Aktuelles<strong>Bau</strong>analyseBHKS Produkte266FachbeiträgeRechtArchitekturBlick auf die AußenfassadeIm Gebäudeinneren wurde auf kräftige Farbakzente gesetzt: rot und gelb in denTreppenhäusern, orange – wie im Bild zu sehen – in den UmläufenGeschichteAnfang der 90er Jahre wurde im Dortmunder Technologiepark daserste Gebäude des Mikrostrukturzentrums für die Firma BoehringerIngelheim microParts GmbH errichtet. Erweiterungsgebäude für Entwicklungund Produktion folgten. Die jüngste Ergänzung des bestehendenKomplexes ist die so genannte Zerstäuberfabrik.Hier werden mikrostrukturierte Medizinprodukte zur Behandlungvon Atemwegserkrankungen hergestellt. Die Produktion findet aufeiner Fläche von 3596 m 2 unter Reinraumbedingungen statt, und daszum Teil auf schwingungstechnisch entkoppelten Flächen. Sauberkeitund Reinheit nach US-FDA-Standard genießen hier und im übrigenGebäude oberste Priorität.NutzungUm die bereits existierenden, kostenintensiven Reinräume und Spezialausrüstungensynergetisch nutzen zu können, wurde eine direkteräumliche Anbindung der neuen Produktionsflächen an die bereitsbestehenden Fertigungsbereiche geschaffen.Die wesentlichen Gebäudebereiche bilden die Produktionsflächenmit den Reinräumen, der Logistikbereich mit einem zweigassigenHochregallager und die äußerst aufwendige Gebäudetechnik. Wiebereits die Bestandsgebäude ist auch die Zerstäuberfabrik komplettauf die speziellen funktionalen Anforderungen des Nutzers zugeschnitten.Um bei nahezu ungestörtem Produktionsbetrieb späternoch zwei weitere, vergleichbare Module anbauen zu können, wurdedas Gebäude in einer modularen <strong>Bau</strong>weise konzipiert. Mit Aufnahmeder Produktion in der Zerstäuberfabrik sind auf 11 830 m 2 Fläche etwa150 neue Arbeitsplätze entstanden.Kenndaten<strong>Bau</strong>kosten: ca. 29,2 Mio. € brutto (ohne Produktionsmaschinen)<strong>Bau</strong>zeit: November 2006 bis Mai 2008Fläche Produktionsgebäude und Lager: 11 960 m 2Reinraumfläche: 3596 m 2Bruttogeschossfläche: 11 830 m 2 + 13 090 m 2 (Modul 3, geplant)Bruttorauminhalt: 68 400m 3ArchitekturDas Gebäude für die Produktionslinie besteht aus einem trapezförmigen<strong>Bau</strong>körper mit einer Länge von ca. 90 m und einer mittlerenBreite von ca. 40 m. In das Gebäude eingebunden ist ein Hochregallager,das zur Hälfte in den <strong>Bau</strong>grund versenkt ist. Südlich und nördlichsind Parkplatzflächen entstanden, die mit einer Umfahrung auf derWestseite des Gebäudes miteinander verbunden sind. Diese Umfahrtdient auch als Zufahrt für den Anlieferungs- und Wirtschaftshof. Der<strong>Bau</strong>körper liegt im Norden ebenerdig und dringt mit ansteigender Topographienach Süden bis auf eine Tiefe von bis zu 13 m (Hochregallager)in den <strong>Bau</strong>grund ein, der hier durch einen permanenten Verbaugesichert wird. Das Gebäude ist als Stahlbetonskelett mit wechselndemStützenraster und Flachdecken angelegt. Für alle horizontalenFlächen wurden für die Toleranzen erhöhte Anforderungen gestellt.Die Innenwände des untersten Geschosses sowie die Außenwändewurden, wie die Treppenhauskerne, in Ortbeton ausgeführt. Die Treppenläufehingegen als Fertigteile. Die Raumteilungen im 1. und 2. OGsowie im Zwischengeschoss erfolgten weitgehend nicht im Massivbau.Hier wurden nur die <strong>Technik</strong>schächte, die Treppenhauskerne sowiewenige aussteifende Wände in Ortbeton ausgeführt.Das Gebäude wurde viergeschossig errichtet: Im ebenerdigen „Untergeschoss“,der Ebene 1, befinden sich der Warenumschlag sowie dieerforderlichen Personaleingänge, <strong>Technik</strong>flächen und Werkstätten.Unmittelbar dahinter liegt der Zugang zum 13 m tief gegründetenHochregallager. Auf gleicher Höhe mit dem Bestandsgebäude liegtauf der Ebene 2 der hochsensible Spritzguss-Bereich, die hierzu erforderlichenSchleusen und Nebenräume sowie Büroräume. Auf der Ebene3 sind die Bereiche Montage sowie die zugehörigen FunktionenEntpackung, Verpackung und Tray-Reinigung untergebracht. Dasges<strong>am</strong>te darüberliegende Geschoss nimmt die technische Ver- undEntsorgung des Gebäudes auf. Das <strong>Technik</strong>geschoss mit einer Abmessungvon ca. 54 m x 35 m besteht aus einer Stahlkonstruktion miteinem Dach aus Stahltrapezblech mit Querpfetten. Diese auf einemdurchgehenden Stahlbetonsockel stehende Konstruktion wird durchvertikale und horizontale Verbände ausgesteift.Die Anordnung der <strong>Bau</strong>körper spiegelt die Funktionen im Inneren wider.Die klare, technisch geprägte Architektur mit farblich abgesetzterGliederung und der Höhenstaffelung der Blechkassettenfassadeorientiert sich an den bereits bestehenden Fertigungsgebäuden. Derverglaste Reinraum-Umgang schafft Blickbeziehungen zwischen denhochsensiblen Produktionsbereichen und der Außenwelt.Um die bereits existierenden, kostenintensiven Reinräume und Spezialausrüstungensynergetisch nutzen zu können, ist eine direkte34 www.tab.de
Hohlraumdecken nach dem „Bubble“-PrinzipBlick aus der <strong>Bau</strong>grube des „Tiefregallagers“Blick in die <strong>Bau</strong>grube des „Tiefregallagers“Das fertige „Tiefregallager“Das „Tiefregallager“13 m tief in die Erde wurde das insges<strong>am</strong>t 30 m hohe Regallager gebaut. Mit eineraufwendigen <strong>Bau</strong>grubensicherung als Permanentverbau konnte das Volumen fürdas Tiefregal sicher freigebaggert werden. So war es möglich, dass das zweigassige„Hochregallager“ mit dem Bestandsgebäude oben auf gleichem Niveau abschließt.In dem so vom „Hochregal-“ zum „Tiefregallager“ gewordenen Gebäudeverbindet ein voll automatisiertes vertikales Reinraumlager über eine Höhe von22 m vier Geschosse innerhalb des Produktionsbereichs als Zwischenpuffer.räumliche Anbindung der neu zu schaffenden Produktionsflächen andie bereits bestehenden Fertigungsbereiche geschaffen worden.Eine aufwendige Gründung war für die ges<strong>am</strong>te Fabrik erforderlich.Die Anforderung an Freiräume mit wenigen Stützen in den Produktionshallenmachten Decken mit großen Spannweiten erforderlich.Diese wurden mit dem Einsatz von Hohlraumdecken nach dem „Bubble“-Prinziperzielt.In Anlehnung an die hochsensiblen Produktionsbedingungen derMikrostrukturtechnik und der dennoch stark automatisierten undmarktbezogenen Produktionsabläufe wurde der Begriff „Die WeißeFabrik“ geprägt, ein Begriff, der nicht nur auf die Reinheit der Produktionsgebäudesondern auch auf die Klarheit und Farbigkeit des GebäudeentwurfsBezug nimmt.So mikrostrukturiert die Fertigung und die Produkte auch sind, sogroßzügig und klar stellt sich der Einsatz von Glas und Blech in derGebäudehaut dar. Die großen Glasflächen werden durch die reduzierteFarbgebung nach außen unterstützt, bei der sich: weiß undanthrazit in Flächen und Fassadenrastern sowie in der <strong>Technik</strong>ebenewiederholen.Im Innern hingegen sind kräftige Farbakzente gesetzt: rot und gelbin den Treppenhäusern, orange in den Umläufen. Auch in den Reinräumekontrastiert intensives gelb in den glänzenden Bodenflächenmit weißen vertikalen Flächen und den Decken – arbeitsphysiologischnicht zu unterschätzen.Auffällig sind die vier wesentlichen Elemente des Gebäudes: die Nordfassade,die sich in ihrer baulichen Anordnung wie ein einziges großesFenster versteht, der langgezogene <strong>Bau</strong>körper der Produktionsflächen,an drei Seiten mit umlaufenden Fensterbändern horizontal gegliedert,das nur zur Hälfte aus dem Erdboden reichende Hochregallagerund die abgesetzte <strong>Technik</strong>ebene.Die Horizontale ist eine wesentliche Aussage des Entwurfs der Anlage.Nicht zuletzt durch die erforderliche Anbindung an den vorhandenenBestand wurde die Gebäudehöhe beschränkt. Horizontal ausgelegtsind die weißen Fassadenelemente, unterstrichen durch die transparentenUmläufe, die das Tageslicht bis in die Reinräume der Produktiongelangen lassen. Selbst das „tiefer gelegte“ Hochregallager, dasnur zur Hälfte aus dem Erdboden ragt, unterstreicht diesen Aspekt.Der eigentlich „Tiefregallager“ zu nennende 30 m hohe Warenturmwurde zur Hälfte in die Erde versenkt. Die ungewöhnliche Planungwurde erforderlich, weil die <strong>Bau</strong>höhen der angrenzenden Bestandsgebäudeaufgenommen werden mussten.www.tab.de 35