Str. 98, 07743 Jena, Deutschland<br />

g.marks@jena.tll.de<br />

77


78<br />

Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Von Karin EcKstEin und HElmut Hoffmann, Freising-Weihenstephan<br />

1 Einleitung<br />

Ein wichtiges Ziel der europäischen Agrarpolitik besteht in der Erhaltung der Multifunktionalität<br />

der <strong>Landwirtschaft</strong>. Neben der Nahrungsmittelproduktion ist hier vor allem auf<br />

die ökologische, ästhetische und infrastrukturelle Funktion zu verweisen. Im Umweltbereich<br />

bestehen zahlreiche Gesetze zum Schutz der Umweltgüter. Allerdings haben entsprechende<br />

Rechtsvorschriften, wie z. B. das Wasserhaushaltsgesetz, das Pflanzenschutzrecht<br />

oder das Düngemittelrecht, bis jetzt keinen umfassenden Ressourcenschutz gewährleistet<br />

(19). Auf EU-Ebene wurde deshalb das Spektrum an Instrumenten zum Schutz der Umwelt<br />

erweitert. Neben ordnungspolitischen Instrumenten werden zunehmend auch marktorientierte<br />

Instrumente bzw. Maßnahmen zur freiwilligen Teilnahme angeboten.<br />

Im März 2001 löste die Verordnung (EG) Nr. 761/2001 <strong>über</strong> die freiwillige Beteiligung<br />

von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die<br />

Umweltbetriebsprüfung (EMAS: „Eco-Management and Audit Scheme“) die bis dahin<br />

geltende Öko-Audit Verordnung ((EWG) Nr. 1836/93) ab. Umweltmanagementsysteme<br />

wurden bis dahin entsprechend der geltenden Regelung vor allem in größeren Industrie-<br />

und Handwerksbetrieben bzw. im öffentlichen Dienst eingeführt.<br />

Nach der geltenden EMAS-Verordnung ist es auch landwirtschaftlichen Betrieben<br />

möglich, sich an diesem Gemeinschaftssystem zu beteiligen. Im Auftrag des Bayerischen<br />

Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz wurde deshalb ein Pilotprojekt<br />

zur Einführung von EMAS in bayerischen Familienbetrieben durchgeführt. Der<br />

vorliegende Beitrag bezieht sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse aus diesem Pilotprojekt<br />

(4). Es werden zunächst Ausgestaltung und Ziele der EMAS-Verordnung dargestellt.<br />

In einem weiteren Abschnitt werden Möglichkeiten der Umsetzung in Familienbetrieben<br />

erläutert. Vor dem Hintergrund von Kosten und Nutzen von EMAS wird abschließend<br />

diskutiert, inwieweit die Einführung eines Umweltmanagementsystems zu höheren Umweltleistungen<br />

von landwirtschaftlichen Betrieben beiträgt.<br />

2 Ausgestaltung und Ziele von EMAS<br />

Ein Umweltmanagement umfasst die Planung, Steuerung, Überwachung und Verbesserung<br />

aller Maßnahmen des betrieblichen Umweltschutzes sowie eine umweltorientierte<br />

Betriebs- und Mitarbeiterführung (15). Überregional anerkannte Umweltmanagementsysteme<br />

sind das privatwirtschaftliche Prüfsystem ISO 14001 und die Öko-Audit-Verordnung<br />

nach EMAS. In der EMAS-Verordnung wurden die in der ISO 14001 festgelegten<br />

strukturellen Anforderungen an ein Umweltmanagementsystem integriert (20).<br />

Gemäß Verordnungstext ist das Ziel von EMAS die Förderung einer kontinuierlichen<br />

Verbesserung der Umweltleistung von Organisationen. Dabei wird auf die Sicherstellung<br />

der Einhaltung von Rechtsvorschriften besonderer Wert gelegt.<br />

Der Ablauf des Verfahrens wird in der EMAS-Verordnung durch die Festlegung einzelner<br />

Verfahrensschritte konkretisiert (vgl. Abb. 1).<br />

Zunächst muss die Umweltpolitik des Unternehmens formuliert werden. Die Umweltpolitik<br />

spiegelt die Vision der Unternehmensleitung bezüglich der Aufgaben im Bereich<br />

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9080/07/8501-078 $ 2.50/0


Abb. 1. Verfahrensschritte bei EMAS<br />

Quelle: verändert (nach 20)<br />

Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Umweltschutz wider, in dem die Handlungsgrundsätze und Leitlinien der Betriebsführung<br />

aufgezeigt werden. Die Umweltpolitik soll auch die Verpflichtung zur stetigen Verbesserung<br />

der Umweltleistungen und zur Einhaltung aller gesetzlichen Verpflichtungen im<br />

Unternehmen beinhalten (20). Damit stellt die Umweltpolitik eine Art Willenserklärung<br />

dar, an der sich die Unternehmensführung messen lassen muss.<br />

Sofern die für das Unternehmen zutreffenden Umweltaspekte noch nicht ermittelt wurden,<br />

sind diese <strong>über</strong> eine so genannte Umweltprüfung festzustellen (VO 761/2001, Anhang<br />

I-A.3.1.; Anhang VII). Die für das Unternehmen relevanten Umweltaspekte sind nach<br />

79


80 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

ihrer Wesentlichkeit, d. h. nach ihrer Bedeutung für den Betrieb bzw. die Umwelt, einzustufen.<br />

Diese Einschätzung dient als Grundlage für die umweltbezogenen Zielsetzungen<br />

des Unternehmens. Die Ziele werden im Umweltmanagementsystem dokumentiert. Die<br />

Zielerreichung soll <strong>über</strong> ein Umweltmanagementprogramm sichergestellt werden. Es ist<br />

zwischen direkten und indirekten Umweltwirkungsbereichen zu unterscheiden. Direkte<br />

Umweltauswirkungen betreffen Tätigkeiten, deren Ablauf vollständig kontrolliert werden<br />

kann. Hierzu zählt beispielsweise das Düngemanagement oder die Betankung der Fahrzeuge<br />

auf der Hofstelle. Indirekte Umweltauswirkungen sind Auswirkungen, die mittelbar<br />

verursacht werden, ohne dass der Betrieb die vollständige Kontrolle dar<strong>über</strong> hat (20).<br />

Hierzu zählt beispielshalber das Umweltverhalten der Lieferanten oder der Kunden.<br />

Durch das Umweltmanagementsystem werden die Betriebsabläufe geregelt. Die<br />

Grundstruktur eines Umweltmanagementsystems ist der so genannte Regelkreislauf, der<br />

sich aus Planung, Implementierung, Durchführung, Kontroll- und Korrekturmaßnahmen,<br />

einschließlich der Bewertung des Systems durch die Unternehmensleitung, zusammensetzt<br />

(vgl. Abb. 2).<br />

Planung Planung<br />

Implementierung Implementierung und und<br />

Durchführung<br />

Durchführung<br />

Abb. 2. Grundstruktur eines Umweltmanagementsystems<br />

Quelle: verändert (nach 20)<br />

Regelkreislauf im<br />

Umweltmanagementsystem<br />

Kontroll- Kontroll- und und<br />

Korrekturmaßnahmen<br />

Korrekturmaßnahmen<br />

Bewertung Bewertung durch durch die die<br />

oberste oberste Leitung Leitung<br />

Der Regelkreislauf symbolisiert die betriebliche Organisationsstruktur, die die verordnungskonforme<br />

Umsetzung von EMAS regelt. Es werden Planungstätigkeiten festgehalten,<br />

Verantwortlichkeiten geregelt und Verfahren und Mittel für die Festlegung, Durchführung,<br />

Verwirklichtung, Überprüfung und Fortführung der Umweltpolitik dokumentiert.<br />

Die Umweltbetriebsprüfung kann unternehmensintern, z. B. durch Angestellte die eine<br />

entsprechende Sachkenntnis aufweisen, erfolgen. Die Umweltbetriebsprüfung ist in regelmäßigen<br />

Abständen, die nicht mehr als drei Jahre betragen dürfen, abzuhalten. Die<br />

Ergebnisse sind zu dokumentieren (VO 761/2001, Anhang II). Diese Prüfung entspricht<br />

einer ersten Kontrolle, ob Umweltzielsetzung und Umweltpolitik <strong>über</strong>einstimmen und ob<br />

alle Anforderungen an den Betrieb eingehalten werden (20).


Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Die Öffentlichkeit wird <strong>über</strong> die Umwelterklärung in das Verfahren einbezogen. In der<br />

Umwelterklärung sind die Umweltinformationen des Unternehmens klar und zusammenhängend<br />

zu präsentieren und für Interessenten zur Verfügung zu stellen. Neben der klaren<br />

Beschreibung der Organisation sind die Umweltpolitik, die wesentlichen Umweltaspekte<br />

und die jeweiligen Umweltzielstellungen des Unternehmens darzulegen. Die Umwelterklärung<br />

wird von einem unabhängigen Umweltgutachter für gültig erklärt (validiert). Der<br />

Umweltgutachter hat zudem die Aufgabe, die Einhaltung aller Vorschriften der Verordnung<br />

zu kontrollieren.<br />

Nach erfolgter Validierung kann sich der Betrieb bei der zuständigen Stelle gegen Entrichtung<br />

einer Gebühr in das EU-Register eintragen lassen. Bei Eintragung in das Register<br />

erhält der Betrieb eine Eintragungsnummer (20). Das Unternehmen darf dann mit dem<br />

EMAS-Zeichen für den Betrieb, nicht aber für die erzeugten Produkte, Werbung betreiben.<br />

Eine Aktualisierung muss spätestens alle drei Jahre stattfinden.<br />

3 Einführung von EMAS in landwirtschaftlichen Familienbetrieben<br />

Zur Umsetzung der einzelnen Verfahrensschritte innerhalb eines Öko-Audits nach EMAS<br />

bedarf es geeigneter Instrumente, um den Anforderungen der Verordnung gerecht zu werden.<br />

Eine mögliche Vorgehensweise zur Implementierung von EMAS in Familienbetrieben<br />

wurde in einem Pilotprojekt in Bayern erarbeitet (4). Die Ergebnisse aus dem Pilotprojekt<br />

sollen im Folgenden dargestellt und diskutiert werden. Dabei werden schwerpunktmäßig<br />

die Bereiche dargestellt, bei denen für Familienbetriebe geeignete Umsetzungsstrategien<br />

erarbeitet wurden.<br />

3.1 Sicherstellung der Einhaltung von Gesetzen und anderen Verpflichtungen<br />

EMAS misst der Verpflichtung zur Einhaltung von geltenden Vorschriften besondere Bedeutung<br />

bei. Die Unternehmensleitung ist angehalten, dieses Ziel sowohl in ihrer Umweltpolitik<br />

zu formulieren als auch die Kenntnis der relevanten Vorschriften im Umweltmanagementsystem<br />

zu belegen. Dies kann beispielsweise durch eine Sammlung oder<br />

Auflistung aller für sie relevanten (Rechts-) Vorschriften erfolgen.<br />

Es gibt im Bereich <strong>Landwirtschaft</strong> und Umwelt sehr viele Gesetze, Richtlinien und<br />

Vorschriften, die von Relevanz sind. Diese beziehen sich gewissermaßen auf die Umweltgüter<br />

Boden, Wasser und Luft und regeln z. T. sehr genau z. B. den Umgang mit Abfällen,<br />

die Lagerhaltung oder die Lebensmittelproduktion. Im Pilotprojekt wurde eine Zusammenstellung<br />

von Rechtsgrundlagen erarbeitet, die speziell im Bereich <strong>Landwirtschaft</strong> von<br />

Bedeutung sind. Eine solche Zusammenstellung der relevanten Vorschriften ist aber von<br />

Einzelpersonen kaum zu bewerkstelligen. Es besteht bis jetzt noch kein Datenpool, in<br />

dem die notwendigen Informationen zu den geltenden Vorschriften gesammelt und bei<br />

Bedarf abgerufen werden können. Ein weiteres Problem stellt auch die Komplexität von<br />

juristischen Texten dar. Wenn die Forderung ernst genommen wird, dass Landwirte die für<br />

sie geltenden Regelungen kennen sollen, erscheint es wichtig, ihnen eine Sammlung der<br />

wichtigsten Textstellen, die konkrete Handlungsanweisungen beinhalten, von den zuständigen<br />

Verbänden oder der Administration zur Verfügung zu stellen.<br />

3.2 Ermittlung der Umweltaspekte im Rahmen der Umweltprüfung<br />

Die Aufgabe eines Öko-Audits ist es, die Umweltbeeinträchtigungen und Umweltleistungen<br />

eines Betriebes mit dem Ziel einer kontinuierlichen Umweltverbesserung zu ermitteln.<br />

Dies erfordert eine intensive Analyse der betrieblichen Daten innerhalb einer Um-<br />

81


82 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

weltprüfung. Bei der Auswertung der Daten werden die relevanten Umweltwirkungsbereiche<br />

festgestellt. Es werden sowohl qualitative als auch quantitative Daten ausgewertet.<br />

Über das genaue Vorgehen, d. h. wie die Umweltaspekte erfasst werden sollen, wird in der<br />

Verordnung keine Vorgabe gemacht. Ein Vergleich von bereits durchgeführten Projekten<br />

bzw. Vorschlägen zur Durchführung einer Umweltprüfung in <strong>Landwirtschaft</strong>sbetrieben<br />

zeigt die Bandbreite der Möglichkeiten auf (vgl. 4; 7; 12; 14).<br />

Im Pilotprojekt wurden die erforderlichen Daten, entsprechend dem Vorgehen bei Qualitätsmanagementprüfungen,<br />

mit Hilfe einer Checkliste erfasst. Da Umweltgesichtspunkte<br />

und Qualitätsstandards eng miteinander verknüpft sind, kann die Erstellung einer entsprechenden<br />

Checkliste in Anlehnung an schon bestehende Checklisten im Bereich Qualitätsmanagement<br />

erfolgen (vgl. 9; 11). Mit der Checkliste wurden im Pilotprojekt beispielsweise<br />

die Qualitäts- und Sicherheitsstandards bei der Lagerhaltung oder von technischen<br />

Einrichtungen und Maschinen erfasst. Ebenso wurden Aspekte des Tierschutzes und der<br />

Tierhygiene sowie der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten abgefragt.<br />

Für Umweltprüfungen ist die Erfassung quantitativer Daten, wie z. B. Daten zur Errechnung<br />

von Nährstoffbilanzen, Energiebilanzen oder Diversitätskennzahlen wichtig,<br />

um eine umfassende Analyse der umweltrelevanten Daten durchführen zu können. Im<br />

Pilotprojekt wurde hierfür das Analysemodell „Kriterien umweltgerechter Landbewirtschaftung“<br />

(KUL) herangezogen (3). Die Nutzung eines schon bestehenden Modells hat<br />

den Vorteil, mit einem anerkannten und standardisierten Verfahren zu arbeiten, was die Ergebnisse<br />

und die Bewertung der Situation im Betrieb nachvollziehbar macht. In Tabelle 1<br />

sind die Kriterien, die in dem Modell KUL ausgewertet werden, aufgelistet.<br />

Tabelle 1. Kriterien des Modells KUL (Kriterien umweltverträglicher<br />

Landbewirtschaftung)<br />

Nährstoffhaushalt Bodenschutz Pflanzenschutz Landschafts- und<br />

Artenvielfalt<br />

- N-Saldo<br />

- P-Saldo<br />

- K-Saldo<br />

- NH3-Emission (Tier)<br />

- Gehaltsklasse P<br />

- Gehaltsklasse K<br />

- Gehaltsklasse Mg<br />

- Boden-pH-Stufe<br />

- Humussaldo<br />

- Erosionsdisposition<br />

- Verdichtungsgefährdung<br />

- Pflanzenschutzintensität<br />

- Risikominderung<br />

1) Ökologisch und landeskulturell bedeutsame Flächen<br />

Quelle: (4)<br />

- Anteil an ÖLF 1)<br />

- Kulturartendiversität<br />

- Median Feldgröße<br />

Energiebilanzen<br />

- Gesamtbetrieb:<br />

Energieinput und<br />

Energiesaldo<br />

- Bereich Tierhaltung:<br />

Energieinput und<br />

Energiesaldo<br />

- Bereich<br />

Pflanzenbau:<br />

Energieinput und<br />

Energiesaldo<br />

Im Themenfeld Nährstoffhaushalt werden anhand der betrieblichen Daten die Stickstoff-<br />

Phosphat- und Kaliumbilanzen auf Hoftorbasis ermittelt. Die Ergebnisse aus den regelmäßig<br />

durchzuführenden Bodenuntersuchungen (Nährstoff-Gehaltsklassen, Boden-pH-<br />

Stufe) werden als Standortfaktoren berücksichtigt. Als weitere Kennzahlen im Bereich<br />

Nährstoffhaushalt dienen die Ammoniak-Emissionen bei tierhaltenden Betrieben und der<br />

Humussaldo auf den Ackerflächen. Im Themenbereich Bodenschutz wird die Verdichtungsgefährdung<br />

ermittelt. Für die Berechnung der Erosionsdisposition waren die zur<br />

Berechnung notwendigen Daten nicht vorhanden. Im Bereich Pflanzenschutz wird die


Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Pflanzenschutzintensität ermittelt und Faktoren zur Risikominderung erfasst. Der Bereich<br />

der Landschafts- und Artenvielfalt wird durch die Kriterien Kulturartendiversität<br />

und Feldgröße abgedeckt. Vergleichsdaten zur Bewertung des Anteils an ökologisch und<br />

landeskulturell bedeutsamen Flächen waren nicht vorhanden. Schließlich werden die Energiebilanzen<br />

sowohl für den Gesamtbetrieb als auch für die einzelnen Betriebszweige<br />

Tierhaltung und Pflanzenbau ermittelt. Es werden sowohl der Energieinput als auch das<br />

Energiesaldo ausgewiesen.<br />

Die Ergebnisse werden anhand den im Modell definierten Optimal- und Toleranzwerten<br />

bewertet. Tabelle 2 zeigt, wie viele der sechs ausgewerteten Pilotbetriebe die definierten<br />

Optimalwerte erreicht bzw. wie viele der Betriebe die Toleranzschwelle <strong>über</strong>schritten haben<br />

und dementsprechend Verbesserungsmaßnahmen einleiten mussten.<br />

Tabelle 2. Ergebnisse aus der Auswertung mit dem Modell Kriterien<br />

umweltgerechter Landbewirtschaftung“ (KUL) in den Pilotbetrieben<br />

Kriterium Anzahl der Betriebe Anzahl der Betriebe mit<br />

mit Optimalwerten Toleranz<strong>über</strong>schreitungen<br />

(Boniturnote 1) (Boniturnote >6)<br />

n = 6 n = 6<br />

N-Saldo 0 3<br />

NH3-Emission 5 0<br />

P-Saldo 1 1<br />

K-Saldo 0 0<br />

pH-Klasse 0 2<br />

Humussaldo 0 4<br />

Verdichtungsgefährdung 0 2<br />

PS-Risikominderung 1 1<br />

PS-Intensität 0 1<br />

Kulturartendiversität 1 2<br />

Feldgröße 6 0<br />

Energieinput gesamt 0 4<br />

Energiesaldo gesamt 1 0<br />

Quelle: (4)<br />

Es fällt auf, dass es in verhältnismäßig vielen Betrieben zu Toleranz<strong>über</strong>schreitungen<br />

kommt, während nur bei wenigen Betrieben Optimalwerte erreicht werden konnten. Toleranz<strong>über</strong>schreitungen<br />

wurden v. a. bei den Kriterien Energieinput im Gesamtbetrieb,<br />

Humussaldo und der Stickstoffbilanz festgestellt. Optimalwerte wurden <strong>über</strong>wiegend bei<br />

den Kennzahlen zur Feldgröße und der Ammoniak-Emission erreicht.<br />

Insgesamt ist die Datenerhebung und Auswertung sehr aufwändig. Um die Datenerhebung<br />

zu vereinfachen, sollte deshalb zumindest eine digitale Schlagkartei eingeführt werden,<br />

in der Daten zum Düngemittel- und Pflanzenschutzmitteleinsatz bereitgestellt werden<br />

können. Die Auswertung der Daten erfolgt bei KUL durch die Modellentwickler. Generell<br />

wäre es aber bei EMAS auch möglich, die Analyse der betrieblichen Daten selbst, d. h. im<br />

Betrieb, vorzunehmen. Dies bietet sich bei der Verwendung von Schlagkarteien an, mit<br />

deren Hilfe bei entsprechender Dateneingabe bestimmte Kennzahlen wie Nährstoff- oder<br />

83


84 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

Humusbilanzen berechnet werden können. Damit würden sich auch die Kosten für die<br />

Einführung von EMAS reduzieren. Wichtig ist, dass die Ergebnisse nachvollziehbar und<br />

plausibel bleiben. Ein weiterer Vorteil der Datenauswertung vor Ort besteht darin, dass<br />

dem Betriebsleiter die jeweils aktuellen Betriebsdaten zur Verfügung stehen wodurch die<br />

Ergebnisse der Auswertung direkt in den Betriebsablauf einfließen können.<br />

Um das Potenzial an Umweltverbesserungen umfassend abzudecken, sollte die Analyse<br />

der betrieblichen Situation möglichst detailliert erfolgen. Es können sowohl produktionstechnische<br />

Verbesserungen, z. B. Verbesserung im Düngemanagement, als auch<br />

umwelt- und naturschutzfachliche Verbesserungen, z. B. die Anlage von Hecken, betrachtet<br />

werden. Eine flächengenaue Auswertung der Daten und damit verbunden eine flächengenaue<br />

Zielformulierung erscheint vorteilhaft, da die einzelnen Flächen hinsichtlich<br />

standörtlicher Gegebenheiten und innerbetrieblicher Zielsetzungen oft sehr heterogen<br />

sind. Es können auf den einzelnen Flächen ganz unterschiedliche Maßnahmen, z. B. im<br />

Bereich Bodenschutz oder Artenschutz, vordringlich sein.<br />

Im Rahmen der abschließenden Registrierung erhält die zuständige Kreisverwaltungsbehörde<br />

Gelegenheit zur Stellungnahme. Äußern sich die Vollzugsbehörden nicht negativ,<br />

wird die Registrierung vollzogen. Um bei der Registrierung Verzögerungen zu vermeiden,<br />

erscheint es empfehlenswert, die zuständigen Fachbehörden (Naturschutzamt, Wasserwirtschaftsamt)<br />

rechtzeitig in die Analyse der Umweltwirkungen des Betriebes und die<br />

anschließende Maßnahmenplanung einzubeziehen.<br />

3.3 Bewertung der Wesentlichkeit der Umweltaspekte im Rahmen<br />

der Umweltprüfung<br />

Die bei der Umweltprüfung ermittelten Umweltaspekte müssen hinsichtlich ihrer Wesentlichkeit<br />

bewertet werden (VO 761/2001, Anhang VI, Nr. 6.4). Diese Bewertung der<br />

betrieblichen Daten wurde im Pilotprojekt mit Hilfe einer Matrix durchgeführt (Tab. 3).<br />

Mit dieser Bewertungsmatrix wird einerseits die Sensibilität der Umweltgüter, die belastet<br />

werden könnten, berücksichtigt, andererseits wird die tatsächliche Situation im Betrieb in<br />

die Bewertung einbezogen.<br />

Die Auswirkung von möglichen Belastungen auf Umweltgüter wird durch das Kriterium<br />

„Risiko von Umweltbelastungen“ bewertet. Betroffene Umweltgüter sind z. B.<br />

Gewässer, Boden, Luft, Arten und deren Lebensräume (8; 10; 17). Die Bewertung des Risikos<br />

von Umweltbelastungen erfolgt mittels einer normativen dreistufigen Skala (geringmittel-hoch)<br />

und ist vom Bewerter (Landwirt oder Berater) festzulegen. Die Einschätzung<br />

richtet sich dabei nach der Anfälligkeit der betroffenen Umweltgüter, der Behebbarkeit<br />

von Umweltschäden und dem Vorliegen von Umweltbestimmungen (5). Beispielsweise<br />

wurde im Pilotprojekt den Bereichen Pflanzenschutz, Düngung, <strong>über</strong>wachungspflichtige<br />

Anlagen (Tankanlagen) und Lagerung von umweltrelevanten Stoffen (Öle, Schmierstoffe)<br />

ein verhältnismäßig hohes Gefahrenpotenzial in Bezug auf die Umwelt zugesprochen.<br />

Den Bereichen Bodenbearbeitung, Emissionen und Tierhaltung wurde ein mittleres Gefahrenpotenzial<br />

und den Bereichen Abfallbeseitigung, Energie- und Wasserverbrauch ein<br />

geringes Gefährdungspotenzial zugesprochen (4).


Risiko von<br />

Umweltbelastungen<br />

Quelle: (4)<br />

Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Tabelle 3. Schema zur Bewertung der Wesentlichkeit<br />

der Umweltaspekte im Betrieb<br />

hoch mittel gering<br />

Relevanz im Betrieb<br />

gering mittel hoch<br />

weniger<br />

wichtig<br />

wichtig besonders wichtig<br />

besonders wichtig<br />

wichtig besonders wichtig<br />

ganz besonders<br />

wichtig<br />

ganz besonders<br />

wichtig<br />

ganz besonders<br />

wichtig<br />

Für die Bewertung der Wesentlichkeit der Umweltaspekte im Betrieb ist aber auch die<br />

jeweilige betriebliche Situation von entscheidender Bedeutung. Es werden deshalb die<br />

Ergebnisse aus der Umweltprüfung in die Bewertung einbezogen. Die Relevanz in den Betrieben<br />

wird ebenfalls mit einer normativen dreistufigen Skala (gering-mittel-hoch) nach<br />

folgenden Kriterien festgelegt (4):<br />

● Die Relevanz im Betrieb wird dann als hoch eingestuft, wenn bei der Auswertung der<br />

Betriebsdaten vorher definierte Toleranzbereiche <strong>über</strong>schritten werden bzw. wenn bei<br />

der Umweltprüfung entsprechende Mängel festgestellt wurden. Beispiel: Überschreitung<br />

der Toleranzgrenze z. B. bei der N-Bilanz; mangelhafte Betankungsanlage mit<br />

akutem Umweltrisiko.<br />

● Die Relevanz im Betrieb wird dann als mittel eingestuft, wenn die Umweltwirkungsbereiche<br />

eine gewisse Bedeutung im Betrieb einnehmen, bzw. wenn die Auswertung<br />

entsprechender Kriterien keine vorher zu definierenden Optimalwerte ergeben haben.<br />

Beispiel: keine Optimalwerte, aber auch keine Toleranz<strong>über</strong>schreitungen z. B. bei der<br />

N-Bilanz; Unzulänglichkeiten bei der Lagerung von wassergefährdenden Stoffen, aber<br />

kein akutes Umweltrisiko.<br />

● Die Relevanz im Betrieb wird dann als gering eingestuft, wenn entsprechende Kriterien<br />

einen vorher zu definierenden Optimalwert erreichen bzw. wenn der Umweltwirkungsbereich<br />

nur eine untergeordnete Bedeutung für den Betrieb hat. Beispiel: Optimalwerte<br />

z. B. bei der N-Bilanz; Abfallentsorgung, wenn diese nur einen untergeordneten Bereich<br />

in der gesamtbetrieblichen Organisation ausmacht.<br />

Durch die Kombination von „Risiko von Umweltbelastungen“ und „Relevanz im Betrieb“<br />

lassen sich vier Abstufungen für die „Wesentlichkeit der Umweltaspekte im Betrieb“ ableiten:<br />

„weniger wichtig“, „wichtig“, „besonders wichtig“ und „ganz besonders wichtig“.<br />

Als Konsequenz hat der Betriebsleiter auf die „ganz besonders wichtig“ und „besonders<br />

wichtig“ erachteten Wirkungsbereiche ein hohes Augenmerk im Hinblick auf Umweltverbesserungen<br />

bzw. Verhinderung von Umweltbeeinträchtigungen zu legen und entsprechende<br />

Maßnahmen einzuleiten.<br />

85


86 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

3.4 Die Dokumentationspflichten beim Aufbau des<br />

Umweltmanagementsystems<br />

Um nachzuweisen, dass das Managementsystem gemäß den in den Normen und Regelungen<br />

festgelegten Anforderungen angewendet wird, bedarf es eines umfassenden Dokumentationssystems.<br />

Der Dokumentationsumfang bezieht sich beispielsweise auf eine<br />

umfassende Protokollführung <strong>über</strong> die Vorkommnisse im Betrieb, eine Lieferantenbewertung,<br />

ein Verzeichnis von Gefahrstoffen, Wartungsprotokolle bei <strong>über</strong>wachungspflichtigen<br />

Anlagen, das Erstellen und zugänglich machen von Notfall-Vorsorgeplänen, Maßnahmen-<br />

und Schulungsplanungen und vieles mehr. Die Dokumente müssen lesbar, datiert, genau<br />

zuordenbar und vom Betriebsleiter unterschrieben sein.<br />

Viele Arbeitsschritte, die bisher von den Betriebsleitern bzw. den Familienmitgliedern<br />

selbstverständlich durchgeführt wurden, müssen im Rahmen des Managementsystems<br />

aufgezeichnet und mit Unterschrift bestätigt werden. Diese Anforderungen werden häufig<br />

als sehr bürokratisch empfunden. Deshalb muss die Dokumentationsstruktur an den einzelnen<br />

Betrieb nach den Grundsätzen der Praktikabilität angepasst werden. Zu empfehlen<br />

ist aber in jedem Fall das Führen einer digitalen Schlagkartei. Hier kann die Dokumentationspflicht<br />

der durchgeführten Maßnahmen, die Kontrolle der aktuellen Situation in Form<br />

von Schlagbilanzen und die weitere Planung der Bewirtschaftung vereint werden.<br />

3.5 Umweltbetriebsprüfung<br />

Die EMAS-Verordnung sieht vor, dass das Managementsystem bei der Umweltbetriebsprüfung<br />

dahingehend beurteilt werden muss, ob die Festlegungen der Unternehmenspolitik<br />

auch eingehalten, die Regelungs- und Kontrollmechanismen funktionieren und die<br />

umweltbezogenen Zielsetzungen erreicht werden. Diese auch als internes Audit bezeichnete<br />

Prüfung soll von Personen durchgeführt werden, die ausreichend unabhängig von<br />

den zu kontrollierenden Vorgängen sind. Da dies in einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb<br />

kaum gegeben ist (jeder ist für alles verantwortlich bzw. jeder weiß <strong>über</strong> alles<br />

Bescheid), haben sich die am Pilotprojekt beteiligten Betriebsleiter gegenseitig auditiert.<br />

Dieses Vorgehen entspricht auch den Empfehlungen zur Umsetzung von EMAS in Kleinstunternehmen<br />

(5).<br />

3.6 Schulungs- und Beratungsbedarf bei der Einführung von EMAS<br />

Es hat sich gezeigt, dass der Beratungsbedarf bei den Landwirten für die Einführung von<br />

EMAS sehr hoch ist. Landwirte sollten deshalb die Möglichkeit haben, Beratungs- und<br />

Schulungsleistungen in Anspruch nehmen zu können. Da Beratungen und Schulungen<br />

mit Kosten verbunden sind, sollten diese Schulungen für Gruppen durchgeführt werden.<br />

Neben der Kosteneinsparung bei Gruppenschulungen liegt ein weiterer Vorteil darin, dass<br />

sich die Landwirte untereinander austauschen können. Vorteilhaft wirkt sich dabei eine<br />

regionale Heterogenität innerhalb der Teilnehmergruppe aus. Es hat sich gezeigt, dass<br />

es den Landwirten leichter fällt, betriebsinterne Daten preiszugeben, wenn eine gewisse<br />

räumliche Distanz der Betriebsstandorte vorhanden ist (4).<br />

Zusätzlich zu den Schulungen, die sich mit der allgemeinen Erläuterung des Systems<br />

befassen, erscheint es empfehlenswert, die Erhebung und Auswertung der Daten im Rahmen<br />

der Umweltprüfung in Zusammenarbeit mit einer fachkundigen Beratung durchzuführen.<br />

Vor allem durch den Blick von außen können häufig neue Ideen und Verbesserungsvorschläge<br />

in den Betriebsablauf integriert werden. Eine Beratung sollte aber nicht<br />

die Eigeninitiative des Landwirts ersetzen. Die Landwirte müssen in der Lage sein, die


Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Daten ihres Betriebes zu interpretieren und durch geeignetes Management laufend zu<br />

verbessern.<br />

Für die Formulierung der Umweltpolitik und zur Aufbereitung der Informationen, die<br />

in der Umwelterklärung veröffentlicht werden sollen, ist oft eine formale Hilfe notwendig.<br />

Schließlich bedarf es der Vermittlung eines entsprechend zugelassenen Umweltgutachters,<br />

der mit den speziellen Problemen im Bereich <strong>Landwirtschaft</strong> vertraut ist.<br />

4 Kosten-Nutzen-Analyse<br />

Mit der Novellierung der EMAS-Verordnung wurde ein System geschaffen, mit dem<br />

landwirtschaftliche Betriebe auf freiwilliger Basis auf umweltbezogene Anforderungen<br />

reagieren können. Odening et al. (16) weisen darauf hin, dass ein solches System für die<br />

Landwirte mit einem Nettonutzen oder zumindest mit einem neutralen Kosten-Nutzen-<br />

Verhältnis verbunden sein muss, um auf breite Akzeptanz zu stoßen.<br />

Der Aufwand, der bei der Implementierung von EMAS im Betrieb entsteht, wurde<br />

zum Teil bereits in Kapitel 3 beschrieben. Zur Beurteilung des Aufwandes im Pilotprojekt<br />

wurden die teilnehmenden Landwirte gebeten, den zeitlichen Aufwand für die Einführung<br />

des Systems anhand einer Notenskala von 1 = sehr gering bis 6 = sehr hoch zu bewerten.<br />

Das Ergebnis ist in Abbildung 3 dargestellt.<br />

Abb. 3. Bewertung des Zeitaufwandes für verschiedene Verfahrensschritte, Mittelwerte und Spannweiten<br />

(n = 5, es gilt: 1 = sehr gering; 2 = gering; 3 = mittel; 4 = <strong>über</strong>durchschnittlich; 5 = hoch;<br />

6 = sehr hoch)<br />

Quelle: (4)<br />

Der zeitliche Aufwand für Schulungen und die Erstellung der Umwelterklärung wurde<br />

von den betroffenen Landwirten als gering bis mittel eingeschätzt (Durchschnittsnote 2,4<br />

bzw. 2,6). Dagegen wurde der Aufwand für Maßnahmen zu betrieblichen Verbesserungen<br />

(3,8), der ersten Umweltprüfung (4,2) und der Einführung des Umweltmanagementsystems<br />

(4,2) als <strong>über</strong>durchschnittlich beurteilt. Vor allem die Durchführung der ersten<br />

87


88 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

Umweltprüfung, bei der sämtliche Betriebsdaten erhoben werden müssen, ist mit einem<br />

erheblichen Zeitaufwand verbunden. Für die Datenerfassung wurden im Pilotprojekt in<br />

Bayern durchschnittlich 40 Stunden pro Betrieb verwendet. Nicht berücksichtigt sind hier<br />

allerdings die aufgewendeten Stunden der Projektmitarbeiter. Es ist zu erwarten, dass sich<br />

der Erhebungsaufwand durch eine strukturierte Dokumentation aller betrieblichen Prozesse,<br />

insbesondere durch das Führen einer Schlagkartei, erheblich vereinfachen lässt.<br />

Die Einführung des Umweltmanagementsystems erfordert z. T. erheblichen organisatorischen<br />

Aufwand. Je nach bereits vorhandener Organisationsstruktur ist die Einführung<br />

dieses Systems für die Landwirte verhältnismäßig aufwändig. Landwirte, die im Umgang<br />

mit Computern vertraut sind, können sich zumindest mit den technischen Herausforderungen<br />

schneller anfreunden. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung stößt die Einführung<br />

eines Managementsystems aber oft an zeitliche Grenzen. Die Einhaltung der Dokumentationspflichten,<br />

Protokollführungen und die Festlegung von Verantwortlichkeiten bereiten<br />

v. a. in kleineren Familienbetrieben einige Probleme. Es müssen Aufzeichnungen <strong>über</strong><br />

Betriebsabläufe angefertigt werden, die bisher ohne besondere Absprachen von den einzelnen<br />

Familienmitgliedern erledigt wurden. Nur durch die Unterstützung aller im Betrieb<br />

mitarbeitenden Familienmitglieder kann das System <strong>über</strong> mehrere Jahre aufrechterhalten<br />

werden.<br />

Neben dem zeitlichen und organisatorischen Arbeitsaufwand sind die Kosten zu berücksichtigen,<br />

die auf den Betrieb mit der Einführung von EMAS zukommen. Je nachdem,<br />

ob die Umweltprüfung und die Auswertung der Daten mit einem standardisierten Analysemodell<br />

und/oder unter Einbeziehung eines Beraters durchgeführt werden, fallen hier<br />

unterschiedliche Kosten an. Im Pilotprojekt setzen sich diese wie folgt zusammen (4):<br />

● KUL (pro Auswertung): 719 € für Marktfruchtbetriebe<br />

1067 € für Tierhaltungsbetriebe<br />

● Validierung der Umwelterklärung: 2000 €<br />

● Registrierung: 230 €<br />

Bei einer Weiterführung des Systems fallen alle drei Jahre ähnlich hohe Kosten an. Hinzu<br />

kommen noch Beratungskosten und die notwendigen Investitionen für Umweltverbesserungsmaßnahmen.<br />

Bei diesen Investitionen ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie z. T.<br />

auch ohne die Einführung eines Managementsystems auf die Landwirte zukommen, und<br />

zwar dann, wenn es sich um die Erfüllung von gesetzlichen Vorschriften handelt. Beispielsweise<br />

musste in allen Pilotbetrieben das Betankungssystem an die Sicherheitsstandards<br />

(Bodenversiegelung, Auffangwanne) angepasst werden. Ein Verstoß ist unabhängig<br />

von der Teilnahme an EMAS für Direktzahlungsempfänger sanktionsfähig im Sinne von<br />

Cross Compliance (21).<br />

Dem Aufwand für die Implementierung von EMAS muss der mögliche Nutzen gegen<strong>über</strong>gestellt<br />

werden. Dieser lässt sich in folgenden Punkten zusammenfassen (20):<br />

● Rechtssicherheit und Minimierung der Haftungsrisiken<br />

● Marktzugang und Imagegewinn / Nutzung des Teilnahmelogos<br />

● Transparenz der Betriebsabläufe<br />

● Verbesserte interne Kommunikation und Identifikation der Mitarbeiter<br />

●<br />

Erschließung und Realisierung von Kosteneinsparpotenzialen<br />

EMAS ist ein System, dessen positive Wirkungen sich sicherlich erst nach einer gewissen<br />

Laufzeit für das Unternehmen einstellen. Dennoch lässt sich nach der Implementierung<br />

des Systems in bayerischen Betrieben eine Beurteilung der erwarteten positiven Auswirkungen<br />

durchführen. Die am Pilotprojekt teilnehmenden Landwirte wurden gebeten, den<br />

Nutzen von EMAS anhand ihrer Erfahrungen im Pilotprojekt mit einer Notenskala von<br />

1 = sehr hoch bis 6 = sehr gering zu bewerten (vgl. Abb. 4).


Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Abb. 4. Erwarteter Nutzen durch die Einführung von EMAS, Mittelwerte und Spannweiten<br />

(n = 5; es gilt: 1 = sehr gut; 2 = gut; 3 = mittel; 4 = mäßig; 5 = schlecht; 6 = sehr schlecht)<br />

Quelle: (4)<br />

Die befragten Landwirte bewerten die entstehende Rechtssicherheit mit gut (1,8). Durch<br />

die genaue Dokumentation der einzelnen Betriebsabläufe, die Verpflichtung zur Selbstkontrolle<br />

und nicht zuletzt durch die Zertifizierung durch den Umweltgutachter können<br />

Mängel im Betrieb ausgeschlossen werden. Durch die Dokumentationsstrukturen und die<br />

bewusste Vermeidung von Umweltgefährdungen entsteht eine grundsätzliche Rechtssicherheit<br />

für den Betrieb. Bei möglichen Rechtsstreitigkeiten verbessert sich durch die<br />

vorhandenen Dokumentationsstrukturen die Verhandlungsposition.<br />

Die Wirkung, die das System auf die Imageverbesserung der <strong>Landwirtschaft</strong> hat, wird<br />

ebenfalls als gut bewertet. Von teilnehmenden Landwirten wird ausdrücklich begrüßt,<br />

durch die Umwelterklärung ein öffentlichkeitswirksames Instrument zur Werbung für ihren<br />

Betrieb zu erhalten. Die Erwartungen, dass sich dies ebenso auf die Wettbewerbsfähigkeit<br />

positiv auswirkt, sind allerdings gering (3,4).<br />

Der Nutzen des Systems liegt für die Landwirte neben der Imageverbesserung v. a.<br />

im Informationsgewinn und der <strong>über</strong>sichtlicheren Organisation des Betriebes (2,0). Die<br />

Landwirte bestätigten, dass viele Sachverhalte erst durch eine genaue Aufzeichnung bzw.<br />

durch die Hinweise der Berater und des Umweltgutachters deutlich wurden. Aufgrund<br />

der familiären Betriebsstruktur wird die Möglichkeit der Mitarbeitermotivation mit mittel<br />

bewertet.<br />

Die Erwartungen der teilnehmenden Landwirte, durch die gezielte Steuerung der betrieblichen<br />

Abläufe Kosten einsparen zu können, fallen je nach Ressource und vorheriger<br />

betrieblicher Organisation unterschiedlich aus (Abb. 5). Im Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelverbrauch<br />

wird in den Pilotbetrieben ein mittleres Einsparpotenzial erwartet.<br />

Beim Energie- und v. a. Wasserverbrauch wird das Einsparungspotenzial als mäßig bis<br />

schlecht eingestuft.<br />

89


90 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

Abb. 5. Mögliche Einsparungen als Resultat des Umweltmanagements, Mittelwerte und Spannweiten<br />

(n = 5; es gilt: 1 = sehr gut; 2 = gut; 3 = mittel; 4 = mäßig; 5 = schlecht; 6 = sehr schlecht)<br />

Quelle: (4)<br />

Wie Abbildung 6 zeigt, bewerten teilnehmende Landwirte das Verhältnis zwischen Aufwand<br />

und Nutzen von EMAS als ausgeglichen bis schlecht. Diese Bewertung bezieht sich<br />

zum einen darauf, dass die entstehenden Kosten nicht direkt <strong>über</strong> höhere Produktpreise<br />

ausgeglichen werden können. Nicht unwesentlich ist aber auch die Einschätzung, dass<br />

EMAS voraussichtlich von den Fachbehörden nicht als vollwertiger Ersatz für weitere<br />

Kontrollen, z. B. im Rahmen von Cross Compliance, akzeptiert wird.<br />

Abb. 6. Einschätzungen der Landwirte zum Kosten-Nutzen-Verhältnis bei EMAS (n = 5)<br />

Quelle: (4)


Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

5 Diskussion<br />

Die landwirtschaftliche Tätigkeit verlangt zunehmend eine aktive Auseinandersetzung mit<br />

ökologischen Fragestellungen. Vor allem die Direktzahlungen an die <strong>Landwirtschaft</strong> werden<br />

zukünftig verstärkt an den Nachweis von Umweltleistungen gebunden sein. Inwieweit<br />

die Teilnahme an EMAS dazu beitragen kann, Umweltverbesserungen zu erreichen bzw.<br />

festgesetzte Standards einzuhalten, soll vor dem Hintergrund der anfallenden Kosten und<br />

des Nutzens für den einzelnen Betrieb diskutiert werden.<br />

Mit der Einführung von EMAS verpflichtet sich der Landwirt, alle relevanten Vorschriften<br />

und Umweltstandards einzuhalten und auf eine kontinuierliche Verbesserung<br />

der Umweltwirkungen seines Betriebes hinzuarbeiten. Dies soll <strong>über</strong> ein Umweltmanagementsystem<br />

sichergestellt und kontrolliert werden. Bei der Kontrolle durch den Umweltgutachter<br />

wird sowohl die Funktionsfähigkeit des Umweltmanagementsystems geprüft<br />

als auch die Einhaltung von Umweltvorschriften (13). Dabei gelten v. a. die vorhandenen<br />

Dokumente und Aufzeichnungen als Nachweis, dass das Managementsystem gemäß der in<br />

den Normen und Regelungen festgelegten Anforderungen angewendet wird (5). Als Beleg<br />

für die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen gelten beispielsweise Überwachungsdaten<br />

oder das Vorliegen diverser Aufzeichnungspflichten wie z. B. Nährstoffvergleiche (2).<br />

Die Aufzeichnungspflichten betreffen nicht nur produktionsspezifische Daten wie z. B.<br />

die Durchführung von Nährstoffbilanzen, sondern den gesamten Arbeitsablauf im Betrieb,<br />

z. B. die Abfallentsorgung, Reinigungsprotokolle oder Bewertungen der einzelnen<br />

Lieferanten. Die Dokumentationspflichten können zu einer Sensibilisierung bezüglich der<br />

Umweltproblematik beitragen und führen zu Verbesserungen der Umweltwirkung, wenn<br />

dadurch Schwachstellen beseitigt werden. Das Öko-Audit wird daher auch als reflexives<br />

Instrument des Umweltschutzes bezeichnet, das darauf ausgerichtet ist, einen Lernprozess<br />

in den Betrieben anzustoßen (13; 16). Allein die gedankliche Auseinandersetzung mit<br />

umweltrelevanten Fragestellungen führt zu einer Sensibilisierung für Umweltprobleme.<br />

Dieser Prozess ist allerdings langwierig und es ist zu befürchten, dass der Aufwand in<br />

kleinen und mittleren Familienbetrieben, im Vergleich mit den Vorteilen für den Betrieb,<br />

unverhältnismäßig groß ist (16). Die entstehenden Kosten lassen sich derzeit noch nicht<br />

<strong>über</strong> eine bessere Vermarktung der Produkte ausgleichen.<br />

Für den Betrieb lohnt sich die Einführung eines Managementsystems, wenn die betrieblichen<br />

Abläufe optimiert werden können und damit die Kosten sinken oder die Produktqualität<br />

steigt. Die investierte Zeit sollte sich in einem positiven Ergebnis für den<br />

Betrieb, entweder betriebswirtschaftlich oder organisatorisch, niederschlagen. Den größten<br />

Vorteil erreichen die Betriebe mit der Durchführung der Umweltprüfung, da hier die<br />

betriebsspezifischen Daten erfasst und ausgewertet werden. Damit alle Schwachstellen sowohl<br />

in umweltrelevanten Bereichen als auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht erkannt<br />

werden, erscheint es sinnvoll, die Umweltprüfung möglichst detailliert durchzuführen.<br />

Die Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in Bayern legen auch die Inanspruchnahme einer<br />

Beratung nahe, um zu gewährleisten, dass die gewonnenen Daten richtig erhoben, ausgewertet<br />

und interpretiert werden, bzw. um geeignete Lösungsstrategien für eine nachhaltige<br />

Betriebsführung zu entwickeln. Oft führt der „Blick von außen“ zu neuen Erkenntnissen<br />

und damit zu neuen Ideen für die Bewirtschaftung des Betriebes. Wie die Ergebnisse<br />

aus dem Pilotprojekt gezeigt haben, besteht in vielen Betrieben ein mehr oder weniger<br />

großes Potenzial für Verbesserungen in der Umweltwirkung. Damit verbunden sind häufig<br />

auch entsprechende Kosteneinsparpotenziale. Für Betriebe, die zunächst lediglich die<br />

Umweltwirkungen ihres Betriebes verbessern möchten, ohne weitere Vorteile von EMAS<br />

zu nutzen, wie z. B. Rechtssicherheit oder Imagegewinn, wäre eine genaue Analyse der<br />

betrieblichen Daten, vorzugsweise unter Einbeziehung einer externen Beratung, ein erster<br />

91


92 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

Schritt. In vielen Betrieben kann bereits mit einer sorgfältig geführten Schlagkartei eine<br />

Umweltverbesserung erreicht werden.<br />

Für Betriebe, die durch EMAS ihre Wettbewerbskraft steigern können, bzw. für die<br />

der Einführungsaufwand geringer ist, besteht ein etwas größerer Anreiz zur Teilnahme.<br />

Für Direktvermarkter ist z. B. der Mehraufwand im Bereich der Dokumentationspflichten<br />

geringer, da hier durch die Anforderungen an die Hygiene bzw. die Rückverfolgbarkeit<br />

der Produkte bereits diverse Aufzeichnungspflichten bestehen (1). Außerdem wirkt sich<br />

bei Direktvermarktern die Teilnahme an EMAS durch den direkten Kundenkontakt möglicherweise<br />

werbewirksam aus. Auch Großbetriebe mit mehreren Mitarbeitern und einer<br />

komplexen Organisationsstruktur profitieren stärker von der Einführung eines Managementsystems<br />

als kleine Familienbetriebe.<br />

Auch für Landwirte, die bereits an einem Qualitätssicherungssystem teilnehmen, ist<br />

der Einführungsaufwand geringer. Bei zusätzlicher Teilnahme an EMAS werden die qualitätsbezogenen<br />

Anforderungen durch umweltbezogene Kontrollen erweitert. Um aber hier<br />

die Kontrolldichte im Betrieb zu minimieren, wäre eine mehrfache Akkreditierung der<br />

kontrollierenden Stellen für die einzelnen Systeme zu fordern.<br />

Ein weiterer Punkt ist die Sicherstellung der Einhaltung umweltbezogener Standards.<br />

Diese von EMAS geforderte Selbstverpflichtung erhält spätestens seit der Einführung von<br />

Cross Compliance im Rahmen der Direktzahlungen größere Bedeutung. Diese Verpflichtungen<br />

werden in der VO 1782/2003 Anhang III und IV konkretisiert und beziehen sich<br />

auf 18 Richtlinien und zusätzliche Anforderungen zur Erhaltung der Flächen in einem<br />

guten landwirtschaftlichen Zustand. Mit der Durchführung eines Öko-Audits könnten<br />

hoheitliche Kontrollen erleichtert werden, sofern diese Initiative von den Behörden anerkannt<br />

wird (18). Die Teilnahme an EMAS kann zwar nicht dafür garantieren, dass in allen<br />

Bereichen tatsächlich alle Umweltgefährdungen beseitigt werden. Durch die umfassende<br />

Aufzeichnungspflicht können aber Verstöße weitgehend ausgeschlossen werden. Als Garant<br />

steht hier der Umweltgutachter, der das Managementsystem regelmäßig verifiziert.<br />

Während die Einhaltung von Cross Compliance -relevanten Verpflichtungen beim Bezug<br />

von Direktzahlungen <strong>über</strong> staatliche Stellen zu kontrollieren ist, schließt der Umweltgutachter<br />

mit dem Landwirt einen privatwirtschaftlich geltenden Vertrag ab und unterliegt<br />

damit einer Verschwiegenheitspflicht. Deshalb kann EMAS nicht direkt für Cross Compliance<br />

anerkannt werden. Die im Rahmen von Cross Compliance zu kontrollierenden<br />

Betriebe werden <strong>über</strong> eine so genannte Risikoanalyse ausgewählt, d. h. dass z. B. größere<br />

Betriebe mit höherer Wahrscheinlichkeit als kleinere kontrolliert werden. Es erscheint<br />

sinnvoll, EMAS-Betriebe bei dieser Risikoanalyse als Betriebe mit geringem Risiko einzustufen,<br />

um die Kontrolldichte für diese Betriebe zu verringern.<br />

Die Verpflichtung zur kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung und die Veröffentlichung<br />

der Umwelterklärung zeigen, dass der Betrieb sich dauerhaft um ein funktionierendes<br />

System bemühen muss. Um die Akzeptanz von EMAS zu erhöhen, wäre<br />

sicherlich eine Anschubfinanzierung sinnvoll, indem ein Teil der anfallenden Kosten bei<br />

der Einführung des Systems von staatlicher Seite <strong>über</strong>nommen wird. Dies ist auch eine<br />

Option, die innerhalb der Revision der EMAS-Verordnung diskutiert wird (6). Dar<strong>über</strong><br />

hinaus erscheint es wichtig, EMAS im landwirtschaftlichen Bereich durch geeignete Aufklärungsmaßnahmen<br />

wie z. B. Veranstaltungen oder Broschüren, bekannter zu machen.<br />

Zusammenfassung<br />

Seit 2001 besteht für landwirtschaftliche Unternehmen die Möglichkeit, an dem EU-weit eingeführten<br />

Umweltmanagementsystem EMAS teilzunehmen. Ziel von EMAS ist es, eine kontinuierliche<br />

Verbesserung der Umweltleistung des Betriebes zu erreichen sowie die Einhaltung von geltenden<br />

Rechtsvorschriften sicher zu stellen. In einem Pilotprojekt ist das System in bayerischen Familienbetrieben<br />

erprobt worden. Die Vorteile, die sich durch EMAS ergeben, liegen v. a. in einer höheren


Öko-Audit nach EMAS in landwirtschaftlichen Betrieben<br />

Rechtssicherheit und im Imagegewinn und weniger in verbesserten Vermarktungschancen. Durch<br />

die transparentere Organisationsstruktur können teilweise auch Kosten im Betrieb gesenkt werden.<br />

Allerdings ist die Einführung des Systems durch die umfangreichen Dokumentationspflichten mit<br />

einem für Familienbetriebe unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden. Umweltverbesserungen<br />

stellen sich v. a. dann ein, wenn eine detaillierte Analyse der erhobenen Daten erfolgt und die Ergebnisse<br />

im Betrieb umgesetzt werden.<br />

Summary<br />

Environmental auditing according to EMAS on agricultural holdings<br />

Since 2001 farmers have been able to join the eco-management and audit scheme EMAS which has<br />

been introduced EU-wide by the European Community. The objective of EMAS is to achieve continuous<br />

improvements in the environmental performance of farms and to ensure the compliance with<br />

existing legislation. In a pilot project, the eco-management scheme was tested on Bavarian family<br />

farms. The advantages arising from EMAS are, above all, greater legal certainty and an image boost,<br />

but not a better marketing position. Operating expenses can also be lowered to some extent because<br />

of the more transparent organisational structure. Due to comprehensive documentation requirements,<br />

the implementation of the scheme involves excessive expenditure for family farms. There are improvements<br />

of environmental performance if a detailed analysis of gathered data is conducted and the<br />

results are put into practice on the farm.<br />

Résumé<br />

L’audit écologique dans les exploitations agricoles conformément au système EMAS<br />

La norme européenne EMAS est un outil de gestion permettant depuis 2001 aux exploitations agricoles<br />

d’évaluer et d’améliorer leur performance environnementale tout en respectant les dispositions<br />

législatives en vigueur. Ce système a été testé dans un projet pilote réalisé en Bavière dans des exploitations<br />

agricoles familiales. Il s’avère que l’application du système EMAS contribue à une meilleure<br />

sécurité juridique et à une image plus positive des exploitations. En ce qui concerne l’évolution des<br />

possibilités de commercialisation peu d’impacts ont pu être observé. En améliorant la transparence<br />

au niveau de l’organisation des exploitations cet outil peut aussi aider à réduire certains coûts. En<br />

revanche, compte tenu des importantes exigences de documentation, la mise en place de cet outil<br />

demande des efforts disproportionnés de la part des exploitations de type familial. Plus que tout c’est<br />

l’analyse détaillée des données collectionnées et l’application des résultats au niveau des exploitations<br />

agricoles qui mènent finalement à des améliorations de la performance environnementale.<br />

Literatur<br />

1. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft 2002: Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen<br />

des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit<br />

und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit, Artikel 18: Rückverfolgbarkeit.<br />

2. Bundesgesetzblatt, Jahrgang 2006, Teil I Nr. 2: Verordnung <strong>über</strong> die Anwendung von Düngemitteln,<br />

Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen<br />

Praxis beim Düngen (Düngeverordnung- DüV), §5 Nährstoffvergleich; ausgegeben zu Bonn<br />

am 13. Januar 2006.<br />

3. eckert, H.; BreitscHuH, g.; sauerBeck, d., 1999: Kriterien umweltgerechter Landbewirtschaftung<br />

(KUL) - ein Verfahren zur ökologischen Bewertung von <strong>Landwirtschaft</strong>sbetrieben -. Agribiological<br />

Research 52 (1), S. 57–76.<br />

4. eckstein, k.; HänscH, d.; HOffmann, H.; ruppe, J., 2005: Pilotprojekt Öko-Audit und Erprobung<br />

der Grundzertifizierung in landwirtschaftlichen Betrieben in Bayern. Abschlussbericht. Veröffentlicht<br />

unter: http://www.izu.bayern.de/download/pdf/Abschlussbericht EMAS und <strong>Landwirtschaft</strong>.pdf.<br />

5. Europäische Kommission, 2001: Empfehlung der Kommission vom 7. September 2001 <strong>über</strong> Leitlinien<br />

für die Anwendung der Verordnung (EG) 761/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates <strong>über</strong><br />

die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement<br />

und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS), Anhang III, Amtsblatt L247.<br />

6. European Association for Vision and Eye Research (EVER), 2005: Evaluation of EMAS and Ecolabel<br />

for their Revision. Report 1: Options and Recommendations for the Revision Process. Consortium<br />

leader: IEFE – Università Bocconi. http://ec.europa.eu/environment/emas/pdf/everfinalreport1_en.pdf,<br />

abgerufen Juli 2006.<br />

93


94 Karin Eckstein, Helmut Hoffmann<br />

7. friedel, r.; spindler, a., 2003: Praxisleitfaden zur Beständigen Verbesserung der Umweltleistungen<br />

von <strong>Landwirtschaft</strong>sbetrieben. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,<br />

Berlin.<br />

8. geier, u., 1999: Die Nutzung von Elementen der Ökobilanzmethode in der Umwelt- und Agrarpolitik.<br />

Honorierung von Leistungen der <strong>Landwirtschaft</strong> für Naturschutz und Landschaftspflege. Deutscher<br />

Rat für Landespflege. Symposium vom 9./10. November 1998 in Bonn. Schriftl. Fassung der Vorträge.<br />

9. glöckler, B.; Haumann, a.; klunzinger, H.; fucHs, p.: Gesamtbetriebliche Qualitäts-Sicherung für<br />

landwirtschaftliche Unternehmen in Baden-Württemberg. Landesanstalt für Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

und der ländlichen Räume mit Landesstelle für landwirtschaftliche Marktkunde (LEL),<br />

Schwäbisch Gmünd, Projektgruppe Qualitätssicherung Landesstelle für landwirtschaftliche Marktkunde.<br />

10. HaBer, W.; salzWedel, J., 1992: Umweltprobleme der <strong>Landwirtschaft</strong>. Sachbuch Ökologie. Sachverständigenrat<br />

für Umweltfragen (Hrsg.). Stuttgart.<br />

11. kratzmair, m.; kreitmeir, a., 2004: Handbuch zur modularen gesamtbetrieblichen Dokumentation in<br />

der bayerischen <strong>Landwirtschaft</strong>. Entwurf der Bayerischen Landesanstalt für <strong>Landwirtschaft</strong>, Institut<br />

für Ernährungswirtschaft und Markt, Arbeitsbereich Qualitätssicherung/ -management in der Land-<br />

und Ernährungswirtschaft.<br />

12. lacHer, k. a.; menner, W.; gnekOW-metz, a.; meier, n.; WeissenBacH, k., 2005: Fit für die Zukunft,<br />

Abschlussbericht zum Modellvorhaben Agrar-Umwelt-Audit. http://modell-hohenlohe.de/Abschlussbericht.pdf,<br />

abgerufen November 2005.<br />

13. müller, m., 2001: Normierte Umweltmanagementsysteme und deren Weiterentwicklung im Rahmen<br />

einer nachhaltigen Entwicklung. Unter besonderer Berücksichtigung der Öko-Audit-Verordnung und<br />

der ISO 14001. Studien zur Umweltökonomie und Umweltpolitik, Band 7. Berlin, Duncker & Humboldt.<br />

14. murscHel, B.; grauel, a.; BrOnner, g., 2003: Umwelt-Audit für landwirtschaftliche Familienbetriebe<br />

in Baden-Württemberg. Umweltprüfung und Umweltprogramm am Beispiel von 5 Betrieben im Raum<br />

Donaueschingen. Studie des Landesnaturschutzverbandes Baden Württemberg e.V., unveröffentlicht.<br />

15. N. N., 2006: Umweltlexikon, Stichwort Umweltmanagementsystem: http://www.umweltdatenbank.<br />

de/lexikon/umweltmanagementsystem.htm. Abrufdatum 31.03.06.<br />

16. Odening, m.; dOluscHitz, r.; Bäuerle, a. s.; Birkner, u.; geBauer, J.; HOllenBerg, k., 2000: Methoden<br />

und Beurteilung des betrieblichen Umweltmanagements in landwirtschaftlichen Betrieben.<br />

Ökologische Hefte der <strong>Landwirtschaft</strong>lich-Gärtnerischen Fakultät, Heft 13. Humboldt - Universität zu<br />

Berlin.<br />

17. rudlOff, B.; geier, u.; meudt, m.; scHick, H.-p.; urfei, g., 1999: Entwicklung von Parametern und<br />

Kriterien als Grundlage zur Bewertung ökologischer Leistungen und Lasten der <strong>Landwirtschaft</strong> – Indikatorsysteme.<br />

Texte 42/99.<br />

18. scHramm, m.; spiller, a., 2003: Farm-Audit- und Farm Advisory-System - Ein Beitrag zur Ökonomie<br />

von Qualitätssicherungssystemen. <strong>Berichte</strong> <strong>über</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>, Bd. 81, Heft 2, S. 165–191.<br />

19. Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), 1996: Konzepte einer dauerhaft-umweltgerechten Nutzung<br />

ländlicher Räume, Verlag Metzler-Poschold Stuttgart.<br />

20. Staatsministerium für Landesentwicklung und Umwelt (StMLU); Industrie- und Handelskammer<br />

(IHK), 2001: EMAS. Das neue EG-Öko-Audit in der Praxis. Umweltpakt BayernMünchen.<br />

21. Staatsministerium für <strong>Landwirtschaft</strong> und Forsten sowie Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz<br />

(StMLF, StMLU), 2006: Cross Compliance 2006. Einhaltung der anderweitigen Verpflichtungen in<br />

Bayern.<br />

Autorenanschrift: Dipl.-Ing. karin eckstein und apl. Prof. Dr. Helmut HOffmann, Lehrstuhl für<br />

Wirtschaftlehre des Landbaues, TU München-Weihenstephan, Alte Akademie 14,<br />

85350 Freising, Deutschland<br />

eckstein@wzw.tum.de<br />

hoffmann@wzw.tum.de


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch<br />

Wasserschutzgebietsausweisung in Bayern<br />

Von Martina Huber, HelMut HoffMann, HelMut Hausladen und<br />

andreas Jändl, Freising-Weihenstephan<br />

1 Einleitung<br />

Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten wird von verschiedenen Standpunkten aus<br />

kontrovers diskutiert. Die Nutzung der davon betroffenen landwirtschaftlichen Grundstücke<br />

kann in unterschiedlicher Weise eingeschränkt sein. Häufig werden für diese Einschränkung<br />

Ausgleichszahlungen gewährt. Bislang liegen in der einschlägigen Fachliteratur<br />

keine quantitativen Auswertungen dar<strong>über</strong> vor, welche Auswirkungen eine Wasserschutzgebietsausweisung<br />

auf den Wert betroffener landwirtschaftlicher Grundstücke hat.<br />

Einführend werden in diesem Beitrag einige Grundlagen zum allgemeinen landwirtschaftlichen<br />

Grundstücksmarkt und die Entwicklung der Kaufpreise landwirtschaftlich<br />

genutzter Flächen in Bayern erläutert. Ferner werden der allgemeine, flächendeckende Gewässerschutz,<br />

die Festsetzung von Wasserschutzgebieten (WSG) sowie die damit einhergehenden<br />

Nutzungsbeschränkungen und Ausgleichsmöglichkeiten für die <strong>Landwirtschaft</strong><br />

dargelegt. Den Schwerpunkt des Beitrages bilden die Vorstellung und Diskussion von<br />

Ergebnissen aus einer Studie zur Wertveränderung von landwirtschaftlichen Grundstücken<br />

durch Wasserschutzgebietsausweisung. In drei ausgewählten bayerischen Landkreisen<br />

werden dazu Grundstückspreise im Hinblick auf ihre Lage innerhalb oder außerhalb<br />

von Wasserschutzgebieten vergleichend analysiert. Weiterhin werden die Ergebnisse einer<br />

breit angelegten Expertenbefragung erläutert.<br />

2 Grundlagen<br />

2.1 Bestimmungsfaktoren des landwirtschaftlichen Bodenmarktes<br />

Grundsätzlich stellt sich die Frage, welchen Einfluss ein Wasserschutzgebietsstatus auf den<br />

Wert eines landwirtschaftlichen Grundstückes hat. Köhne sieht beispielsweise Nutzungseinschränkungen<br />

infolge von Natur- oder Wasserschutzauflagen als einen Bestimmungsfaktor<br />

für Bodenpreise an (vgl. 36, S. 58). Die Ergebnisse von Meinhardt – „Vermögensverluste<br />

infolge von Verkehrswertminderungen der in WSG gelegenen Flächen oder<br />

Betriebe halten fast alle befragten Landwirte für möglich.“ (38, S. 275) – deuten ebenfalls<br />

darauf hin, dass die Lage eines Grundstückes im Wasserschutzgebiet preisbeeinflussend<br />

sein könnte. In diesem Beitrag soll empirisch untersucht werden, ob der Wasserschutzgebietsstatus<br />

eines landwirtschaftlichen Grundstückes einen Faktor darstellt, welcher die<br />

Wert- bzw. Preisbildung beeinflusst. Neben dieser möglichen Wertbeeinflussung durch<br />

eine Wasserschutzgebietsausweisung gibt es zahlreiche andere Faktoren, welche auf die<br />

Preisbildung auf dem landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt einwirken (vgl. 10; 24; 25;<br />

26; 27; 28; 31; 32; 33; 34; 37; 39; 40; 41; 42; 44; 46).<br />

Zum einen sind grundstücksindividuelle Faktoren anzuführen, welche den Wert eines<br />

landwirtschaftlichen Grundstückes beeinflussen. Diese Faktoren sind durch die spezi-<br />

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9080/07/8501-095 $ 2.50/0<br />

95


96 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

fischen Eigenschaften der Fläche bestimmt. Es handelt sich hier beispielsweise um die<br />

natürliche Ertragskraft des Bodens, die Lage, Größe, Formung des Grundstücks sowie die<br />

Nutzungsmöglichkeiten der Fläche. Mit dem Grundstück verbundene Rechte, wie Lieferrechte,<br />

Dienstbarkeiten oder Nießbrauchsrechte zählen ebenso zu diesen Einflussfaktoren<br />

wie Nutzungseinschränkungen (z. B. durch Dünge- oder Wasserschutzgebietsverordnungen)<br />

sowie flächengebundene Prämien oder Ausgleichszahlungen.<br />

Zum anderen wird die Preisgestaltung durch lokale und regionale Gegebenheiten bestimmt.<br />

Zu nennen sind hier beispielsweise klimatische Verhältnisse, regionaler Viehbesatz,<br />

Hackfrucht- und Sonderkulturanteil, Pachtpreisniveau, Grad der Flurzersplitterung,<br />

Betriebsgrößenstruktur, Nachfrage für außerlandwirtschaftliche Zwecke, Standort- und<br />

Infrastrukturvariablen, Bevölkerungsdichte und der regionale außerlandwirtschaftliche<br />

Grundstücksmarkt. Die Ausprägungen der beispielhaft genannten Einflussfaktoren sind<br />

ebenso wie deren Kaufpreiswirkung von Region zu Region unterschiedlich.<br />

Ferner gibt es gesamtwirtschaftliche Faktoren, welche die Preisbildung auf dem landwirtschaftlichen<br />

Bodenmarkt determinieren. Es handelt sich hierbei um die Entwicklungen<br />

auf den Kapital-, Arbeits- und (außerlandwirtschaftlichen) Bodenmärkten. Exemplarisch<br />

sind hier das Zinsniveau, die Inflation sowie Baulandpreise zu nennen.<br />

Angebot und Nachfrage am Grundstücksmarkt hängen dar<strong>über</strong> hinaus von den Bodenmarkt<br />

betreffenden staatlichen Regelungen ab. Diese können sowohl die Nutzung als auch<br />

den Handel landwirtschaftlicher Grundstücke einschränken bzw. steuern. Sie beeinflussen<br />

somit direkt oder indirekt die Preisbildung auf dem Grundstücksmarkt. Die staatliche Einflussnahme<br />

auf den Grundstücksmarkt vollzieht sich <strong>über</strong> Gesetze und Verordnungen wie<br />

beispielsweise das Grundstücksverkehrsgesetz (15), das Baugesetzbuch (22), das Gesetz<br />

zur Ordnung des Wasserhaushalts (21), das Bundesnaturschutzgesetz (20) oder die Dünge-<br />

und Wasserschutzgebietsverordnungen. Auch politische Entscheidungen der Agrar-, Umwelt-<br />

oder Steuerpolitik, sowie beispielsweise Ergebnisse der WTO-Verhandlungen können<br />

Auswirkungen auf die Preisgestaltung am landwirtschaftlichen Bodenmarkt haben.<br />

Neben den dargestellten Einflüssen auf die landwirtschaftlichen Grundstückspreise<br />

spielen für die Kauf- oder Verkaufsentscheidung im Einzelfall betriebsindividuelle Faktoren<br />

eine Rolle. Hierzu zählen z. B. die Größe des Betriebes, der Auslastungsgrad vorhandener<br />

Kapazitäten, die Managementfähigkeiten des Betriebsleiters, die Vermögens-<br />

und Liquiditätsverhältnisse des Unternehmens, die besondere individuelle Angebots- oder<br />

Nachfragesituation (Notverkauf, Arrondierung, Spekulation, soziokulturelle Faktoren,<br />

steuerlich begünstigte Wiederanlage von Veräußerungsgewinnen) sowie der Zeitpunkt<br />

des Flächenerwerbs.<br />

Die dargelegten Einflussfaktoren, deren Zusammenspiel und Veränderung sind für die<br />

Preisfindung auf dem landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt entscheidend.<br />

2.2 Entwicklung der Kaufpreise in Bayern<br />

Im Jahre 2004 wurden in Bayern 4989 ha FdlN (Fläche der landwirtschaftlichen Nutzung)<br />

veräußert. Dies entspricht ca. 0,14 % der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche.<br />

Damit verzeichnet Bayern im Jahr 2004 den zweitniedrigsten Flächenumsatz aller Bundesländer<br />

in Deutschland und setzt damit den seit Ende der 1990er-Jahre festzustellenden<br />

Trend sinkender Flächenumsätze fort. Ebenso wie die Flächenumsätze sinken bereits<br />

seit Mitte der 1980er-Jahre die durchschnittlichen Kaufpreise für FdlN in Bayern (vgl.<br />

Abb. 1). Trotz des Abwärtstrends, welcher seit nunmehr zwei Jahrzehnten anhält, bewegen<br />

sich die Kaufpreise in Bayern im Vergleich zum früheren Bundesgebiet gegenwärtig auf<br />

hohem Niveau. Abbildung 1 zeigt, dass die Kaufpreise in Bayern stets deutlich <strong>über</strong> dem<br />

Durchschnitt der Kaufpreise des früheren Bundesgebietes lagen. Ursächlich hierfür ist der<br />

starke Einfluss außerlandwirtschaftlicher Bestimmungsfaktoren auf die Preisfindung am


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt. Das Kaufpreisniveau wird in Bayern durch den<br />

Erwerb von Ausgleichsflächen für Bauland-, Industrieansiedlungs- und Verkehrsflächen<br />

sowie durch die steuerbegünstigte Wiederanlage von Veräußerungserlösen bestimmt. Die<br />

natürliche Ertragskraft des Bodens scheint in Bayern für die Preisbildung am landwirtschaftlichen<br />

Grundstücksmarkt von untergeordneter Bedeutung zu sein. Ein weiterer Anhaltspunkt<br />

für den starken Einfluss außerlandwirtschaftlicher Bestimmungsfaktoren ist die<br />

Tatsache, dass auf Grund der hohen Kaufwerte eine angemessene Verzinsung für das beim<br />

Bodenerwerb eingesetzte Kapital durch eine ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung<br />

kaum möglich ist (vgl. 9, S. 32).<br />

Vor dem Hintergrund des vergleichsweise hohen Kaufpreisniveaus für landwirtschaftliche<br />

Flächen in Bayern kommt der Frage nach den Auswirkungen einer Wasserschutzgebietsausweisung<br />

auf den Wert der Grundstücke eine besondere Bedeutung zu. Durch die<br />

stark preisbestimmende Wirkung der außerlandwirtschaftlichen Faktoren wirkt eine Wasserschutzgebietsausweisung<br />

möglicherweise wertbeeinflussend, da durch diese nicht nur<br />

die landwirtschaftliche, sondern auch die außerlandwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes<br />

eingeschränkt werden kann.<br />

Abb. 1. Kaufwerte je ha für veräußerte Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung<br />

ohne Gebäude und ohne Inventar 1961 – 2004<br />

Quelle: (5; 45)<br />

Bei der Darstellung der Kaufwerte auf Länderebene werden regionale Unterschiede in den<br />

Kaufpreisen durch die hohe Aggregationsstufe nivelliert. Ein differenzierteres Bild liefert<br />

die Darstellung der Entwicklung der Kaufwerte seit 1974 auf Regierungsbezirksebene<br />

(vgl. Abb. 2). Hierbei sind große regionale Unterschiede zu erkennen. Die Kaufpreise<br />

für landwirtschaftliche Nutzflächen im Regierungsbezirk Oberbayern bewegen sich im<br />

Zeitablauf deutlich <strong>über</strong> dem bayerischen Durchschnitt. Ebenso liegen die Kaufwerte in<br />

den Regierungsbezirken Niederbayern und Schwaben in aller Regel <strong>über</strong> dem für Bayern<br />

ermittelten Durchschnittspreis. Hingegen sind in den Regierungsbezirken Oberpfalz, Mittel-,<br />

Ober- und Unterfranken fast ausschließlich Kaufwerte unter dem bayerischen Durchschnitt<br />

zu verzeichnen. Bezüglich des Kaufpreisniveaus für landwirtschaftliche Grundstücke<br />

ist für die Jahre 1974 bis 2004 ein Nord/Süd-Gefälle innerhalb Bayerns erkennbar.<br />

Es kann vermutet werden, dass sich die dargelegten regionalen Unterschiede weniger auf<br />

Differenzen in der Ertragsfähigkeit der Flächen als auf außerlandwirtschaftliche Einflussfaktoren<br />

wie z. B. Standort- und Infrastrukturvariablen zurückführen lassen.<br />

97


98 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

Vor diesem Hintergrund ist vorstellbar, dass sich eine Wasserschutzgebietsausweisung<br />

auf den Wert eines landwirtschaftlichen Grundstückes in Oberbayern absolut stärker auswirkt<br />

als in Oberfranken, da diese neben der landwirtschaftlichen auch die außerlandwirtschaftliche<br />

Grundstücksnutzung beschränkt.<br />

Abb. 2. Kaufwerte je ha für veräußerte Flächen der landwirtschaftlichen Nutzung<br />

ohne Gebäude und ohne Inventar in Bayern nach Regierungsbezirken 1974 – 2004<br />

Quelle: (5)<br />

2.3 Allgemeiner Gewässerschutz und Festsetzung von Wasserschutzgebieten<br />

Wasserschutzgebiete werden im Allgemeinen dort ausgewiesen, wo die Schutzbedürftigkeit<br />

eines Gebietes <strong>über</strong> den allgemeinen, flächendeckenden Gewässerschutz (Grundwasserschutz)<br />

hinausgeht. Der allgemeine, flächendeckende Gewässerschutz beruht auf<br />

verschiedenen Rechtsgrundlagen. Es gibt internationale Übereinkommen und Verträge,<br />

EU-Regelungen, nationale Gesetze sowie Verordnungen auf Ebene der Bundesländer,<br />

welche diesen allgemeinen gesetzlichen Gewässerschutz bzw. Grundwasserschutz regeln.<br />

