uni'kon: 31, Ewig jung? - KOPS - Universität Konstanz
uni'kon: 31, Ewig jung? - KOPS - Universität Konstanz
uni'kon: 31, Ewig jung? - KOPS - Universität Konstanz
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Studis schreiben<br />
Tag der MaTheMaTiK 2008 \\<br />
zumindest so, dass man das Thema in einen groben<br />
Zusammenhang einordnen kann. Dem Mathematikstu-<br />
denten bleibt oft nichts anderes übrig, als geheimnisvoll<br />
zu lächeln. Oder zu sagen, dass es bei ihm um die Frage<br />
geht, ob ein rationales Polynom eine Summe von Quadra-<br />
ten im rationalen Polynomring ist, wenn es eine Summe<br />
von Quadraten im reellen Polynomring ist. Auf die Gefahr<br />
hin, nur ein verständnisloses „Aha“ zu ernten.<br />
Mathematik hat also nichts mit der Realität zu tun und<br />
bleibt nur wenigen auserwählten Verrückten überlassen?<br />
Um diesem Bild etwas entgegenzuwirken, veranstaltete<br />
der Fachbereich Mathematik und Statistik der <strong>Universität</strong><br />
<strong>Konstanz</strong> im Rahmen des „Jahres der Mathematik“ unter<br />
anderem eine Vortragsreihe, in der dem „interessierten<br />
Laien“ nicht nur die ungewöhnliche Nützlichkeit der Ma-<br />
thematik, sondern auch teils erstaunliche Verbindungen<br />
der Wissenschaft von Zahlen und Strukturen zu anderen<br />
Bereichen aufgezeigt werden. Wer hätte zum Beispiel<br />
gedacht, dass Mathematik etwas mit Kunst zu tun hat?<br />
Der Vortrag Ende April, der sich genau mit diesem Thema<br />
beschäftigte, hat die zahlreiche Hörerschaft dermaßen<br />
fasziniert, dass mancher Nichtmathematiker sich getraut<br />
hat, Fragen zum mathematischen Hintergrund zu stellen,<br />
um den Zusammenhang besser zu verstehen. Plötzlich<br />
war Mathematik nicht mehr langweilig.<br />
Vielleicht könnte sich die Leserin oder der Leser dieses<br />
Artikels nächstes Mal, wenn sie oder er eine E-Mail ver-<br />
schickt oder Geld von einem Automaten abhebt, kurz klar<br />
werden, dass diese simplen Tätigkeiten nicht möglich<br />
wären ohne die Wissenschaft, die er schon in der Schule<br />
verabscheut hat. Mathematik ist nicht immer sichtbar im<br />
Vordergrund, aber sie ist immer präsent.<br />
Das Bundesgymnasium Feldkirch (Bild) stand<br />
beim Tag der Mathematik 2008 auf dem<br />
Siegertreppchen. Den zweiten Platz errangen<br />
Schülerinnen und Schüler des Salem College<br />
Spetzgart in Überlingen. Dritter wurde das<br />
Graf-Zeppelin-Gymnasium in Friedrichshafen.<br />
Beim Eintelwettbewerb konnte sich Julian<br />
Müller vom Leibniz-Gymnasium Rottweil ganz<br />
vorne behaupten. Waltraud Lederle vom<br />
Bundesgymnasium in Feldkirch platzierte sich als<br />
Zweite, während Yilun Chen vom Salem College<br />
Spetzgart den dritten Platz erreichte.<br />
uni´kon <strong>31</strong> 08<br />
Und was ist mit dem „typischen“ Mathematiker? Ich muss<br />
ja zugeben, dass ich viele kenne, denen es sogar Spaß<br />
macht, das Bild des unverstandenen Freaks bei ihren<br />
nichtmathematischen Kollegen aufrechtzuerhalten. Sie<br />
sagen „hinreichend viel“ anstelle von „genügend“, halten<br />
„Epsilon kleiner Null“ für den besten Witz der Welt und<br />
können sich selbst bei Partys nicht zurückhalten und<br />
diskutieren heftigst über ein mathematisches Problem,<br />
das die anderen nur gähnen lässt. Auf der anderen Seite<br />
spielen sie ausgezeichnet Klavier, laufen Marathon, sind<br />
leidenschaftliche Köche oder sind rhetorisch ungewöhn-<br />
lich begabt. Der durchschnittliche Mathematiker ist also<br />
genauso wenig ein seltsamer Freak mit dicker Brille, der<br />
in seinem Kämmerlein allein über einem mathematischen<br />
Problem brütet, wie der durchschnittliche Jurist ein<br />
rosa Polohemd trägt oder der durchschnittliche Physiker<br />
ein männlicher Karohemd- und Hochwasserhosenträger<br />
ist. Das einzige, was ihn vielleicht von dem Rest der<br />
Welt unterscheidet, ist, dass er mit dem Namen Leibniz<br />
ein bisschen mehr als bloß den Keks - „nur echt mit 52<br />
Zähnen“ - verbindet, und dass für ihn die Mathematik<br />
nicht ein langweiliges Hantieren mit Zahlen bedeutet,<br />
sondern von Präzision und außergewöhnlicher Schönheit<br />
erfüllt ist.<br />
Nadeschda Betz