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Geschäftsbericht 2012 - Stiftung Nord-Süd-Brücken

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Seismographen für gesellschaftliche Schieflagenonen – gerade in sogenannten fragilen und von Krisen undKonflikten betroffenen Staaten – erfolgreich dabei sind, inNot geratene oder an den Rand gedrängte Menschen zuunterstützen, sollte ihr „Ersatzhandeln“ nicht zum Dauerzustandwerden. Weil sich die Arbeit privater Hilfsorganisationenim Ausland häufig nur auf klar definierte benachteiligteGruppen, beispielsweise Kleinbauern, Frauen oder Kinder,konzentriert, muss der Staat mit in die Verantwortung genommenwerden: Nur dann kann sichergestellt werden, dassalle Bürger eines Landes ihren Rechtsanspruch auf bestimmteLeistungen wie Bildung oder Gesundheit dauerhaft wahrnehmenkönnen und dafür die entsprechende Infrastrukturaufgebaut wird.Zivilgesellschaft übernimmt mitunter auch Funktionen, dievom Staat nicht übernommen werden können oder zu denenStaaten aufgrund ihrer instabilen Strukturen nicht in der Lagesind. Allerdings gilt es, komparative Vorteile zu nutzen unddie eigene Rolle diesbezüglich immer wieder zu justieren.Nichtregierungsorganisationen können gerade dort agieren,wo staatliche Entwicklungszusammenarbeit an diplomatischeRichtlinien gebunden ist. Sie sind nicht auf außenpolitischeoder außenwirtschaftliche Vorgaben verpflichtet undgenießen Ansehen und Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung.In der Regel sind ihre Partner in den Entwicklungsländerngemeinwohlorientierter als die Regierungen. Zudem ist dieWahrscheinlichkeit höher, dass Unterstützung tatsächlicharme und benachteiligte Menschen erreicht. NRO sind meistbesser als der Staat in der Lage, die Eigeninitiative und dieInteressenvertretungsmacht armer oder unterprivilegierterBevölkerungsgruppen zu stärken. Außerdem sind sie in derLage, freiwilliges und ehrenamtliches Engagement zu generierenund soziale Bewegungen zu mobilisieren. Sie könnenan das Werteempfinden und Empörungspotenzial von Menschenappellieren.Verhältnis zum Staat kritisch reflektierenIn der Entwicklungspolitik vieler Geberländer – so auch inDeutschland – spielen zivilgesellschaftliche Organisationeneine wichtige Rolle. Allerdings müssen sie aufpassen, dasssie sich nicht zu stark oder ausschließlich in der Rolle einessozialen Dienstleisters und damit Umsetzers staatlicher Mittelwiederfinden. Dies gilt umso mehr, als das Bundesministeriumfür wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungmit der Reform der staatlichen Vorfeldorganisationen eineStrukturveränderung vollzogen und durch eine Reihe andererMaßnahmen die Entwicklungszusammenarbeit weiterverstaatlicht hat. Dazu zählt auch die vollständig staatlicheTrägerschaft bei Engagement Global.Akteure der Zivilgesellschaft müssen auch in Zukunft grundsätzlichdie Möglichkeit haben, eigene Themen und Maßnahmenohne politische Auflagen zu bestimmen und umzusetzen,auch wenn sie hierfür staatliche Mittel erhalten. Im Laufder Jahre sind sie Kooperationen und damit auch Verpflichtungengegenüber Partnern im <strong>Süd</strong>en eingegangen, habeneigene Schwerpunkte gesetzt und oft spezifische Methodenentwickelt. Wird dies in Frage gestellt, leidet ihre Unabhängigkeitdarunter – und damit ein auch in den Augen der Bevölkerungbesonders hohes Gut.Es ist zweifellos für uns als Teil der Zivilgesellschaft wichtig,unser Verhältnis zum Staat, zu unserer eigenen Regierungkritisch zu reflektieren und bei Bedarf aufzuschreien oderuns an die eigene Nase zu fassen und ggfs. das Verhältnisneu zu justieren. Mindestens ebenso wichtig aber ist es, aufunsere Kernaufgaben zu schauen und uns selbstkritisch zufragen: Machen wir den Job, für den wir, für den unsere jeweiligeOrganisation mandatiert ist, machen wir diesen Jobgut? Schaffen wir es, im „magischen Dreieck“ der Entwicklungszusammenarbeit– Solidarität, Selbsterhaltungstriebund Eigenverantwortung – der Übernahme der Eigenverantwortungdurch unsere Programm- oder Projektpartner eineklare Priorität einzuräumen? Oder macht uns unsere eigeneRegierung den Job unnötig schwer?Zivilgesellschaft kann und darf nicht von „oben“ geführtwerden, weder in die Mitte der Gesellschaft noch in die Nähezu Auslandseinsätzen der Bundeswehr oder wo auch immerhin. Wer das versucht, demonstriert ein wenig freiheitlichesDemokratieverständnis. Und das unabhängig davon, ob ernun Schlabberpullis, Designer-Sakkos oder Fallschirmjägermützenträgt.Ulrich Postist Vorstandsvorsitzender von VENRO und leitet den ArbeitsbereichPolitik und Außenbeziehungen bei der Welthungerhilfe in Bonn.Nach dem Studium der Politischen Wissenschaften und Volkswirtschaftslehrearbeitete er lange Zeit im entwicklungspolitischen Journalismus,u.a. auch als Leiter der Kommunikationsabteilung desChristenrats von Lesotho für „Dienste in Übersee“ sowie als Geschäftsführervon Germanwatch in Bonn.33

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