Sie dienen dazu, das Grundwasser und somit das Trinkwasser, welches in Bayern zum<br />

Großteil aus Grundwasser gewonnen wird, vor Verunreinigung zu schützen.<br />

Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) (1) stellt ein Fundament des flächendeckenden<br />

Gewässerschutzes dar, da sie einen europaweiten Ordnungsrahmen für<br />

die Wassergesetzgebung schafft. Ziel der WRRL ist ein europaweiter, einheitlicher und<br />

integrierter Gewässerschutz. Die Richtlinie fordert einen guten Zustand aller Gewässer<br />

Europas, welcher bis 2015 erreicht werden soll. Die Gewässerschutzstandards der WRRL<br />

mussten bis Ende 2003 in den einzelnen EU-Staaten in nationales Recht umgesetzt werden.<br />

In Deutschland geschah dies mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG)<br />

(21) am 19. August 2002. Auf Länderebene wurde die WRRL am 24. Juli 2003 durch die<br />

Änderung des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG) (2) umgesetzt.<br />

Neben den genannten Gesetzen gibt es eine Reihe von weiteren Gesetzen und Verordnungen,<br />

wie beispielsweise das Pflanzenschutzgesetz (17), das Düngemittelgesetz (16)


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

und die Trinkwasserverordnung (19), welche zu einem flächendeckenden Gewässerschutz<br />

beitragen.<br />

Es gibt jedoch Gebiete deren Schutzbedürftigkeit diesen allgemeinen Gewässerschutzstandard<br />

<strong>über</strong>steigen. In solchen Fällen sieht das Wasserhaushaltsgesetz die Möglichkeit<br />

der Ausweisung eines Gebietes als Wasserschutzgebiet vor, „Soweit es das Wohl der Allgemeinheit<br />

erfordert, …“ (21, § 19 Abs. 1). Gemäß § 19 des Wasserhaushaltsgesetzes<br />

können Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, um „… Gewässer im Interesse der derzeit<br />

bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen<br />

zu schützen …“ (21, § 19 Abs. 1 Nr.1), oder „…das Grundwasser anzureichern…“<br />

(21, § 19 Abs. 1 Nr.2), oder „… das schädliche Abfließen von Niederschlagswasser sowie<br />

das Abschwemmen und den Eintrag von Bodenbestandteilen, Dünge- oder Pflanzenbehandlungsmitteln<br />

in Gewässer zu verhüten, …“ (21, § 19 Abs. 1 Nr.3).<br />

Auf Bundesebene bildet das Wasserhaushaltsgesetz die Rechtsgrundlage der Schutzgebietsausweisung.<br />

Die landesrechtliche Ausgestaltung der Festsetzung von Wasserschutzgebieten<br />

ist in Bayern in Art. 35 des Bayerischen Wassergesetzes (2) geregelt. Nach<br />

Art. 35 Abs. 1 Satz 1 BayWG werden Wasserschutzgebiete von den Kreisverwaltungsbehörden<br />

durch eine Rechtsverordnung, die so genannte Wasserschutzgebietsverordnung<br />

festgesetzt. Abbildung 3 verdeutlicht nochmals das Prinzip des allgemeinen und besonderen<br />

Grundwasserschutzes. Die besonderen Schutzanforderungen in Wasserschutzgebieten<br />

können hierbei zu Nachteilen führen, welche den Wert eines<br />

Abb. 3. Allgemeine und besondere Anforderungen an den Grundwasserschutz<br />

Quelle: In Anlehnung (an 8, S. 12)<br />

Das Verfahren zum Erlass einer Wasserschutzgebietsverordnung erfolgt nach Art. 85 Bay<br />

WG und Art. 73 Abs. 2 bis 8 BayVwVfG (3). Auf den förmlichen Verfahrensablauf wird<br />

hier nicht eingegangen (siehe hierzu 35, S. 103; 6, S. 13 ff.).<br />

99


100 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

In der Wasserschutzgebietsverordnung wird die räumliche Begrenzung des Schutzgebietes<br />

festgelegt. Die Dimension des Schutzgebietes hängt maßgeblich von der hydrogeologischen<br />

Bewertung der Untergrundverhältnisse ab. Es wird fachlich entschieden, wo<br />

der allgemeine, flächendeckende Grundwasserschutz nicht mehr ausreicht und besondere<br />

Schutzanforderungen nötig sind. In der Verordnung wird flächenscharf festgelegt, welche<br />

Grundstücke zum Wasserschutzgebiet erklärt werden (vgl. 6, S. 29).<br />

Gemäß Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BayWG können Wasserschutzgebiete in Zonen eingeteilt<br />

werden, für die unterschiedliche Schutzanordnungen gelten (2, Art. 35 Abs. 1; 23,<br />

S. 7 ff.):<br />

● Zone I (Fassungsbereich): Die Ausdehnung der Zone I umfasst den unmittelbaren<br />

Nahbereich des Brunnens oder der Quelle, mit einem Radius von ca. 20 m. In diesem<br />

Bereich ist jegliche Verunreinigung, Beeinträchtigung oder Einflussnahme auf die<br />

Oberfläche zu verhindern. Der Fassungsbereich befindet sich im Regelfall im Besitz<br />

des Wasserversorgungsunternehmens und wird eingezäunt.<br />

● Zone II (engere Schutzzone): Die Grenze der zweiten Zone bemisst sich nach der so<br />

genannten 50-Tage-Linie. Die Fließzeit des Grundwassers muss von dieser Linie bis<br />

zur Entnahmestelle wenigstens 50 Tage betragen. Die Zone II dient dem Abbau bakterieller<br />

Belastung.<br />

●<br />

Zone III (weitere Schutzzone): Die Grenze dieser Zone stellt die Außengrenze des<br />

Wasserschutzgebietes dar. Im Idealfall beinhaltet sie das gesamte Wassereinzugsgebiet.<br />

Die Zone III soll weitreichende Beeinträchtigungen des Grundwassers vermeiden. Insbesondere<br />

ist der Schutz vor dem Eintrag schwer abbaubarer Stoffe oder einer radioaktiven<br />

Verunreinigung zu gewährleisten.<br />

Innerhalb der Schutzzonen ist es möglich, weitere Unterteilungen vorzunehmen (z. B.<br />

III A und III B). Dies ermöglicht eine differenzierte Anpassung der Schutzanforderungen<br />

an die örtlichen Gegebenheiten auch innerhalb der Schutzzone (Oberflächennutzung, Untergrundverhältnisse).<br />

2.4 Nutzungsbeschränkungen und Ausgleich für die <strong>Landwirtschaft</strong><br />

Bei der Festsetzung eines Wasserschutzgebietes werden neben der räumlichen Begrenzung<br />

des Schutzgebietes auch die darin gültigen Schutzanordnungen festgelegt. In Wasserschutzgebieten<br />

können „…bestimmte Handlungen verboten oder für nur beschränkt<br />

zulässig erklärt werden …“ und „…die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken<br />

zur Duldung bestimmter Maßnahmen verpflichtet werden. Dazu gehören auch<br />

Maßnahmen zur Beobachtung des Gewässers und des Bodens.“ (21, § 19 Abs. 2). Art. 35<br />

Abs. 1 Satz 3 BayWG besagt, dass allgemeine Verbote, Beschränkungen und Duldungspflichten<br />

in der Wasserschutzgebietsverordnung festzulegen sind. In der Verordnung wird<br />

konkret aufgeführt, welche Handlungen verboten oder nur beschränkt zulässig sind. Art. 35<br />

Abs. 1 Satz 4 BayWG ermöglicht auch, dass Grundstückseigentümern alternativ gewisse<br />

Handlungspflichten auferlegt werden. Beispielsweise kann der Grundstückseigentümer,<br />

anstatt eines Verbotes zur Ausbringung von Dünge- oder Pflanzenbehandlungsmitteln,<br />

dazu verpflichtet werden, Aufzeichnungen <strong>über</strong> die Bewirtschaftung und die Ausbringung<br />

solcher Mittel zu führen.<br />

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz erarbeitete<br />

eine Musterverordnung für Wasserschutzgebiete mit Arbeitshilfe zur Gestaltung<br />

des Schutzgebietskatalogs (vgl. 7). Diese Musterverordnung ist jedoch individuell an die<br />

besonderen hydrogeologischen und örtlichen Gegebenheiten des auszuweisenden Schutzgebietes<br />

anzupassen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit die in der Arbeitshilfe<br />

vorgeschlagenen Verbote und Handlungsbeschränkungen zu modifizieren, zu reduzieren<br />

oder zu erweitern sind (vgl. 6, S. 37). Auszüge aus der Musterverordnung sind in Ta-


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

Tabelle 1. Auszug aus der Musterschutzgebietsverordnung<br />

in der weiteren<br />

Schutzzone B<br />

in der weiteren<br />

Schutzzone A<br />

entspricht Zone III B III A II<br />

bei baulichen Anlagen<br />

bauliche Anlagen zu errichten<br />

oder zu erweitern<br />

nur zulässig,<br />

- wenn kein häusliches<br />

oder gewerbliches<br />

Abwasser anfällt oder<br />

in eine dichte Sammelentwässerung<br />

eingeleitet<br />

wird, unter Beachtung<br />

von Nr. 3.7<br />

und<br />

- wenn die Gründungssohle<br />

<strong>über</strong> dem höchsten<br />

Grundwasserstand liegt<br />

Ausweisung neuer Baugebiete – verboten<br />

nur zulässig,<br />

- wenn kein häusliches<br />

oder gewerbliches<br />

Abwasser anfällt oder<br />

in eine dichte Sammelentwässerung<br />

eingeleitet<br />

wird, unter Beachtung<br />

von Nr. 3.7<br />

und<br />

- wenn die Gründungssohle<br />

mindestens 2 m<br />

<strong>über</strong> dem höchsten<br />

Grundwasserstand liegt<br />

bei landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen und gärtnerischen Flächennutzungen<br />

Düngen mit Gülle, Jauche,<br />

Festmist, Gärsubstrat aus Biogasanlagen<br />

und Festmistkompost<br />

Düngen mit sonstigen organischen<br />

und mineralischen<br />

Stickstoffdüngern (ohne oben<br />

genannte)<br />

Ausbringen oder Lagern von<br />

Klärschlamm, klärschlammhaltigen<br />

Düngemitteln,<br />

Fäkalschlamm oder Gärsubstrat<br />

bzw. Kompost aus zentralen<br />

Bioabfallanlagen<br />

ganzjährige Bodendeckung<br />

durch Zwischen- oder Hauptfrucht<br />

Beweidung, Freiland-, Koppel-<br />

und Pferchtierhaltung<br />

Beregnung landwirtschaftlich<br />

oder gärtnerisch genutzter<br />

Flächen<br />

landwirtschaftliche Dräne und<br />

zugehörige Vorflutgräben anzulegen<br />

oder zu ändern<br />

Quelle: (7)<br />

nur zulässig, wenn die Stickstoffdüngung in zeit- und<br />

bedarfsgerechten Gaben erfolgt, insbesondere nicht<br />

- auf abgeernteten Flächen ohne unmittelbar folgenden<br />

Zwischen- oder Hauptfruchtanbau,<br />

- auf Grünland vom ..... bis ..... (ausgenommen Festmist<br />

in Zone III),<br />

- auf Ackerland vom ..... bis ..... (ausgenommen Festmist<br />

in Zone III),<br />

- auf Brachland<br />

101<br />

in der engeren<br />

Schutzzone<br />

verboten<br />

verboten<br />

nur zulässig, wenn die Stickstoffdüngung in zeit- und bedarfsgerechten<br />

Gaben erfolgt, insbesondere nicht<br />

- auf abgeernteten Flächen ohne unmittelbar folgenden Zwischen- oder<br />

Hauptfruchtanbau,<br />

- auf Grünland vom ..... bis ..... (ausgenommen Festmist in Zone III),<br />

- auf Ackerland vom ..... bis ..... (ausgenommen Festmist in Zone III),<br />

- auf Brachland<br />

verboten<br />

erforderlich, soweit fruchtfolge- und witterungsbedingt möglich.<br />

Eine wegen der nachfolgenden Fruchtart unvermeidbare Winterfurche darf<br />

erst ab ..... erfolgen. Zwischenfrucht vor Mais darf erst ab ..... eingearbeitet<br />

werden.<br />

nur zulässig auf Grünland ohne flächige Verletzung der verboten<br />

Grasnarbe oder für bestehende Nutzungen, die unmittelbar<br />

an vorhandene Stallungen gebunden sind<br />

nur zulässig nach Maßgabe der Beregnungsberatung verboten<br />

oder bis zu einer Bodenfeuchte von 70 % der nutzbaren<br />

Feldkapazität<br />

nur zulässig für Instandsetzungs- und Pflegemaßnahmen


102 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

belle 1 aufgeführt. Hieraus ist ersichtlich, dass die geforderten Nutzungsbeschränkungen<br />

und Auflagen, ausgehend von der weiteren Schutzzone hin zur engeren Schutzzone, strenger<br />

werden.<br />

Stellen die Anordnungen einer Wasserschutzgebietsverordnung erhöhte Anforderungen<br />

dar, welche die ordnungsgemäße land- oder forstwirtschaftliche Nutzung eines<br />

Grundstücks beschränken, ist für die dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteile ein<br />

angemessener Ausgleich nach Landesrecht zu leisten (21, § 19 Abs. 4). Für Bayern ist<br />

dieser Ausgleich in Art. 74 Abs. 5 und 6 BayWG geregelt und wird durch die gemeinsame<br />

Bekanntmachung „Ausgleich für Landwirte und Waldbesitzer in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten“<br />

(vgl. 29) der bayerischen Staatsministerien für Landesentwicklung und<br />

Umweltfragen und für Ernährung, <strong>Landwirtschaft</strong> und Forsten ergänzt.<br />

Der Ausgleich für wirtschaftliche Nachteile kann grundsätzlich in zwei Verfahren<br />

durchgeführt werden:<br />

● Pauschales Verfahren: Der Wasserversorger bietet allen land- und forstwirtschaftlichen<br />

Flächenbewirtschaftern eine freiwillige Vereinbarung an. Die freiwillige Vereinbarung<br />

enthält pauschale Nutzungsbestimmungen, zu deren Einhaltung sich der Vertragsnehmer<br />

verpflichtet. Im Gegenzug bietet die freiwillige Vereinbarung pauschale Beträge<br />

zum Ausgleich der Nutzungsbestimmungen, zu deren Auszahlung sich wiederum der<br />

Wasserversorger verpflichtet.<br />

● Einzelbetriebliches Verfahren: Jeder betroffene Betrieb muss einen Antrag auf Ausgleich<br />

beim Wasserversorger stellen. Darin muss er die wirtschaftlichen Nachteile der<br />

Schutzbestimmungen für seinen Betrieb darlegen. Die so ermittelten Ausgleichszahlungen<br />

können sich einzelbetrieblich stark unterscheiden.<br />

Abb. 4. Möglichkeiten des Ausgleichs von wirtschaftlichen Nachteilen<br />

Quelle: Eigene Darstellung


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

103<br />

Für den Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile aufgrund von Wasserschutzauflagen sind<br />

nach GemBek (vgl. 29) Kooperationsmodelle mit dem Abschluss freiwilliger Vereinbarungen<br />

nach dem pauschalen Verfahren anzustreben. Kommt es nicht zum Abschluss<br />

freiwilliger Vereinbarungen für wirtschaftliche Nachteile, welche aufgrund einer Wasserschutzgebietsverordnung<br />

entstehen, ist ein einzelbetrieblicher Ausgleich nach § 19 Abs. 4<br />

WHG in Verbindung mit Art. 74 Abs. 5 und 6 BayWG zu leisten.<br />

„Gegenstand freiwilliger Vereinbarungen kann jedoch nicht nur ein pauschalierter<br />

Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile entsprechend § 19 Abs. 4 WHG sein, welche<br />

aufgrund einer Wasserschutzgebietsverordnung entstehen. Es können auch zusätzliche<br />

Bewirtschaftungsbeschränkungen oder -formen, die <strong>über</strong> die Anforderungen der geltenden<br />

Wasserschutzgebietsverordnung hinausgehen, und die entsprechende Gegenleistung<br />

hierfür vereinbart werden.“ (29). Die Einhaltung und der Abschluss dieser zusätzlichen<br />

Bewirtschaftungsbeschränkungen ist freiwillig, da diese das Anforderungsniveau der<br />

Wasserschutzgebietsverordnung <strong>über</strong>steigen. Hierbei wird ein privatrechtlicher Vertrag<br />

zwischen Landwirt und Wasserversorger geschlossen, wobei Vertragsfreiheit herrscht.<br />

Abbildung 4 gibt einen Überblick <strong>über</strong> die Möglichkeiten des Ausgleichs von wirtschaftlichen<br />

Nachteilen.<br />

3 Datengrundlage und methodisches Vorgehen<br />

3.1 Datengrundlage<br />

3.1.1 Kaufpreisanalyse<br />

Für die Kaufpreisanalyse werden bayerische Landkreise als Untersuchungslandkreise<br />

ausgewählt. Die Landkreise sollen einen verhältnismäßig hohen Anteil an Wasserschutzgebietsflächen<br />

aufweisen. Nachdem alle bayerischen Landkreise mit Hilfe von Geoinformationssystemen<br />

auf ihren Anteil an Wasserschutzgebietsflächen hin <strong>über</strong>prüft wurden,<br />

ergab sich eine Rangliste von Landkreisen. Für die weitere Auswahl der Landkreise<br />

war es von Bedeutung, dass in den Wasserschutzgebieten dieser Landkreise landwirtschaftliche<br />

Grundstücksverkäufe stattfanden. Festzustellen ist dies durch eine Analyse<br />

der beim jeweiligen Gutachterausschuss geführten Kaufpreissammlung. Hierzu wurden<br />

die Gutachterausschüsse von 35 bayerischen Landkreisen, welche einen vergleichsweise<br />

hohen Anteil an Wasserschutzgebietsflächen aufweisen, kontaktiert. Es zeigte sich, dass<br />

die Kaufpreissammlungen vieler Gutachterausschüsse in Bayern erst seit dem Jahre 2000<br />

oder später elektronisch geführt werden. Dies verringerte die Anzahl der möglichen zu<br />

analysierenden Landkreise zusätzlich. Es verblieben 19 Gutachterausschüsse, mit welchen<br />

eine Zusammenarbeit möglich war.<br />

Für diese 19 Landkreise wurden die Kaufpreisdaten der Gutachterausschüsse bei den<br />

entsprechenden Landratsämtern in digitaler Form angefordert. Auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher<br />

Bestimmungen wurde hierbei geachtet. Die Daten beziehen sich insbesondere<br />

auf Angaben <strong>über</strong> das Verkaufsjahr, die Flächengröße, die Flurnummer, die Käufergruppe,<br />

den Kaufpreis und die Nutzungsart des Grundstückes. In den grundstücks- und<br />

kaufvorgangsbezogenen Daten der bayerischen Kaufpreissammlungen findet sich kein<br />

Vermerk dar<strong>über</strong>, ob ein verkauftes Grundstück in einem Wasserschutzgebiet liegt oder<br />

nicht.<br />

Um die Kaufvorgänge im Weiteren danach zu unterscheiden, ob die veräußerten<br />

Grundstücke im Wasserschutzgebiet liegen oder nicht, müssen die digitalen Daten der<br />

Kaufpreissammlung mit zusätzlichen Flächendaten anderer Datenquellen verbunden werden.<br />

Hierbei werden die Daten der Kaufpreissammlungen mit einer digitalen Flurkarte


104 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

sowie einer digitalen Karte, welche alle in Bayern festgesetzten Wasserschutzgebiete<br />

enthält, verknüpft. Nach diesem Arbeitsschritt können die Kaufvorgänge der Kaufpreissammlungen<br />

nach Verkäufen innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten unterschieden<br />

werden.<br />

Da die Daten der Kaufpreissammlung – je nach Pflege der Daten und Genauigkeit der<br />

den Gutachterausschüssen zugehenden Informationen – in Bezug auf die Nutzung des veräußerten<br />

Grundstückes nicht immer exakt sind, muss zur Absicherung der Datenvalidität<br />

auf Informationen der <strong>Landwirtschaft</strong>sämter zurückgegriffen werden. Hierbei werden die<br />

Flächennutzung und der Flächenstatus der veräußerten landwirtschaftlichen Grundstücke<br />

ermittelt. Dieser zusätzliche Arbeitsschritt ist sehr zeitaufwändig.<br />

Nach den verschiedenen Vorauswahlverfahren verbleiben drei Landkreise. Sie weisen<br />

eine relativ hohe Anzahl an Verkäufen von Flächen in Wasserschutzgebieten auf und liegen<br />

in unterschiedlichen bayerischen Regionen.<br />

Nach Auswahl der drei Untersuchungslandkreise wurden die Informationen aller genannten<br />

Datenquellen verknüpft und zusätzlich um die Angaben der landwirtschaftlichen<br />

Standortkartierung (vgl. 4) in Bezug auf die Standortgüte der landwirtschaftlichen Nutzflächen<br />

ergänzt.<br />

Nach Zusammenführung aller Informationen wird eine Analyse der Grundstücksverkäufe<br />

in den drei ausgewählten Landkreisen vorgenommen. Aufgrund der geringen Anzahl<br />

der Landkreise kann die Kaufpreisanalyse keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben.<br />

Sie ist jedoch geeignet, punktuell die realen Kaufpreisverhältnisse der ausgewählten<br />

Landkreise darzustellen. Auf eine detaillierte Beschreibung der Datenaufbereitung wird<br />

an dieser Stelle verzichtet (vgl. 30, S. 45 ff.).<br />

3.1.2 Expertenbefragung<br />

Neben der Kaufpreisanalyse wird eine hypothesengeleitete Expertenbefragung durchgeführt.<br />

Zur Vorbereitung dient eine explorative Phase der Informationsgewinnung. In dieser<br />

Phase der Informationsgewinnung werden zur vorliegenden Problematik Vertreter nachstehender<br />

Behörden/Institutionen kontaktiert:<br />

● Bayerischer Waldbesitzerverband e. V.,<br />

● Bayerischer Genossenschaftsverband e. V.,<br />

● Bayerischer Sparkassenverband,<br />

● Bayerischer Landkreistag,<br />

● Verband der Bayerischen Grundbesitzer,<br />

● Bayerischer Gemeindetag,<br />

● Bayerischer Städtetag,<br />

● Bayerischer Bauernverband,<br />

● Verband der bayerischen Gas- und Wasserwirtschaft und<br />

●<br />

Bund der Schutzgebietsbetroffenen Bayern e. V.<br />

Die mit den aufgeführten Institutionen und Interessengruppen geführten Gespräche werden<br />

teils telefonisch, teils persönlich durchgeführt. Sie dienen der Exploration sowie der<br />

Ermittlung der unterschiedlichen Expertengruppen, welche in die Untersuchung eingebunden<br />

werden. Tabelle 2 stellt den Umfang der befragten Experten dar.


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

Tabelle 2. Umfang der befragten Expertengruppen<br />

Expertengruppe Anzahl der befragten<br />

Experten<br />

Sachverständige 7<br />

Bankfachleute 11<br />

Landwirte 32<br />

Immobilienmakler 27<br />

Mitarbeiter Wasserwirtschaftsämter 3<br />

Mitarbeiter Wasserversorger 3<br />

öffentliche Grundbesitzer 2<br />

Mitarbeiter Direktionen für ländliche Entwicklung 3<br />

Überregionale Grundstückseigentümer 5<br />

Mitarbeiter bei Behörden/Institutionen 10<br />

Quelle: (30, S. 51)<br />

105<br />

Mit den genannten Expertengruppen werden alle relevanten Aspekte der Fragestellung<br />

erfasst und erörtert. Durch die zeitlich getrennte Befragung einzelner Experten und eine<br />

iterative Rückkopplung (angelehnt an das Konzept der „Delphi-Befragung“) gelingt es,<br />

die Befragungsergebnisse in diesem insgesamt sehr komplexen und gleichzeitig wenig<br />

beschriebenen Bereich abzusichern.<br />

3.2 Methodisches Vorgehen<br />

Der Einfluss einer Wasserschutzgebietsausweisung auf den Wert eines betroffenen landwirtschaftlichen<br />

Grundstückes kann anhand einer Veränderung des Verkehrswertes beurteilt<br />

werden. In diesem Beitrag wird untersucht, inwieweit sich der Verkehrswert eines<br />

Grundstückes durch eine Wasserschutzgebietsausweisung verändert. Der Verkehrswert ist<br />

in § 194 Baugesetzbuch (BauGB) als Marktwert definiert, welcher durch den Preis bestimmt<br />

wird, „der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen<br />

Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften,<br />

der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands<br />

der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse<br />

zu erzielen wäre.“ (22, § 194).<br />

Dieser so definierte Marktwert von landwirtschaftlichen Grundstücken in Wasserschutzgebieten<br />

soll mittels einer Kaufpreisanalyse und Expertenbefragung näher untersucht<br />

werden.<br />

Für die Analyse der Kaufpreise landwirtschaftlicher Grundstücke ist vorauszuschicken,<br />

dass der im Einzelfall auf dem Grundstücksmarkt ausgehandelte Kaufpreis nicht<br />

gleichzusetzen ist mit dem Verkehrswert. Der Verkehrswert ist per Definition ein stichtagsbezogener,<br />

objektiver Wert. Der Kaufpreis eines Grundstückes kann im Einzelfall<br />

erheblich von dessen Verkehrswert abweichen.<br />

3.2.1 Kaufpreisanalyse<br />

Die aufbereiteten Kaufpreisdaten der drei Untersuchungslandkreise werden dem Vergleichswertverfahren<br />

unterzogen. Dieses Verfahren stellt gem. § 12 Abs. 2 Wertermittlungsverordnung<br />

(WertV) (18) das Regelverfahren zur Ermittlung von Bodenwerten dar.


106 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

Abbildung 5 zeigt hierzu die schematische Vorgehensweise. In einem ersten Schritt werden<br />

die Kaufvorgänge eines Landkreises in zwei Gruppen unterteilt:<br />

● Verkäufe außerhalb von Wasserschutzgebieten und<br />

● Verkäufe innerhalb von Wasserschutzgebieten.<br />

Nach der Gruppierung der Vorgänge findet eine weitere Selektion statt (vgl. 1. Auswahl in<br />

Abb. 5). Hierbei werden folgende Verkaufsvorgänge eliminiert:<br />

● Preise, die nicht dem ortsüblichen Niveau für landwirtschaftliche Flächen entsprechen,<br />

d. h. alle Preise, die deutlich <strong>über</strong> oder unter dem allgemeinen landwirtschaftlichen<br />

Preisniveau liegen, müssen vom Vergleich ausgeschlossen werden, sofern die besonderen<br />

Gründe der Preisfestsetzung und ihre Auswirkungen nicht genau erfasst werden<br />

können (18, § 6 Abs. 2 Nr. 1 u. § 13V).<br />

nP = natürliche Person; So = Sonstige; A = Acker; GL = Grünland<br />

Abb. 5. Schematische Vorgehensweise bei der Kaufpreisanalyse<br />

Quelle: In Anlehnung (an 30, S. 50)


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

107<br />

● Preise für forstwirtschaftliche Flächen, Wasserflächen und Flächen mit außerlandwirtschaftlicher<br />

preisbestimmender Nutzung (z. B. Golfplatz) oder mit Bodenschätzen sind<br />

nicht für einen Vergleich mit rein landwirtschaftlich genutzten Grundstücken geeignet.<br />

● Preise für kleine Flächen unter ca. 1000 m² werden ebenfalls ausgeklammert, da sich<br />

der Preis für kleine (Teil-) Flächen häufig nicht am landwirtschaftlichen Preisniveau,<br />

sondern vielmehr am Gesamtpreis und dem speziellen Nutzen für den Erwerber (z. B.<br />

Arrondierungskauf) orientiert. Der Kaufpreis in Euro pro Flächeneinheit spielt bei diesen<br />

Käufen in aller Regel nur eine untergeordnete Rolle. Die Aussagekraft dieser Preise<br />

ist daher gering.<br />

●<br />

Verkäufe, die durch ungewöhnliche und/oder persönliche Verhältnisse beeinflusst wurden,<br />

sind gem. § 3 Abs. 3 WertV in Verbindung mit § 6 WertV nicht zum Vergleich<br />

geeignet. Dazu gehören u. a. Spekulationskäufe, Geschäfte unter Verwandten, Tauschvorgänge<br />

sowie Verkäufe im Rahmen von Zwangsversteigerungsverfahren (Notverkäufe).<br />

Die vorgenommene Selektion der Verkaufsvorgänge ist erforderlich, da eine Vergleichbarkeit<br />

der Grundstückspreise nicht nur vom Zustand (§ 4 WertV), sondern auch vom Preis<br />

gegeben sein muss (12). Die physischen und wirtschaftlichen Wert bildenden Faktoren<br />

der Vergleichsgrundstücke müssen im Wesentlichen <strong>über</strong>einstimmen. Nach der gängigen<br />

Rechtsprechung (13; 14) sind die von der öffentlichen Hand bezahlten Preise auch dann<br />

als Vergleichspreise heranzuziehen, wenn keine Besonderheiten (wie ungewöhnliche oder<br />

persönliche Verhältnisse) vorliegen (21, § 3 Abs. 3 und § 6 WertV).<br />

In der 2. Auswahl (vgl. Abb. 5) wird eine Liste von denjenigen Gemarkungen zusammengestellt,<br />

in denen auswertbare Kaufvorgänge von Wasserschutzgebietsflächen<br />

gefunden wurden. Diese Gemarkungen stellen die Vergleichsgemarkungen für die Wasserschutzgebietsverkäufe<br />

eines Landkreises dar. Als Vergleichsvorgänge für die Wasserschutzgebietsverkäufe<br />

werden nur Kaufvorgänge ausgewählt, die in den identifizierten<br />

Vergleichsgemarkungen liegen.<br />

Wie Abbildung 5 zeigt, wird innerhalb der Gruppen ferner nach Käufen von Ackerund<br />

Grünland unterschieden. Innerhalb der Wasserschutzgebiete wird zusätzlich differenziert<br />

zwischen Käufen in der Zone II bzw. den übrigen Zonen (III, IIIA oder IIIB). Diese<br />

Unterscheidung erscheint sinnvoll, da in der Wasserschutzzone II in aller Regel stärkere<br />

Auflagen gelten als in den übrigen Zonen. Unterschiede in den Schutzauflagen der Zonen<br />

IIIA und IIIB werden hierbei vernachlässigt.<br />

In einer 3. Auswahl werden alle für die Analyse herangezogenen Kaufvorgänge nochmals<br />

<strong>über</strong>prüft, um sicherzustellen, dass keine Preise in die Analyse mit einfließen, welche<br />

möglicherweise aufgrund sonstiger außergewöhnlicher oder besonderer Umstände vereinbart<br />

wurden, die im bisherigen Verfahrensablauf noch keine Berücksichtigung fanden<br />

(vgl. Abb. 5).<br />

Nachdem die relevanten Kaufvorgänge in der beschriebenen Art und Weise identifiziert<br />

und gruppiert wurden, findet eine weitere Unterscheidung nach Erwerbergruppen statt.<br />

Aus den gespeicherten Kaufvorgängen der Landratsämter wird ersichtlich, von welcher<br />

Käufergruppe ein Grundstück erworben wurde. In den Kaufpreissammlungen der Landratsämter<br />

wird unterschieden nach natürlicher Person, juristischer Person, Kommune, Bund,<br />

Land oder Sonstige. Genauer lassen sich die Erwerber aus den von den Gutachterausschüssen<br />

zur Verfügung gestellten Daten nicht identifizieren. Aufgrund dieser Datenbasis<br />

werden bei der Analyse der Kaufpreise zwei Käufergruppen gebildet (vgl. Abb. 5). Die<br />

natürlichen Personen bilden die erste Gruppe. Hier kann vermutet werden, dass beim<br />

Kauf keine wasserwirtschaftlichen Interessen im Vordergrund standen. Alle anderen Erwerbergruppen<br />

bilden die zweite Käufergruppe, die Gruppe der Sonstigen. Dies sind somit<br />

alle Käufer, die keine natürlichen Personen sind. Es wird davon ausgegangen, dass es sich


108 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

bei den Käufern der Gruppe der Sonstigen <strong>über</strong>wiegend um Käufer der öffentlichen Hand<br />

bzw. um Wasserversorgungsunternehmen u. ä. handelt, welche die Fläche oftmals wegen<br />

ihrer Lage im Wasserschutzgebiet und den damit verbundenen Schutzzielen erwerben.<br />

Allerdings besteht die Möglichkeit, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb <strong>über</strong> den Status<br />

der juristischen Person in die Gruppe der Sonstigen fällt. Dies dürfte dann aber ein<br />

Ausnahmefall sein. Eine klare Identifizierung der verschiedenen Käufer ist aufgrund des<br />

Datenschutzes nicht möglich.<br />

Nach der dargestellten Vorgehensweise werden für jede Gruppe der Mittelwert und<br />

die Standardabweichung der Kaufpreise abgeleitet. Beispielsweise ergibt sich somit ein<br />

Mittelwert der Kaufpreise, welcher in einem Landkreis für Ackerland in der Schutzzone II<br />

mit einer natürlichen Person als Käufer vereinbart wurde (vgl. Abb. 5).<br />

3.2.2 Expertenbefragung<br />

Die Informationsbeschaffung im Rahmen der Expertenbefragung erfolgt mit Hilfe von<br />

zwei verschiedenen Befragungsformen. Der Großteil der Interviews wird als Expertenbefragung<br />

mündlich und teilstrukturiert anhand eines offenen Gesprächsleitfadens telefonisch<br />

durchgeführt. Die Befragung der Landwirte erfolgt ebenfalls mündlich, aber in Form<br />

von standardisierten telefonischen Einzelinterviews.<br />

Das leitfadengeführte Experteninterview ist ein Instrument der qualitativen Sozialforschung.<br />

In der vorliegenden Arbeit wurde diese Form der Befragung bei neun von zehn<br />

Expertengruppen angewandt. Sie wurde als Erhebungsmethode gewählt, um Einblicke in<br />

den bisher in der Literatur wenig beschriebenen Forschungsgegenstand zu erhalten. Ziel<br />

der Experteninterviews ist die Generierung von bereichsspezifischen und themenbezogenen<br />

Aussagen (vgl. 43, S. 67). Der Zugang zu und die Teilhabe an exklusivem Expertenwissen<br />

steht im Mittelpunkt des systematisierten Experteninterviews. Der Experte fungiert<br />

hierbei als Ratgeber, da er <strong>über</strong> ein dem Forscher nicht zugängliches Fachwissen verfügt.<br />

Dieses wird mit Hilfe eines Expertenleitfadens erhoben (vgl. 11, S. 37).<br />

Das standardisierte Einzelinterview ist dem Bereich des Erfassens quantitativer Aspekte<br />

zuzuordnen. Diese Erhebungsmethode wird bei der Befragung der Landwirte angewandt.<br />

Die Befragung erfolgte telefonisch anhand eines standardisierten Fragebogens. Die<br />

starke Standardisierung des Interviews erleichtert die spätere Auswertung und Darstellung<br />

der Ergebnisse. Diese Methode erschien für die Landwirtebefragung sinnvoll, da es sich<br />

hierbei um eine homogene Gruppe handelt, und die Anzahl der geführten Interviews vergleichsweise<br />

hoch war. Ziel dieser standardisierten Befragung war die Erfassung vorwiegend<br />

quantitativer, aber auch qualitativer Aspekte. Der Fragebogen enthält somit neben<br />

den dem standardisierten Befragungstyp entsprechenden geschlossenen Fragen auch halboffene<br />

und offene Fragen.<br />

4 Ergebnisse<br />

4.1 Ergebnisse der Kaufpreisanalyse<br />

4.1.1 Marktaktivität in den untersuchten Landkreisen<br />

In Tabelle 3 ist dargestellt, wie hoch der Anteil der von Wasserschutzgebieten (WSG)<br />

betroffenen landwirtschaftlichen Fläche (LF) in den drei Untersuchungslandkreisen ist. Im<br />

Landkreis A liegen 2,3 % aller landwirtschaftlichen Flächen in Wasserschutzgebieten. In<br />

den Landkreisen B und C sind 18,3 % bzw. 4,4 % aller landwirtschaftlichen Flächen von<br />

Wasserschutzgebietsausweisungen betroffen.


