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Eine unbemannte „Gina“ flog gen Österreich - Gemeinschaft JaboG 49

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<strong>Eine</strong> <strong>unbemannte</strong> <strong>„Gina“</strong> <strong>flog</strong> <strong>gen</strong> <strong>Österreich</strong>Erinnerun<strong>gen</strong> des Flugschülers Rolf BernsSo ähnlich musste der Au<strong>gen</strong>zeuge in der Luftseinen Fliegerkameraden nach dem Zusammenstoßerlebt haben.Mein Fluglehrer riss plötzlich seine <strong>„Gina“</strong>(Fiat G. 91 R.3) steil hoch, stieg senkrecht inden Himmel und fuhr gleichzeitig die Bremsklappenaus. Relativ dicht hinter ihm hatte ichalle Mühe meine Position zu halten. Obwohlich mich schon ein Jahr an der Waffenschuleder Luftwaffe 50 in der taktischen Ausbildungzum Aufklärer- und Jagdbomberflugzeugführerbefand, war mir so ein Manöver völligneu. Wir hatten gerade erst die Führungsposition(Lead) in der Formation gewechselt,nachdem ich im Rahmen einer Ausbildungsmissionzuvor ein Ziel im Schwarzwaldaufgeklärt und ein anderes angegriffen hatte.Im „Nacken“ immer mein Fluglehrer auchkurz IP für Instructor Pilot <strong>gen</strong>annt; so kurzvor unserem Flugplatz wollte er mir wohl eineAuszeit gönnen oder ganz einfach selber„leaden“, wie auch immer. Er hatte inzwischendas Tiefflugband in 500 Fuß, rund 150 Meter,verlassen und eine Höhe von über 10.000 Fuß(ca. 3.000 Meter) erreicht. Ich hing imGedanken immer noch dem abruptenManöver meines IPs nach, da hatte er schondie nächste Überraschung für mich bereit:„Schauen Sie mal nach oben, in 10 Uhr hängteiner am Fallschirm“. Tatsächlich, weißerFallschirm, rote Kombi, das mußte einer vonuns sein. Aus dem rechten Au<strong>gen</strong>winkel sahich eine <strong>„Gina“</strong>, wie ich sie vorher noch niegesehen hatte. Ich wußte auch gleich warum.Das „Dach“ fehlte und auch der Schleudersitz.Dieses „Cabriolet“ <strong>flog</strong> in 15.000 Fuß Höhe inRichtung Bayerische Landeshauptstadt. AlsMünchner war ich natürlich schlagartigbesorgt. Aber hatte keine Zeit mehr mirdarüber Gedanken zu machen. Denn mein IPbegann nun den Schirm zu umkreisen und ichwollte mich nicht abhän<strong>gen</strong> lassen. Gleichdarauf wechselten wir auf die Frequenz von„Donau Tower“, dem Kontrollturm desJagdgeschwaders 74 in Neuburg an derDonau. Hier beschrieb er kurz die Lage undbat um die Entsendung eines Rettungshubschraubers.Wir umkreisten weiter denSchirm, aber die rote Kombi bewegte sich keinStück. Unsere Sorge wuchs, wir wußten immernoch nicht in welchem Zustand der Pilot war.Es erschien mir eine Ewigkeit, bis der Schirmsich endlich dem Boden näherte. Je nachPerspektive hatte ich mal den Eindruck, erwürde in ein großes Waldgebiet fallen, dannwieder auf eine Wiese, dann auf einen Ackeroder einen einzeln stehenden großen Baumniedergehen. Endlich setzte er auf einemAcker auf. In der Nähe arbeitete ein Landwirt.Mit großer Erleichterung konnten wir erkennen,dass der Pilot seinen Schirm aufsammelteund der Bauer auf ihn zuging. MeinIP meldete die gute Nachricht umgehend an„Donau Tower“ und nach einer letztenPositionsangabe für den SAR-Hubi machtenwir uns schleunigst „vom Acker“, denn unserSprit wurde langsam immer knapper. Aber,„no sweat“, wie der gebildete Fliegerkosmopolitzu sa<strong>gen</strong> pflegt. Wir waren nachweni<strong>gen</strong> Minuten sicher in Fursty gelandet.Auf dem Rückweg zur Staffel kamen wir aneiner beschädigten <strong>„Gina“</strong> vorbei. Der Warterzählte uns, es habe eine Kollision in der Luftgegeben. Der linke Tank sah ganz schönzerfleddert aus und ich fragte mich, was wohlinzwischen aus dem „Cabrio“ geworden sei.Aber diese Geschichte kann der MeingastWalter wesentlich besser erzählen, denn erwar es, der in der roten Kombi am Schirmgehan<strong>gen</strong> war.


