Sozialraumverankerte Schulsozialarbeit
Sozialraumverankerte Schulsozialarbeit
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<strong>Sozialraumverankerte</strong> <strong>Schulsozialarbeit</strong><br />
Einleitung<br />
<strong>Schulsozialarbeit</strong> als historisch jüngste und intensivste<br />
Form der Kooperation von Jugendhilfe und<br />
Schule ist inzwischen zu einem wichtigen Bestandteil<br />
einer modernen Jugendhilfe geworden. Die intensive<br />
Entwicklung und Ausdifferenzierung von<br />
schulbezogenen Angeboten der Jugendhilfe hat<br />
unter anderem ihre Ursache darin, dass in den letzten<br />
Jahren in vielen Bundesländern Programme der<br />
Jugendförderung verstärkt auf den Kooperationsbereich<br />
von Jugendhilfe und Schule ausgerichtet wurden<br />
(vgl. Hartnuß/Maykus 2000: 325); in Baden-<br />
Württemberg spiegelt sich dies im Landesprogramm<br />
„Jugendsozialarbeit an Schulen“, das aktuell von<br />
unserer Forschungsgruppe wissenschaftlich begleitet<br />
und evaluiert wird.<br />
Die Vielfältigkeit von Praxisansätzen in der Kooperation<br />
von Jugendhilfe und Schule sowie die teilweise<br />
sehr unterschiedlichen Bezeichnungen: <strong>Schulsozialarbeit</strong>;<br />
Jugendsozialarbeit an Schulen; Sozialarbeit<br />
an Hauptschulen erfordern eine sachliche und<br />
begriffliche Klärung: Wir verstehen unter ‚<strong>Schulsozialarbeit</strong>‘<br />
nicht die ganze Breite an schulbezogenen<br />
Kooperationsformen der Jugendhilfe, sondern reservieren<br />
diesen Begriff für eine Arbeitsform, die, langfristig<br />
vereinbart und mit sozialpädagogisch qualifizierten<br />
Fachkräften durchgeführt, direkt in Schulen<br />
oder zentral auf Schule bezogen stattfindet<br />
(Rademacker 1996: 217). Begrifflich bleiben wir beim<br />
Terminus <strong>Schulsozialarbeit</strong>, der zwischenzeitlich<br />
bundesweit eingeführt ist.<br />
Mit dem Ausbau von „schulbezogenen Jugendhilfen“<br />
(Bettmer/Prüß 2001: 1537), insbesondere auch<br />
von <strong>Schulsozialarbeit</strong>, reagieren die beiden Erziehungsinstitutionen<br />
Jugendhilfe und Schule auf mehrere<br />
Veränderungen:<br />
• auf die mangelnde Verzahnung der beiden pädagogischen<br />
Systeme Jugendhilfe und Schule, die<br />
doch in den Schülerinnen und Schülern gemeinsame<br />
Adressaten haben, zu denen sie sich weniger<br />
denn je segmentiert verhalten können;<br />
• auf strukturelle wie fachliche Defizite in der Schulentwicklung,<br />
insbesondere auf den wachsenden<br />
Problemdruck an den allgemeinbildenden Schulen<br />
(vor allem der Sekundarstufe I), was Schulen<br />
zunehmend Kompetenzen der Jugendhilfe nachfragen<br />
lässt;<br />
• auf Modernisierungsnotwendigkeiten in der Jugendhilfe,<br />
die den Zugang zum ‚Normalort‘ Schule<br />
braucht und nicht zuletzt<br />
• auf spezifische Veränderungen in den Lebenslagen<br />
junger Menschen, auf sich ausdifferenzierende<br />
Formen ihrer sozialen Belastungen wie<br />
ihrem Anspruch auf ein gelingendes Heranwachsen<br />
(vgl. Bolay/Thiersch 1999).<br />
<strong>Schulsozialarbeit</strong> hat dabei zum Ziel, den lebensweltlichen<br />
Eigen-Sinn der Heranwachsenden ernst<br />
zu nehmen, seine verdeckten Bedeutungen und Potentiale<br />
zu entschlüsseln, sie aufzugreifen als produktive<br />
Ausgangsbasis für Begleitung, Hilfen, Unterstützung<br />
und Veränderung in schulbezogenen Kontexten.<br />
Es geht darum, Konflikte, die sich in der spezifischen<br />
Lebenssituation von Jugendlichen in der<br />
Schule zeigen, „nicht so sehr als Abweichung, sondern<br />
als gesellschaftliches Material“ zu verstehen,<br />
das „daher auch nach Möglichkeit nicht nur eliminiert<br />
beziehungsweise individualisiert werden“<br />
(Frommann 1984: 877), sondern in produktive Lernund<br />
Bildungsprozesse transformiert werden sollte.<br />
Der Gegenstandsbezug einer lebensweltorientierten<br />
<strong>Schulsozialarbeit</strong> besteht also in der Begleitung,<br />
Unterstützung, Anregung, Beratung und Förderung<br />
von Schüler/innen. Wenn die Kooperation von Jugendhilfe<br />
und Schule via <strong>Schulsozialarbeit</strong> zielbestimmt<br />
und konzeptionell gesichert von der spezifisch<br />
schulisch vermittelten Lebenslage der Schüler/<br />
innen ausgeht (vgl. Oelerich 1996), dann kann sie in<br />
der Entfaltung ihres Potentials über die Arbeit mit<br />
den Schülerinnen und Schülern hinaus zugleich<br />
einen wichtigen Beitrag leisten in den Prozessen der<br />
Schulentwicklung und in der Weiterentwicklung<br />
einer modernen Jugendhilfe.<br />
Obwohl <strong>Schulsozialarbeit</strong> in der Praxis unstrittig zu<br />
einem ‚Erfolgsmodell‘ wurde, weist sie erst in Ansätzen<br />
ein theoretisch fundiertes Profil auf (vgl.<br />
Homfeldt/Schulze-Krüdener 2001: 17; Bettmer u. a.<br />
2002: 12 ff.) und ist bislang empirisch nur in Ansätzen<br />
erforscht. Mit dieser Veröffentlichung, die die<br />
Ergebnisse eines Praxisforschungsprojekts im Auftrag<br />
des Jugendamts Stuttgart (1999 bis 2001) aufgreift,<br />
wollen wir zur praktischen, empirischen wie<br />
auch theoretischen Fundierung einer lebensweltorientierten<br />
<strong>Schulsozialarbeit</strong> beitragen, indem wir<br />
die Potentiale einer sozialraumverankerten <strong>Schulsozialarbeit</strong><br />
rekonstruieren und zur Diskussion stellen.<br />
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