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

109<br />

Um die Marktaktivität der Landkreise zu vergleichen, werden in Tabelle 3 die landwirtschaftlichen<br />

Grundstücksverkäufe in verschiedenen Flächenkategorien gegen<strong>über</strong> gestellt.<br />

Hierbei ist der jährliche durchschnittliche Umsatz an landwirtschaftlichen Flächen in einer<br />

Kategorie (z. B. Landkreis gesamt) in Relation zu der vorhandenen landwirtschaftlichen<br />

Fläche in dieser Kategorie gesetzt. Beispielsweise wurden im Landkreis A jährlich durchschnittlich<br />

0,44 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Landkreises veräußert.<br />

In den Landkreisen B und C war der landwirtschaftliche Flächenumsatz mit 0,45 % bzw.<br />

0,41 % ähnlich hoch. Bei Betrachtung des Flächenumsatzes in Wasserschutzgebieten ist<br />

grundsätzlich festzuhalten, dass in diesen Gebieten in allen drei Untersuchungslandkreisen<br />

ein Grundstückshandel stattfindet. Beim Vergleich der Werte in Tabelle 3 fällt jedoch<br />

auf, dass der relative Flächenumsatz im Wasserschutzgebiet zunimmt, wenn sich der Anteil<br />

der vom Wasserschutzgebiet betroffenen landwirtschaftlichen Fläche reduziert. Dies<br />

bedeutet, dass in dem Landkreis, in welchem prozentual der geringste Teil der landwirtschaftlichen<br />

Fläche im Wasserschutzgebiet liegt, der höchste relative Flächenumsatz in<br />

Wasserschutzgebieten zu verzeichnen ist, vice versa.<br />

Tabelle 3. Durchschnittlicher jährlicher Anteil verkaufter landwirtschaftlich<br />

genutzter Flächen nach Flächenkategorie<br />

Landkreis A Landkreis B Landkreis C<br />

Anteil der von WSG<br />

betroffenen LF<br />

2,3 % 18,3 % 4,4 %<br />

jährlicher ø Flächenumsatz an LF pro Flächenkategorie<br />

Landkreis gesamt 0,44 % 0,45 % 0,41 %<br />

außerhalb von WSG 0,42 % 0,51 % 0,40 %<br />

WSG 1,18 % 0,14 % 0,89 %<br />

Zone II 0,42 % 0,15 % 2,06 %<br />

Zone III und weitere 1,86 % 0,14 % 0,30 %<br />

Lesehinweis: In den Zonen II des Landkreises A wurden durchschnittlich pro Jahr 0,42 % der<br />

in der Zone II des Wasserschutzgebietes (WSG) liegenden landwirtschaftlich genutzten Fläche<br />

veräußert<br />

Quelle: Eigene Berechnungen (nach 30)<br />

In Abbildung 6 sind die Anteile der Käufergruppen der natürlichen Personen und der Sonstigen<br />

am Flächenumsatz innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten dargestellt. In<br />

allen Landkreisen ist die Käufergruppe der natürlichen Personen <strong>über</strong>proportional am Flächenumsatz<br />

außerhalb von Wasserschutzgebieten beteiligt. Innerhalb von Wasserschutzgebieten<br />

ist die Käufergruppe der Sonstigen umso stärker am Flächenumsatz beteiligt,<br />

je geringer der Prozentsatz der in Wasserschutzgebieten liegenden landwirtschaftlichen<br />

Flächen ist. Beispielsweise erwirbt im Landkreis A, in welchem der geringste Anteil an<br />

landwirtschaftlichen Flächen als Wasserschutzgebiet ausgewiesen ist, die Gruppe der<br />

Sonstigen innerhalb von Schutzgebieten rund 90 % der veräußerten landwirtschaftlichen<br />

Flächen. In Landkreis B hingegen ist die Gruppe der Sonstigen nur mit knapp 30 % am<br />

landwirtschaftlichen Flächenumsatz in Wasserschutzgebieten beteiligt (vgl. Abb. 6).


110 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

Abb. 6. Anteile der Käufergruppen am Flächenumsatz innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten<br />

Quelle: Eigene Berechnungen (nach 30)<br />

Zur Verdeutlichung dieses Zusammenhangs sind in Abbildung 7 drei ausgewählte Ergebnisse<br />

der Kaufpreisanalyse grafisch dargestellt. Es handelt sich hierbei um den Anteil der<br />

im Landkreis von Wasserschutzgebietsausweisung betroffener landwirtschaftlicher Fläche,<br />

den Umsatz an landwirtschaftlicher Fläche im Wasserschutzgebiet insgesamt (unabhängig<br />

von der Erwerbergruppe) und den Anteil der Sonstigen an diesem Flächenumsatz.<br />

Im Landkreis A sind 2,3 % der landwirtschaftlichen Fläche als Wasserschutzgebiet ausgewiesen.<br />

Der landwirtschaftliche Flächenumsatz im Wasserschutzgebiet beträgt 1,18 %.<br />

Die sonstigen Käufer erwarben knapp 90 % der im Wasserschutzgebiet veräußerten landwirtschaftlichen<br />

Flächen. Bei Betrachtung der weiteren Landkreise zeigt sich, dass der<br />

landwirtschaftliche Flächenumsatz im Wasserschutzgebiet und die Beteiligung der sonstigen<br />

Käufergruppe an diesem Flächenumsatz sinken, wenn der prozentuale Anteil der in<br />

Wasserschutzgebieten liegenden landwirtschaftlichen Flächen steigt (vgl. Abb. 7). Dies<br />

würde im Weiteren bedeuten, dass der Einfluss der sonstigen Käufer auf den landwirtschaftlichen<br />

Grundstücksmarkt umso geringer wird, je mehr landwirtschaftliche Fläche<br />

als Wasserschutzgebiet ausgewiesen wird. Dieser Aspekt ist vor allem dann von Bedeutung,<br />

wenn beurteilt werden soll, ob der Flächenerwerb durch die Gruppe der Sonstigen<br />

verkehrswertbeeinflussend wirkt.


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

–––<br />

–––<br />

100,0%<br />

90,0%<br />

80,0%<br />

70,0%<br />

60,0%<br />

50,0%<br />

40,0%<br />

30,0%<br />

20,0%<br />

10,0%<br />

0,0%<br />

Abb. 7. Zusammenhang zwischen dem Anteil der von Wasserschutzgebietsaus-<br />

weisungen betroffener LF, dem Flächenumsatz sowie dem Anteil der Sonstigen<br />

an diesem Flächenumsatz.<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

Landkreis A Landkreis C Landkreis B<br />

% LF im WSG<br />

111<br />

In Tabelle 4 sind die Flächenumsätze pro Kaufvorgang nach Erwerbergruppen dargestellt.<br />

Es zeigt sich, dass die Gruppe der sonstigen Käufer in Wasserschutzgebieten regelmäßig<br />

mehr Fläche pro Kaufvorgang erwerben als außerhalb von Wasserschutzgebieten. Natürliche<br />

Personen erwerben in Wasserschutzgebieten durchschnittlich gleich viel (Landkreis<br />

A) oder weniger (Landkreise B und C) Hektar pro Kaufvorgang als außerhalb von Wasserschutzgebieten<br />

(vgl. Tab. 4).<br />

Tabelle 4. Flächenumsatz pro Kaufvorgang in den<br />

Untersuchungslandkreisen [in ha]<br />

Flächenumsatz in ha pro Kaufvorgang<br />

Landkreis A Landkreis B Landkreis C<br />

Kategorie nP So nP So nP So<br />

Landkreis gesamt 1,2 1,6 0,7 0,4 1,2 1,0<br />

außerhalb von WSG 1,2 1,5 0,7 0,4 1,3 0,7<br />

WSG 1,2 3,2 0,6 0,6 0,9 3,5<br />

Zone II 0,6 0,9 0,3 0,8 1,1 8,0<br />

Zone III und<br />

weitere<br />

1,7 5,1 0,6 0,6 0,7 0,7<br />

Quelle: Eigene Berechnungen (nach 30)<br />

% Beteiligung der Sonstigen Käufer am Flächenumsatz im WSG<br />

% Umsatz an landwirtschaftlicher Fläche im WSG<br />

–––<br />

1,4%<br />

1,2%<br />

1,0%<br />

0,8%<br />

0,6%<br />

0,4%<br />

0,2%<br />

0,0%


112 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

4.1.2 Kaufpreisanalyse in den untersuchten Landkreisen<br />

Tabelle 5 stellt die ermittelten Kaufpreisunterschiede innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten<br />

in den drei Untersuchungslandkreisen dar, im Zusammenhang mit der<br />

Anzahl der zugrunde liegenden auswertbaren Kaufvorgänge.<br />

Bezüglich der Preisänderung bei Ackerland lässt sich Folgendes feststellen: Bei den<br />

Fallkonstellationen (Zone/Käufergruppe) mit drei oder mehr Kaufvorgängen zeigt sich,<br />

dass im Wasserschutzgebiet bei Käufen durch natürliche Personen um 23 % bzw. 26 %<br />

niedrigere Preise erzielt werden. <strong>Landwirtschaft</strong>liche Grundstückskäufe in Wasserschutzgebieten<br />

werden durch die Gruppe der Sonstigen ohne oder mit geringen Wertabschlägen<br />

getätigt.<br />

Bei Grünlandflächen fand im Landkreis A innerhalb von Wasserschutzgebieten kein<br />

Grundstückskauf statt, wohingegen in den Vergleichsgemarkungen außerhalb von Wasserschutzgebieten<br />

Käufe getätigt wurden. Eine Aussage zur Preisveränderung bei Grünlandflächen<br />

ist somit für diesen Landkreis nicht möglich. Im Landkreis B wurden Grünlandflächen<br />

in Wasserschutzgebieten von allen Käufergruppen, unabhängig von Schutzzonenkategorien,<br />

deutlich <strong>über</strong> den Grundstückspreisen der Vergleichsgemarkungen gekauft.<br />

Im Landkreis C wurden vier auswertbare Verkäufe von Grünland identifiziert. Hierbei<br />

erwarb die Gruppe der sonstigen Käufer zwei Grünlandflächen in der Schutzzone II zu<br />

spürbar höheren Preisen als im Durchschnitt für vergleichbare Grundstücke außerhalb von<br />

Schutzgebieten vereinbart worden sind.<br />

Tabelle 5. Kaufpreisdifferenzen in den Untersuchungslandkreisen<br />

Anzahl auswertbare<br />

Kaufpreise<br />

innerhalb WSG<br />

Anzahl auswertbare<br />

Kaufpreise in den<br />

Vergleichsgemarkungen<br />

für WSG<br />

Kaufpreisdifferenz<br />

=( Preis innerhalb *100) – 100<br />

Preis außerhalb<br />

Landkreis A B C A B C A B C<br />

n n n n n n % % %<br />

Acker insges. 9 23 6 39 113 17 -1 -23 -24<br />

Zone II 4 2 3 -1 -13 -23<br />

n P 1 1 3 +5 -38 -23<br />

So 3 1 0 -3 +12 -<br />

Zone III 5 21 3 -1 -24 -26<br />

n P 2 19 3 -3 -26 -26<br />

So 3 2 0 0 -8 -<br />

Grünland insges. 0 21 4 10 18 7 - +48 +5<br />

Zone II 6 3 - +68 +5<br />

n P 5 1 - +73 -63<br />

So 1 2 - +40 +38<br />

Zone III 15 1 - +40 +8<br />

n P 8 0 - +35 -<br />

So 7 1 - +48 +8<br />

Quelle: Eigene Berechnungen (nach 30)


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

113<br />

In der Kaufpreisanalyse werden die Kaufpreise von veräußerten Grundstücken innerhalb<br />

und außerhalb von Wasserschutzgebieten verglichen. Da der Kaufpreis eines Grundstückes<br />

nicht gleichzusetzen ist mit dem Verkehrswert eines Grundstückes, kann dieser im<br />

Einzelfall erheblich vom Kaufpreis abweichen.<br />

4.2 Ergebnisse der Expertenbefragung<br />

Zusätzlich zur Auswertung von Kaufpreisen wurde eine breit angelegte Expertenbefragung<br />

zum Verkehrswert von landwirtschaftlichen Grundstücken in Wasserschutzgebieten<br />

durchgeführt. Durch die Befragung konnten die verschiedenen Einflussfaktoren der<br />

Verkehrswertveränderung von landwirtschaftlichen Grundstücken aufgrund ihrer Lage in<br />

Wasserschutzgebieten identifiziert werden. Die Einflussfaktoren lassen sich dabei zum<br />

einen in grundstücksbezogene und zum anderen in lokale, regionale und gesamtwirtschaftliche<br />

Faktoren unterscheiden (vgl. Abb. 8).<br />

Einflussfaktoren der Verkehrswertveränderung bei<br />

Wasserschutzgebietsausweisung<br />

grundstücksbezogen lokal, regional, gesamtwirtschaftlich<br />

- amtlicher Schutzgebietsstatus<br />

- Nutzungsbeschränkungen und Auflagen<br />

- Nutzungsart<br />

- Langfristige Entwicklungschancen<br />

- Ertragswert<br />

- außerlandwirtschaftliche Nachfrage nach<br />

Flächen im Wasserschutzgebiet<br />

- Größe der Wasserschutzgebiete<br />

- Sensibilisierung des Käufermarktes<br />

- Ausgleichszahlungen<br />

- Stand der guten fachlichen Praxis<br />

- allgemeine Situation auf dem Grund-<br />

stücksmarkt<br />

Abb. 8. Einflussfaktoren der Verkehrswertveränderung von landwirtschaftlichen<br />

Grundstücken bei Wasserschutzgebietsausweisung<br />

Quelle: Eigene Darstellung<br />

4.2.1 Grundstücksbezogene Einflussfaktoren<br />

Die allgemeine Lage eines Grundstückes stellt bei der Verkehrswertermittlung grundsätzlich<br />

einen wesentlichen wertbeeinflussenden Faktor dar. Liegt das betreffende Grundstück<br />

dabei in einem per Verordnung festgesetzten Schutzgebiet (amtlicher Schutzgebietsstatus)<br />

wirkt sich das nach Aussage der Experten unabhängig von einer weiteren Betrachtung<br />

der Auflagen negativ auf den Verkehrswert aus. Die Experten bezeichnen diesen Status<br />

als Schutzgebiet oft als „Makel“, welcher dazu führt, dass viele potenzielle Käufer ein<br />

Grundstück außerhalb von Wasserschutzgebieten einem Grundstück, welches in einem<br />

Wasserschutzgebiet liegt, vorziehen.<br />

Die Expertenbefragung ergab ferner, dass die in Wasserschutzgebieten geltenden Nutzungsbeschränkungen<br />

und Auflagen den Verkehrswert der Grundstücke beeinflussen. Je<br />

höher dabei die Nutzungseinschränkung eines Grundstückes durch eine Wasserschutzgebietsverordnung<br />

ist, desto höher fällt nach Angaben der Experten im Regelfall ein Wertabschlag<br />

bei der Verkehrswertermittlung aus.<br />

Die Nutzungsart eines landwirtschaftlichen Grundstücks stellt bei der Verkehrswertermittlung<br />

einen weiteren wertbeeinflussenden Faktor dar. Die Höhe der Wertminderung<br />

ist in Abhängigkeit von der Nutzungsintensität zu sehen, da die Auflagen und Nutzungs-


114 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

beschränkungen einer Wasserschutzgebietsverordnung für alle betroffenen Grundstücke<br />

unabhängig von deren Nutzung gültig sind. Bei intensiver Flächennutzung (z. B. Acker)<br />

wird daher c. p. eine höhere Verkehrswertminderung durch die Lage im Wasserschutzgebiet<br />

angenommen als bei extensiver Flächennutzung (z. B. Grünland).<br />

Die langfristigen Entwicklungschancen eines landwirtschaftlichen Grundstücks stellen<br />

einen nicht unwesentlichen Wertbestandteil eines Grundstückes dar. Die in Schutzgebietsverordnungen<br />

enthaltenen Verbote und Nutzungsbeschränkungen schränken jedoch nicht<br />

nur die aktuelle Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks ein, sondern sie behindern gleichzeitig<br />

auch die zukünftigen landwirtschaftlichen und außerlandwirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten.<br />

Langfristige Entwicklungschancen werden somit reduziert bzw. mögliche<br />

Entwicklungspotentiale beeinträchtigt. Da zukünftige Entwicklungschancen und die an<br />

ein Grundstück geknüpften Erwartungen den Wert eines Grundstückes stark beeinflussen,<br />

der Wasserschutzgebietsstatus diese jedoch beschränkt, ergibt sich hieraus nach Meinung<br />

der Experten – vor allem vor dem Hintergrund eines hohen Kaufpreisniveaus in Bayern<br />

– eine Verkehrswertminderung für im Wasserschutzgebiet liegende landwirtschaftliche<br />

Grundstücke.<br />

Der Ertragswert eines Grundstückes ist grundsätzlich als ein wertbestimmender Faktor<br />

des Verkehrswertes anzusehen. Die Befragung der Experten ergibt jedoch, dass die Höhe<br />

des Verkehrswertes kaum von der Höhe des Ertragswertes abhängt und somit der Einfluss<br />

des Ertragswertes auf den Verkehrswert gering ist. Der Verkehrswert landwirtschaftlicher<br />

Grundstücke beträgt in Bayern im Schnitt das 4 bis 5fache des Ertragswertes. Die Gewährung<br />

von Ausgleichszahlungen beeinflusst zwar den Ertragswert landwirtschaftlicher<br />

Grundstücke in Wasserschutzgebieten, dennoch sind vielfach keine Auswirkungen auf<br />

den Verkehrswert der betroffenen Grundstücke festzustellen. Dies bedeutet, dass trotz<br />

unveränderter Ertragswerte Verkehrswertminderungen in Wasserschutzgebieten auftreten<br />

können.<br />

4.2.2 Lokale, regionale und gesamtwirtschaftliche Einflussfaktoren<br />

Neben den Einflussfaktoren, welche in direktem Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen<br />

Grundstück stehen, wurden durch die Befragung weitere wertbeeinflussende<br />

Faktoren identifiziert.<br />

Die außerlandwirtschaftliche Nachfrage nach landwirtschaftlichen Grundstücken in<br />

Wasserschutzgebieten erfolgt vornehmlich durch Wasserversorgungsunternehmen und die<br />

öffentlichen Hand. Nicht selten kaufen diese Erwerber Grundstücke im Wasserschutzgebiet<br />

zu ortsüblichen oder <strong>über</strong> dem ortsüblichen Niveau liegenden Preisen. Wie stark der<br />

Einfluss dieser Nachfrage auf den Verkehrswert von landwirtschaftlichen Grundstücken in<br />

Wasserschutzgebieten ist, hängt davon ab, wie hoch der Anteil dieser Käufe am gesamten<br />

Flächenumsatz im Wasserschutzgebiet ist. Je höher der Anteil der Wasserversorgungsunternehmen<br />

und der öffentlichen Hand am Flächenumsatz ist, desto stärker ist grundsätzlich<br />

von einer Verkehrswertbeeinflussung durch diese Käufe auszugehen. Bei einer Dominanz<br />

der Käufe der öffentlichen Hand oder der Wasserversorgungsunternehmen ist jedoch nicht<br />

automatisch von einer Verkehrswertbeeinflussung auszugehen. Da diese Käufe bei der<br />

Ermittlung des Verkehrswertes unberücksichtigt bleiben können, wenn sie beispielsweise<br />

aufgrund besonderer Interessen (vgl. 18, § 6) zustande gekommen sind bzw. die Preise<br />

deutlich <strong>über</strong> dem ortsüblichen Kaufpreis liegen. Ob der Flächenerwerb durch Wasserversorger<br />

oder die öffentliche Hand bei der stichtagsbezogenen Verkehrswertermittlung von<br />

Grundstücken in Wasserschutzgebieten berücksichtigt werden kann, ist daher im Einzelfall<br />

situationsabhängig zu beurteilen. Falls diese Verkäufe jedoch berücksichtigt werden<br />

können, wirken sie sich in aller Regel werterhaltend oder wertsteigernd auf den stichtagsbezogenen<br />

Verkehrswert aus.


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

115<br />

Ein weiterer Faktor, welcher Einfluss auf die Nachfrage nach und somit auf den Marktwert<br />

von landwirtschaftlichen Grundstücken in Wasserschutzgebieten hat, ist die Größe<br />

des jeweiligen Wasserschutzgebietes. Die Nachfrage nach Flächen im Wasserschutzgebiet<br />

wird umso geringer eingestuft, je kleiner die Fläche des Wasserschutzgebietes ist. Es<br />

handelt sich hierbei vor allem um die von Landwirten generierte landwirtschaftliche Flächennachfrage.<br />

Als Grund hierfür sind die Möglichkeiten des alternativen Flächenerwerbs<br />

außerhalb des Schutzgebietes anzusehen. Ist das Wasserschutzgebiet sehr klein, gibt es in<br />

der betreffenden Region – relativ gesehen – eine größere Auswahl an Alternativangeboten<br />

außerhalb von Schutzgebieten als bei einem großen Wasserschutzgebiet.<br />

Die Expertenbefragung ergab ferner, dass die Sensibilisierung des Käufermarktes Einfluss<br />

auf die Nachfrage und somit den Wert landwirtschaftlicher Grundstücke in Wasserschutzgebieten<br />

hat. In Regionen, in welchen Wasserschutzgebiete neu ausgewiesen werden<br />

oder erst seit kurzem bestehen, reagieren Käufer sehr sensibel auf die Thematik des<br />

Wasserschutzgebietes. Bei einer Neuausweisung von Wasserschutzgebieten rücken die damit<br />

verbundenen Nachteile – durch die in der Öffentlichkeit geführten Diskussionen und<br />

die sich für die Grundstückseigentümer ergebenden aktuellen Veränderungen – stärker in<br />

das Bewusstsein der Marktteilnehmer. Die Befragung der Experten ergab, dass im Markt<br />

oftmals eine (Über-) Reaktion stattfindet, welche sich im Laufe der Zeit etwas relativiert.<br />

Die (Über-) Reaktion der Käufer steht dabei oftmals in Zusammenhang mit Ängsten oder<br />

unzureichenden Informationen.<br />

Gewährte Ausgleichszahlungen für Nutzungsbeschränkungen können nach Meinung<br />

der Sachverständigen bei der Verkehrswertermittlung nicht explizit berücksichtigt werden.<br />

Sie räumen jedoch ein, dass Nutzungsbeschränkungen an einem Grundstück, für welches<br />

keine Ausgleichszahlungen geleistet würden, eine höhere Wertminderung zur Folge hätten.<br />

Somit können Ausgleichszahlungen einen durch die Wasserschutzgebietsausweisung<br />

eintretenden Wertverlust begrenzen.<br />

Neben den bisher dargestellten Einflussfaktoren wirkt sich auch die allgemeine Situation<br />

am landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt auf die Wertveränderung der im Wasserschutzgebiet<br />

liegenden landwirtschaftlichen Grundstücke aus. Herrscht beispielsweise<br />

in einer Region ein Nachfrage<strong>über</strong>hang nach landwirtschaftlichen Flächen, kann dieser<br />

nach Angabe der Experten andere Faktoren, welche negativ auf die Nachfrage und den<br />

Wert landwirtschaftlicher Grundstücke in Wasserschutzgebieten wirken, <strong>über</strong>lagern. Eine<br />

erhöhte allgemeine Nachfrage nach landwirtschaftlichen Flächen kann dazu führen, dass<br />

in der betreffenden Region ein möglicher Nachfragerückgang nach landwirtschaftlichen<br />

Grundstücken in Wasserschutzgebieten geringer ausfällt als in anderen Regionen, in welchen<br />

am allgemeinen landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt keine nachfrageerhöhenden<br />

Einflüsse vorherrschen. Die Wertveränderung von Gründstücken in Wasserschutzgebieten<br />

kann daher nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der allgemeinen Situation<br />

am landwirtschaftlichen Grundstücksmarkt betrachtet werden.<br />

Dar<strong>über</strong> hinaus werden sich ergebende Verkehrswertveränderungen in Wasserschutzgebieten<br />

direkt durch den Stand der guten fachlichen Praxis bzw. den Begriff der ordnungsgemäßen<br />

landwirtschaftlichen Nutzung bestimmt. Das allgemeine Anforderungsniveau an<br />

die gute fachliche Praxis stellt eine Referenzsituation dar, anhand welcher beurteilt wird,<br />

inwieweit ein geforderter Gewässerschutz durch die Wasserschutzgebietsverordnung den<br />

Gewässerschutz, welcher sich aus dem Stand der guten fachlichen Praxis ergibt, <strong>über</strong>steigt.<br />

Je größer diesbezüglich die Differenz des Status quo der guten fachlichen Praxis und der<br />

in der Schutzgebietsverordnung geforderten Anforderungen ist, desto größer müsste nach<br />

Meinung der Experten eine Wertveränderung bzw. ein Wertverlust sein. Wird nun das<br />

Anforderungsniveau an die gute fachliche Praxis beispielsweise durch Regelungen zu<br />

Cross Compliance erhöht, vermindert sich c. p. der Abstand der Referenzsituation zu den


116 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

Anforderungen der Wasserschutzgebietsverordnung. Und damit auch ein möglicher durch<br />

Wasserschutzgebietsausweisung entstehender Verkehrswertverlust.<br />

Das Ausmaß eines sich eventuell ergebenden Verkehrswertverlustes ist von den verschiedenen<br />

beschriebenen Faktoren und deren Interdependenzen abhängig. Eine allgemeingültige<br />

Aussage <strong>über</strong> die Höhe einer durch Wasserschutzgebietsausweisung verursachten<br />

Verkehrswertveränderung ist daher nicht möglich. Es ist im Einzelfall zu untersuchen,<br />

wie stark sich eine Wasserschutzgebietsausweisung auf den Verkehrswert der<br />

darin befindlichen Grundstücke auswirkt. Die befragten Sachverständigen berichten aus<br />

ihrer Bewertungspraxis <strong>über</strong>wiegend von Fällen, in welchen sie bei der Verkehrswertermittlung<br />

von landwirtschaftlichen Grundstücken in Wasserschutzgebieten einen Abschlag<br />

von 10 % bis 50 % vornahmen. Dabei ist jedoch stets zu beachten, dass der im Einzellfall<br />

für ein im Wasserschutzgebiet liegendes landwirtschaftliches Grundstück zu erzielende<br />

Kaufpreis erheblich von dem ermittelten Verkehrswert abweichen kann.<br />

5 Diskussion<br />

Die möglichen Auswirkungen von Wasserschutzgebietsausweisungen auf die betroffenen<br />

landwirtschaftlichen Grundstücke bewegen sich zwischen dem Extrem der Unverkäuflichkeit<br />

des Grundstückes und der Chance, für das Grundstück im Wasserschutzgebiet einen<br />

<strong>über</strong> dem ortsüblichem Preisniveau liegenden Verkaufspreis zu erzielen.<br />

Kaufaktivität: In den Wasserschutzgebieten der drei untersuchten Landkreise werden<br />

im Rahmen der Kaufpreisanalyse Flächenumsätze festgestellt. Ebenso bestätigt das Ergebnis<br />

der Expertenbefragung, dass im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht<br />

von einer generellen Unverkäuflichkeit von landwirtschaftlichen Grundstücken in Wasserschutzgebieten<br />

auszugehen ist.<br />

In den drei analysierten Landkreisen beteiligen sich am Flächenumsatz in Wasserschutzgebieten<br />

auf Käuferseite sowohl natürliche Personen als auch sonstige (nicht natürliche)<br />

Personen (z. B. Kommunen, Land, Bund, juristische Person), jedoch in unterschiedlichem<br />

Ausmaß. Bei den sonstigen Käufern handelt es sich mehrheitlich um Käufer<br />

der öffentlichen Hand bzw. Wasserversorgungsunternehmen. Bei dieser Gruppe spielt der<br />

Trinkwasserschutz im Rahmen der Kaufentscheidung oftmals eine bedeutende Rolle. Die<br />

Kaufaktivität der Gruppe der Sonstigen wurde in der Expertenbefragung bestätigt. Die<br />

befragten Marktteilnehmer gaben an, in Wasserschutzgebieten teils sehr starke Kaufaktivitäten<br />

der Wasserversorgungsunternehmen zu beobachten.<br />

Für die drei Untersuchungslandkreise ist festzustellen, dass die prozentuale Beteiligung<br />

der sonstigen Käufer am landwirtschaftlichen Flächenumsatz in Wasserschutzgebieten<br />

umso größer ist, je weniger landwirtschaftliche Flächen von Wasserschutzgebietsausweisungen<br />

insgesamt betroffen sind. Somit erwirbt diese Gruppe der Sonstigen in Landkreisen<br />

mit einem hohen Anteil an Wasserschutzgebieten (und somit einem hohen Anteil<br />

davon betroffener landwirtschaftlicher Fläche) im Verhältnis gesehen weniger Fläche als<br />

in Landkreisen mit einem vergleichsweise geringen Anteil an Wasserschutzgebietsflächen.<br />

Die Ursache hierfür könnte zum einen ein begrenzter Bedarf dieser Käufergruppe an landwirtschaftlichen<br />

Flächen sein, welcher nicht im Zusammenhang mit Wasserschutzgebieten<br />

steht. Beispielsweise ist hier der Bedarf der öffentlichen Hand an landwirtschaftlichen<br />

Flächen zur Bereitstellung von ökologischen Ausgleichsflächen zu nennen. Zum anderen<br />

schränken eventuell – vor allem im Hinblick auf das hohe Kaufpreisniveau in Bayern – die<br />

finanziellen Mittel der Wasserversorgungsunternehmen die absolut durch diese Käufergruppe<br />

zu erwerbende landwirtschaftliche Fläche ein.<br />

Kaufpreise: Die Kaufpreisanalyse zeigt, dass natürliche Personen Ackerflächen innerhalb<br />

von Wasserschutzgebieten regelmäßig zu geringeren Preisen kaufen als vergleich-


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

117<br />

bare Flächen außerhalb von Wasserschutzgebieten. Dies deckt sich mit den Ergebnissen<br />

der Banken- und Sachverständigenbefragung, da beide Gruppen bei der Verkehrswertermittlung<br />

eines Grundstückes einen Abschlag vornehmen, falls das Grundstück in einem<br />

Wasserschutzgebiet liegt. Ein Ergebnis der Expertenbefragung ist ferner, dass die Höhe<br />

des Abschlages von den – auf dem Grundstück lastenden – Nutzungsbeschränkungen und<br />

Auflagen abhängt. Hieraus ist abzuleiten, dass die Abschläge beim Verkehrswert in der<br />

Zone II stärker ausfallen als in der Zone III (vgl. 30, S. 78 ff. u. 89 ff.). Dies wird durch<br />

die Kaufpreisanalyse jedoch nicht bestätigt. In dieser sind in Bezug auf die verschiedenen<br />

Zonen der Wasserschutzgebiete keine signifikanten Kaufpreisunterschiede festzustellen.<br />

Die Kaufpreisanalyse zeigt weiter, dass die sonstigen (= nicht natürlichen) Personen<br />

im Wasserschutzgebiet im Allgemeinen zu ortsüblichen oder höheren Preisen kaufen. Die<br />

befragten Experten bestätigen, dass vor allem Wasserversorgungsunternehmen Flächen in<br />

Wasserschutzgebieten oftmals zu ortsüblichen oder dar<strong>über</strong> liegenden Preisen erwerben.<br />

Für Grünlandflächen fallen die Ergebnisse der Kaufpreisanalyse sehr unterschiedlich<br />

aus. Im Landkreis A, in welchem der geringste Anteil von landwirtschaftlichen Flächen<br />

im Wasserschutzgebiet liegt, sind keine Verkäufe der in Wasserschutzgebieten liegenden<br />

Grünlandflächen festzustellen. Dies kann u. a. auf eine mangelnde Nachfrage nach Grünlandflächen<br />

in Wasserschutzgebieten hinweisen. Von Experten wird eine Unverkäuflichkeit<br />

der in Wasserschutzgebieten liegenden Grundstücke in Einzelfällen nicht ausgeschlossen<br />

(vgl. 30, 75 ff.). Die deutlich höheren Grünlandpreise in den Wasserschutzgebieten des<br />

Landkreises B sind durch Ergebnisse der Expertenbefragung nicht zu begründen. Hier<br />

wurden Grünlandflächen in Wasserschutzgebieten von natürlichen und sonstigen (= nicht<br />

natürlichen) Personen regelmäßig zu ortsüblichen oder höheren Preisen gekauft. Einige<br />

Sachverständige gaben in der Befragung an, dass andere preisbildende Faktoren, wie beispielsweise<br />

die Knappheit und Unbeweglichkeit des Bodens, in manchen Regionen einen<br />

eventuellen Nachfragerückgang nach Flächen in Wasserschutzgebieten <strong>über</strong>lagern und<br />

deshalb hohe Kaufpreise gezahlt werden. Dies wird vor allem in Gebieten mit intensiver<br />

Tierhaltung angenommen (vgl. 30, S. 78 ff.).<br />

In den untersuchten Landkreisen stellen die Flächenkäufe durch die öffentliche Hand<br />

sowie die Wasserversorger (= Sonstige) zum Teil ein starkes Gegengewicht zu den Flächenkäufen<br />

durch die natürlichen Personen dar. Den beim Flächenerwerb durch natürliche<br />

Personen vereinbarten Kaufpreisen stehen somit oftmals vergleichsweise hohe, durch die<br />

sonstigen Käufer gezahlte, Kaufpreise gegen<strong>über</strong>.<br />

Das Preisniveau <strong>über</strong> alle Käufergruppen wird somit stabilisiert, wenn der Anteil der<br />

sonstigen Käufer am Flächenumsatz entsprechend hoch ist. Erwirbt beispielsweise ein<br />

finanzkräftiger Wasserversorger in einem Schutzgebiet viele Flächen zu ortsüblichen oder<br />

dar<strong>über</strong> liegenden Preisen, kann ein wasserwirtschaftlicher Teilmarkt entstehen, dem nur<br />

wenige Käufe von natürlichen Personen zu geringeren Preisen gegen<strong>über</strong>stehen. Bei<br />

entsprechender Dominanz des wasserwirtschaftlichen Teilmarktes kann dieser verkehrswertbestimmend<br />

sein. Die Ergebnisse der Kaufpreisanalyse lassen den Schluss zu, dass<br />

diese verkehrswertbestimmende Wirkung umso stärker ist, je weniger landwirtschaftliche<br />

Flächen von Wasserschutzgebietsausweisungen betroffen sind. Es ist jedoch zu beachten,<br />

dass die beschriebene verkehrswertbeeinflussende Wirkung möglicherweise nur temporär<br />

gegeben ist, da diese vom Willen und der Finanzkraft des Wasserversorgungsunternehmens<br />

abhängig ist.<br />

Zur besseren Beurteilung dieses Sachverhaltes ist ein Blick auf die Größe der bayerischen<br />

Wasserversorger sinnvoll. Die Struktur der Wasserversorger in Bayern ist sehr<br />

kleinteilig. Die 2700 Wasserversorger in Bayern umfassen zum einen kleine kommunale<br />

Wasserversorgungen mit geringen Fördermengen. Zum anderen Wasserwerke der Großstädte<br />

wie beispielsweise Nürnberg und München mit bis zu 100 Millionen Kubikmetern<br />

Fördermenge pro Jahr. Entsprechend unterschiedlich sind die Finanzmittel einzuschätzen,


118 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

welche für die Flächennachfrage in den derzeit fast 4000 amtlich festgesetzten Trinkwasserschutzgebieten<br />

in Bayern zur Verfügung stehen.<br />

Neben den absolut betrachteten Möglichkeiten der Wasserversorgungsunternehmen,<br />

Flächen in Wasserschutzgebieten nachzufragen, ist für den Einfluss dieser Nachfrage auf<br />

den Gesamtmarkt der Umsatz auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt entscheidend. Je<br />

höher die Gesamtumsätze auf dem Bodenmarkt sind, desto höher muss auch der Flächenumsatz<br />

durch die sonstigen Käufer sein, um einen spürbaren Einfluss auf den Bodenmarkt<br />

insgesamt zu haben. Hier stellt sich die Frage nach künftigen Entwicklungen auf dem Bodenmarkt.<br />

Der durchschnittliche jährliche landwirtschaftliche Flächenumsatz ist seit Ende<br />

der 1990er-Jahre rückläufig. Bei Fortschreibung dieses Trends könnte sich c. p. die Einflussnahme<br />

durch die sonstigen Käufer auf den Grundstücksmarkt insgesamt erhöhen.<br />

Ausgleichszahlungen: Im Zusammenhang mit den Auswirkungen einer Wasserschutzgebietsausweisung<br />

auf den Verkehrswert der darin befindlichen Grundstücke wird regelmäßig<br />

die Wirkung der in Wasserschutzgebieten gewährten Ausgleichszahlungen diskutiert.<br />

Die Befragung der Bankexperten und Sachverständigen zeigt, dass Ausgleichszahlungen<br />

eine Verkehrswertminderung generell nicht verhindern können. Jedoch sind die Experten<br />

der Meinung, dass den Ausgleichszahlungen insofern eine Wert erhaltende Eigenschaft<br />

beigemessen werden kann, da bei Nichtgewährung von Ausgleichszahlungen eine Verkehrswertminderung<br />

möglicherweise höher ausfallen würde.<br />

Abschließend ist festzuhalten, dass sich eine Verkehrswertminderung von landwirtschaftlichen<br />

Flächen in Wasserschutzgebieten nicht zwingend auf den im Einzelfall ausgehandelten<br />

Kaufpreis auswirkt, da dieser durch die persönlichen Verhältnisse und Motive<br />

des Käufers und Verkäufers bestimmt wird.<br />

Zusammenfassung<br />

Der vorliegende Beitrag untersucht die Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke bei der<br />

Ausweisung von Wasserschutzgebieten. Es werden zunächst einige theoretische Grundlagen zum<br />

Themenbereich dargestellt. Für die quantitative Analyse von Kaufpreissammlungen wird ein spezieller<br />

Untersuchungsansatz entwickelt und anhand einzelner Fallstudien getestet. Die Untersuchung<br />

liefert einen ersten Einblick in die realen Kaufpreisverhältnisse in drei bayerischen Landkreisen.<br />

Die Ergebnisse der Kaufpreisanalyse zeigen Flächenumsätze in den Wasserschutzgebieten der<br />

drei Untersuchungslandkreise und widerlegen damit zumindest in den untersuchten Landkreisen eine<br />

generelle Unverkäuflichkeit von landwirtschaftlichen Grundstücken in Wasserschutzgebieten.<br />

Je geringer der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Fläche des Kreises ist, der in Wasserschutzgebieten<br />

liegt, desto niedriger ist der von natürlichen Personen erworbene Flächenanteil in<br />

den Wasserschutzgebieten.<br />

Innerhalb von Wasserschutzgebieten kaufen natürliche Personen Ackerflächen zu Preisen, welche<br />

unter dem ortsüblichen Niveau liegen. Wasserversorger und die öffentliche Hand hingegen erwerben<br />

diese Flächen im Allgemeinen zu ortsüblichen Preisen.<br />

Bei der Auswertung von Grünlandflächen innerhalb und außerhalb von Wasserschutzgebieten<br />

zeigt die Kaufpreisanalyse der drei Landkreise ein uneinheitliches Bild hinsichtlich der Wertveränderung.<br />

Die Expertenbefragung ergab, dass bei der Verkehrswertermittlung von Flächen in Wasserschutzgebieten<br />

vielfach ein Abschlag vorgenommen wird. Wesentliche Einflussfaktoren auf eine<br />

Verkehrswertminderung sind unter anderem der Umfang der Nutzungsbeschränkungen, die Nutzungsart<br />

des Grundstücks, die Situation auf dem regionalen Grundstücksmarkt oder die Größe des<br />

Wasserschutzgebietes. Ausgleichszahlungen können eine Verkehrswertminderung begrenzen, aber<br />

nicht verhindern.<br />

Summary<br />

Change in value of agricultural land due to the establishment of groundwater protection areas<br />

This article analyses the change in value of agricultural land that is declared as a groundwater<br />

protection area. Firstly, we present some theoretical background information. We develop a new approach<br />

for the quantitative analysis of agricultural purchase prices. This approach is tested in three


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

119<br />

Bavarian districts. The investigation yields a first insight into the real purchase price conditions in<br />

the respective areas.<br />

The results of the purchase price analysis show that people do trade agricultural land in the investigated<br />

groundwater protection areas. This result refutes the hypothesis that agricultural land in<br />

groundwater protection areas is generally not tradeable.<br />

In areas where only a small proportion of the farm land is located in groundwater protection<br />

areas, the land area bought by natural personsis relatively small.<br />

Natural persons, in most cases farmers, purchase arable land in water protection areas at prices<br />

below the customary market price . Water supply companies and public authorities, however, generally<br />

buy arable land at market prices.<br />

For grassland, the purchase price analysis of the three districts shows a non-uniform picture<br />

regarding the change in value inside and outside the protected areas.<br />

The expert interviews show that there is a discount on the fair market value when agricultural<br />

land is located in a groundwater protection area. Several factors influence the fair market value, for<br />

instance the extent of land use restrictions, the current use to which the land is being put, the situation<br />

on the local agricultural property market and the size of the groundwater protection area.<br />

Compensatory allowances may limit but can not prevent a decrease of the fair market value of<br />

agricultural land.<br />

Résumé<br />

Modification de la valeur des terres agricoles due à la mise en place de zones de protection<br />

de l’eau<br />

Cet article analyse la modification de la valeur des terres agricoles déclarées zones de protection<br />

de l’eau. Nous présentons d’abord quelques bases théoriques se référant à cette thématique. Pour<br />

l’analyse quantitative des prix d’acquisition des terres une nouvelle approche a été élaborée et testée<br />

dans trois régions bavaroises. Les études réalisées fournissent une première idée des conditions<br />

réelles des prix d’acquisition dans ces trois régions.<br />

Les résultats de l’analyse des prix d’acquisition montrent que dans les régions enquêtées des<br />

terres agricoles situées dans les zones de protection de l’eau ont été vendues et réfutent donc – au<br />

moins pour ces trois régions - l’hypothèse selon laquelle il est impossible de trouver des acheteurs<br />

pour les terres agricoles se trouvant dans une zone de protection de l’eau.<br />

Plus la proportion des terres agricoles situées en zone de protection est faible dans une région,<br />

plus la totalité des surfaces achetées par des personnes physiques dans ces zones de protection est<br />

petite.<br />

Les personnes physiques achètent les terres arables dans ces zones protégées si elles sont cédées<br />

à un prix inférieur au niveau habituel de la région. Les entreprises de distribution d’eau ainsi que les<br />

autorités publiques, par contre, paient normalement le prix habituel du marché.<br />

En ce qui concerne les surfaces herbagères situées à l’intérieur des zones de protection de l’eau<br />

et celles situées à l’extérieur, l’analyse des prix d’acquisition révèle une image hétérogène quant au<br />

changement de la valeur des terres dans les trois régions étudiées.<br />

Selon les experts, lors de l’estimation de la valeur marchande des surfaces situées en zone de protection<br />

de l’eau les chiffres sont souvent diminués d’un certain pourcentage. Les éléments à prendre<br />

en considération pour la diminution éventuelle de la valeur marchande sont entre autre le degré de<br />

restrictions d’utilisation, le type de l’utilisation du fonds, la situation sur le marché des terrains local<br />

ou encore la taille de la zone de protection de l’eau.<br />

Les aides compensatoires peuvent limiter cette diminution de la valeur marchande, mais pas<br />

l’empêcher.<br />

Literatur<br />

1. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft, 2000, Nr. L 327, 43. Jahrgang, S. 1–73. – Richtlinie<br />

2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines<br />

Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (Wasserrahmenrichtlinie<br />

– WRRL).<br />

2. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, 1994, S. 822, zuletzt geändert am 26.7.2005 durch GVBl.<br />

2005, S. 287 (Bayerisches Wassergesetz – BayWG).<br />

3. –, 1997, S. 235, zuletzt geändert am 24.12.2002 (GVBl. 2002, S. 975) (Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz<br />

– BayVwVfG).<br />

4. Bayerische Landesanstalt für Bodenkultur und Pflanzenbau sowie für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur,<br />

1982: <strong>Landwirtschaft</strong>liche Standortkartierung in Bayern, München.