Der fol<strong>gen</strong>de Erlebnisbericht stammt vom UnglückspilotenNach einem technischen Defekt am Doppelsitzerwaren der Fluglehrer Walter Meingast und seinFlugschüler kurzfristig für einen Formationsflugmit zwei einsitzi<strong>gen</strong> Fiat G. 91 R.3 eingeplant.Ich mache also hier weiter, wo mein VorschreiberRolf Berns aufgehört hat. Am7. April 1971 sollte ich am Vormittag zuersteinen Instrumentenausbildungsflug mit derdoppelsitzi<strong>gen</strong> G. 91 T.3 durchführen. DerFlugschüler befand sich im Nachschulungsprogrammfür die G. 91. Als wir kurz vor derNummer 1 Position auf die Starfreigabe warteten,kam das Generatorwarnlicht an. DerDer UnglücksflugGenerator ließ sich nicht mehr „re-setten“.Deshalb mussten wir den Flug abbrechen undrollten zurück zum Abstellplatz. Ich erwähnediesen Vorgang nur, denn ohne diesenGeneratorausfall hätte sich der nachfol<strong>gen</strong>deUnfall nicht ereignet. Da kein Doppelsitzermehr flugklar gemeldet war, wurden wir beidege<strong>gen</strong> 12:00 Uhr zu einem Formationsflug derEinsitzervariante G. 91 R.3 eingeteilt. Beginnendum 12:30 Uhr wurde eine ausführliche,halbstündige Vorflugbesprechungdurchgeführt. Nach Erhalt der Flugzeugnummerngin<strong>gen</strong> wir ge<strong>gen</strong> 13:10 Uhr zu denFlugzeu<strong>gen</strong>. Nach dem Anlassen derTriebwerke rund zehn Minuten später, rolltenwir zum Start und führten vorher in derNummer 1 Position unseren „run-up“ durch.Nach der Freigabe durch den Kontrollturmstarteten wir, bedingt durch den Pistenzustand,einzeln auf der südlichen Startbahnhälfte.Während des Steigfluges wurde ein „re-join“durchführt. Anschließend stie<strong>gen</strong> wir auf ca.15.000 Fuß in Richtung Ingolstadt. Jetzt <strong>flog</strong>enwir die für einen solchen Übungsflug vorgesehenenManöver durch, und zwar: Positionswechsellinks und rechts, Geschwindigkeitsbremsenaus und ein, Kurven mit verschiedenenQuerla<strong>gen</strong>, Langsamflug mitausgefahrenem Fahrwerk und Landeklappen,Formation auflösen und durch „re-join“wieder herstellen. Zu diesem Zeitpunkt warenwir ca. 25 Minuten in der Luft. Jetzt gab ichüber Funk die Anweisung „stay loose“. Diessagte ich nicht, weil ich den Eindruck hatte,der Flugschüler sei überfordert - er zeigte bisdahin eine sehr gute Leistung, sondernroutinemäßig. Zu diesem Zeitpunkt <strong>flog</strong> derFlugschüler in der Art wie die taktischeNummer 4 in einer Viererformation. Jetztbegann ich eine Linkskurve mit einer Kurvenbelastungvon zwei bis drei G’s und rund 40Grad Schräglage und wechselte dabei dieHöhe zwischen etwa 12.000 und 15.000 Fuß.Ich rollte aus und startete das gleiche Manövernoch mal. Kurz darauf krachte es, ich verspürteeinen harten Schlag auf den Kopf beidem mir der Helm vom Kopf gerissen wurde,Glassplitter <strong>flog</strong>en in das Cockpit und ichwurde mit Treibstoff übergossen. Ich warbenommen und sah kurzfristig nichts mehr. Indiesem Moment wollte ich mit beiden Händennach dem Abzugsgriff des Schleudersitzesgreifen. Dies gelang mir jedoch nur mit derrechten Hand. Ich weiß nicht warum ich dielinke Hand nicht nach oben brachte. Richtigzur Besinnung kam ich erst wieder als ich amRettungsschirm hing und feststellte, dass ichnicht mehr allzu hoch über dem Erdbodenwar. Jetzt wollte ich die „after-bail-outprocedure= Maske, Weste, Feder, Kit“ durchführen.Die Maske war nicht mehr vorhanden(wahrscheinlich lag sie zusammen mit demHelm in Cockpit), Weste hatte ich nicht, dawir über Land mit dem Schultergurt <strong>flog</strong>en,die Feder konnte ich entfernen und das„survival-kit“ löste ich erst als sicher war, dassich nicht im Wald landen würde. Als ich nunetwas Zeit hatte, suchte ich am Boden meinFlugzeug, doch ich konnte nir<strong>gen</strong>ds einenAufschlagbrand entdecken. Unter mir sah ichzuerst eine Eisenbahnlinie und dann eineHochspannungsleitung und hoffte nicht daraufzu landen. Als ich sicher darüber hinweg war,sah ich einen kleinen Weiher und dachte mir:„Wenn du jetzt dahinein fällst, ertrinkst du.“Bei einem späteren Besuch der Absturzstelle,erzählte mir der Besitzer, dass ich mindestensbis zu den Knien im Morast des Fischweihers


