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Wir sind das Dorf

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Agrarwelt<br />

26 I Titelthema<br />

Nachbarschaftshilfe steigert Lebensqualität<br />

Maria Hensler kann sich gut daran erinnern,<br />

<strong>das</strong>s in dem <strong>Dorf</strong>, in dem sie aufgewachsen<br />

ist, die Bewohner Bescheid wussten,<br />

manchmal besser, als dem einen oder anderen<br />

lieb war, aber wenn nötig, griffen die Nachbarn<br />

ein und halfen. Um diese Nachbarschaftshilfe<br />

wieder zu beleben, gründete die heute 60jährige<br />

2003 den Verein Hilfe von Haus zu<br />

Haus e.V., der regional und überregional schon<br />

viele Nachahmer gefunden hat. Es ist eine<br />

Initiative der katholischen Landfrauenbewegung,<br />

der katholischen und evangelischen<br />

Kirchen, sowie der zuständigen Gemeinden<br />

Gaienhofen und Horn in Baden-Württemberg.<br />

Die Hilfe finanziert sich aus dem Kostenanteil<br />

der betreuten Menschen, Förderungen durch<br />

<strong>das</strong> Land Baden-Württemberg und IMF-Gelder,<br />

(Innovative Maßnahmen für Frauen im ländlichen<br />

Raum) der EU, sowie Zuschüssen und<br />

Spenden. „Nachbarschaftshilfe heißt helfen<br />

und kümmern. Wenn die Unterstützung der<br />

offiziellen Einrichtungen nicht ausreicht, organisieren<br />

wir Hilfe. <strong>Wir</strong> <strong>sind</strong> keine Konkurrenz zu<br />

den Pflegeverbänden.“<br />

Der Verein Hilfe von Haus zu Haus e.V. bietet<br />

hauptsächlich die Betreuung und Versorgung<br />

älterer, kranker, bedürftiger und behinderter<br />

Menschen an und entlastet auch pflegende<br />

Angehörige. In der Kinder- und Familienhilfe<br />

leistet der Verein Kleinkinderbetreuung und<br />

Gemeinschaftsverpflegung für Kindergärten,<br />

Grund- und Hauptschule und ältere <strong>Dorf</strong>bewohner.<br />

So wird <strong>das</strong> Miteinander in den Dörfern<br />

zwischen Jung und Alt sowie Alteingesessenen<br />

und Neuzugezogenen gefördert.<br />

Seit acht Jahren werden mehr als 60 Helferinnen,<br />

im Alter zwischen 35 und 60 Jahren,<br />

eingesetzt, organisiert von einer dreiköpfigen<br />

Einsatzleitung. Gemeinsam leisteten sie im<br />

vergangenen Jahr insgesamt etwa 12.000 Einsatzstunden.<br />

Durch die Arbeit des Vereins entstanden<br />

zwölf Arbeitsplätze auf 400-Eurobasis,<br />

darunter für zwei Kindergärtnerinnen und fünf<br />

Köchinnen. Die mitarbeitenden Helfer, es <strong>sind</strong><br />

auch einige Männer darunter, <strong>sind</strong> krankenund<br />

unfallfallversichert und der Verein führt<br />

Beiträge zur Berufsgenossenschaft ab. „Es war<br />

mir von Anfang an ganz wichtig, <strong>das</strong>s dieses<br />

Engagement nicht ehrenamtlich ist, sondern<br />

bezahlt wird. Alles andere wäre erstens nicht<br />

legal und zweitens wird die Leistung fühlbar<br />

honoriert. Den meisten Personen, die wir betreuen,<br />

steht die Pflegestufe 1 zu. Das heißt,<br />

sie können 15-mal im Monat Unterstützung<br />

für sich zu Hause anfordern.“ Wie hoch diese<br />

Vergütung ausfällt, hängt auch von den örtlichen<br />

Gegebenheiten ab. „Hier am Bodensee<br />

ist <strong>das</strong> Lohnniveau etwas höher als in anderen<br />

Gegenden. Deshalb bekommen die Frauen<br />

9 Euro pro Stunde.“ Für alle Leistungen bezahlen<br />

die Klienten 10,50 Euro pro Stunde, egal<br />

dlz agrarmagazin � April 2011<br />

Es geht der Nachbarschaftshilfe nicht nur um <strong>das</strong> Versorgen, sondern auch um <strong>das</strong> Kümmern.<br />