120 Martina Huber, Helmut Hoffmann, Helmut Hausladen, Andreas Jändl<br />

5. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, Statistische <strong>Berichte</strong>, 2004: Kaufwerte<br />

landwirtschaftlicher Grundstücke in Bayern 2004, München.<br />

6. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft – LfW, 1996 (Hrsg.): Leitlinien Wasserschutzgebiete für<br />

die öffentliche Wasserversorgung, München.<br />

7. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft – LfW, 2003: Musterverordnung für Wasserschutzgebiete<br />

(Stand 6.6.2003), http://www.bayern.de/lfw/service/download/mvo.doc, (eingesehen am 07.03. 2005),<br />

München.<br />

8. Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft – LfW, 2004 (Hrsg.): Aus gutem Grund, Informationsbroschüre,<br />

München.<br />

9. Bayerisches Staatsministerium für <strong>Landwirtschaft</strong> und Forsten – BayStmLF, 2004: Bayerischer Agrarbericht<br />

2004, München.<br />

10. BecKer, J., 1981: Die Entwicklung der Boden- und Pachtpreise: Ursachen, Auswirkungen, Gefahren,<br />

<strong>Berichte</strong> <strong>über</strong> <strong>Landwirtschaft</strong>, Bd. 59, Heft 3, S. 359–387.<br />

11. Bogner, a.; Menz, W., 2005: Das theoriegenerierende Experteninterview: Erkenntnisse, Wissensformen,<br />

Interaktion, in: Bogner, a.; Littig, B.; Menz, W. (Hrsg.): Das Experteninterview: Theorie,<br />

Methode, Anwendung, 2. Auflage, S. 33–70, Wiesbaden.<br />

12. Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.4.1966 – Aktenzeichen III ZR 24/65.<br />

13. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.11.1988 – Aktenzeichen III ZR 210/87.<br />

14. Bundesgerichtshof, Urteil vom 23.5.1985 – Aktenzeichen III ZR 10/84.<br />

15. Bundesgesetzblatt 1961 Teil III, Gliederungsnummer 7810-1, zuletzt geändert durch Art. 14 des Gesetzes<br />

vom 13.4.2006 (BGBl. Teil I S. 855) (Grundstücksverkehrsgesetz – GrdstVG).<br />

16. Bundesgesetzblatt 1977 Teil I S. 2134, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21.10.2005<br />

(BGBl. Teil I S. 3012) (Düngemittelgesetz – DüngeMG 1977).<br />

17. Bundesgesetzblatt 1986 Teil I S. 1505 neu gefasst durch Bek. vom 14.5.1998 (BGBl. Teil I S. 971,<br />

1527, 3512); zuletzt geändert durch Art. 2 § 3 Abs. 9 Nr. 2 des Gesetzes vom 1.9.2005 (BGBl. Teil I<br />

S. 2618) (Pflanzenschutzmittelgesetz – PflSchG).<br />

18. Bundesgesetzblatt 1988 Teil I S. 2209, zuletzt geändert am 18.8.1997 (BGBl. Teil I S. 2081, 2110)<br />

(Wertermittlungsverordnung – WertV).<br />

19. Bundesgesetzblatt 2001, S. 959, geändert durch Art. 263 der Verordnung vom 25. 11.2003 (BGBl. Teil<br />

I S. 2304) – Verordnung <strong>über</strong> die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung<br />

– TrinkwV 2001).<br />

20. Bundesgesetzblatt 2002 Teil I S 1193, zuletzt geändert durch Art. 40 des Gesetzes vom 21.06.2005<br />

(BGBl. Teil I S. 1818) (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG).<br />

21. Bundesgesetzblatt 2002 Teil I S.3245, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetztes vom 25 Juni 2005<br />

(BGBl. Teil I S. 1746) (Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts – WHG).<br />

22. Bundesgesetzblatt 2004 Teil I S. 2414, zuletzt geändert durch Art. 21 des Gesetztes vom 21.06.2005<br />

(BGBl. Teil I S. 1818) (Baugesetzbuch – BauGB).<br />

23. Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e. V., 2006 (Hrsg.): Richtlinien für Trinkwasserschutzgebiete<br />

– Teil 1: Schutzgebiete für Grundwasser, Arbeitsblatt W 101.<br />

24. doLL, h., 2001: Zur Entwicklung von Pacht- und Kaufpreisen für landwirtschaftliche Flächen in<br />

Ostdeutschland, März 2001, http://www.bal.fal.de/download/DO_09_2001.pdf (eingesehen am<br />

18.01.2005).<br />

25. –, 2002: Zur Entwicklung auf den landwirtschaftlichen Bodenmärkten in den neuen und alten Ländern,<br />

Februar 2002, http://www.smul.sachsen.de/de/wu/landwirtschaft/lfl/Veranstaltungen/bodenmarkt/<br />

download/EDoll.pdf (eingesehen am 18.01.2005).<br />

26. –; KLare, K., 2000: Private landwirtschaftliche Bodenfonds in Deutschland, September 2000, http://<br />

www.bal.fal.de/download/bodenfonds.pdf (eingesehen am 18.01.2005).<br />

27. drescher, K.; McnaMara, K., 2000: Bestimmungsfaktoren für Bodenpreise auf unterschiedlich regulierten<br />

Märkten: Ein Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Minnesota, Agrarwirtschaft,<br />

49, Heft 6, S. 234–243.<br />

28. feuerstein, h., 1971: Bodenmarkt und Bodenpreis: Bestimmungsgründe der Preise und des Transfers<br />

land- und forstwirtschaftlich genutzten Bodens: Eine ökonometrische Analyse des schleswig-holsteinischen<br />

Bodenmarktes von 1954 bis 1968, Agrarwirtschaft, SH. 44.<br />

29. GemBek, 1997: Gemeinsame Bekanntmachung der bayerischen Staatsministerien für Landesentwicklung<br />

und Umweltfragen und für Ernährung, <strong>Landwirtschaft</strong> und Forsten mit dem „Ausgleich für<br />

Landwirte und Waldbesitzer in Wasser- und Heilquellenschutzgebieten“, Allgemeines Amtsblatt Nr.<br />

15/1997, München.<br />

30. hoffMann, h; JändL, a.; huBer, M.; hausLaden, h.; BiederBecK, M. (2005): Wertänderung von<br />

Grundstücken in Wasserschutzgebieten, Überschwemmungsgebieten sowie Vorrang- und Vorbehaltsgebieten<br />

für die öffentliche Wasserversorgung und den Hochwasserabfluss und -rückhalt. Gutachten<br />

für das Bayerische Landesamt für Wasserwirtschaft im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums


Wertveränderung landwirtschaftlicher Grundstücke durch Wasserschutzgebietsausweisung<br />

121<br />

für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, http://wzw.tum.de/forschung/publikationen/index.<br />

php, TU München (eingesehen am 01.03.2006).<br />

31. heinzLMeir, a., 1983: <strong>Landwirtschaft</strong>licher Bodenmarkt und Bodenpreis: Ein Beitrag zur Klärung des<br />

Einflusses der Flurbereinigung, Dissertation, München.<br />

32. höper, h. a., 1985: Die Bestimmungsfaktoren des Bodenpreises, die Bodenpreisbildung und die Auswirkungen<br />

staatlicher Eingriffe gemäß Grundstücksverkehrsgesetz, Kiel.<br />

33. KarMann, h.,1988: Ökonometrische Bestimmung der Einflussgrößen auf Bodenpreis und Bodenmarkt<br />

landwirtschaftlich genutzter Flächen in der bayerischen Flurbereinigung, Dissertation, München.<br />

34. KLare, K.; peters, W., 1980: Entwicklung der Kaufpreise auf dem landwirtschaftlichen Bodenmarkt<br />

in der Bundesrepublik Deutschland, Landbauforschung Völkenrode, 30, Heft 2, S. 107-133.<br />

35. Knopp, g. M.; schröder, f., 2004: Wasserrecht, Bayerische Verwaltungsschule, Band 30, München.<br />

36. Köhne, M., 2000: <strong>Landwirtschaft</strong>liche Taxationslehre, 3. neu bearbeitete Auflage, Berlin/Wien.<br />

37. Mantau, r., 1974: Preisermittlung auf dem Bodenmarkt: Ein Beitrag zur statistischen Erfassung der<br />

Bodenpreise, Stuttgart.<br />

38. Meinhardt, p., 1991: Auswirkungen von Gewässerschutzauflagen auf die Ertrags- und Vermögenslage<br />

landwirtschaftlicher Betriebe, Schriftenreihe des Hauptverbandes der landwirtschaftlichen Buchstellen<br />

und Sachverständigen e. V., Heft 1333.<br />

39. neander, e., 1994: Bestimmungsgründe und Entwicklungen des Bodenmarktes, in: Agrarsoziale Gesellschaft<br />

e. V. (Hrsg.): Die Zukunft der landwirtschaftlichen Flächen – Nutzungen, Wertungen, Prognosen,<br />

Schriftenreihe für Ländliche Sozialfragen, Heft 118, S. 39–58, Göttingen.<br />

40. niendieKer, V., 1987: Der landwirtschaftliche Grundstücksmarkt: Eine ökonomische Analyse der jüngeren<br />

Preisentwicklung in den Bundesländern, Agrarwirtschaft, 36, Heft 11, S. 362–371.<br />

41. nositschKa, h., 1973: Ein Beitrag zur Erklärung der Preisbildung landwirtschaftlich genutzten Bodens,<br />

Dissertation, Bonn.<br />

42. pooK, W., 1971: Bodenpreise in der Land- und Forstwirtschaft, Stuttgart.<br />

43. schoLL, a., 2003: Die Befragung: Sozialwissenschaftliche Methode und kommunikationswissenschaftliche<br />

Anwendung, Konstanz.<br />

44. schrörs, M., 1990: Analyse und Prognose von Bodenpreisen mit Zeitreihenmodellen: Dargestellt am<br />

Beispiel des Marktes für landwirtschaftliche Grundstücke in Schleswig-Holstein, Kiel.<br />

45. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Fachserie 3 (Land- und Forstwirtschaft, Fischerei), Reihe 2.4, Jahrgänge<br />

1974 – 2004, Wiesbaden.<br />

46. Wentrup, c., 1978: Bestimmungsgründe für Bodenpreise: Ein Beitrag zur Klärung der Preisbildung<br />

und Wertermittlung auf dem land- und forstwirtschaftlichen Bodenmarkt, Stuttgart.<br />

Autorenanschrift: Dipl.-Betriebswirtin (FH) Martina Huber und apl. Prof. Dr. HelMut HoffMann,<br />

Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Landbaues der TU München, Alte Akademie<br />

14, 85350 Freising, Deutschland<br />

mhuber@wzw.tum.de<br />

hoffmann@wzw.tum.de<br />

Dr. HelMut Hausladen und Dipl.-Ing. agr. andreas Jändl, Ecozept, Oberer Graben<br />

22, 85350 Freising, Deutschland<br />

hausladen@ecozept.de<br />

jaendl@ecozept.de


122<br />

„Lebensraum Dorf“ – Methoden, Inhalte und Ergebnisse<br />

der Dorferneuerung<br />

Von Joachim Grube, Nienburg/Weser<br />

1 Einleitung<br />

Bevor der annähernd 1000-jährige „Lebensraum Dorf“ im Rahmen allgemeiner Globalisierungstendenzen<br />

in ländlichen Regionen auf- und unterzugehen droht, sei ihm nach<br />

<strong>über</strong> 20 Jahren Dorferneuerung die verdiente Aufmerksamkeit durch den Versuch einer<br />

Zustandsbeschreibung und Vorausschau auf seine mögliche Zukunft gewidmet.<br />

Die Idee und Geschichte der Dorferneuerung ist natürlich älter als die zurückliegenden<br />

22 Jahre, als die Dorferneuerungsförderung <strong>über</strong> die DE-Richtlinien in den einzelnen<br />

Bundesländern gestartet wurde.<br />

Im Nachhinein können wir die Bewegung als eine Reaktion auf die euphorischen<br />

1960er- und 70er-Jahre deuten, in denen <strong>über</strong> Flächensanierungen die historischen Stadtund<br />

Dorfstrukturen verloren zu gehen drohten.<br />

Lehrstuhlinhaber für Stadtsanierung und für ländliches Siedlungswesen von Braunschweig,<br />

Hannover, München, Stuttgart und Graz unterstützten mit ihren Assistenten eine<br />

Bewegung, die im politischen Raum zum StBauFG 1971, zum Europäischen Denkmalschutzjahr<br />

1975, zu den Denkmalschutzgesetzen der Länder, zur Novellierung des Flurbereinigungsgesetzes<br />

1976 und zu den Vorläufern der heutigen Dorferneuerung, dem ZIP<br />

(Zukunftsinvestitionsprogramm) 1978 – 1981 und in Niedersachsen zu den vorgestellten<br />

Modellvorhaben 1981 – 1983 führten. Im Jahre 1984 konnte <strong>über</strong> die Dorferneuerungsrichtlinie<br />

auf der Grundlage dieser Arbeiten der offizielle Start für die Dorferneuerung<br />

eingeleitet werden. Die Dorferneuerung wird also planerisch und organisatorisch von der<br />

personellen Besetzung her in der „3. Generation“ betreut:<br />

Nach den Lehrern und Kollegen, den Lehrstuhlinhabern der „1. Generation“, begleitet<br />

und später abgelöst von ihren Assistenten, den Lehrern und Büroinhabern der „2. Generation“,<br />

folgten die jüngeren Planerkollegen der jetzigen „3. Generation“, die in enger<br />

Zusammenarbeit mit den zuständigen Ministerien, den Fachbehörden, den Kommunen,<br />

den Bürgervertretern und den Fachleuten das umfassende Werk der Dorferneuerung nach<br />

den vergangenen 20 Jahre fortsetzen.<br />

Die Ergebnisse einer annähernd 3-jährigen umfassenden Untersuchung <strong>über</strong> die Dorfentwicklung<br />

liegen nunmehr in Buchform (4) vor. Natürlich ist das Dorf als Lebensraum<br />

ein viel komplexeres System, als es durch die den Schwerpunkt der Untersuchung bildende<br />

Dorferneuerung und deren Fördertatbestände allein abgebildet werden könnte.<br />

Obwohl die historische Definition von „Dorf“ als dem Standort der bäuerlichen Urproduzenten,<br />

die das ländliche Handwerk, den Pastor und den Dorfschullehrer sowie andere<br />

frühe soziokulturelle Dienstleistungen nach sich zogen, bei einem durchschnittlichen<br />

Verlust von 80 % der landwirtschaftlichen Betriebe in den Dörfern seit 1950 nicht mehr<br />

<strong>über</strong>all aufrecht erhalten werden kann, sind doch wesentliche Bestimmungsmerkmale erhalten<br />

geblieben. Das sind u. a.<br />

a)<br />

die <strong>über</strong>schaubaren Ortsgrößen zwischen 100 und 5000 Einwohnern in den etwa 4200<br />

Dörfern in Niedersachsen, die etwa 70 % Flächenanteile binden und in denen ca. 15 %<br />

der Bevölkerung leben,<br />

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9080/07/8501-122 $ 2.50/0


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

123<br />

b) dass kulturelle Erbe der Haus-, Hof-, Landschafts- und Siedlungsformen und vor<br />

allem,<br />

c) die untrennbare Einheit von Ort und Flur, die selbst dort erhalten geblieben ist, wo es<br />

keinen eigenständigen Betrieb im Dorf mehr gibt und wo sämtliche landwirtschaftlichen<br />

Nutzflächen an Landwirte außerhalb der eigenen Gemarkung verpachtet sind,<br />

wo aber die „ruhenden Hofstellen“ weiterhin in der Höferolle verblieben sind und<br />

schließlich,<br />

d)<br />

die <strong>über</strong>lieferten Rituale des Gemeinschaftslebens, in denen die historische Dorfgemeinschaft<br />

weiterlebt.<br />

Neben diesen wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen zur Stadt, dem Standort eines<br />

„Marktes“ und zugleich Ort des Waren- und Informationsaustausches mit eher unverbindlicher<br />

Kommunikation, sind auch <strong>über</strong>lieferte soziale Kontrolle, verbindliche Kontaktformen<br />

zwischen den Bewohnern und tradierte Formen von Feiern und Festen sowie<br />

Formen der Nachbarschaftshilfe als prägende Bestimmungselemente neben anderen dorftypischen<br />

Merkmalen erhalten geblieben.<br />

Um in die Komplexität dieses Lebensraumes, der bisher <strong>über</strong>wiegend nur in historischen<br />

Einzelbiografien, in fachspezifischen Analysen und in behördlichen Statistikberichten<br />

aufgearbeitet wurde, näher einzudringen, bedurfte es einer ganzheitlichen Nachbetrachtung,<br />

die – ausgehend von einer sektoralen Betrachtung von Einzelaspekten – die<br />

Bruchstücke am Ende wieder zu einem Bild zusammenfügen muss, nach dem Motto: „Das<br />

Ganze ist mehr als die Summe der Teile“.<br />

Den angesprochenen Merkmalen des historischen Dorfes steht trotz der aufgezählten<br />

dorfspezifischen Restmerkmale die Realität einer neuen ländlichen Siedlung mit hohem<br />

Pendler- und Zuwandereranteil gegen<strong>über</strong>, in der der Traum vom Einfamilienhaus als<br />

selbstbestimmtem Rückzugsort verhältnismäßig leicht realisiert werden kann, wo der<br />

Wechsel einer ehemals sesshaften Produktionsgemeinschaft zu einer nomadisierenden<br />

Konsum- und Freizeitgesellschaft inzwischen un<strong>über</strong>sehbare Spuren im sozialen und materiellen<br />

Umfeld hinterlassen hat.<br />

Um sowohl diese Spuren der Veränderungen als auch die seit <strong>über</strong> 20 Jahren erfolgten<br />

un<strong>über</strong>sehbaren Beiträge hin zur Erhaltung und Sicherung in den Dörfern aufnehmen<br />

und zur Darstellung bringen zu können, bedarf es neben dem erfahrenen Umgang mit<br />

der Mentalität der Dörfer und ihrer Bewohner eines verhältnismäßig hohen methodischen<br />

Aufwandes.<br />

2 Methodik und Vorgehen<br />

Ziel der Untersuchung war es, an 40 ausgewählten Fallstudien der Dorferneuerung – 32<br />

aus Niedersachsen und 8 aus Sachsen-Anhalt – die Nachwirkungen der Dorferneuerung<br />

<strong>über</strong> zwei aufeinander folgende Zeiträume – dem Zeitraum der eigentlichen Planungs- und<br />

Durchführungsphase der Dorferneuerung und dem der darauf folgenden Jahre bis 2004/05<br />

aufzuspüren.<br />

Durch die Verteilung der in der Osthälfte Niedersachsens liegenden Einzelorte von<br />

der Elbe bis zum Südharz ergab sich eine Art Nord-Süd-Profilschnitt durch <strong>über</strong>wiegend<br />

strukturschwache Regionen, wobei einzelne Dörfer aufgrund ihrer Standortkonzentrationen<br />

zu Dorfregionen zusammengefasst werden konnten.<br />

Entsprechend des verfolgten ganzheitlichen Arbeitsansatzes in der Dorferneuerungsarbeit<br />

war es nur konsequent, neben den materiellen Veränderungen – <strong>über</strong>wiegend durch<br />

umgesetzte Flurbereinigungs- und Dorferneuerungsmaßnahmen bewirkt – auch die immateriellen<br />

soziokulturellen Einflussgrößen in die Untersuchung einzubeziehen.<br />

Gemäß der Zielsetzung der Dorferneuerung nach einer umfassenden Bürgerbeteiligung,<br />

wurden sämtliche ehemaligen Beteiligten mittels acht getrennten Fragebogenaktionen


124 Joachim Grube<br />

(zwei kommunalen Befragungen, zwei Bürgerbefragungen, zwei Expertenbefragungen,<br />

eine Ämterbefragung und eine Befragung unter den zuständigen <strong>Landwirtschaft</strong>skammern)<br />

in die Untersuchung einbezogen, um Auskunft <strong>über</strong> die erfolgten Änderungen und<br />

Entwicklungen zu erhalten.<br />

Insgesamt annähernd 1300 Bürger haben bei dieser Befragung u. a. ihre Ansichten zu<br />

den vermuteten Auswirkungen der Dorferneuerung auf die Zukunft ihrer Dörfer mitgeteilt,<br />

sowie auch Auskünfte <strong>über</strong> ehrenamtliche Aktivitäten, Nachbarschaftskontakte und<br />

Konsumverhalten gegeben.<br />

Das ausgewertete Material der materiellen Wertzuwächse aus der Dorferneuerung in<br />

der Zeit vom Abschluss der Dorferneuerung bis heute, bot dann, unter Einbindung der<br />

„weichen“ Faktoren des sozialen Lebensraumes Dorf, die Basis für den Versuch einer<br />

abschließenden Evaluierung und einer Bewertung der aktuellen Lebensqualität in den<br />

untersuchten Dörfern.<br />

3 Inhalte der Untersuchung<br />

Die folgenden Stichworte geben zugleich auch die behandelten Schwerpunkte des Buches<br />

„Lebensraum Dorf“ wider:<br />

● <strong>Landwirtschaft</strong>,<br />

– außerlandwirtschaftliche Tätigkeitsfelder,<br />

– Landschaftsplanung und Dorfökologie,<br />

● Verkehr, Grundversorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen,<br />

● siedlungs- und hochbauliche Gestaltung mit den Teilaspekten<br />

– Umnutzung,<br />

– Dorfmitten,<br />

– neue Wohnbaugebiete und altersspezifische Wohnformen,<br />

– soziales Umfeld im Dorf,<br />

– Bevölkerungsentwicklung und<br />

– alternative Energien.<br />

Die ebenfalls in der Untersuchung abgehandelten Themen<br />

● methodische Planungsansätze, Entwicklung und Ablaufphasen der Dorferneuerung,<br />

● Förderrichtlinien,<br />

● Finanzierung sowie<br />

●<br />

Landschafts-, Siedlungs-, Haus- und Hofformen<br />

müssen wegen der gebotenen Konzentration hier ausgeklammert werden.<br />

4 <strong>Landwirtschaft</strong><br />

Beginnen wir mit der brisantesten, die Zukunft der Dörfer besonders prägenden, Fragestellung:<br />

Besitzen die Reste landwirtschaftlicher Betriebe in Zukunft noch eine Standortsicherheit<br />

im gewachsenen Ortskern?<br />

In der Bundesrepublik hat bekanntlich seit 1950 nur etwa ein Fünftel der Höfe <strong>über</strong>lebt.<br />

Das Höfesterben in den Dörfern Westeuropas, Deutschlands und Niedersachsens, wo<br />

sich im Zeitraum von 14 Jahren – etwa zeitgleich mit der Dorferneuerungsphase von 1987<br />

bis 2001 – die Zahl der Betriebe um 50 % von 120 000 auf etwa 60 000 verringert hat, ist<br />

ein fast lautloser, kaum vom Widerstand der Gesellschaft – mit Ausnahme der landwirtschaftlichen<br />

Berufsvertretungen – begleiteter Prozess.


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

125<br />

Es sei daran erinnert, dass der Verlust der ursprünglich in der <strong>Landwirtschaft</strong> und<br />

im zugeordneten dörflichen Handwerk gebundenen Arbeitsplätze neben den ebenfalls<br />

verlustigen industriellen, gewerblichen Arbeitsplätzen in den Industrieregionen, zu dem<br />

aktuellen gesellschaftspolitischen Problem Nr. 1 in Deutschland, der Arbeitslosigkeit,<br />

wesentlich beigetragen hat, ohne dass die genannten Berufsgruppen diese Entwicklung<br />

beeinflussen oder gar behindern konnten.<br />

Die Tatsache, dass 2005 <strong>über</strong> die Hälfte der bundesweit noch etwa 396 000 existierenden<br />

Betriebe (4) als sog. Nebenerwerbsbetriebe nur zwischen 2 und 20 ha landwirtschaftlicher<br />

Nutzfläche bearbeiten, verweist auf den drohenden weiteren Verlust bäuerlicher<br />

Betriebe in den Dorfkernen.<br />

Das parallel zu diesem Exodus gesteigerte Leistungsvermögen der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

dank Agrarchemie und Landtechnik sei in keinster Weise geschmälert oder in Zweifel<br />

gezogen, obwohl gerade durch die technologische Entwicklung erhebliche ökologische,<br />

verkehrliche und gestalterische Probleme nicht nur in den Dörfern ausgelöst wurden.<br />

<strong>Landwirtschaft</strong>liche Betriebe die, aus welchen Gründen auch immer, aus der Höferolle<br />

gestrichen werden, fallen in den strukturschwachen Regionen als teilweise schwer vermittelbare<br />

Immobilie dann zur Last, wenn nicht eine nachwachsende Generation ausgebildeter<br />

junger Landwirte – ohne eigene „Erbhofstelle“ – diese Leerstände <strong>über</strong>nehmen und<br />

in dorfgemäßer Größe und mit verträglicher Nutzung in den Dorfkernen fortführen will.<br />

Die Antworten der befragten Gemeindeverwaltungen und der Dorfbewohner zu den<br />

Auswirkungen der Dorferneuerungsförderung auf die Sicherung und Entwicklung der<br />

landwirtschaftlichen Betriebe war jedoch mehr als ernüchternd – lediglich 16 % der Kommunen<br />

und 9 % der befragten Bürger sahen hier positive Rückwirkungen.<br />

Noch bedrückender erscheint die Aussage von 87 % der niedersächsischen und 80 %<br />

der sachsen-anhaltinischen Kommunen, wonach der Rückzug der landwirtschaftlichen<br />

Betriebe „keinen besonderen Einfluss auf das soziokulturelle Dorfleben“ hatte.<br />

Andererseits wurde von den befragten Gemeinden aber auch die Bereitschaft bekundet,<br />

die Landwirte bei Produktionsalternativen und Marktnischen zu unterstützen. Das<br />

erscheint bei der ermittelten alternativen Angebotspalette in den Untersuchungsdörfern<br />

auch sinnvoll, denn<br />

● Übernachtungsangebote, Hofcafés und ein Katzenhotel halten bisher nur 6 Betriebe in<br />

den 32 untersuchten niedersächsischen Dörfern vor,<br />

●<br />

lediglich 3 Betriebe betreiben bisher biologischen Anbau und etwa 6 bis 8 Großbetriebe<br />

(darunter einer der größten Deutschlands) füllen <strong>über</strong> die Spezialisierung und<br />

Vermarktung im Spargel-, Gemüse- und Obstanbau oder mittels eine Straußenfarm,<br />

eine Heidschnuckenfarm und eine Landschafts-Pflegeunternehmen wichtige Produktnischen<br />

aus.<br />

Es bleibt die Frage, ob die drei grundsätzlichen Entwicklungsalternativen für landwirtschaftliche<br />

Betriebe – die Spezialisierung, die Betriebsaufstockung oder die ökologische<br />

oder touristische Produktionsausrichtung – noch an den Standort Dorf in Zukunft gebunden<br />

sind?<br />

Die existenzielle Sicherung der landwirtschaftenden Betriebe ist – in welcher Form<br />

auch immer – sowohl <strong>über</strong> die festgelegten Direktzahlungen in der ersten Säule der Agrarpolitik<br />

als auch in den beiden aktuellen Förderprogrammen, dem Agrarinvestitionsprogramm<br />

und den neuen ZILE-Richtlinien (seit Mai 2005) als grundsätzliches politisches<br />

Ziel erkennbar – allerdings mit nicht unerheblichen Auflagen.<br />

Das Überleben der bäuerlichen Familienbetriebe durch eine Standortbindung der Hofstellen<br />

an den gewachsenen Ortskern, dem sog. „Innenbereich“ des § 34 des Baugesetzbuches,<br />

rechtlich gesichert durch das Signum „Dorfgebiet“ in der Baunutzungsverordnung<br />

(BauNVO), erscheint kaum durch spezifische Fördertatbestände, Richtlinien oder Auflagen<br />

geschützt, wenn einmal vom Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz abgesehen


126 Joachim Grube<br />

Abb. 1. Abnahme landwirtschaftlicher Betriebe in den untersuchten Landkreisen Niedersachsens<br />

von 1949 – 2003<br />

wird, das aber mehr die Hülle als die Inhalte meint. Um Letztere muss es aber gehen,<br />

wenn wir den „Lebensraum Dorf“ als fortgeführte sozioökonomische Einheit betrachten<br />

wollen.<br />

Die Erweiterung des durch die Dorferneuerung geförderten landwirtschaftlichen Produktionsspektrums<br />

<strong>über</strong> Direktvermarktung, Urlaub auf dem Bauernhof, Champignonzucht,<br />

Schafhaltung oder Energiewirtschaft weist allerdings auf zukünftige Möglichkeiten<br />

der sozialverträglichen und ökonomischen Standortsicherung in den angestammten Ortslagen<br />

hin – ein bescheidener Hoffnungsschimmer!<br />

5 Außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze im Dorf<br />

Wichtigste Bestimmungsgröße für dörfliche Perspektiven ist neben der Einwohnerzahl<br />

die Zahl der Arbeitsplätze und Beschäftigen. Weder <strong>über</strong> die Statistik der „sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigen“ seit 1989 noch <strong>über</strong> die kommunale Fragebogenaktion<br />

konnten vollständige und verwertbare Daten auf der Ortsebene zur Verfügung gestellt<br />

werden. Nur <strong>über</strong> die Art und Anzahl der Arbeitgeber im Ort sowie <strong>über</strong> den Pendleranteil<br />

war eine ungefähre Aussage möglich.<br />

Danach wurden im Durchschnitt der untersuchten Dörfer mit mehr als 500 Einwohnern<br />

ca. 6 Unternehmen pro Dorf gezählt.<br />

Von den Handwerksbetrieben sind lediglich Dachdeckerbetriebe, die bisher am intensivsten<br />

von den Dorferneuerungsmaßnahmen profitierten, auch noch in der Ortsgrößenklasse<br />

unter 500 Einwohnern vertreten.


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

127<br />

In 90 % der Fallstudiendörfer ist die Anzahl der Auspendler eindeutig größer als die<br />

der Einpendler. Die ausgewiesenen Gewerbeflächen werden, wenn <strong>über</strong>haupt, zunehmend<br />

durch Dienstleister mit erheblichem Flächenanspruch (Speditions-, Fahr- oder Busunternehmen)<br />

in Anspruch genommen. Die ursprüngliche kommunale Entscheidungspraxis für<br />

die kontinuierliche Ausweisung von mehr Wohnbau- und Gewerbegebieten als Vorraussetzung<br />

für Wachstum ist offensichtlich neuer Einsicht gewichen.<br />

Lediglich 13 % der untersuchten Gemeinden planen noch Gewerbegebietsausweisungen.<br />

Selbst optimal erschlossene und <strong>über</strong>regional angebotene dörfliche Gewerbegebiete<br />

mit geländeebenem, großzügigem Flächenangebot können so, trotz intensiver Werbung,<br />

Jahre ungenutzt bleiben. Allerdings liegen aus der Untersuchung Beispiele vor, die<br />

belegen, dass sich Geduld aller Beteiligten im ländlichen Raum auch heute noch auszahlt.<br />

So wird ein seit Jahren brach liegendes Gewerbegebiet in einem flurbereinigten und<br />

dorferneuerten Ort des Landkreises Nienburg ab 2007 zwei neue Unternehmen, die immerhin<br />

22 Arbeitsplätze schaffen, aufnehmen.<br />

Ein besonderes Problem geht dagegen von gewerblichen Monostrukturen aus. Durch<br />

Verkleinerung oder Verlagerung des Standortes kann – wie in einem Dorf im Südharz<br />

(Landkreis Osterode) geschehen– annähernd die gesamte arbeitende Bevölkerung vom<br />

plötzlichen Verlust des Arbeitsplatzes betroffen sein.<br />

6 Dorftourismus<br />

Ob „sanfter“ Dorftourismus als Gegenpol zu dem boomenden „harten“ Städtetourismus<br />

neue Aufgabenstellungen und damit Arbeitsplätze in den ländlichen Regionen zu schaffen<br />

vermag, hängt neben dem Angebot letztlich von den Wünschen und dem Freizeitverhalten<br />

der Gäste ab.<br />

Den hohen Erwartungen an die modische Wellness-, Sport- und Aktivurlaubsbranche<br />

wurde bereits ein Dämpfer versetzt. Eine Umfrage ergab: „Die Deutschen wollen sich im<br />

Urlaub nicht anstrengen“.<br />

Der zunehmende Fahrradtourismus erscheint dagegen als eine die Regel bestätigende<br />

besondere Ausnahme.<br />

Er gehört zu dem sich auch im ländlichen Raum ausbreitenden Formen des Event-, Aktiv-<br />

und Gruppentourismus mit mehrmaligem Urlaub, bei verkürzter Aufenthaltsdauer.<br />

Die Befragung unter den Kommunen zeigt, dass in 41 % der Dörfer touristische Aktivitäten<br />

unterschiedlicher Art und Intensität stattfinden. Die im Rahmen der Dorferneuerung<br />

intensiv geförderten Rad- und Wanderwege, Radlerunterkünfte und Reiterangebote<br />

gehören in letzter Zeit neben dem Bau von Hofcafés, Freilichtmuseen, „Kartoffelhotels“<br />

und soziokulturellen Einrichtungen zu den wichtigsten Beiträgen für eine touristische Entwicklung<br />

im ländlichen Raum.<br />

Aber reichen Einzelangebote und -einrichtungen als Grundlage für Arbeitsplatzentwicklung<br />

und langfristig ökonomische Wertschöpfung aus?<br />

Anhand von 14 gewichteten Eignungskriterien wurden sämtliche Fallstudiendörfer<br />

auf ihre Eignung für einen nachhaltigen dorfgemäßen sanften Tourismus <strong>über</strong>prüft (siehe<br />

Übersicht 1).<br />

Das Ergebnis war aufschlussreich. Neben einem bundesweit bekannten, durchgesetzten<br />

Fremdenverkehrsort, einem allseits bekannten Rundlingsdorf (Lübeln im Wendland),<br />

das bereits seit 1971 aus Mitteln aus der Städtebauförderung saniert werden konnte, wiesen<br />

noch 4 Dörfer eine „<strong>über</strong>durchschnittliche Eignung“ und 8 Dörfer eine „ausbaubare<br />

Eignung“ auf.