stecken geblieben wäre. Die Landung erfolgtedann etwa 200 Meter von diesem Teichentfernt auf einem Acker. Nach dem Lösen desSchirmes stellte ich fest, dass nicht nur ichselbst bis auf die Haut nass war und ganzschön nach Treibstoff stank, sondern auch derSchirm, das survival-kit und alles was daranhing. Jetzt sah ich auf dem Feld nebenan einenLandwirt mit seinem Traktor. Als er mich inmeiner orangefarbenen Fliegerkombi, mit demSchirm und Kit unter dem Arm sah, fragte ermich sofort: “Wo kimmst denn du her?“ Ichsagte ihm, dass ich mit einem anderenFlugzeug zusammen gestoßen bin, worauf erfeststellte: „Gell, bist mit’m Starfightergfahr’n!“ Nach der Erklärung, dass ich nichtmit’m Starfighter gfahr’n sei, fragte ich ihn:„Wo bin ich denn hier?“ Bauer: „InSchillhofen!“ Ich wollte das etwas <strong>gen</strong>auerwissen, da ich Schillhofen damals noch nichtkannte und fragte: „Wo ist denn Schillhofen?“Bauer: „Bei Röhrmoos!“ Ich fragte: „Und woist Röhrmoos?“ Darauf zeigte der Bauer inRichtung Nordosten und sagte: „Da dreant (dadrüben)!“ (Röhrmoos liegt ca. 10 km nördlichvon Dachau an der Bahnstrecke München-Ingolstadt). Jetzt kam der Schwiegersohn, derauf dem Feld nebenan gearbeitet hatte undbrachte mich zu seinem Hof. Von hier aus riefich den Einsatzoffizier meiner Staffel an underfuhr, dass mich der Flugschüler gerammthatte, der bei der zweiten Kurve zurückfielund beim Wiederaufschließen über meinFlugzeug kam und mir mit dem Außentankdas Kabinendach einschlug, Dabei wurde derTank aufgerissen und der Treibstoff, esdürften zu diesem Zeitpunkt noch ca. 200Liter gewesen sein, kam zu mir ins Cockpit.Ein Hubschrauber der sich gerade in der Luftbefand, wurde umdirigiert und schon 15Minuten später war ich auf dem Weg zumFliegerhorst Fürstenfeldbruck.Die Nachwirkun<strong>gen</strong>Bei der Untersuchung durch den damali<strong>gen</strong>Leiter der Sanitätsstaffel (unser Fliegerarztwar nicht im Dienst) wurden fol<strong>gen</strong>de Verletzun<strong>gen</strong>festgestellt: <strong>Eine</strong> Beule am rechtenHinterkopf, der Kinnriemen hatte mir dieHaut am Hals und unter dem Kinn abgezo<strong>gen</strong>,im rechten Ohr war JP-4, es war angeschwollenund für mehrere Jahre nichteinsehbar und am rechten Oberarm hatte icheinen ca. drei Zentimeter lan<strong>gen</strong> Schnitt, dersehr lange brauchte um zu heilen. Außerdemhatte ich für ein paar Tage, bedingt durch denAusschussknall einen Dauerton von tausendHertz im rechten Ohr. Es gab allerdings nocheinen weiteren Verletzten: Der Stellvertreterdes Flugsicherheitsoffiziers wurde bei derSuche nach meinem Schleudersitz von einerKreuzotter gebissen. Doch auch dieser konntedurch das Fachpersonal im Sanitätsreviergerettet werden. Erst jetzt konnte ich unter dieDusche und wurde dann zum Kommodoregebracht. Hier rief der damalige Inspekteurder Luftwaffe an und wollte wissen wo dennmein Flugzeug sei. Ich konnte es ihm nichtsa<strong>gen</strong>, da es sich zu diesem Zeitpunkt noch inder Luft befand. Im Fol<strong>gen</strong>den kann ich nurdarüber schreiben, was ich durch Berichtebzw. durch Gespräche mit anderen