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Aus den Annalen des Gerichtsmediziners Richard Kockel

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laufen und in Brand gerathen und hat die im Keller und theils noch<br />

auf der Kellertreppe liegen<strong>den</strong> Kisten, Holzwolle, Celluloidabfälle in<br />

Brand gesetzt. Lasalle hatte die Geistesgegenwart, vom Keller bis nach<br />

dem ersten Obergeschoß zu laufen, dort im Comptoir vom Brande<br />

Mittheilung zu machen und dann vom Feuermelder Sternwartenstraße<br />

32 der Feuerwehr ›Großfeuer‹ zu mel<strong>den</strong>. Brandwun<strong>den</strong> hat derselbe<br />

nicht erhalten.«<br />

Die sechs Personen, die unmittelbar nach dem <strong>Aus</strong>brechen <strong>des</strong><br />

Feuers durch <strong>den</strong> Lehrling noch gewarnt wor<strong>den</strong> waren, mußten, so<br />

schreibt <strong>Kockel</strong> in seiner Publikation, »mit aussergewöhnlicher<br />

Schnelligkeit <strong>den</strong> Brandgasen erlegen sein; <strong>den</strong>n das einzige Fenster<br />

<strong>des</strong> Contorraumes war verschlossen, auch hatte niemand Hilferufe<br />

gehört, obwohl die Brandstätte mitten in einer äusserst dicht bevölkerten,<br />

sehr belebten engen Strasse sich befand«.<br />

Über die Art der bei der Verbrennung von Zelluloid entstehen<strong>den</strong><br />

Gase hat <strong>Kockel</strong> mit Unterstützung <strong>des</strong> hygienischen Instituts – das<br />

übrigens von seinem Schwiegervater Prof. Dr. Franz Hofmann (1843-<br />

1920) geleitet wurde – Tierversuche angestellt. Opfer dieser Versuche<br />

waren Kaninchen, die durch Zelluloid-Brandgase vergiftet wur<strong>den</strong>.<br />

Ergebnis dieser Versuche war die Erkenntnis, daß bei der Verbrennung<br />

dieses Kunststoffes zwar auch Kohlenmonoxid (und, wie heute<br />

bekannt ist, auch andere giftige Gase wie Stickoxide) entsteht, daß<br />

aber die bei der Brandkatastrophe in der Webergasse verstorbenen<br />

Menschen – und natürlich auch die in Tierversuchen geopferten<br />

Kaninchen – in erster Linie einer sehr rasch eingetretenen Blausäure-<br />

Vergiftung erlegen waren. »Es ist somit erklärt, warum nicht einer der<br />

sechs in dem Contor aufhältlich gewesenen Menschen im Stande war,<br />

auch nur das Fenster <strong>des</strong> Zimmers zu öffnen und um Hülfe zu rufen«,<br />

schreibt <strong>Kockel</strong> in seiner Arbeit.<br />

<strong>Aus</strong> der Untersuchung der Brandopfer und aus <strong>den</strong> Experimenten<br />

sollten »allgemeinere Consequenzen« gezogen wer<strong>den</strong>. Diese berührten<br />

in erster Linie das Gebiet der Gewerbepolizei: In Zukunft sollten<br />

»Fabriken von Celluloidwaaren nicht mehr in nächster Nähe bewohnter<br />

Gebäude oder in Grundstücken geduldet wer<strong>den</strong>«, es müßten<br />

besondere Brandschutzvorschriften gelten und Möglichkeiten zu<br />

raschester Flucht bei Brän<strong>den</strong> in solchen Fabriken geschaffen wer<strong>den</strong>,<br />

das gelte auch für Werkstätten, wo Zelluloid bearbeitet werde und z. B.<br />

Drehspäne anfallen. Es müsse gefordert wer<strong>den</strong>, »daß außer der aus<br />

Stein herzustellen<strong>den</strong> Haupttreppe noch geeignete Nothtreppen und<br />

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