128 Joachim Grube<br />

In der Untersuchung konnte nachgewiesen werden, dass eine pauschalisierte Aufforderung<br />

der Dorfbewohner zum Ausbau des Fremdenverkehrs als wirtschaftlichem Standbein<br />

ohne eine dezidierte Eignungsprüfung nicht sinnvoll ist. Dar<strong>über</strong> hinaus sprechen<br />

zahlreiche Gründe für eine Einbindung orts- und regionsspezifischer Freizeitangebote und<br />

-aktivitäten in eine regionale Tourismus-Organisation.<br />

Übersicht 1. Eignungskriterien für einen dorfgemäßen sanften Tourismus<br />

1) Landschaftlich ausgeprägte „Extrem“- Lage (Wasser-, Berg-, Heidenähe) mit hohem „Vielfältigkeitswert“<br />

2) Erlebnisreiche Siedlungsform und gepflegtes Ortsbild mit starkem historischen Ambiente<br />

3) Ausgeprägte denkmalwerte Einzelqualitäten von Siedlungsteilen und Gebäuden<br />

4) Bewusst geschützte Restbestände einer vielseitigen, möglichst biologisch / bio- dynamisch<br />

ausgerichteten <strong>Landwirtschaft</strong> mit Selbstvermarktung / Reitplatzangebot, Streichelzoo u. a.<br />

5) Vielseitiges Betten-/ Übernachtungsangebot, in dem sowohl „Ferien auf dem Bauernhof“, als<br />

auch „Ferienappartements“ nicht fehlen dürfen, ebenso Radler- oder Heuhotel<br />

6) Originelle, ortsbezogene Gastronomie; regionsspezifische Speisekarte<br />

7) Attraktives Freizeit- und Aktivitätenangebot (Sport-, Wander-, Reit- und Radwanderangebote),<br />

insbesondere für Familien mit Kindern, Senioren und Individualisten<br />

8) Gute Erreichbarkeit mit ÖPNV und <strong>über</strong> das Straßennetz<br />

9) Vermeidung jeglichen Durchgangsverkehrs, insbesondere von LKW und Bussen (emissionsfreies<br />

Umfeld)<br />

10) Umfassendes attraktives Wander-, Fahrrad-, Reitwegenetz; Fahrradverleih<br />

11) Bereitschaft der Bewohner und der Kommune zur Aufnahme von Gästen<br />

12) Angebot an sozialen, kulturellen, orts- und regionstypischen Festen und Feiern (siehe „Veranstaltungen“<br />

/ Kulturtourismus)<br />

13) Bekanntheitsgrad / Medienpräsenz / Werbematerial und regional organisierte touristische<br />

Vermarktungsstruktur<br />

14) Touristische Highlights / besondere DE- Maßnahmen<br />

BEWERTUNG: maximal zu erreichende Punktzahl pro Kriterium: 2 Punkte<br />

2 Punkte = vollständig erfüllt;<br />

1,5 Punkte = weitgehend erfüllt;<br />

1 Punkt = ansatzweise erfüllt;<br />

0,5 Punkte = gering erfüllt;<br />

0 Punkte = nicht erfüllt<br />

7 Das bauliche Umfeld<br />

Die Gestaltung des baulichen Umfeldes der Dorfkerne ist nicht nur Pflichtprogramm, sondern<br />

vielmehr „Kür“ für jeden Ortsplaner, der eine Dorferneuerung zu betreuen hat. Einer<br />

gestalteten Umwelt gehörte immer schon die Aufmerksamkeit aller – eine ungestaltete<br />

wird nach einem alten Slogan der Autowerbung „Hässlichkeit verkauft sich schlecht“ von<br />

den Bewohnern abgelehnt.<br />

Es <strong>über</strong>rascht daher kaum, dass im Urteil der befragten Kommunen, Bewohner und der<br />

Ämter die Dorferneuerung die positivste Auswirkung auf das Erscheinungsbild der Dörfer<br />

hatte – und das sowohl in Niedersachsen als auch in Sachsen-Anhalt.<br />

Der Dorferneuerungsplan wird daher auch 10 Jahre nach Abschluss der Durchführungsmaßnahmen<br />

von den Gemeinden mehrheitlich noch als Grundlage für die zukünftige<br />

Dorfgestaltung angesehen.


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

129<br />

Diese positive Bewertung bezieht sich jedoch nur auf die Ortskerne, keineswegs auf<br />

die zahlreichen Neubaugebiete an den Ortsrändern und auf die Mehrzahl der Neubauten in<br />

den Baulücken, auf deren Gestaltung der DE-Plan kaum oder nur in bescheidenem Maße<br />

Einfluss nehmen konnte.<br />

Nur in wenigen Beispielen ist daher eine siedlungsgenetische, aus der <strong>über</strong>lieferten<br />

Siedlungsstruktur abgeleitete, Architektursprache in den Untersuchungsdörfern zu finden.<br />

Aus Sicht der befragten Gemeinden sind <strong>über</strong> ein Drittel (38 %) der Flächennutzungspläne<br />

<strong>über</strong>holt und die Dorferneuerungspläne sogar zur Hälfte korrekturbedürftig, weil sie<br />

mit den bauleitplanerischen Zielen nicht mehr deckungsgleich sind – wobei offen bleibt,<br />

ob sich die DE-Pläne den Bauleitplänen anpassen sollten oder umgekehrt.<br />

Unabhängig von der in den Regionalen Raumordnungsprogrammen allgemein geforderten<br />

„Vermeidung von Zersiedlungen und Flächenverbrauch“ sind trotz eines nachweislichen<br />

Rückgangs von Neuausweisungen von Bauland in Niedersachsen (Landestreuhandstelle<br />

Niedersachsen 2004) die Dichtewerte seit 1992 von 19 auf 15 Wohneinheiten (WE)<br />

pro Hektar gefallen, d. h. der Flächenverbrauch pro WE hat weiterhin zugenommen.<br />

Während 41 % der befragten niedersächsischen Kommunen weitere Baugebietsausweisungen<br />

beabsichtigten, wird ein solcher Wunsch von kommunaler Seite in Sachsen-<br />

Anhalt nicht geäußert.<br />

Die Chancen für eine in Zukunft qualitätvollere, z. B. siedlungsgenetische Bauleitplanung,<br />

werden von <strong>über</strong> 80 % der befragten niedersächsischen Gemeinden resignierend als<br />

„gering“ bzw. „nicht vorhanden“ eingeschätzt.<br />

Das verfügbare Angebot an innerdörflichen Ausbaumöglichkeiten <strong>über</strong> Baulücken und<br />

leer gefallene Altbausubstanz – beträgt, wie in niedersächsischen Fallstudien nachgewiesen<br />

wurde, durchschnittlich annähernd 10 % der vorhandenen WE. Allein die Baulücken<br />

erreichen einen Wert von ca. 20 % des ausgewiesenen Baulandes – ein Angebot, das seit<br />

Abschluss der Dorferneuerung weiterhin als praktisch ungenutztes Potenzial in den Dörfern<br />

verfügbar ist.<br />

Von den befragten Bewohnern wurden folgende Wünsche zur baulichen Entwicklung<br />

geäußert: 47% sprachen sich für neue Wohnbaugebiete, 28% für Gewerbe- und 22% für<br />

neue Freizeitgebiete aus. Diese Wünsche entsprechen jedoch kaum dem kommunalen Bedarf<br />

und wirken daher eher als wirklichkeitsfremde Reaktion auf die reale Situation in<br />

den Dörfern.<br />

Die zuständigen Ämter für Landentwicklung gehen von <strong>über</strong>wiegend positiven Auswirkungen<br />

der Dorferneuerung auf die siedlungsbauliche Gesamtentwicklung aus – was,<br />

wie ausgeführt, für die Ortskernlagen auch bestätigt werden kann.<br />

Aufschlussreich ist eine Reaktion der niedersächsischen Landesregierung auf die jährlich<br />

vom Niedersächsischen Heimatbund (NHB) herausgegebene kritische „Rote Mappe“,<br />

wo es in der Ausgabe von 2004 in der vom NHB angesprochenen Problematik zur „Zersiedlung<br />

im Umfeld in der Entgegnung der Landesregierung in der sog. Weißen Mappe<br />

u. a. heißt:<br />

„Das angesprochene Problem ist der Landesregierung bekannt. Ursachen sind der<br />

Strukturwandel in der <strong>Landwirtschaft</strong> einerseits und der Drang der Städter ins Dorf mit<br />

seiner vermeintlichen Idylle andererseits. Die staatlichen Behörden können die prognostizierten<br />

(negativen) Entwicklungen abfedern, nicht aber aufhalten oder umsteuern.<br />

Die Dorferneuerungsplanung kann auch die Grenzen des örtlichen Siedlungswachstums<br />

bzw. seine Richtung aufzeigen. Gleichwohl wird ein Strukturwandel des freien<br />

Marktes stattfinden.“<br />

Dem DE-Plan kommt als Steuerungsinstrument und als Ausgleich für eine fehlende<br />

kommunale Entwicklungsplanung, eine besondere Bedeutung zu, die weit <strong>über</strong> die Funktion<br />

eines „Fördermittelerfüllungsplanes“ hinausgeht.


130 Joachim Grube<br />

Der mit der Dorferneuerungsförderung und -planung aufs engste verbundene Gestaltungsauftrag<br />

ist in unterschiedlicher Intensität von den Kommunen und Bürgern umgesetzt<br />

worden. Etwa die Hälfte der untersuchten niedersächsischen Dörfer weisen positive Beiträge<br />

zur Ortskernsanierung, zur Dorfmittengestaltung und zur Umnutzung leer gefallener<br />

Altbausubstanz auf.<br />

8 Umnutzung historischer Hofstellen<br />

Insbesondere dem Bemühen um neue Ortsmitten – als unverwechselbare Orte der Orientierung<br />

und Identifikation – war in den Fallstudiendörfern mit <strong>über</strong> 50 % neuer Ortsmittelpunkte<br />

ein ungewöhnlicher Erfolg beschieden. In der Mehrzahl wurde auf die historischen<br />

kirchlichen oder schulischen Standorte zurückgegriffen.<br />

Es stellt sich freilich vermehrt die Frage nach der angemessenen Akzeptanz der schönen<br />

neuen Plätze und nach ihrer Pflege – Aufgaben, die einer verantwortungsbewussten<br />

Dorfgemeinschaft in Zukunft durchaus zugemutet werden können.<br />

Mit dem offensichtlich unaufhaltsamen Ausscheiden von 2,5 – 3 % der landwirtschaftlichen<br />

Betriebe pro Jahr ist die Sicherung der leer fallenden Hofstellen zu einem Kernproblem<br />

der Dorferneuerung geworden.<br />

Die Komplexität dieser Kernaufgabenstellung „Umnutzung“ wird deutlich, wenn<br />

man neben den unterschiedlichen Standorten von Altbauten und den damit zusammenhängenden<br />

Anforderungen und Auflagen (§ 30 BauGB, § 34 BauGB, § 35 BauGB), die<br />

verschiedenen Arten von Altgebäuden, die schwierige Restwertbestimmung <strong>über</strong> das Wertermittlungsverfahren,<br />

die verschiedenen Fördertatbestände und Finanzierungsmodelle<br />

und nicht zuletzt die gestalterischen, funktionalen, konstruktiven und denkmalrechtlichen<br />

sowie versicherungstechnischen Anforderungen und Probleme einbezieht.<br />

Die Fallstudienanalyse ergab, dass von den ca. 200 umgenutzten und <strong>über</strong> 1000 modernisierten<br />

Haupt- und Nebengebäuden rd. zwei Drittel der Maßnahmen in nur sechs<br />

der 32 Fallstudiendörfer Niedersachsens durchgeführt wurden. Das bedeutet, dass in der<br />

Mehrzahl der untersuchten Kommunen weiterhin ein großer Leerstand besteht und hier<br />

auch künftig beachtliche Umbauaufgaben anfallen werden.<br />

Die vergleichsweise noch viel höhere Problemdichte in den Dörfern der neuen Bundesländer<br />

ergibt sich aus der Tatsache, dass zusätzlich zu den modernisierungsbedürftigen<br />

ehemaligen LPG- und VEG-Anlagen an den Ortsrändern, die gesamte, einem Reparaturstau<br />

von 45 Jahren ausgesetzte dörfliche Altbausubstanz der Dorfkerne dazukommt – und<br />

dass bei immer noch fehlenden tragfähigen strukturellen Zukunftsperspektiven.<br />

Das bauliche Umfeld wird neben der zunehmenden Zahl von Einfamilienhäusern vermehrt<br />

auch durch alterspezifische Wohnformen geprägt, die als Folge der demografischen<br />

Entwicklung, der Standortvorteile ländlicher Regionen und des sich auflösenden Mehrgenerationenwohnens<br />

weiter zunehmen werden.<br />

In <strong>über</strong> 40 % der untersuchten Dörfer, besonders in den durch negative Bevölkerungsdaten<br />

betroffenen, befinden sich bereits Alters-, Altenpflege- und Seniorenheime, in denen<br />

die Betreuung meistens durch Fachkräfte aus der Region <strong>über</strong>nommen wird, wodurch<br />

– wenn auch in bescheidenem Umfang – neue Arbeitsplätze geschaffen werden.<br />

9 Verkehrsflächen<br />

Da der Boden als dritter Produktionsfaktor – neben Arbeit und Kapital – bekanntlich nicht<br />

vermehrbar ist, kann sich die Verkehrsfläche zusammen mit dem baulichen Flächenbedarf<br />

nur aus der Inanspruchnahme privater Grün- und landwirtschaftlicher Nutzflächen in einer


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

131<br />

Größenordnung von etwa 120 ha/Tag „entwickeln“, die täglich in Deutschland als landwirtschaftliche<br />

Nutzfläche verloren gehen.<br />

Von dieser „Entwicklung“ profitieren vor allem die Ballungszentren, während die Lebensqualität<br />

der Dörfer nachweislich eher negativ betroffen ist.<br />

69 % der niedersächsischen und 100 % der sachsen-anhaltinischen befragten Gemeinden<br />

stellen auch 12 bis 15 Jahre nach Abschluss der Dorferneuerung Belastungen aus<br />

dem Durchgangsverkehr fest. Besonders die an Bundes- und Landesstraßen liegenden<br />

Dörfer der Nienburger Wesermarsch, des Südharzes und der Deister-Region sind von der<br />

Zunahme des Durchgangsverkehrs betroffen.<br />

Besonders der Einsatz von landwirtschaftlichen Großgeräten mit extrem gestiegenen<br />

PS-Zahlen, Achsabständen, Reifenbreiten und Lärmemissionen, der zeitgleich in den 20<br />

Jahren der Dorferneuerungsförderung stattfand, belastete das innerörtliche Straßennetz<br />

zusätzlich.<br />

In Verbindung mit der vor allem an den Wochenenden ausgelebten Pkw-Mobilität aller<br />

Altersgruppen und -schichten hat sich auch das Gefahrenpotenzial insbesondere für die<br />

schwächeren sozialen Gruppen exponentiell und parallel zur zunehmenden Verkehrsdichte<br />

verstärkt. Die Folgen sind ein Wertverlust straßennaher Immobilien, die Verschärfung<br />

bestehender sozialer Trennwirkungen und die durch Lärm- und Schadstoffemissionen eingeschränkte<br />

Lebensqualität.<br />

Dank der Dorferneuerungsmaßnahmen und der damit verbundenen Sanierung des innerörtlichen<br />

Straßennetzes konnten die innerörtlichen Belastungs- und Gefahrenpunkte in<br />

<strong>über</strong> zwei Drittel der befragten Dorfgemeinden abgebaut werden.<br />

Für einzelne, bereits seit Jahren aus der Dorferneuerung ausgeschiedene Dörfer, ist<br />

deshalb die nachträgliche Durchführung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen ein unabdingbares<br />

Erfordernis.<br />

Kommunen, in denen durch eine vorausschauende Planungspolitik in der richtigen<br />

Abfolge von vorerst umgesetzten Flurbereinigungsmaßnahmen mit einer entsprechenden<br />

Ortsumgehung die entscheidende Basis für eine Neugestaltung des innerörtliche Straßennetzes<br />

geschaffen werden konnte, haben dagegen auch eine erfolgreiche innerörtliche<br />

Kernsanierung schaffen können.<br />

Einzelne Fallstudiendörfer belegen den positiven Einfluss und die Initialwirkung die<br />

von den im Rahmen der Dorferneuerung geschaffenen innerörtlichen Straßensanierungen<br />

auf die Sanierungsbereitschaft privater Bauherren üblicherweise ausgehen kann. Insbesondere<br />

das im Rahmen der Dorferneuerungsförderung geschaffene Netz neuer Rad- und<br />

Fußwegeverbindungen kann als wichtige Voraussetzung für den Ausbau der touristischen<br />

Infrastruktur und als Basis für eine erhöhte Lebensqualität gelten.<br />

Dennoch ist kritisch anzumerken, dass die Dörfer in den vergangenen Jahren nicht nur<br />

wegen der Zunahme der Durchgangs-, Berufs- und Freizeitverkehre in den Ortschaften<br />

einen hohen gesellschaftlichen Preis für die gesteigerte gesellschaftliche Mobilität, sondern<br />

auch wegen der absolut gegenläufigen Entwicklung des ÖPNV und hier insbesondere<br />

wegen des Verlusts der Bahntrassen im ländlichen Raum gezahlt haben.<br />

Die Entwicklungsgeschichte der Untersuchungsdörfer ist parallel zur ersten industriellen<br />

Revolution eng mit dem Bau neuer Bahntrassen verbunden.<br />

Nicht nur die Wohnbautätigkeit, sondern auch eine gewerbliche Entwicklung wurde so<br />

in einzelnen Dörfern ausgelöst, seien es Kali-Chemie-Anlagen, Spinnereifabriken, Gewerbeanlagen<br />

oder eine Genossenschaft.<br />

Von den 32 untersuchten niedersächsischen Dörfern haben von ehemals 15 Dörfer (ca.<br />

50%) nur noch drei zentrale Bahnhaltepunkte. In drei Dörfern gibt es noch einen ortsbezogenen<br />

Haltepunkt, der sich in ca. 2 – 3 km Entfernung befindet. Lediglich ein Haltepunkt<br />

(Schnega) wurde mit der Wiedereröffnung der Trasse Uelzen – Stendal reaktiviert.


132 Joachim Grube<br />

Während der dreijährigen Arbeit an unserem Projekt wurden im Osten und Westen je<br />

zwei Haltepunkte, zum Teil auch die gesamte Strecke, stillgelegt bzw. ihre Stilllegung<br />

vorbereitet.<br />

Gerade im Zeitalter des Fahrradtourismus, der standortabhängigen Arbeitsplätze und<br />

der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft könnte die Bahn, gegen<strong>über</strong> dem weniger<br />

effizienten Busverkehr, ihre Vorteile besonders in einem Flächenland wie Niedersachsen<br />

voll zur Geltung bringen. Der Erneuerung der Bushaltestellen wurde im Rahmen der<br />

Dorferneuerung dagegen große Aufmerksamkeit zuteil.<br />

10 Frei- und Grünflächen<br />

Neben den obligatorischen Landschaftsplänen zur Vorbereitung von Bauleitplänen und<br />

den Landschaftsrahmenplänen nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz gehen inzwischen<br />

auch die im Rahmen der Dorferneuerung geforderten dorfökologischen Pläne<br />

bereits <strong>über</strong> die Baugrenzen der Ortskerne hinaus in die Flur. Sie erfassen neben dem<br />

Ortskern auch die dort vorhandenen Kleinstrukturen wie Ruderalvegetation, Dorfflora<br />

und -fauna, Einfriedungen, Böschungen, Ufervegetation, private Nutz- und Ziergärten,<br />

Baum- und Gehölzzahlen, Obstbaumstandorte und -arten, Kompostierungsanlagen sowie<br />

die stofflichen, energetischen und gestalterischen Wechselbeziehungen des Dorfes mit der<br />

Landschaft, dem Klima und den zugehörigen Gewässern. Leider hat nicht nur die Praxis<br />

der Dorferneuerung, sondern auch die der geforderten lokalen Agenden 21 bisher gezeigt,<br />

dass keine noch so detaillierte Erfassung der Fauna und Flora, der Biotope, der Landschafts-,<br />

Kultur- und Naturräume Garant für eine vergleichbare Umsetzung der abgeleiteten<br />

Pflege-, Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen ist.<br />

So wurden die in der lokalen Agenda 21 und in den Dorferneuerungsplänen der Untersuchungsdörfer<br />

formulierten ökologischen Ziele noch nicht einmal zu einem Drittel<br />

umgesetzt.<br />

Dennoch wird von den befragten Gemeinden dem Aspekt „Dorfökologie und Freiflächenplanung“<br />

im Dorferneuerungsplan ein hoher Stellenwert zuerkannt. Auch nach <strong>über</strong><br />

zehn Jahren sind ca. zwei Drittel der Kommunen der Meinung, dass der DE-Plan weiterhin<br />

Grundlage landschaftsplanerischer Entscheidungen sein kann – ein Beleg für die in den<br />

vergangenen Jahren noch gesteigerte Planungsqualität.<br />

Unabhängig davon sind Landschaftseingriffe in Form von Ausgleichs- oder Versiegelungsmaßnahmen<br />

sowie Rohstoffentnahmen (z. B. Kiesabbau im Wesermarsch-Gebiet)<br />

ein Bestandteil gemeindlicher Politik geworden. So wurden im Rahmen der Gemeindebefragung<br />

Landschaftseingriffe von 25 % der Kommunen benannt.<br />

Von den befragten Agrarstrukturbehörden werden die Auswirkungen der Dorferneuerung<br />

auf die ökologische und freiraumgestalterische Ortsentwicklung uneingeschränkt<br />

als „absolut positiv“ beurteilt. In der Tat konnten einzelne <strong>über</strong>zeugende Beispiele grünordnerischer<br />

Gestaltung in öffentlichen und privaten Bereichen innerhalb der Ortskerne<br />

realisiert werden.<br />

Einen erheblichen Nachholbedarf an angemessenen, ökologisch wirksamen, grüngestalterischen<br />

Maßnahmen bis hin zu Ortseingrünungen, Windschutzmaßnahmen und<br />

Sicherung historischer Heckenpflanzungen gibt es jedoch weiterhin, mehr oder weniger<br />

auch 10 bis 15 Jahre nach Abschluss der Dorferneuerungsförderung, in allen untersuchten<br />

Dorfregionen.<br />

Wenn es um Pflege und Kontinuität in der Naturarbeit geht, ist im Grundsatz ein neues,<br />

intensiveres, verantwortungsvolleres Verständnis der Nutzer und der Besitzer für die Natur<br />

gefordert – eine Forderung, die letztlich nur jungen Menschen in den einzelnen Soziali-


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

sierungs- und Ausbildungsphasen in der Schule, im Elternhaus und in der Gemeinschaft<br />

vorgelebt und so auch vermittelt werden kann.<br />

11 Infrastrukturversorgung<br />

133<br />

Der dem militärischen Sprachgebrauch entlehnte Begriff „Infrastruktur“, der dort die gesamte<br />

Grundausstattung meint, bezieht sich im Dorf auf die<br />

a) technische Ausstattung mit Versorgungseinrichtungen für Energie, Trink- und Abwasser<br />

u. a.,<br />

b) Grundversorgung mit entsprechenden Dienstleistungseinrichtungen einschließlich<br />

handwerklicher Dienste und<br />

c)<br />

Ausstattung mit soziokulturellen Dienstleitungen vom Kindergarten bis zum Gemeinschaftshaus.<br />

Zu a) Das Vorhandensein einer funktionstüchtigen technischen Infrastruktur in den Dörfern<br />

Niedersachsens ist nicht nur eine Vorrausetzung für die Aufnahme in das Förderprogramm<br />

der Dorferneuerung sondern auch für die Investitionsbereitschaft von Bauherren.<br />

Maßgeblich wegen des Fehlens dieser Vorrausetzungen musste so manches private<br />

und öffentliche Projekt, in den im Rahmen der Fallstudien untersuchten Dörfer Sachsen-<br />

Anhalts, aufgegeben werden oder konnte gar nicht erst begonnen werden.<br />

Zu beachten ist, dass nach der Installation technischer Ausstattungselemente auf die<br />

Gesellschaft bzw. die Städte und Kommunen mit Bevölkerungsverlusten beträchtliche<br />

finanzielle Probleme zukommen können. So fallen z. B. bei deren Nutzung erhebliche<br />

Zusatzkosten für notwendige Durchspülungen an, wenn aufgrund einer zu geringen Nutzerzahl<br />

die Auslastung von Trinkwasser- und Abwasser- Leitungsnetzen – nicht mehr gegeben<br />

ist.<br />

Zu b) Nicht nur die Art der Handwerksbetriebe und der Versorgungseinrichtungen für den<br />

„täglichen“ und „gehobenen“ Bedarf sondern auch die Einzugsbereiche der Angebote hat<br />

sich im Laufe von 20 Jahren bemerkenswert verändert – allerdings mit beängstigenden<br />

Konsequenzen für die Ortsgröße unter 500 Einwohnern.<br />

In den ländlichen Untersuchungsregionen prägen heute etwa 15 unterschiedliche, darunter<br />

jedoch nur noch wenige „alte“ Handwerksbetriebe (Maler-, Tischler-, Zimmererund<br />

Dachdeckerbetriebe sowie Fleischereien und Bäckereien) das Versorgungsangebot.<br />

Im Untersuchungszeitraum sind etwa 25 neuere Dienstleister hinzugekommen, wobei<br />

die Grenzen zwischen Handwerk (Sekundärsektor) und Dienstleistung (Tertiärsektor)<br />

bisweilen fließend geworden sind (Beispiel: Reparaturarbeiten und Warenverkauf einer<br />

Autofirma).<br />

Während Maler-, Metallbau-, Tischlerei- und Zimmerbetriebe praktisch nur noch in<br />

Dörfern mit <strong>über</strong> 1500 Einwohnern zu finden sind, konnten sich lediglich Dachdeckerbetriebe<br />

– wahrscheinlich infolge der zahlreichen Dorferneuerungsaufträge – noch in<br />

kleineren Dörfern mit <strong>über</strong> 500 Einwohnern, jedoch mit einem <strong>über</strong>örtlichen Einzugsbereich,<br />

halten.<br />

Neue Dienstleister wie Computerdienste, Großbaustoffmärkte, Elektroinstallateure,<br />

Fahrradläden, Speditionen, Landmaschinenhandel, Kunstgewerbeläden, Super- und Drogeriemärkte,<br />

Zahnärzte, Versicherungen, Friseure, Pensionen und Fahrschulen sind heute<br />

– bei unterschiedlichen Einwohnereinzugsbereichen – in den Dörfern, im Gegensatz zur<br />

Startphase der Dorferneuerung vor 20 Jahren, vermehrt zu finden.<br />

Auf dem Rückzug befindet sich dagegen der „Tante-Emma-Laden“, dessen Einzugsgebiet<br />

sich von 800 Einwohnern vor 20 Jahren auf 2500 Mindesteinwohner mehr als<br />

verdreifacht hat!


134 Joachim Grube<br />

Sowohl die „Nachbarschaftsläden“, als auch „mobile Versorgungsdienste“ haben in<br />

den Dörfern bereits ihre Grenzen gefunden. Der „Nachbarschaftsladen“ bleibt nach vorliegenden<br />

Vergleichswerten als Alternative nur auf solche Dörfer beschränkt, in denen das<br />

nächste Konkurrenzangebot mindestens 15 bis 20 km entfernt liegt.<br />

Mobile Dienste sind die Ausnahme in extrem unterversorgten Dörfern unter 200 Einwohnern.<br />

Ihre Akzeptanz in der Bevölkerung ist nicht nur wegen des geringen Sortiments<br />

sondern vor allem wegen der fehlenden Kommunikationsmöglichkeiten eher gering.<br />

Der Auszug von ursprünglich so prägenden dörflichen Diensten wie der Postneben-<br />

und Sparkassenzweigstelle weist auf eine zukünftige Ausstattungsgrenzgröße von 1000<br />

Einwohnern hin. Dorfgaststätten können sich zurzeit gerade noch mit einem Einzugsbereich<br />

von etwa 600 bis 800 Einwohnern halten.<br />

Unter optimalen Vorrausetzungen, so die Untersuchungsergebnisse, kann von folgenden<br />

aktuellen Richtwerten für die Grundversorgung der Einwohner in ländlichen Räu-<br />

men ausgegangen werden:<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

●<br />

Lebensmittelladen >1500 Einwohner<br />

Gaststätte > 600 Einwohner<br />

Bäcker >1500 Einwohner<br />

Bank-/Sparkassenfiliale >1300 Einwohner<br />

Fleischer >2800 Einwohner<br />

Postzweigstelle >3500 Einwohner<br />

Arzt >3000 Einwohner<br />

Apotheke >5000 Einwohner<br />

Zu c) Im Zuge des Strukturwandels entwickelte sich das Dorf vom bäuerlichen Produktionsstandort<br />

zur ländlichen Siedlung mit mobiler, medienorientierter und eventgeschulter<br />

neuer Bewohnerschaft. Neue soziokulturelle Einrichtungen haben verstärkt Einzug gehalten.<br />

Die Versorgungsstruktur wurde vor allem in den Ortsgrößenklassen <strong>über</strong> 2000 Einwohnern<br />

erheblich verbessert und ausgeweitet.<br />

78 % der Untersuchungsorte besitzen bereits eine soziokulturelle Anlage. Die „Dorfkultur“<br />

ist zum Bestandteil einer zivilisierten Alltagsgesellschaft geworden, die auch die<br />

dörfliche Lebenswirklichkeit wie selbstverständlich durchdringt. Auch in der dörflichen<br />

Erlebnisgesellschaft existieren unterschiedliche Lebensstile nebeneinander. Deren entsprechende<br />

räumliche und organisatorische Realisierung können natürlich nicht immer<br />

und sofort befriedigt werden.<br />

Andererseits gehen 20 % der befragten Fallstudienkommunen davon aus, dass sie in<br />

Zukunft die bestehenden Einrichtungen nicht mehr aufrechterhalten könnten.<br />

Die Bürgerbefragung ergab einen teilweise ungedeckten Bedarf nach Jugendeinrichtungen,<br />

obwohl die Erfahrungen im Umgang mit den jugendlichen Nutzern in 10 % der<br />

Dörfer eher negativ waren, was die Pflege und die Einhaltung der Nutzungsabsprachen<br />

betraf. Das erzieherische Defizit <strong>über</strong>steigt scheinbar auch hier das Einrichtungsdefizit!<br />

Auf interessante, zurzeit diskutierte neue Ansätze soziokultureller Versorgung – insbesondere<br />

in den ländlichen Regionen Schleswig-Holsteins, Nordrhein-Westfalens und<br />

Niedersachsens – kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.<br />

Neuen sog. „Mehrgenerationenhäusern“ in Niedersachsen werden sog. „Markttreffs“<br />

in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein gegen<strong>über</strong>gestellt. Letztere stellen den<br />

Versuch einer Bündelung von Kerngeschäft, Dienstleistungsangebot und Bürgertreffpunkt<br />

dar, für Dorfgrößen ab 700 bis 1900 Einwohnern – vergleichbar mit den vier „Kleidergrößen“<br />

S, M, L, XL.<br />

Ob <strong>über</strong> solche Modelle, die dem Grundgedanken der zwischen 1956 und 1975 in<br />

Hessen und Niedersachsen realisierten Dorfgemeinschaftshäuser nahe kommen, auch die<br />

Probleme der Grundversorgung der Dörfer mit der kritischen Größe unter 500 Einwoh-


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

135<br />

ner durch entsprechende Zusammenschlüsse kleinerer Ortsteile lösbar werden, bleibt zu<br />

hoffen.<br />

Als eindeutiger Gewinn für die Dorfgemeinschaft haben sich die dörflichen Kulturbauten<br />

und -angebote entwickelt, die aus der Umnutzung leer gefallener Altbausubstanz<br />

in Verbindung mit einer diesbezüglichen Vereinsgründung und erheblichem Ehrenamt<br />

hervorgegangen sind.<br />

Diese nicht mehr gemeindlich beeinflussten Kulturangebote und -orte haben konsequent<br />

die kommunalen Dorfgemeinschaftshäuser der 1950er-, 60er- und 70er-Jahre abgelöst<br />

und tragen maßgeblich durch die Orts- und Objektbindung zur dörflichen Identifikation<br />

und Integration neuer Bewohnergruppen in den Dörfern bei.<br />

12 Soziales Umfeld<br />

Nachdem die sozialen Dorfhierarchien mit Gutshöfen, Meierhöfen, Kossaterhofstellen,<br />

Brinksitzern und Anbauern nun endgültig der Vergangenheit angehören, haben sich neben<br />

den verbliebenen Familien der „Ureinwohner“ und der nach 1945 zugezogenen Flüchtlingsfamilien<br />

neue Sozialgruppen <strong>über</strong>wiegend in Neubaugebieten an den Ortsrändern der<br />

Dörfer eingerichtet. Das sind vor allem<br />

a) im Rahmen der Binnenwanderung zugewanderte jüngere deutsche Familien aus dem<br />

benachbarten städtischen Umfeld, wo sich auch ihre Arbeitsplätze befinden und<br />

b) zugewanderte Asylanten- und Ausländerfamilien mit teilweise erkennbarer Tendenz<br />

zur Ghettobildung.<br />

Die Befragung unter den Bürgern bezüglich der Integration der beiden neuen Bevölkerungsgruppen<br />

ergab folgendes Ergebnis:<br />

a) Die Einbindung neuer deutscher Sozialgruppen wird zu 51 % als „optimal“ und zu 36<br />

„ als „teilweise gelungen“ bewertet.<br />

b)<br />

Die Integration der Zuwandergruppen aus dem Ausland wird dagegen mit 27 % als<br />

„optimal“ mit 32 % als „teilweise“ und mit 11 % als „gar nicht gelungen“ bewertet. In<br />

der Summe <strong>über</strong>wiegen auch hier die positiven Wertungen.<br />

Konkrete Integrationsprobleme sind nur aus zwei Fallstudiendörfern bekannt geworden.<br />

Eine ursprünglich dorftypische „soziale Kontrolle“ wird noch von ca. 25 % der Bürger in<br />

unterschiedlicher Intensität als eher lästig empfunden.<br />

Bei ca. 70 % der Befragten besitzen Vereinszugehörigkeiten – mit einer durchschnittlichen<br />

Mitgliedschaft in 2 Vereinen [1,7] – weiterhin die höchste soziale Bindungswirkung<br />

im Dorf. 36 % der befragten Dorfbewohner waren dar<strong>über</strong> hinaus ehrenamtlich tätig. Zu<br />

den erfreulichsten Ergebnissen der Befragung gehört zweifellos auch, dass annähernd die<br />

Hälfte der Bürger (46 %) davon <strong>über</strong>zeugt ist, dass die Dorferneuerung in ihrem Dorf positive<br />

Auswirkungen auf das dörfliche Gemeinschafts-, Kultur- und Vereinsleben hatte.<br />

Auch die Frage nach dem Wohlbefinden wurde mit <strong>über</strong> 80 % der Antworten „fühle<br />

mich sehr wohl“ und 17 % „zufrieden stellend“ erwartungsgemäß ausgesprochen positiv<br />

beantwortet.<br />

Aufschlussreich und <strong>über</strong>raschend waren jedoch die kritischen Urteile der Bürger zur<br />

Beteiligung an politischen Entscheidungen: 30 % fühlen sich „gar nicht“, 37 % „manchmal“<br />

und lediglich 21 % „intensiv und regelmäßig“ an kommunalen Entscheidungen beteiligt.<br />

Erfreulich ist mit 81 % die vielfältige Ausübung der Nachbarschaftshilfe im Dorf. Nach<br />

<strong>über</strong> 20 Jahren Dorferneuerungspraxis konnten zahlreiche Formen der Bürgerbeteiligung<br />

erprobt werden. Dabei hat sich besonders das in der Dorferneuerungsrichtlinie geforderte<br />

Instrument des „Arbeitskreises Dorferneuerung“ (AK) bewährt.