Beteiligtenerfahren habe. Während mein Flugzeug alsoweiter in der Luft war, landete mein Rottenfliegerohne Probleme in Fursty. Da bei einemRettungsausschuss das IFF/SIF-System meinesFlugzeugs automatisch auf Notsignal schaltete,konnte das <strong>unbemannte</strong> Flugzeug durch dieRadarüberwachung <strong>gen</strong>au verfolgt werden. Es<strong>flog</strong> zuerst kurz in Richtung München, gingdann in einer Linkskurve auf Richtung Nord.Kurz vor Nürnberg drehte das Flugzeug nachrechts in Richtung Osten und dann nochweiter nach Südosten. Inzwischen wurde beimJagdgeschwader 74 in Neuburg an der Donaudie Alarmrotte mit zwei F-104 Starfighteralarmiert. Diese <strong>flog</strong> auch hinter dem führerlosenFlugzeug her, bekam aber keineAbschusserlaubnis und musste, als die G. 91 indie Grenzsicherheitszone zur damali<strong>gen</strong>Tschechoslowakei eindrang, abdrehen.<strong>Eine</strong> führerlose Fiat G. 91 R.3 der WaSLw 50 <strong>flog</strong>im April 1971 in den Luftraum von <strong>Österreich</strong> ein.


Bei späteren Gesprächen mit Piloten ausNeuburg stellte ich fest, dass damals jeder ausdem Jagdgeschwader hinter meiner <strong>„Gina“</strong>war. Die mussten also damals das ganze Geschwaderalarmiert haben. Na ja, bei Jägernkann man schon ein bisschen Jäger-Lateinerwarten. Die G. 91 behielt jetzt den Südostkursbei, kratzte die Grenze zur CSSR an und<strong>flog</strong> weiter nach <strong>Österreich</strong>. An diesem Nachmittagarbeitete ein Bauer auf seinem Feld inBiberbach, einem kleinen Dorf zwischen Linzund Amstetten. Er war es, der das Ende der G.91 miterlebte. Merkwürdige Duplizität derEreignisse: Nicht weit von Röhrmoos gibt esebenfalls ein Biberbach und es war wieder einauf dem Feld arbeitender Bauer, der dieFol<strong>gen</strong> des Zusammenstosses miterlebte. Ersah das Flugzeug ge<strong>gen</strong> 15:30 Uhr auf sich zukommen und beobachtete wie die Maschineauf dem Acker seines Nachbarn abstürzte undin der sehr weichen Erde verschwand. DerNachbar stellte später Schadenersatzansprüchein Höhe von 30.000 Schilling, wobeider größere Schaden allerdings nicht durchdas abgestürzte Flugzeug, sondern durch denMassenansturm niederösterreichischer „Zaungäste“verursacht wurde. Die Luftwaffeschickte schon zwei Tage später ein Bergungskommando,unter der Leitung unseres Flugsicherheitsstabsoffiziersnach <strong>Österreich</strong>. Umpolitische Komplikationen zu vermeiden,musste sich dieses Kommando als Schrottfirmaausgeben, da <strong>Österreich</strong> zu diesemZeitpunkt noch strikt neutral war. Man suchtebis zu einer Tiefe von ungefähr 15 Meternnach dem Flugzeug, fand aber nur ein paarkleine Trümmer. Deshalb entschied man sich,das Loch zu zuschütten und den Rest der G. 91in der Erde zu lassen. Die Regierung in Wienerwog einen Einfuhrzoll für das Flugzeug zuerheben, da sie der Meinung war, dass meineFiat G.91 R.3 bei Überschreitung der österreichischenGrenze noch voll funktionsfähigwar und deshalb den vollen Wert darstellte.Dies wurde aber später nicht weiter verfolgt.(Auf diese Forderung bezieht sich auch einSatz im beilie<strong>gen</strong>den Brief einer <strong>Österreich</strong>erin).◄ Der damalige Leutnant Walter Meingastnach der Landung mit dem Rettungsfallschirmseines Schleudersitzes in der Nähevon Schillhofen, nördlich von Dachau.Text: Rolf Berns und Walter Meingast,Fotos: BMVg, Meingast und RemmersAnmerkung: Als Anlage ist der Brief einer<strong>Österreich</strong>erin angehängt, die sich ge<strong>gen</strong>überLeutnant Walter Meingast zumAbsturz der Fiat G. 91 äußert.



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