Dazu gehört die Zeit für einen gemeinsamen Frühstücksplausch.<br />

ob Fenster putzen, Vorlesen oder Unterstützung<br />

beim Baden.<br />

Interessierte Helfer bewerben sich beim Vorstand<br />

und geben auf einem Personalbogen ihre<br />

bisherigen Tätigkeiten und erlernten Eigenschaften<br />

an. Sie machen Zeitangaben, wann und wie lange<br />

sie eingesetzt werden können. Die Bewerber werden<br />

über die Regelungen der 400-Euro-Jobs aufgeklärt<br />

und unterzeichnen eine Schweigepflichterklärung.<br />

Die Einsatzleitung checkt mögliche<br />

Einsatzorte ab und informiert beide Seiten anonym<br />

über die Personen, Wünsche und Anforderungen.<br />

Bei Zustimmung wird ein erstes Treffen vereinbart.<br />

Nach dieser ‚Schnupperstunde’ äußert jeder unabhängig<br />

sein Empfinden und seine Meinung.<br />

„Alle Beteiligten sollen sich auf diese Einsätze<br />

freuen. Dazu möchte die Einsatzleitung so weit<br />

wie möglich alles abklären.“<br />

Noch relativ neu ist die Versorgung der Kindergärten<br />

und Schulen mit einem warmen Mittagessen.<br />

Hier arbeitet der Verein mit der Gemeinde<br />

zusammen. Die Köchinnen kochen die Schulverpflegung<br />

für Kindergärten, Grund- und Hauptschule.<br />

Diese, mit dem Preis der internationalen<br />

Bodenseekonferenz gekrönte Initiative, versorgt<br />

auch ältere Menschen regelmäßig mit warmen<br />

Essen. 500 Essen pro Woche werden ausgegeben.<br />

Die Produkte dafür stammen aus der Region<br />

und werden beim ortsansässigen Handel gekauft.<br />

Damit bleibt die Wertschöpfung am Ort.<br />

Nicht am Ort bleibt die Vereinsvorsitzende<br />

Maria Hensler mit ihren Erfahrungen. „Es ist<br />

mittlerweile ein großes Netzwerk entstanden“,<br />

berichtet sie stolz. Seit 2003 wurden insgesamt<br />

17 Nachbarschaftshilfen gegründet, 7 stehen kurz<br />

davor. Das heißt, <strong>das</strong>s fast 330 Einsatzstellen 427<br />

Mitarbeiter organisieren, die in fast 50 Gemeinden<br />

Sorge und Interesse am Mitbewohner<br />

hält die Dörfer lebendig, meint Maria<br />

Hensler und gründete ein Netzwerk, <strong>das</strong>s<br />

deutschlandweit schon viele Nachahmer<br />

gefunden hat.<br />

mit etwa 78.000 Einwohnern tätig werden.<br />

Bei Neugründung steht die gelernte Landwirtin<br />

mit Rat und Tat zur Seite und gibt gern<br />

ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter. „Die<br />

Entwicklung der einzelnen Initiativen überlasse<br />

ich den Gemeinden. Es gibt Zukunftsmodelle<br />

für Menschen und Lebensräume, die mittlerweile<br />

alle Lebensbereiche betreffen. Zum<br />

Beispiel im Bereich Energieversorgung. „Es<br />

ist schön zu sehen, wie die Lebensfreude in<br />

den Gemeinschaften steigt, dadurch finden<br />

sich Nachahmer.“ us<br />

Foto: Hensler<br />

Foto: Schlaghecken

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