136 Joachim Grube<br />

Bereits anlässlich einer vor 10 Jahren erhobenen Befragung unter 1600 Haushalten in<br />

20 niedersächsischen Fallstudiendörfern wurde der Fortbestand des AK bzw. seine Wiedereinrichtung<br />

von <strong>über</strong> der Hälfte der Gemeinden (54 %) gewünscht.<br />

Im Rahmen der Beschäftigung mit dem Dorf <strong>über</strong> den Arbeitskreis hinaus, wird besonders<br />

auch das Bewusstsein für die Ortsgeschichte, für das Ehrenamt, für die Außenkontakte<br />

und ein insgesamt kritisches Bewusstsein bei aktuellen kommunalen Fragen entwickelt.<br />

Hierzu gehören auch die verstärkten Hinwendungen zur eigenen Geschichte mit<br />

der Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit des Nationalsozialismus in den ländlichen<br />

Räumen Niedersachsens und zweier aufeinander folgender Diktaturen in den neuen Bundesländern.<br />

Die wichtigste Vorraussetzung für eine effektive Bürgerbeteiligung in den Dörfern ist<br />

und bleibt auch in der Zukunft die Transparenz kommunaler Ziele.<br />

13 Bevölkerungsentwicklung<br />

Die Gestaltung des sozialen Umfeldes, die Siedlungs- und Wirtschaftsentwicklung sind<br />

untrennbare Strukturaufgaben der ländlichen Regionen. Stimmen aber auch für die untersuchten<br />

Fallstudiendörfer die europa-, bundes- und landesweiten Prognosen, dass „wir<br />

weniger und älter werden“?<br />

Während die 32 niedersächsischen Untersuchungsdörfer 1980 noch zu 57 % eine negative<br />

Bevölkerungsentwicklung aufwiesen, waren es 2003 nur noch 50 %, allerdings mit<br />

beachtlichen Unterschieden in den untersuchten Dorfregionen. Während in der Dorfregion<br />

Nienburger Wesermarsch ein ursprünglicher Bevölkerungsrückgang von 62 % auf<br />

0 abgebaut werden konnte, verschlechterte sich die Situation in den Südharzdörfern im<br />

gleichen Zeitraum von –25 % auf aktuell –57 % und spiegelt damit die negative Situation<br />

der Kreisstadt und des Landkreises wider.<br />

Eindeutig positive Auswirkungen auf die Bevölkerungsentwicklung zeigten sich in<br />

den Dörfern und Regionen, die die Förderungsmöglichkeiten der Dorferneuerung und<br />

des Städtebauförderungsgesetzes intensiv in Anspruch genommen haben. Auffällig ist<br />

auch der Zusammenhang von Bevölkerungsrückgang und Ortsgrößenklasse. Während im<br />

Durchschnitt der untersuchten Orte unter 500 Einwohner seit 1980 ein Rückgang der<br />

Einwohnerzahlen von 54 % zu beklagen ist, sind es im Durchschnitt aller untersuchten 32<br />

niedersächsischen Fallstudien nur etwa 28 %, d. h. nur etwas mehr als die Hälfte.<br />

Die durchschnittliche Haushaltsgröße von 2,16 Personen pro Haushalt in Niedersachsen<br />

wird in den untersuchten Dorfregionen mit 2,42 Personen pro Haushalt noch beachtlich<br />

<strong>über</strong>schritten, was auf das immer noch bestehende, ehemals dorftypische Mehrgenerationenwohnen<br />

verweist.<br />

Das intensive Neben- und Miteinander der Generationen, wie es z. B. in einigen dorftypischen<br />

„Mehrgenerationenhaushalten“ Niedersachsens auch heute noch gelebt wird,<br />

bietet allen Betroffenen durchaus Vorteile. Auch in nicht ländlich geprägten Regionen, die<br />

<strong>über</strong> vergleichbare soziale, siedlungsbauliche und bevölkerungsmäßige Probleme klagen,<br />

bieten sich modellhafte Lösungswege an.<br />

Folgende Vorteile sind beim Mehrgenerationenwohnmodells zu erkennen:<br />

● die zwar eigenständig, aber in der Nachbarschaft wohnenden Senioren können Aufgaben<br />

in der Haus-, Garten-, Kinder- oder Enkelbetreuung <strong>über</strong>nehmen – die leer stehende<br />

großvolumige Bausubstanz der Höfe bietet genügend Raum zum getrennten<br />

Wohnausbau für drei bis vier Generationen,<br />

●<br />

im Gegenzug zu den familiären Diensten der Großeltern bieten sich durch die räumliche<br />

Nähe günstige Chancen für Pflege- und Hilfeleistungen an den Senioren,


●<br />

●<br />

●<br />

Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

137<br />

der wachsenden Bindungslosigkeit zwischen den Generationen und der drohenden<br />

„Versingelung“, die auch bei der jüngeren Generation stattfindet, kann vorgebeugt und<br />

zumindest gemindert werden,<br />

die Zunahme von Depressionen und anderen psychosomatischen Erkrankungen können<br />

durch engere soziale Kontakte abgebaut werden,<br />

den jungen berufstätigen Frauen und Männern wird durch die gebotene Hilfestellung<br />

der Eltern bzw. Großeltern bei der Erziehung wieder ein Argument für Familiengründung<br />

und damit für Kinder geboten.<br />

14 Alternative Energien im Dorf<br />

Der ländliche Raum und damit die Dörfer waren auch schon vor der Industrialisierung<br />

dominanter Energiespeicher und -versorger, wenn man an die vielfältige Nutzung von<br />

Wasserkraft und Windmühlen denkt.<br />

Der Einsatz regenerativer Energien ist nicht nur ein politisches Gebot der Stunde,<br />

sondern wohl die nachhaltigste Chance für die Entwicklung der <strong>Landwirtschaft</strong> und der<br />

ländlichen Räume der Zukunft. Schließlich stellen <strong>über</strong>wiegend die dörflichen Gemarkungen<br />

die notwendigen Flächenressourcen für Wind- und Wasserenergie, für Biogas- und<br />

Biomassenanlagen, für Holz- und Strohverbrennung, für Solar- und Voltaikanlagen zur<br />

Verfügung.<br />

Nach den vorliegenden Erfahrungen scheint den genannten Alternativenergien die<br />

Zukunft zu gehören. Insbesondere sind die Vorzüge der kostenlosen Sonnenenergie und<br />

der bereits vorhandenen geneigten großen Flächen der Scheunen- und Stalldächer für die<br />

Installation der Module im dörflichen Bereich un<strong>über</strong>sehbar.<br />

Auch für weitere regenerative Energiealternativen, die sich teilweise noch in der Erprobung<br />

befinden, wie Blockheizkraftwerke, Erdwärme, Hackschnitzel-Feuerungsanlagen<br />

oder gar die Kornverbrennung nach dem Motto „Weizen zum Verheizen“, bietet sich der<br />

ländliche Raum als ausbaufähiger Standort an, sofern sich die Nebenwirkungen nicht<br />

strukturschädigend auswirken. Windkraftanlagen, scheinen nunmehr, zumindest, was die<br />

negativen Auswirkungen betrifft, an einem Wendepunkt der Akzeptanz und Verträglichkeit<br />

zu stehen. Deutschland hat dank der Förderung und der Strompreisgarantien mit <strong>über</strong><br />

50 % aller Anlagen mehr Windräder aufgestellt, als alle anderen Länder der Welt zusammen<br />

und konnte so die Stromerzeugung mittels Windkraft seit 1950 von 548 auf heute<br />

<strong>über</strong> 17 000 Megawatt erhöhen.<br />

Dem positiven Aspekt der Zunahme der installierten Leistung, müssen neben den landschaftsstörenden<br />

Wirkungen noch weitere negative Gesichtspunkte gegen<strong>über</strong>gestellt werden.<br />

Das sind z. B. aus wirtschaftspolitischer Sicht die Höhe der Einspeisevergütungen,<br />

die steigenden Stahlpreise die steigenden Kosten für den Netzausbau und die Wertminderung<br />

benachbarter Baugrundstücke. Ferner gehören auch die Störungen des Vogelflugs<br />

und die teilweise Verringerung der Lebensqualität in den benachbarten Dörfern und – bei<br />

den erreichten Höhen der Anlagen – selbst Brandschutzprobleme zur Verlustseite.<br />

Bis 2003 waren in 9 oder 23 % der untersuchten Dörfer Niedersachsens bereits Windkraftanlagen<br />

und in 10 oder 26 % der Orte Solar- bzw. Voltaikanlagen realisiert worden.<br />

In zwei der untersuchten niedersächsischen Dorfregionen sind die „Zeichen der Zeit“<br />

bereits erkannt worden. Mit 57 % ist der Anteil der Windkraftanlagen in den Dörfern des<br />

Südharzes und mit 100 % der Solar- und Voltaikanlagen in den Dörfern des Aller-Leine-<br />

Tals <strong>über</strong>durchschnittlich hoch.<br />

Insbesondere in den Dörfern des Aller-Leinetals, wurden mit Unterstützung von LEA-<br />

DER+, aber auch anderen Beiträgen zur regenerativen Energiegewinnung, so viele Solar-<br />

und Voltaikanlagen installiert, dass das Dorf Häuslingen in der so genannten „Solarbun-


138 Joachim Grube<br />

desliga“ Platz 1 in Niedersachsen und von <strong>über</strong> 750 beteiligten deutschen Gemeinden<br />

Platz 120 einnimmt – ein erfolgreiches, aus der regionalen Dorferneuerung des Aller-Leinetals<br />

hervorgegangenes Projekt mit Pilotcharakter für alle übrigen Kommunen!<br />

Zurzeit stehen Fragen nach der gestalterischen, funktionalen und ökologischen Verträglichkeit<br />

und Akzeptanz von Energiealternativen bei den Bürgern im Mittelpunkt des<br />

Interesses. Während Kommunen, Betreiber und landveräußernde Landwirte in der Hauptsache<br />

an der Klärung der Angelegenheiten des Planungsrechts, der Förderkontingente und<br />

Rendite interessiert sind, geht es den Bürgern verständlicherweise um ihre Sicherheit und<br />

Lebensqualität. Die Erfahrungen zeigen, dass ein intensiver Informationsaustausch mit<br />

den Kommunen in der Mehrzahl zu nachhaltigen Lösungen für alle Beteiligten führen<br />

kann.<br />

15 Erfolgskontrolle / Ranking<br />

Im Hinblick auf die begrenzten Möglichkeiten der öffentlichen Haushalte ist ein sachgerechter<br />

und effizienter Einsatz von öffentlichen Mitteln zwingend erforderlich.<br />

Die Bundeshaushaltsordnung schreibt seit Jahren Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit<br />

der Maßnahmen vor. Seit 2000 wirken die Leitlinien der EU in der Gemeinschaftsinitiative<br />

LEADER+ auf die Anwendung von Nutzen-Kosten-Bewertungen hin, was in der<br />

Praxis zu einer verbindlichen Bewertung regionaler Projekte führte.<br />

Lassen sich nun öffentlich bezuschusste Dorferneuerungsmaßnahmen mit ihren Wirkungen<br />

und Nebenwirkungen auf das komplexe „System DORF“ im Nachhinein ermitteln?<br />

Borchard (2) weist darauf hin, dass sich die Effekte von Einzelmaßnahmen, z. B. dem<br />

Ausbau einer innerörtlichen Straße, noch relativ leicht nachweisen und bewerten lassen,<br />

dass dies bei einem ganzheitlichen Planungsansatz wie der Dorferneuerung, wo materielle<br />

und qualitative soziale Wirkungen sich gegenseitig beeinflussen, ja bedingen, jedoch nur<br />

noch schwer realisierbar sei.<br />

Trotzdem wird mit der Untersuchung von 40 Fallstudiendörfern der Versuch einer<br />

nachträglichen Erfolgskontrolle, d. h. einer Evaluierung von Dorferneuerungsprojekten<br />

in Niedersachsen vorgenommen, ergänzend zu den zeitlichen Parallel-, Querschnittsund<br />

Gesamtevaluierungen, die seit kurzem auch an der FAL Braunschweig durchgeführt<br />

werden. Aus der Tatsache, dass die Mehrzahl der untersuchten Fallstudiendörfer bereits<br />

aus der Dorferneuerungsförderung ausgeschieden sind, leitet sich die Notwendigkeit ab,<br />

neben der eigentlichen Förderphase auch die darauf folgende Nachwirkungsphase in die<br />

Erfolgskontrolle einzubeziehen.<br />

Nicht genug damit, sollte abschließend auch noch die aktuelle Lebensqualität in den<br />

Untersuchungsdörfern im Rahmen eines Rankings, wie es für Städte üblich geworden ist,<br />

mess- und darstellbar gemacht werden.<br />

Verbindlich für alle Bewertungsstufen ist das methodische Vorgehen, das eine Auswahl<br />

angemessener Kriterien und – wegen deren unterschiedlicher Bedeutung – auch deren<br />

Gewichtung erforderlich macht. Erst in dieser Kombination konnte eine „Effektivität“ gemessen<br />

werden. Da es eine allgemeingültige Messskala für den „Erfolg“ nicht gibt, muss<br />

dessen Definition also immer einzelfallspezifisch und anwendungsorientiert erfolgen.<br />

Der Ausgangsbegriff für die vergleichenden Messungen ist hier die Problemdichte, die<br />

vor Beginn der Dorferneuerungsmaßnahmen (Stufe 1) für jedes Einzelkriterium bestand<br />

und die in zwei Zeitphasen<br />

a) während der Durchführungsphase (Stufe 2) und<br />

b)<br />

nach der Durchführungsphase bis 2005 (Stufe 3)<br />

mehr oder weniger abgebaut werden konnte.


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

139<br />

Auf die Fragen nach der Bedeutung der Einzelprobleme vor und nach der Dorferneuerungsphase<br />

versucht die Erfolgskontrolle eine Antwort zu geben und zwar getrennt für die<br />

einzelnen Ortslagen und für die zugrundegelegten Kriterien bzw. Problembereiche.<br />

Die sachlichen Defizite bezogen sich auf 22 Einzelbereiche, die weitgehend mit dem<br />

Fördertatbestand der Dorferneuerung identisch sind.<br />

Danach betrug die durchschnittliche Problemdichte in den Dörfern vor der Dorferneuerung<br />

in Niedersachsen 55 % und in Sachsen-Anhalt 65 %.<br />

Die ermittelte Erfolgsquote liegt in Niedersachsen bei 38 %, in Sachsen-Anhalt bei ca.<br />

30 %, d. h. aus einem Vergleich der in Punkten gemessenen Problemdichte vor der Dorferneuerung<br />

und nach der Dorferneuerung ergeben sich die prozentualen Erfolgsquoten.<br />

Wie auf der Ortsebene, wurden auch für die Kriterienebene die Erfolgswerte nach<br />

gleichem Prinzip ermittelt, indem die Werte vor der Dorferneuerung mit denen nach der<br />

Dorferneuerung verglichen wurden (Abb. 2 und 3).<br />

Die größten maßnahmenbezogenen Erfolge weisen in den niedersächsischen Fallstudien<br />

die Ortsmittengestaltung (mit 66 %), die Sanierung stehender und fließender Gewässer<br />

im Dorf (57 %), neue Buswarten (51 %) sowie der Ausbau von Fuß- bzw. Radwegen<br />

(49 %) auf.<br />

Besonders die erneuerten Plätze und Ortsmitten vermitteln einen positiven Eindruck beim<br />

Betreten eines Dorfes. In Sachsen-Anhalt sind in den 8 untersuchten Dörfern die meisten<br />

strukturellen Probleme in den Bereichen Buswarten (60 %), Ortsmitten und Ortsgestaltung<br />

(je 57 %) und den innerörtlichen Plätzen (50 %) beseitigt worden.<br />

Des Weiteren wurden im Rahmen der Erfolgskontrolle und des Rankings folgende<br />

Fragen untersucht:<br />

a) Welche Auswirkungen der Dorferneuerungsförderung waren nach der Förderphase<br />

noch nachweisbar?<br />

b)<br />

Deckten die Fördertatbestände der DE-Richtlinien die realen Problembereiche der<br />

Dörfer ab?<br />

Da sich unterschiedliche gesamtstrukturelle Veränderungen im Dienstleistungs- und Gewerbebereich<br />

sowie in der <strong>Landwirtschaft</strong> nach der Dorferneuerung auf die Dörfer ausgewirkt<br />

haben, mussten die Einflussfaktoren in Form eines erweiterten Kriterienkatalogs<br />

in der Stufe 3 (zweite Zeitphase nach der Durchführungsphase bis 2005) aufgefangen<br />

werden. Schließlich wurden 36 Teilziele auf ihren Erfüllungsgrad <strong>über</strong> den gesamten Zeitraum,<br />

d. h. von Beginn der Dorferneuerung bis heute <strong>über</strong>prüft.<br />

Die Mehrzahl der Dörfer hat den durch die DE-Förderung ausgelösten Schub zur Eigenentwicklung<br />

genutzt. Allerdings konnten erwartungsgemäß in keinem der im Rahmen<br />

der Fallstudien untersuchten Dörfer in der förderfreien Phase vergleichbare Effekte erzielt<br />

werden. Bei rd. einem Drittel der Dörfer haben die Strukturveränderungen negative<br />

Auswirkungen verursacht, die jedoch durch die in der DE-Phase getätigten Investitionen<br />

ausgeglichen werden konnten.<br />

Ein Vergleich von geplanten mit den tatsächlich ausgeführten Einzelmaßnahmen<br />

zeigte, dass in den untersuchten niedersächsischen Dörfern 43 % und in den sachsen-anhaltinischen<br />

40 % der geplanten öffentlichen Maßnahmen umgesetzt worden sind.<br />

38 % bzw. 26 % der befragten Bürger halten die durchgeführten Dorferneuerungs-<br />

Maßnahmen in ihren Dörfern für „sinnvoll und umfassend“, 31 % bzw. 58 % für „sinnvoll,<br />

jedoch unvollständig“.<br />

Das Ranking fragt nach der aktuellen Lebensqualität in den untersuchten Dörfern. Da<br />

hierbei die qualitativen Kriterien wie „Engagement“ und „Integration“ einbezogen werden<br />

müssen, ergibt sich ein gegen<strong>über</strong> der Evaluation leicht veränderter bzw. ergänzter<br />

Kriterienblock. Auch die für das Ranking gewählten 31 Kriterien wurden aufgrund der<br />

unterschiedlichen Bedeutung gewichtet.


140 Joachim Grube<br />

Abb. 2. Problemdichte im Vergleich – Kriterienbezogene Auswertung und Erfolg der<br />

Dorferneuerung (DE) in Niedersachsen


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

Abb. 3. Problemdichte im Vergleich – Kriterienbezogene Auswertung und Erfolg der<br />

Dorferneuerung (DE) in Sachsen-Anhalt<br />

141


142 Joachim Grube<br />

Die Spannweite der bei der Bewertung der Lebensqualität erzielten Punktzahl reichte<br />

von 31 bis 72 von 100 möglichen Punkten. Selbst innerhalb der Ortsgrößenklassen differiert<br />

die Lebensqualität erheblich. Die Ergebnisse Erfolgsdörfer die im Rahmen der<br />

Evaluation erfasst wurden stimmen weitgehend mit dem Ergebnis des Rankings <strong>über</strong>ein.<br />

Davon ausgehend ist abschließend feststellbar, dass die Mehrzahl der Untersuchungsdörfer<br />

ihre gute Positionierung im Ranking auch der Dorferneuerungsförderung verdanken.<br />

Aufgrund der Komplexität dieses Kapitels wird auf die detaillierten Ausführungen im<br />

Buch „Lebensraum Dorf“ verwiesen (4).<br />

16 Die Zukunft der Dörfer<br />

Zum Schluss der sektoralen Betrachtung von Einzelaspekten zum Thema „Lebensraum<br />

Dorf“, gilt es nun, die Teile des Puzzles wieder zum Gesamtbild zusammenzufügen. Bei<br />

der hohen Komplexität unserer modernen „ländlichen Siedlungen“ will das nicht mehr in<br />

allen Dörfern gelingen, dabei war der Fokus der Betrachtung auf eher strukturschwächere<br />

Dorfregionen gelegt worden.<br />

Konkrete Hinweise auf eine nachhaltige Zukunftsgestaltung der Dörfer lassen sich<br />

sowohl aus den Ergebnissen der Fragebogenaktionen als auch den Ergebnissen der Erfolgskontrollen<br />

und des Rankings ableiten. Grundlage der ganzheitlichen Dorferneuerung<br />

sollte ein „kybernetischer Regelkreis Dorf“ sein, der sowohl für zu sanierende Einzeltatbestände<br />

als auch für das ganze Dorf oder eine umzunutzende Hofstelle Gültigkeit besitzt.<br />

Die aktuellen Aufgaben der Dorferneuerung und -entwicklung werden die Zukünftigen<br />

sein:<br />

● Zusammenarbeit der regionszugehörigen Dörfer im Sinne regionaler Dorferneuerungskonzepte,<br />

wie sie erfolgreich im Aller-Leinetal-Projekt verwirklicht werden konnten,<br />

● Erhaltung, Sicherung und Nutzungswandel des zur Dorfkultur gehörenden Erbes an<br />

Siedlungen, Höfen und Flurformen,<br />

● Förderung und Pflege der vorhandenen nachbarschaftlichen und ehrenamtlichen Aktivitäten<br />

unter den Dorfbürgern,<br />

● Sicherung der existenziell notwendigen Dienstleistungen im Ort, vor allem in der Ortsgrößenklasse<br />

unter 500 Einwohnern,<br />

● Ausbau von verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf <strong>über</strong>regionalen Erschließungsstraßen,<br />

die die Ortskerne queren,<br />

● Reaktivierung ehemaliger Bahnanschlüsse und -strecken, Erhalt historischer Dorfbahnhöfe,<br />

Ausbau und Sicherung des ÖPNV,<br />

● angemessene qualitative Siedlungsentwicklung auf der Grundlage siedlungsgenetischer<br />

Bauleitplanung,<br />

● die Schaffung von baulichen Voraussetzungen für angemessene, der Region und dem<br />

ländlichen Raum dienende Arbeitsplätze,<br />

● eine umfassende Baugestaltung auf der Grundlage von Gestaltungsanalysen und<br />

-empfehlungen, in der auch ein modernes „Regionales Bauen“ eine Chance <strong>über</strong> mehr<br />

Wettbewerbe erhalten sollte,<br />

●<br />

eine Neuinterpretation oder Wiederbelebung des dörflichen Mehrgenerationenwohnmodells<br />

als wirksamste Maßnahme gegen die demografischen Probleme in der ländlichen<br />

Gesellschaft.<br />

Obwohl Zukunftsentwürfe für ländliche Regionen nach den vorliegenden Erfahrungen mit<br />

früheren Utopien bei dem rasanten gesellschaftlichen Strukturwandel nicht risikolos sind,<br />

sei doch der Versuch einer Vorausschau <strong>über</strong> drei Zeitphasen der Dorfentwicklung <strong>über</strong><br />

das Jahr 2005 hinaus gewagt – und zwar getrennt für die niedersächsischen und für die<br />

sachsen-anhaltinischen Dörfer (vgl. Abb. 4;5).


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

Abb. 4. Dorfentwicklung in Niedersachsen<br />

Quelle: (4)<br />

143


144 Joachim Grube<br />

Abb. 5. Dorfentwicklung in Sachsen-Anhalt<br />

Quelle:. (4)


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

145<br />

Schwerpunktmäßig geht es um einen Klärungsversuch zukünftiger Standorte landwirtschaftlicher<br />

Betriebe bezogen auf deren Lage innerhalb der Ortskerne oder in der umgebenden<br />

Gemarkung. Damit wird die eingangs gestellte Frage nach der Standortsicherung<br />

landwirtschaftlicher Betriebe nochmals aufgenommen.<br />

Danach gehören die emittierende, durch Intensität, Art und Umfang gekennzeichnete<br />

Intensiv-Tierhaltung oder Landtechnik sowie geruchs- und lärmstörende Betriebe einfach<br />

nicht mehr in die Ortskernlagen. Diese sind als Lebens- und Wohnstandorte von Emissionen,<br />

störendem Durchgangsverkehr und von orts- und landschaftsfremden Architekturformen<br />

möglichst frei zu halten. Geeignete Standorte für emittierende Betriebe finden<br />

sich in den alten Bundesländern in der Nähe der bereist vorhandenen klassischen Aussiedlungen<br />

bzw. späteren Betriebszweigaussiedlungen und in den neuen Bundesländern dort,<br />

wo die ehemaligen LPG- / VEG – Komplexe noch auf ihre hoch- und siedlungsbauliche<br />

Sanierung warten.<br />

Die bereits 1978 gestellte Frage, ob das Dorf noch eine eigene Siedlungskategorie sei<br />

und ob es ausreiche, sich dabei allein auf die bauliche Struktur zu stützen oder ob nicht<br />

auch Sitte, Kultur, Verhaltensregeln und Werteordnung der Sozialstruktur einbezogen<br />

werden müssten, kann nach den Ergebnissen der Untersuchung nur mit „ja“ beantwortet<br />

werden.<br />

Das Land-(Dorf-)Leben hält eben auch heute noch ein Bewusstsein von einer qualitativ<br />

anderen Produktions- und Lebensform als die Stadt fest. Landleben liefert immer noch<br />

eine Utopie, die eine Ahnung von der Humanisierung der Natur und damit von einer Versöhnung<br />

von Stadt und Land vermitteln kann.<br />

Eine reine „Globalisierung“ und totale „Rationalisierung“ sind auch für das heutige<br />

Dorf weiterhin Entwicklungsvorgaben, die nicht seiner Entwicklung und kaum der Mentalität<br />

seiner Bewohner entsprechen.<br />

Der ländliche „Reserveraum“ wird auch in Zukunft ein durch regionale kulturelle und<br />

soziale Merkmale geprägter – zur Stadt als Markt kontrastierender – Lebens-, Freizeit-<br />

und Produktionsraum bleiben müssen.<br />

Wenn man ihm seine Identität und die bestehenden Wertevorstellungen und Produktionsbedingungen<br />

durch weitere Überfremdung nimmt, wird eine Kulturregion aufhören<br />

zu existieren, die durch ihre Leistungen, die Existenz von „Stadt“ und „Markt“ als den<br />

anderen Orten von Waren-, Kapital- und Informationsaustausch immer erst möglich gemacht<br />

hat.<br />

Dorf und Stadt sind schließlich die beiden Seiten einer Medaille, die für ein vielfältiges,<br />

unsere Kultur prägendes siedlungsstrukturelles und gesamtkulturelles Kontrastangebot<br />

stehen, in dem beide Standorte unterschiedliche Erfahrungen von Heimat vermitteln<br />

können.<br />

Zusammenfassung<br />

Aus dem historischen Standort Dorf ist nun endgültig die ländliche Siedlung geworden. Der Wechsel<br />

von einer ehemals sesshaften Produktions- zu einer nomadisierenden Konsumgesellschaft brachte<br />

auch den alten und neuen Dorfbewohnern eine Freiheitserfahrung, die natürlich nicht ohne Folgen<br />

für die Dörfer selbst bleiben konnte.<br />

Aber auch 20 Jahre Dorferneuerung haben in den ländlichen Regionen Spuren hinterlassen – sowohl<br />

im baulichen Umfeld des Dorfes als auch im Bewusstsein seiner Alt- und Neubewohner. Von<br />

den geschätzten 4200 dörflichen Siedlungen in Niedersachsen sind bereits 1900, also annähernd<br />

die Hälfte erneuert worden, zumindest in den Genuss einer ganzheitlichen Planung und Betreuung<br />

gekommen.<br />

Sichtbar wurde der hohe Komplexitätsgrad dörflicher Lebenswirklichkeiten, die in den vergangenen<br />

20 Jahren Dorferneuerungsförderung verstärkt dem Einfluss unterschiedlichster Rahmenbedingungen<br />

ausgesetzt waren.


146 Joachim Grube<br />

Obwohl sich utopische Zukunftsentwürfe für die ländlichen Regionen und insbesondere für die<br />

Dörfer bei der labilen gesellschaftspolitischen Situation verbieten, soll doch der Versuch einer Darstellung<br />

dörflicher Entwicklungsphasen von 1985 – 2010 gemacht werden.<br />

Dabei geht es im Wesentlichen um eine prinzipielle Klärung der zukünftigen Standorte landwirtschaftlicher<br />

Betriebe in West- und Ostdeutschland, woraus sich wiederum Konsequenzen für die<br />

Aspekte Wohnen, Verkehr, Kultur- und Freizeitangebot ergeben.<br />

Letztlich dürfte es bei den kleinteiligen Raum- und Funktionsvorgaben der Dorfkerne als eigentlichem<br />

Lebensraum der Bewohner und den andersartigen Produktionsbedingungen einer mehr oder<br />

weniger industrialisierten Großlandwirtschaft keine Alternative zu weilerartigen Neuausweisungen<br />

von Betriebszweigen in die Flur geben.<br />

Ausgenommen von einer außerdörflichen Standortvorgabe sind in diesem Modell lediglich die<br />

Betriebe, die nach biologisch-ökologischen Prinzipien produzieren und zugleich ihre Produkte hofnah<br />

vermarkten.<br />

In den neuen Bundesländern u. a. in Sachsen-Anhalt sind die Standorte der ehemaligen LPG-<br />

Anlagen, die sich auch nach 15 Jahren als zukünftige Produktionsstandorte mehr oder weniger im<br />

Windschatten verfestigt haben, als Siedlungsansatz für weilerartige Entwicklung von Produktions-<br />

und Landtechnikgebäuden durchaus ausbaubar.<br />

In den neuen Bundesländern bieten dagegen lediglich bereits ausgesiedelte Hofanlagen oder<br />

Betriebszweigaussiedlungen Ansätze für die Schaffung neuer Weiler im Außenbereich, wobei die<br />

Wohnstandorte der Landwirte weiterhin im Ortskern verbleiben sollten.<br />

Summary<br />

The Village as “Habitat” – Methods, Contents and Results of Village Renewal<br />

Villages as historic sites have now finally evolved into rural settlements. The transformation of a<br />

once sedentary production society into a nomadic consumer society has brought former and new<br />

villagers a new kind of freedom – a development which has not been without consequences for the<br />

village itself.<br />

20 years of village renewal, too, have left traces in rural areas, both in the architectural environment<br />

of the village and in the minds of its old and new residents. Currently, there are an estimated<br />

4,200 rural settlements in the German state of Lower Saxony, 1,900 of which have been renewed or,<br />

at least, have reaped the benefits of a holistic planning and support.<br />

What we can see today is a high level of complexity in the reality of rural life, which has increasingly<br />

been exposed to a variety of determining factors over the past 20 years of support for<br />

village renewal.<br />

Although we should avoid utopian concepts for the future of rural areas and especially for villages<br />

because of the unstable social and political situation prevailing in Germany today, we will<br />

attempt to outline the stages of village development between 1985 and 2010.<br />

We are mainly dealing with the basic clarification (see fig. 5 + 6) of the future sites of agricultural<br />

holdings in East and West Germany, which in turn will have implications for the aspects of living<br />

and transportation as well as cultural and recreational opportunities.<br />

The conflict between the limited space and functional requirements of the village cores as the<br />

actual living environment of their inhabitants and the quite different production conditions of more<br />

or less industrialized large-scale agricultural holdings leaves no alternative but new designations of<br />

hamlet-like industrial sites in open spaces.<br />

Not included in this model are those businesses that produce according to the principles of organic<br />

farming and sell their products on the farmyard nearby.<br />

In the new Länder (federal states) of Germany (FNL), e.g. in Saxony-Anhalt, the sites of the<br />

former agricultural production co-operatives (LPGs) have more or less established themselves as<br />

future production sites over the last 15 years and can easily be developed into hamlet-like settlements<br />

of buildings for agricultural production and technology.<br />

In the old Länder (federal states) of Germany, however, only those farms or industries can serve<br />

as a basis for the establishment of new hamlets in outside areas, which have already been resettled,<br />

whereas the farmer’s residence should remain in the village core.


Lebensraum Dorf – Methoden, Inhalte und Ergebnisse der Dorferneuerung<br />

Résumé<br />

„Le village comme espace de vie“ – Méthodes, contenus et résultats du renouveau du village<br />

147<br />

La dénomination historique de village a cédé définitivement le pas à colonie rurale.<br />

Le passage d’une société de production autrefois sédentaire à une société de consommation nomade<br />

a apporté aux anciens et nouveaux villageois une certaine liberté qui a tout naturellement eu<br />

des conséquences sur les villages eux-mêmes.<br />

De même, vingt ans de renouveau du village ont laissé des traces dans les régions rurales – autant<br />

dans la construction du village que dans la conscience de ses anciens et nouveaux habitants. Sur les<br />

4.200 colonies rurales (chiffre estimé) de Basse-Saxe, 1.900 - soit environ la moitié - ont été rénovées<br />

ou ont tout au moins profité d’une planification et d’un encadrement globaux.<br />

Ce processus a fait apparaître toute la complexité de la réalité de la vie rurale qui elle-même a<br />

été de plus en plus influencée par différents facteurs déterminants dans les vingt dernières années de<br />

la politique du renouveau des villages.<br />

Bien que tout concept d’avenir utopique pour les régions rurales, en particulier pour les villages,<br />

soit risqué compte tenu de l’instabilité de la situation sociopolitique, nous tenterons toutefois une<br />

présentation des phases de développement du village entre 1985 et 2010.<br />

Il s’agit pour l’essentiel (voir images 5 et 6) d’une présentation claire et fondamentale du lieu<br />

d’implantation futur d’entreprises agricoles dans les régions de l’ouest et de l’est en Allemagne, tout<br />

en tenant compte du fait qu’il en résulte des conséquences sur l’habitat, les transports, les offres<br />

culturelles et de loisirs.<br />

Eu égard à la restriction spatiale et fonctionnelle du cœur du village (en tant qu’espace de vie<br />

propre aux habitants) et aux conditions de production hétérogènes d’une agriculture à grande échelle<br />

plus ou moins industrialisée, il n’y aurait en fin de compte pas d’alternative au déplacement de<br />

branches d’entreprise de type hameau du village vers les champs.<br />

Dans ce modèle, seule l’agriculture biologique ne devrait pas être concernée par le déplacement<br />

hors du village, étant donné que la production est vendue près des fermes.<br />

Dans les nouveaux Länder, comme en Saxe-Anhalt, les sites d’anciennes coopératives agricoles<br />

(LPG) se sont plus ou moins établis comme sites de production futurs dans les 15 dernières années<br />

et se prêtent tout à fait à une utilisation en tant que bâtiments de production agricole et de technique<br />

d’un hameau à élargir.<br />

Dans les anciens Länder, par contre, il n’y a guère que les fermes ou des branches de production<br />

déjà établies hors des villages qui puissent servir à créer de nouveaux hameaux, étant entendu que<br />

le lieu d’habitation de l’agriculteur restera au cœur du village.<br />

Literatur<br />

1. <strong>BMELV</strong>, 2006: Agrarpolitischer Bericht der Bundesregierung 2006, aus Tabelle 4.<br />

2. Borchard, Klaus, 1990: Effizienz der Dorferneuerung, Anwendungsfälle, Schriftenreihe des BMELF<br />

Heft 77, <strong>Landwirtschaft</strong>sverlag Münster-Hiltrup.<br />

3. BrocKmann, d.; chotjewitz, P. u. a., 1977: Landleben, Rowohlt-Verlag, Reinbek.<br />

4. GruBe, joachim, 2006: Lebensraum Dorf. Bauwerk-Verlag, Berlin.<br />

Autorenanschrift: Prof. e. m. Dr. Ing. joachim GruBe, Rhienstraße 1, 31582 Nienburg/Weser,<br />

Deutschland<br />

planungsbuero.grube@web.de


148<br />

Methodische Optimalfall-Analyse technischer Probleme<br />

am Beispiel der Methanol- und Wasserabscheidung<br />

vom Biodiesel<br />

Von Ratan KumaR Ghosh und haRtmut Gaese, Köln, hans-PeteR LöhRLein und<br />

RüdiGeR KRause, Kassel<br />

1 Einführung<br />

Biodiesel bietet Lösungen für diverse zukunftsweisende umwelt- und wirtschaftsspezifische<br />

Ziele. Biodieselkraftstoffe sind in ihrer Verbrennung nicht nur sauberer als Dieselkraftstoffe,<br />

ihre Entstehung ist nachhaltig und sie ersetzen Dieselkraftstoffe inzwischen<br />

schon sehr oft in Fahrzeugmotoren – weltweit hauptsächlich in Mischform.<br />

Rückstände des Herstellungsprozesses belasten die Qualität einfacher dezentraler Anlagen,<br />

was während der Lagerung und natürlich auch beim späteren Einsatz zu Problemen<br />

führt. Allgemein verbreitet sind Rückstände aus nicht verseifbaren Stoffen, Wasser, freiem<br />

und gelöstem Glycerin, Alkohol, freien Fettsäuren und Seifen. Wasser und Methanol,<br />

stammen nicht – wie die meisten Rückstände – von verunreinigten Ausgangsmaterialien.<br />

Diese Stoffe wurden während des Prozesses hinzugefügt, können beim Herstellungsprozess<br />

entstanden sein oder konnten mit der eingesetzten Trenntechnik nur unzureichend<br />

entfernt werden.<br />

Abb. 1. CO 2 Wiederverwertung durch Biodiesel<br />

Quelle: (6)<br />

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0005-9080/07/8501-148 $ 2.50/0


Analyse technischer Probleme am Beispiel der Methanol- und Wasserabscheidung<br />

149<br />

Hauptziel der Veröffentlichung ist es, optimale Prozesslösungen anhand der methodischen<br />

Analyse eines Systems, bei dem sowohl Methanol als auch Wasser von Biodiesel<br />

getrennt werden, zu veranschaulichen.<br />

1.1 Biodiesel<br />

Biodiesel, ein durch regenerative Quellen gewonnener Kraftstoff, ist ein potenzieller Ersatz-<br />

oder Zusatzstoff für herkömmlichen Dieselkraftstoff. Biodiesel wird entweder aus<br />

frischem (wie z. B. Raps-, Soja, Sonnenblumen-, Mais-, Palm-, Kokosnuss- oder Baumwollsamenöl)<br />

oder gebrauchten pflanzlichen Ölen, tierischen Fetten (Talg) oder wieder<br />

verwertbarem Bratfett gewonnen. Die Produktion von Glycerin und Biodiesel (chemisch<br />

Ver- oder Umesterung genannt) erfolgt durch die chemische Reaktion mit Alkohol – im<br />

Allgemeinen wird Methanol, seltener Ethanol verwendet –, eines Katalysators (Natrium-<br />

oder Kaliumhydroxid oder auch die Alkoholate dieser Alkalimetalle) und Energie.<br />

Der Vergleich sieht folgendermaßen aus:<br />

Biodiesel kann in reiner Form oder in beliebiger Mischung mit Dieselkraftstoff in Dieselmotoren<br />

eingesetzt werden. Seine physikalischen und chemischen Eigenschaften sind in<br />

etwa vergleichbar mit denen von Dieselkraftstoffen auf Erdölbasis.<br />

Die Umesterung kann sowohl in absetzigen als auch in kontinuierlichen Anlagen erfolgen.<br />

Feste Katalysatoren (KOH, NaOH) werden zuvor in Methanol gelöst und die Alkoholate<br />

werden dem Methanolstrom beigemischt. Die Umesterung findet meist in einem<br />

zweistufigen Verfahren statt, indem man die jeweiligen Anteile aus Öl oder Fett und die<br />

Mischung aus Methanol und Katalysator zur Reaktion bringt. Die genaue Dosierung erfolgt<br />

auch bei kleinen Anlagen durch eine Rechnersteuerung. Rezepte hierfür sind im<br />

Internet zu finden (4).<br />

2 Probleme durch Methanol- und Wasserrückstände im Biodiesel<br />

Nach der Umesterung enthält die Methylesterphase (Biodiesel) bis zu 2 Gewichtsprozente<br />

