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Wandel der Patientenrolle - Hogrefe

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Hans-Wolfgang Hoefert und Christoph Klotter<br />

Bewegung zu suchen, über die Gouthier und Tun<strong>der</strong> berichten. Indem <strong>der</strong> „mündige“<br />

und „informierte“ Patient gefor<strong>der</strong>t wird, wird jener auch in seiner Mitverantwortung<br />

als „Co-Produzent von Gesundheit“ angesprochen und muss, um dieser Rolle gerecht<br />

zu werden, seine eigene Leistung beitragen (Rie<strong>der</strong> & Giesing). Die Frage ist nur, ob<br />

diese Rollenzuweisung nicht ein wenig zu idealistisch gesehen wird und ob <strong>der</strong> Patient<br />

hinreichend und seriös informiert ist, um wirklich „mündig“ sein zu können (Braun &<br />

Marstedt). Ähnlich stellt sich die Frage, inwieweit das Internet geeignet ist, so zu informieren,<br />

dass nicht eine neue Ratlosigkeit entsteht, die mitunter zum „doctor-hopping“<br />

beiträgt. Im besten Fall wird ein höherer Wissensstand erreicht, <strong>der</strong> die Kommunikation<br />

mit Professionellen erleichtert, aber nicht zwangsläufig ein gesundheitsbewusstes Verhalten<br />

herbeiführt (Eichenberg). Ein Grund für die erwähnte Ratlosigkeit liegt zweifellos<br />

in <strong>der</strong> Qualität von Gesundheitsinformationen, wie sie in den üblichen Medien<br />

sowie im Internet verfügbar sind. Mit <strong>der</strong> wachsenden Informationsmenge müssen auch<br />

Gütekriterien für eine sinnvolle Informationsauswahl formuliert werden (Sänger &<br />

Lang). Patienten können sich heute auf eine Reihe von Rechten berufen, wobei allerdings<br />

noch eine beträchtliche Lücke zwischen Normativität und Normalität zu beobachten<br />

ist (Hart).<br />

Ein Leitmodell für eine zeitgerechte Arzt-Patient-Beziehung ist das <strong>der</strong> Partizipativen<br />

Entscheidungsfindung. Die Umsetzung dieses Modells erfor<strong>der</strong>t im Alltag von<br />

Praxen und Kliniken eine Reihe von Kompetenzen und auch Zugeständnissen an die<br />

Patientenseite, welche keineswegs als selbstverständlich gelten dürfen (Buchholz,<br />

Seebauer & Simon). Dass dieses Modell aber auch wegen <strong>der</strong> Passivität von Patienten<br />

manchmal nicht zu realisieren ist, zeigt <strong>der</strong> Beitrag von Ernst, Schrö<strong>der</strong> und Brähler<br />

am Beispiel von hämatoonkologischen Patienten. An<strong>der</strong>erseits lädt dieses Leitmodell<br />

auch ein zu einer Interaktion, die einem Aushandeln von Gesundheitsleistungen gleicht<br />

und den Patienten als jemanden erscheinen lässt, <strong>der</strong> relativ frei agiert auf dem Gesundheitsmarkt<br />

– am deutlichsten bei <strong>der</strong> Selbstmedikation, aber auch bei <strong>der</strong> Inanspruchnahme<br />

von Zusatzleistungen (Schuldzinski & Vogel). Verhandlungsgegenstände<br />

sind nicht nur Gesundheitsleistungen, son<strong>der</strong>n auch die Krankschreibung. Jene kann<br />

mir gutem Gewissen nur vor dem Hintergrund von Kenntnissen über Bedingungen <strong>der</strong><br />

Arbeitswelt erfolgen, welche an <strong>der</strong> Genese von Krankheit beteiligt sein können (Westermayer).<br />

Bei allen Zugeständnissen an den Patienten wird diesem nach wie vor eine<br />

möglichst einsichtsvolle Befolgung ärztlicher Ratschläge und Medikationen abverlangt.<br />

Die For<strong>der</strong>ung von Compliance o<strong>der</strong> Adhärenz scheint allerdings bei einigen Patientengruppen<br />

zu verhallen. Oftmals liegt das an zu komplexen Medikamentenregimes,<br />

aber häufig auch daran, dass das nötige Vertrauen in Behandler und Medikamente<br />

fehlt und die Integration in alltägliche Routinen zu wenig bedacht wird. Nichtadhärenz<br />

stellt zugleich für manche Professionelle eine Infragestellung ihrer Autorität dar<br />

(Hoefert).<br />

Die meisten Patienten bewegen sich heute auf einem geteilten Gesundheitsmarkt. Sie<br />

nehmen primär und in Notfällen die Leistungen <strong>der</strong> konventionellen Medizin in Anspruch,<br />

haben aber keine Probleme, auch Angebote <strong>der</strong> alternativen und komplementären<br />

Medizin zu nutzen. Die typischen Nutzer dieses „zweiten“ Marktes sind überwiegend<br />

weiblich und haben eher einen gehobenen Bildungsstatus. Die parallelen

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