Methanol und 400 bis 800 mg Wasser/kg. Obwohl diese Anteile sehr gering sind, haben<br />

sie Einfluss auf Qualität, Haltbarkeit, Toxizität und Gefahrenguteinstufung des Kraftstoffs.<br />

Um die hiermit verbundenen Probleme zu reduzieren, muss der Methanol- und Wasseranteil<br />

vom Biodiesel abgetrennt werden. Der Methanol- und Wasseranteil im Biodiesel wird<br />

durch internationalen Normen festgelegt (2):


150 Ratan Kumar Ghosh, Hartmut Gaese, Hans-Peter Löhrlein und Rüdiger Krause<br />

● Die Europäische Norm (EN 14214) für Biodiesel beinhaltet, dass der Methanolgehalt<br />

0,20 Gewichtsprozente und der Wasseranteil 500 mg/kg nicht <strong>über</strong>steigen darf.<br />

● Der Flammpunkt von Biodiesel ergibt sich aus dem jeweiligen Methanolgehalt. Kraftstofflieferanten<br />

müssen nach der EN 14214 einen Flammpunkt von >120°C garantieren.<br />

● Methanol ist leicht brennbar und birgt ein hohes Brand- und Explosionsrisiko. Methanoldämpfe<br />

sind schwerer als Luft und können eine beträchtliche Distanz zu einer<br />

Zündquelle zurücklegen bzw. einen Flammrückschlag erzeugen. Die Dämpfe und Gemische<br />

sind hochexplosiv. Die chemische Dichte von Methanol ist geringer als die von<br />

Biodiesel. Kommt es während Lagerung oder beim Transport zur Abkühlung, wird<br />

gelöstes Methanol frei und eine große Menge Methanol setzt sich auf dem Biodiesel<br />

ab. Da Methanol sehr entzündlich ist, besteht in diesen Fällen eine hohe Explosionsgefahr.<br />

● Methanol ist ein toxisches Element. Die Abtrennung von Methanol minimiert folglich<br />

die Toxizität von Biodiesel.<br />

●<br />

Die Wasserlöslichkeit des Biodiesels verringert sich bei sinkender Temperatur, d. h.<br />

beim Abkühlen des aus der Produktion mitunter anfangs warmen Biodiesels kann<br />

freies Wasser entstehen. Aufgrund der höheren Dichte des Wassers kommt es zur Wasserablagerung<br />

am Boden und Mikroorganismen werden an der Grenzschicht der beiden<br />

Flüssigkeiten aktiv. Die Organismen produzieren Schlamm- und Ölrückstände, die zur<br />

Filterverstopfung führen können. Auch die Bildung von Schwefelsäure wäre denkbar.<br />

Wird das Wasser am Prozessende auf Werte > 400 mg/kg abgetrennt, sind solche Probleme<br />

nicht zu befürchten.<br />

Durch die Abscheidung von Methanol und Wasser erhöht sich der Brennwert von Biodiesel.<br />

3 Der Morphologische Kasten<br />

Die „Methode des morphologisches Kastens“ (3) ist in fünf Schritte gegliedert:<br />

I. Genaue Umschreibung sowie zweckmäßige Verallgemeinerung des Problems.<br />

II. Genaue Bestimmung und Lokalisierung aller die Lösung beeinflussenden Umstände.<br />

III. Aufstellung des morphologischen Kastens, in dem alle Lösungen ohne Vorurteil<br />

eingeordnet werden.<br />

IV. Analyse aller enthaltenen Lösungen aufgrund bestimmter gewählter Wertenormen.<br />

V. Wahl der optimalen Lösung und Weiterverfolgung derselben bis zur Realisierung.<br />

4 Methoden zur Abtrennung von verunreinigten Stoffen in Biodiesel<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Verunreinigungen von Biodiesel abzutrennen, wie<br />

z. B. die Waschmethode, die Schaumblasenmethode, die Vakuumdestillation, etc. Auch<br />

nach Anwendung der Waschmethode kann man davon ausgehen, dass Biodiesel noch Methanolrückstände<br />

enthält. Die Schaumblasenmethode wird von einer Reihe von Forschern<br />

empfohlen (1), obwohl auch hierbei Wasserrückstände im Biodiesel verbleiben.<br />

Da die Siedetemperatur flüssiger Stoffe bei abnehmendem Druck sinkt, können diese<br />

im Vakuum bei einer niedrigeren Temperatur verdampfen. Bei sinkendem Vakuum können<br />

demnach sowohl Methanol als auch Wasser aus dem Biodiesel leichter verdampfen<br />

und abgeschieden werden. Aus diesem Grund darf davon ausgegangen werden, dass die


Analyse technischer Probleme am Beispiel der Methanol- und Wasserabscheidung<br />

Vakuumdestillation zur Abscheidung besser geeignet ist. Dieses Verfahren nennt man auch<br />

„Vakuumtrocken-„ oder einfach nur „Trockenverfahren“.<br />

5 Komponentenauswahl<br />

151<br />

Die Auswahl des Systems zur Methanol- und Wasserabscheidung mittels Vakuumdestillation,<br />

soll möglichst schrittweise erfolgen. Es geht darum, eine systemspezifische Problemlösung<br />

zu finden, mit der ein optimales Resultat erzielt werden kann. Deshalb ist das<br />

eigentliche Problem zunächst individuell zu betrachten und in folgende Aktionsschritte<br />

zu unterteilen:<br />

1. Erhitzung des Biodiesels,<br />

2. Vergrößerung der Biodieseloberfläche, um den Verdampfungsprozess zu beschleunigen,<br />

3. Vakuumerzeugung im Tank,<br />

4. Überprüfung der Biodieselmenge im Tank,<br />

5. Austrag des gereinigten Biodiesels und die<br />

6. Rückführung des erzeugten Methanol- und Wasserdampfes.<br />

Abb. 2. Blockdiagramm eines Vakuumtrockners


152 Ratan Kumar Ghosh, Hartmut Gaese, Hans-Peter Löhrlein und Rüdiger Krause<br />

Entsprechend der zuvor dargestellten „Morphologischen Grafikmethode“ sieht das Diagramm<br />

zur Veranschaulichung aller Alternativmethoden und deren Problemlösung folgendermaßen<br />

aus:<br />

Abb. 3. Zweidimensionale Matrix aller Alternativlösungen<br />

Bei den Alternativlösungen basieren die Auswahlkriterien auf Kosten, Qualität, Instandhaltung,<br />

Zuverlässigkeit, Standzeit und Betriebskosten, etc. Kombinationen geeigneter<br />

Lösungen kommen zur Auswertung, wobei in aller Regel die bestgeeignetste Lösung jedes<br />

Problems bevorzugt wird. Zur Findung der Optimallösung ist es durchaus auch möglich,<br />

die zwei am besten geeigneten Problemlösungen zu kombinieren. Die Punkte (P) werden<br />

folgendermaßen vergeben:<br />

Ergebnis Punkte<br />

Ausreichend 0<br />

Befriedigend 1<br />

Gut 2<br />

Sehr gut 3<br />

Mit Auszeichung 4<br />

Wenn ein wichtiges Kriterium nicht erfüllt werden kann, d. h. wenn das Ergebnis als<br />

„nicht akzeptabel“ gilt, wird die Lösungskomponente beim Ergebnis nicht in Betracht gezogen<br />

(Ausschlussverfahren). Die Punktevergabe für die wissenschaftliche Bedeutung (B)<br />

des jeweiligen Auswahlkriteriums liegt zwischen 0 und 10 Punkten. Die Alternativlösung<br />

mit dem höchsten Mittelwert aus Punkten und Bedeutung (∑ B*P) nimmt den 1. Platz auf<br />

der Rangliste ein.


Analyse technischer Probleme am Beispiel der Methanol- und Wasserabscheidung<br />

5.1 Erhitzung von Biodiesel<br />

153<br />

Wie die Tabelle 1 zeigt sind Elektronische Erhitzer die kostengünstigste Variante zur Erhitzung<br />

des Biodiesels. Sie schneiden jedoch in qualitativer Hinsicht schlechter ab als andere<br />

Geräte, da die Hitzeverteilung im Biodiesel nur sehr unregelmäßig erfolgt. Außerdem<br />

ist die Zuverlässigkeit dieses Verfahrens aufgrund des häufigen Betriebsausfalls dieser<br />

Geräte nicht ausreichend gewährleistet.<br />

Auswahlkriterien<br />

Tabelle 1. Auswahl der Erhitzer für Biodiesel<br />

Bedeutung<br />

(B)<br />

Punkte (Akzeptanz) für jede Alternativlösung (P)<br />

Elekronischer<br />

Erhitzer<br />

Austauscherhitzer<br />

(Plattentyp)<br />

Austauscherhitzer<br />

(Gastyp)<br />

Austauscherhitzer<br />

(Ofen-<br />

und Gastyp)<br />

Kosten 7.0 4 1 1 2<br />

Qualität 8.0 1 4 2 3<br />

Instandhaltung 4.0 4 2 0 4<br />

Zuverlässigkeit 7.0 0 3 2 4<br />

Nachhaltigkeit 5.0 1 4 4 4<br />

Betriebskosten 7.0 1 4 3 3<br />

∑ B*P ohne<br />

116 ohne<br />

123<br />

Rang Ergebnis 2 Ergebnis<br />

1<br />

5.2 Maximale Ausdehnung der Biodieseloberfläche<br />

Wie die in Tabelle 2 dargestellten Prüfergebnisse zeigen, eignen sich Dampfringe aus<br />

Polypropylen (PP) ähnlich gut wie die aus Edelstahl, wobei sie jedoch weitaus kostengünstiger<br />

sind. Heizplatten sind sehr teuer. Die Kombination aus Dampfringen und Röhrenelementen<br />

hat sich als besonders rentabel erwiesen.<br />

Auswahlkriterien<br />

Tabelle 2. Auswahl der maximalen Ausdehnung der Biodieseloberfläche<br />

Bedeutung<br />

(B)<br />

Punkte (Akzeptanz) für jede Alternativlösung (P)<br />

Dampfringe Heizplatten Röhre<br />

Polypropylen Edelstahl<br />

Kosten 8.0 4 1 1 2<br />

Qualität 8.0 2 3 3 3<br />

Instandhaltung 6.0 4 4 3 4<br />

Zuverlässigkeit 5.0 4 4 3 3<br />

Nachhaltigkeit 5.0 2 3 3 3<br />

Betriebskosten 6.0 3 3 3 3<br />

∑ B*P 120 109 96 108<br />

Rang 1 2 4 3


154 Ratan Kumar Ghosh, Hartmut Gaese, Hans-Peter Löhrlein und Rüdiger Krause<br />

5.3 Pumpen zur Vakuumerzeugung<br />

Die in Tabelle 3 dargelegten Ergebnisse <strong>über</strong> den Vergleich von Pumpen zur Vakuumerzeugung<br />

zeigen, dass die Vakuumtrockenpumpe gegen<strong>über</strong> der Vakuumpumpe mit Flüssigring<br />

verhältnismäßig teuer ist. Standzeit und Qualität eines Kompressors sind nicht<br />

so gut wie die der Flüssigkeitsringpumpe, wobei der Kompressor generell die günstigere<br />

Variante ist.<br />

Auswahlkriterium<br />

Tabelle 3. Auswahl der Pumpen zur Vakuumerzeugung<br />

Bedeutung<br />

(B)<br />

Punkte (Akzeptanz) für jede Alternativlösung (P)<br />

Vakuumpumpe<br />

mit Flüssigring<br />

Vakuumtrockenpumpe<br />

Kompressor<br />

Kosten 9.0 4 0 2-3<br />

Qualität 9.0 4 3-4 2<br />

Instandhaltung 8.0 3 3-4 3<br />

Zuverlässigkeit 8.0 3 4 3<br />

Nachhaltigkeit 8.0 3 4 1<br />

Betriebskosten 7.0 3 4 3<br />

∑ B*P 165 ohne<br />

117.5<br />

Rang 1 Ergebnis<br />

2<br />

5.4 Überprüfung der Biodieselmenge im Tank<br />

Über die Auswahl der optimalen Gerätetechnik zur Überprüfung der Biodieselmenge im<br />

Tank gibt Tabelle 4 einen Überblick. Der Flügelschalter ist auf die Messung von Strömungen<br />

begrenzt. Die Blasenbildung im Biodiesel-Vakuumtank ist aufgrund der Gaszirkulation<br />

verhältnismäßig hoch und als Messgröße ungeeignet. Die Stabelektrode ist eine<br />

kostenintensive Variante, die in reinem Biodiesel aufgrund der geringen Veränderung des<br />

Dielektrikums zum leeren Tank auch nur eine geringe Funktionssicherheit aufweist. Der<br />

Differenzialdruckgeber ist für den Vakuumtank nicht besonders gut geeignet, da dieser auf<br />

hohe Druckschwankungen hochsensibel reagiert. Da die erzeugte Druckfrequenz variiert,<br />

sind Fehlschaltungen verhältnismäßig häufig.<br />

Tabelle 4. Auswahl der Technik zur Überprüfung Biodieselmenge im Tank<br />

Auswahlkriterien<br />

Bedeutung<br />

(B)<br />

Punkte (Akzeptanz) für jede Alternativlösung (P)<br />

Schwimmerschalter<br />

Flügelschalter<br />

Stabelektrode<br />

Differenzialdruck<br />

Kosten 6.0 3 2 0 1<br />

Qualität 8.0 4 0 2 2<br />

Instandhaltung 7.0 4 2 2 3<br />

Zuverlässigkeit 9.0 4 0 3 2<br />

Nachhaltigkeit 8.0 4 2 2 4<br />

Betriebskosten 4.0 4 4 3 4<br />

∑ B*P 162 ohne ohne 109<br />

Rang 1 Ergebnis Ergebnis 2


Analyse technischer Probleme am Beispiel der Methanol- und Wasserabscheidung<br />

5.5 Auswahl der Pumpen zum Austrag des gereinigten Biodiesels<br />

155<br />

Tabelle 5 zeigt das Ergebnis der Prüfung der Pumpen zum Weitertransport des Biodiesels.<br />

Die Kolbenpumpe ist sehr teuer und besitzt mehr Einzelteile als die Zentrifugalpumpe.<br />

Deshalb sind die Instandhaltung aufwendiger und die Betriebskosten höher. Sie ist auch<br />

zum Ansaugen von Flüssigkeiten aus dem Vakuum weniger geeignet. Dieselben Kriterien<br />

gelten für Zahnrad- und Gewindepumpen, allerdings sind diese wiederum kostengünstiger.<br />

Unter Berücksichtigung der angesetzten Auswahlkriterien ist die Zentrifugalpumpe<br />

die Optimallösung.<br />

Tabelle 5. Ergebnis der Auswahl der Pumpen zum Weitertransport des Biodiesels<br />

Auswahlkriterien<br />

Bedeutung<br />

(B)<br />

Punkte (Akzeptanz) für jede Alternativlösung (P)<br />

Kolbenpumpe<br />

Zahnradpumpe<br />

Gewindepumpe<br />

Zentrifugalpumpe<br />

Kosten 9.0 1 2 2 3<br />

Qualität 8.0 4 3 2 4<br />

Instandhaltung 7.0 1 2 4 4<br />

Zuverlässigkeit 8.0 4 4 2 4<br />

Nachhaltigkeit 8.0 1 2 3 4<br />

Betriebskosten 7.0 1 2 3 4<br />

∑ B*P 95 118 123 179<br />

Rang 4 3 2 1<br />

5.6 Freisetzung von Methanol- und Wasserdampf<br />

Der Dampf aus Luft, Methanol und Wasser wird von der Flüssigkeitsringpumpe angesaugt<br />

und kondensiert im Flüssigkeitsring. Wählt man als Ringflüssigkeit Methanol, könnte der<br />

recht geringe Anteil von Wasser <strong>über</strong> eine Molekularsiebmembran abgeschieden werden,<br />

was elegant aber auch teuer ist. Ansonsten bleiben die Möglichkeiten einer Abscheidung<br />

des Methanols <strong>über</strong> Molekularsiebsäulen oder das Ignorieren des Wasseranteils, der im<br />

Normalfall unter einem Gewichtsprozent des Methanols liegt. Für die Anwendung in sehr<br />

kleinen Anlagen ist der rückführbare Methanolanteil im Vergleich zu den Kosten zu gering.<br />

Kondensiert man direkt in einen Flüssigkeitsring aus Wasser, kann man das entzogene<br />

Wasser/Methanolgemisch auch mit der Glycerinphase entsorgen. Die Einhaltung der<br />

TA-Luft wird sichergestellt.<br />

Eine andere Möglichkeit wäre, einen Stoff für den Flüssigkeitsring zu finden, in dem<br />

Methanol nicht löslich ist. In diesem Fall ist zu beachten, dass der flüssige Stoff den Vorgaben<br />

des Herstellers der Vakuumpumpe mit Flüssigring entspricht. Der Methanoldampf<br />

würde bei dieser Variante ebenfalls im Ring kondensieren, sich jedoch in einem nachgeschalteten<br />

Tank von der Sperrflüssigkeit trennen. Er kann dann der Wiederverwertung<br />

zugeführt werden.<br />

Entsprechend diesem Analyseverfahren haben sich, wie in Übersicht 1 dargestellt,<br />

folgende Lösungskomponenten für Trockengeräte bewährt:


156 Ratan Kumar Ghosh, Hartmut Gaese, Hans-Peter Löhrlein und Rüdiger Krause<br />

Übersicht 1. Optimallösungen zur Freisetzung von Methanol- und Wasserdampf<br />

Problemstellung Optimallösung<br />

Erhitzung von Biodiesel Austauscherhitzer (Ofen- und Gastyp)<br />

Erweiterung der Biodieseloberfläche Dampfringe und Röhren<br />

Vakuumerzeugung Vakuumpumpe mit Flüssigpumpe<br />

Überprüfung der Biodieselmenge Schwimmschalter<br />

Abführen von Biodiesel Zentrifugalpumpe<br />

Nutzung des erzeugten Methanol- und<br />

Wasserdampfes<br />

Chemische Freisetzung<br />

6 Fazit<br />

Die geeigneten Systemkomponenten zur Methanol- und Wasserabscheidung von Biodiesel<br />

wurden in Hinblick auf kleine dezentrale Anlagen ausgewählt. Das Auffinden der<br />

Optimallösung aus den Alternativlösungen von Einzelproblemen hängt jeweils von der<br />

Erfahrung und der Phantasie des Konstrukteurs und der zur Verfügung stehenden Datenmenge<br />

bzw. der Effizienz einer jeweiligen Untersuchung ab. Die Entscheidungsträger<br />

sollten zur Findung der Optimallösung in jedem Fall <strong>über</strong> das entsprechende Fachwissen<br />

in Bezug auf alle Lösungsalternativen verfügen. Die in dieser wissenschaftlichen Veröffentlichung<br />

genannten Auswahlkriterien beziehen sich auf Kosten, Qualität, Instandhaltung,<br />

Funktionssicherheit, Standzeit, Betriebskosten, etc. Dabei können die Auswahl- und<br />

Bewertungskriterien – je nach wissenschaftlichem Standpunkt des einzelnen Forschers<br />

– beliebig erweitert bzw. verändert werden.<br />

Zusammenfassung<br />

Die Veröffentlichung behandelt methodische Probleme des Verfahrens zur optimalen Prozesslösung<br />

eines Systems, bei dem sowohl Methanol als auch Wasser von Biodiesel getrennt werden sollen.<br />

Anhand einer zweidimensionalen morphologischen Matrix werden von der Optimal- bis zur Alternativlösung<br />

unterschiedliche Methoden vorgestellt, jeweils unter Berücksichtigung des Kostenpunktes,<br />

der Leistungsqualität, der Instandhaltung, der Zuverlässigkeit, der Nachhaltigkeit und der Betriebskosten<br />

im Hinblick auf Bedeutung und Akzeptanz einer jeden Methode. Um die Problembehandlung<br />

noch besser zu veranschaulichen wird des Weiteren auch auf einige Aspekte zum Thema Biodiesel<br />

eingegangen.<br />

Schlüsselwörter: Biodiesel, Verunreinigungen, Methanol, Wasser, Abscheidung, Auswahl<br />

Summary<br />

Methodical Analysis of Technical Problems for the best Solution among Alternatives –<br />

Example of the Separation of Methanol and Water Impurities from Biodiesel<br />

This paper deals with the analysis of methodical solutions of technical problems. An analytical<br />

procedure is presented here for the selection of the most suitable process components of a system to<br />

separate methanol and water impurities from biodiesel for continuous production. A two-dimensional<br />

morphological matrix has been used to analyse and to select the most suitable method among different<br />

alternatives of each process in terms of cost, quality of performance, maintenance, reliability,<br />

durability (lifetime), operating costs, with due regard to the importance and acceptance of each<br />

alternative. In order to gain a clear picture of the problem, some aspects of biodiesel have also been<br />

discussed.<br />

Keywords: Biodiesel, Impurities, Methanol, Water, Separation, Selection


Analyse technischer Probleme am Beispiel der Methanol- und Wasserabscheidung<br />

Résumé<br />

Analyse méthodique de problèmes techniques pour trouver la solution optimale<br />

montré à l’exemple de la séparation du méthanol et de l‘eau du biodiesel<br />

157<br />

La publication traite des problèmes méthodiques de la procédure pour trouver la solution optimale du<br />

processus d’un système avec lequel le méthanol et l’eau doivent être séparés du biodiesel. A l’aide<br />

d’une matrice morphologique bidimensionnelle, de différentes méthodes de la solution optimale à la<br />

solution alternative sont présentées en prenant compte de l’aspect financier, de la qualité de la performance,<br />

de l’entretien, de la fiabilité, de la durabilité et des coûts d’exploitation en considération<br />

de l’importance et de l’acceptation de chaque méthode. Ensuite, afin de mieux illustrer le traitement<br />

du problème, quelques aspects du biodiesel sont examinés.<br />

Mots-clé : biodiesel, contaminations, méthanol, eau, séparation, sélection<br />

Literatur<br />

1. Beggs, RoBeRt edwaRd, 1997: Renewable oil fuels and diesel engines as components of sustainable<br />

system design, University of Waterloo, p-122–124.<br />

2. European Standard (English Version), (October 2002) Automotive fuels- Fatty acid methyl esters<br />

(FAME) for diesel engines- Requirements and test methods, Final Draft ( prEN 14214), European<br />

Committee for Standardization (COMITÉ EUROPÉEN DE NORMALISATION, cen) , Management<br />

Centre : rue de Stassart 36, B-1050 Brussels.<br />

3. geRhaRd, edmund, (1988) Entwickeln und Konstruieren mit System, Band 51, 2. Auflage, Expert<br />

Verlag, 7044 Ehningen bei Böblingen, Germany, p-29, 66.<br />

4. LöhRLein, hans-PeteR, (2003) Biodiesel Rechner, University of Kassel, Witzenhausen, Germany.<br />

www.frittendiesel.de.<br />

5. National Biodiesel Board (NBB), (2003) Biodiesel Production Technology Overview, 3337a Emerald<br />

Lane, PO Box 104898, Jefferson City, USA. www.biodiesel.org.<br />

6. NREL, National Renewable Energy Laboratory, (2000) Biodiesel—the Clean, Green Fuel for Diesel<br />

Engines, Produced for the U.S. Department of Energy (DOE), a DOE National Laboratory. DOE/GO-<br />

102000-1048. http://www.idwr.state.id.us.<br />

Autorenanschrift: Ratan KumaR ghosh und Prof. Dr. haRtmut gaese, Institut für Tropentechnologie,<br />

FH Köln, Betzdorfer Str. 2, 50679 Köln, Deutschland<br />

ratanosh@yahoo.co.uk<br />

hartmut.gaese@fh-koeln.de<br />

Dr. hans-PeteR LöhRLein und Prof. Dr. RüdigeR KRause, Universität Kassel,<br />

N. 1 a, 37213 Witzenhausen, Deutschland<br />

lohrlein@uni-kassel.de<br />

krauses-witz@t-online.de


158<br />

Markus Zehnder / Friedrich Weller:<br />

„Streuobstbau. Obstwiesen erleben<br />

und erhalten“ 160 Seiten, 125<br />

Farbfotos, 7 Tabellen Preis: EUR [D]<br />

34,90 / sFr 59,90 / EUR [A] 35,90,<br />

Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer, 2006,<br />

ISBN 3-8001-4690-8<br />

Den beiden Autoren ist es gelungen nach lucke<br />

1992 wieder ein Grundlagen-Werk zur Kulturlandschaft<br />

Streuobstwiese zu erstellen. Dabei<br />

ergänzen sich die Erfahrungen des Fachberaters<br />

mit den Erläuterungen des Wissenschaftlers. Auf<br />

anschauliche Art und Weise werden die Aspekte<br />

Lebensraum, Biodiversität, Pomologie etc. erläutert.<br />

Die hochwertigen Bilder erlauben einen Einblick<br />

in die vielfältigen Strukturen v. a. ins Land<br />

der Streuobstwiesen Baden-Württembergs.<br />

Nicht zu kurz kommen ausführliche Pflegeanleitungen<br />

zum Obstgehölzschnitt, der Nährstoffversorgung,<br />

der Pflanzengesundheit, der<br />

Bodenpflege und der Obstverarbeitung.<br />

Besondere Anregungen erfährt der Leser im<br />

Abschnitt „Urlaub unter Streuobstbäumen“, in<br />

dem nicht nur blühende Landschaften beschrieben<br />

sondern auch besondere Rezepte veröffentlicht<br />

werden. Mit diesem Buch wird jeder angesprochen,<br />

der sich für Naturschutz, <strong>Landwirtschaft</strong>,<br />

den Obstbau, inklusive der Sortenkunde<br />

interessiert. Ebenso berührt werden die Themen<br />

Landschaftsentwicklung, gesunde Ernährung<br />

und der Tourismus.<br />

Die Autoren sind der Ansicht, dass „die obstbauliche<br />

Betätigung eine Quelle tiefer innerer<br />

Befriedigung sein kann.“<br />

ThoMas lochMann, sTuTTgarT<br />

leingärTner: Besteuerung der Landwirte,<br />

Loseblatt.slg., München: Verlag<br />

C.H. Beck, 12. Ergänzungslieferung,<br />

Stand: September 2006, 270 S., 32,00 €,<br />

ISBN 978-3-406-54911-3<br />

Wie nicht anders zu erwarten, hat die Große Koalition<br />

die gesetzgeberische Ruhe auch auf dem<br />

Gebiet des Steuerrechts beendet und gleich nach<br />

Aufnahme ihrer Tätigkeit zahlreiche Steuergesetze<br />

auf den Weg gebracht und verabschiedet, so<br />

u. a das Gesetz zum Einstieg in ein steuerliches<br />

Sofortprogramm, das Gesetz zur Beschränkung<br />

Bücherschau<br />

der Verlustverrechnung im Zusammenhang<br />

mit Steuerstundungsmodellen, das Gesetz zur<br />

steuerlichen Förderung von Wachstum und Beschäftigung,<br />

das Gesetz zur Eindämmung missbräuchlicher<br />

Steuergestaltungen, das Haushaltsbegleitgesetz<br />

2006 und das Steueränderungsgesetz<br />

2007. Die damit verbundenen zahlreichen<br />

Änderungen sind von den Autoren in bewährter<br />

Weise eingearbeitet worden.<br />

Trotz allem hatten die Autoren dar<strong>über</strong><br />

hinaus noch Zeit für einige Gesamt<strong>über</strong>arbeitungen,<br />

wie z. B. die Kapitel „Grundlagen<br />

und Reform der Einkommensbesteuerung der<br />

Land- und Forstwirte“, „Einkünfte“ und „Sachlicher<br />

und persönlicher Anwendungsbereich der<br />

Durchschnittssätze“. Hervorzuheben ist schließlich<br />

die Erweiterung des Kommentars um die<br />

Kraftfahrzeugsteuer.<br />

Hinsichtlich der Kritik von kanZler an § 13a<br />

EStG in Kapitel 1 ist anzumerken, dass zwar der<br />

weit <strong>über</strong>wiegende Teil der Land- und Forstwirte<br />

den Gewinn nach Durchschnittswerten<br />

ermittelt. Jedoch vermittelt diese Gewinnermittlungsart<br />

entgegen dem Willen des Gesetzgebers<br />

kaum noch Vorteile. Dies wird dadurch<br />

manifestiert, dass die Gewinnermittlung nach<br />

Durchschnittssätzen für den Sektor <strong>Landwirtschaft</strong><br />

keine Subventionswirkung mehr entfaltet<br />

(vgl. 20. Subventionsbericht der Bundesregierung,<br />

BT-Drs. 16/1020). Einzelbetrieblich<br />

dürften hiervon im Wesentlichen nur noch Veredelungsbetriebe<br />

Vorteile ziehen. Insoweit kann<br />

die zielgenauere Ausgestaltung im Sinne einer<br />

maßvollen Begünstigung kleiner landwirtschaftlicher<br />

Betriebe, durch das Steuerentlastungsgesetz<br />

1999/2000/2002 als misslungen angesehen<br />

werden. Die Frage der Verfassungswidrigkeit<br />

des § 13a EStG wegen einer ungerechtfertigten<br />

Begünstigung einer bestimmten Berufgruppe<br />

stellt sich daher m. E. nicht (mehr). § 13a EStG<br />

kann daher auch die ihm zugedachte Vereinfachungsfunktion<br />

nur noch eingeschränkt erfüllen,<br />

wären doch viele Landwirte – aus betriebswirtschaftlichen<br />

Gründen – gut beraten, in eine andere<br />

Gewinnermittlungsform <strong>über</strong>zuwechseln.<br />

Die nächste Ergänzungslieferung dürfte nicht<br />

lange auf sich warten lassen. Hat der Gesetzgeber<br />

doch inzwischen weitere Steuergesetze wie<br />

das Jahresteuergesetz 2007 verabschiedet. Auch<br />

sind neue Gesetzesvorhaben bereits in der Beratung<br />

bzw. befinden sich in Vorbereitung, hier<br />

sind insbesondere die Reform der Erbschaftsteuer<br />

und der Unternehmensteuer zu nennen.<br />

riegler


KTBL-Datensammlung „Betriebsplanung<br />

<strong>Landwirtschaft</strong> 2006/07“ Daten für die<br />

Betriebsplanung in der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

2006, 20. Auflage, 672 S., 23,50 €,<br />

ISBN: 3-939371-07-6; Bestell.-Nr.<br />

19484, Bestelladresse: Kuratorium für<br />

Technik und Bauwesen in der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

e. V. (KTBL), Bartningstr. 49,<br />

64289 Darmstadt; (Tel.: 06151/7001-<br />

189, Fax: 06151/7001-123), Email:<br />

vertrieb@ktbl.de<br />

Die 20. Auflage des Standardwerkes bietet für<br />

das landwirtschaftliche Betriebsmanagement<br />

umfassende Informationen aus den Bereichen<br />

Pflanzenproduktion, Tierhaltung und Energiegewinnung.<br />

Mit den umfangreichen Daten und<br />

Zahlen sind sowohl komplexe Planungen wie<br />

auch <strong>über</strong>schlägige Betrachtungen möglich. Die<br />

vorgestellten Produktionsverfahren zeigen mit<br />

zahlreichen Beispielen klar und einfach wie Planung<br />

methodisch funktioniert.<br />

Für Betriebsplaner aus Praxis, Ausbildung,<br />

Beratung und Verwaltung ist das kompakte Werk<br />

eine zeitsparende und zuverlässige Informationsquelle.<br />

Neu: Bei den Leistungs- und Kostenrechnungen<br />

gibt es zusätzliche Kennzahlen. Direktkosten,<br />

Produktionskosten und Arbeitserledigungskosten<br />

ergänzen die bisherigen Kostenbegriffe.<br />

Zum Deckungsbeitrag werden als weitere<br />

Erfolgsgrößen die direktkostenfreie Leistung<br />

und die direkt- und arbeitserledigungskostenfreie<br />

Leistung ausgewiesen. Sie können unmittelbar<br />

als Entscheidungsgrundlage herangezogen<br />

werden.<br />

Das Kalkulationsprogramm auf der CD ermöglicht<br />

eine durchgängige Kalkulation von der<br />

einzelnen Maschine bis hin zu gesamten Produktionsverfahren<br />

der Außenwirtschaft. Dafür<br />

stehen neue Daten für Schlaggrößen, Ertragsniveaus<br />

und Böden mit mehr als 100 000 Arbeitsgängen<br />

zur Verfügung. Zusätzlich können Anschaffungs-,<br />

und Betriebsstoffpreise, Zinssätze,<br />

Stundenlöhne sowie der jährliche Maschineneinsatz<br />

individuell angepasst werden. Außerdem<br />

gibt es eine PDF-Datei mit <strong>über</strong> 220 Leistungs-<br />

Kostenrechnungen der Pflanzenproduktion.<br />

kTBl<br />

Bücherschau<br />

159<br />

KTBL-CD-ROM „BAUKOST Version 2.1“<br />

Investitionsbedarf und Jahreskosten<br />

landwirtschaftlicher Betriebsgebäude<br />

2006, CD-ROM, 28 €; Best.-Nr. 43015,<br />

Bestelladresse: Kuratorium für Technik<br />

und Bauwesen in der <strong>Landwirtschaft</strong><br />

e. V. (KTBL), Bartningstr. 49, 64289<br />

Darmstadt; (Tel.: 06151/7001-189,<br />

Fax: 06151/7001-123), Email: vertrieb@ktbl.de<br />

Die CD-ROM enthält 138 ausgesuchte Stallmodelle<br />

für Rinder, Pferde, Schweine und Geflügel,<br />

die mit Zeichnung, Baubeschreibung und<br />

Planungskennzahlen dokumentiert sind. Der<br />

zugehörige Investitionsbedarf wird für jedes<br />

Stallmodell insgesamt und auf den Tierplatz bezogen<br />

in unterschiedlichen Kostengliederungen<br />

ausgewiesen.<br />

Die vorgegebenen Werte können individuell<br />

angepasst werden. Dies reicht von der Änderung<br />

des Preisniveaus bis zur Anpassung der Mengen<br />

und Preise der einzelnen Bauelemente. Auch<br />

bei den Jahreskosten können Nutzungsdauer<br />

und Zinssatz nach Bedarf festgelegt werden. So<br />

können eigene Kalkulationen oder – bei fachgerechter<br />

Anwendung und qualifizierten Daten<br />

– ganz neue Modelle erzeugt werden.<br />

Besitzer der Vorversion 2.0 können sich<br />

<strong>über</strong> den Reiter „Updates“ in ihrem Programm<br />

die neuen Daten kostenlos herunterladen und<br />

installieren.<br />

Das ist neu in Version 2.1<br />

– 10 neue Stallmodelle für Milchvieh, davon<br />

4 mit Melkkarusell und 2 mit automatischen<br />

Melksystemen<br />

– 14 Stallmodelle für Milchvieh sind<br />

<strong>über</strong>arbeitet worden<br />

Anwendungsmöglichkeiten:<br />

– Verfahrensvergleiche auf einheitlicher<br />

Datenbasis<br />

– Berechnung der Jahreskosten mit variablen<br />

Größen wie Nutzungsdauer und Zinssatz<br />

– Anpassung des Preisstandes<br />

– Variationen der Bestandsgrößen (bei den<br />

meisten Modellen)<br />

– Erzeugung eigener Modelle<br />

Systemvoraussetzungen<br />

– Pentium 2-Prozessor oder höher, mind. 400<br />

MHz, mind. 128 MB Arbeitsspeicher und<br />

mind. 80 MB freier Festplattenspeicher.<br />

–<br />

Benutzerumgebung: Windows 98 oder neuer<br />

Internet Explorer 5 und höher bzw. Netscape<br />

Version 6 und höher.<br />

kTBl


160 Bücherschau<br />

KTBL-Heft „Laufflächen für Milchkühe“<br />

Ausführung und Sanierung<br />

2006, S. 56, 8 €, ISBN 3-939371-10-6<br />

(ab 01.01.2007: 978-3-939371-10-6);<br />

Best.-Nr. 40060, Bestelladresse: Kuratorium<br />

für Technik und Bauwesen in<br />

der <strong>Landwirtschaft</strong> e. V. (KTBL), Bartningstr.<br />

49, 64289 Darmstadt; (Tel.:<br />

06151/7001-189, Fax: 06151/7001-<br />

123), Email: vertrieb@ktbl.de<br />

Die Gestaltung der Laufflächen für Kühe hat wesentlichen<br />

Einfluss auf Schäden an Klauen und<br />

Gliedmaßen, das Wohlbefinden der Tiere und<br />

das Verletzungsrisiko. Da sich die Eigenschaften<br />

im Laufe der Zeit durch die Abnutzung zum Teil<br />

deutlich ändern ist eine objektive Beurteilung<br />

für Milchkuhhalter und Berater oft nur schwer<br />

möglich.<br />

Eine interdisziplinär zusammengesetzte Arbeitsgruppe<br />

des KTBL – mit Fachleuten vom<br />

Tierarzt <strong>über</strong> den Verfahrenstechniker bis zum<br />

Bauingenieur – hat sich daher des aktuellen Themas<br />

angenommen und die wichtigsten Informationen<br />

<strong>über</strong> Laufflächen in einem KTBL-Heft für<br />

die Praxis aufbereitet.<br />

Die Experten definieren für die Praxis neben<br />

den Bedürfnissen der Tiere u. a. die verfahrenstechnischen<br />

sowie rechtlichen Anforderungen<br />

an Laufflächen. Zudem werden die verschiedenen<br />

Ausführungsmöglichkeiten sowohl für<br />

Neubauten als auch für Sanierungsmaßnahmen<br />

einheitlich beschrieben und vergleichend bewertet.<br />

Richtwerte für die Nutzungsdauer und<br />

Kosten helfen zusätzlich bei der individuellen<br />

Bewertung.<br />

Diese Veröffentlichung unterstützt Milchkuhhalter<br />

und Berater bei ihrer Meinungsbildung<br />

und bietet fallbezogene Entscheidungshilfen<br />

sowohl beim Neubau als auch bei der<br />

Erneuerung von Laufflächen. Eine solche individuelle<br />

Beurteilung unter Berücksichtigung<br />

der verschiedenen Anforderungen ist besonders<br />

wichtig, gerade weil es die Ideallösung für alle<br />

Fälle nicht gibt.<br />

kTBl

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