re_report 4/05 - Residenz am Dom
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IM GESPRÄCH<br />
Bewegt sein – mit Sinn!<br />
Interview mit Dr. Günter Schmale<br />
Wer um jeden P<strong>re</strong>is fit sein will, schadet oft seiner Gesundheit,<br />
behauptet Dr. Günter Schmale, Apotheker, Allgemeinmediziner<br />
und Spezialist für Naturheilverfah<strong>re</strong>n in Köln. Er setzt dagegen:<br />
Wenn Bewegung F<strong>re</strong>ude macht, ist sie auch sinnvoll.<br />
?<br />
RESIDENZ-Report: Sie stehen der<br />
Fitnessbewegung kritisch gegenüber.<br />
Warum?<br />
Dr. Günter Schmale: Weil Fitness und<br />
Gesundheit zwei unterschiedliche Dinge<br />
sind. Fitness geht oft zu Lasten der<br />
Gesundheit. Die F<strong>re</strong>izeitindustrie <strong>re</strong>det<br />
uns ein, dass Sport zwangsläufig zu<br />
Gesundheit füh<strong>re</strong>. Dies ist ih<strong>re</strong> Marketingstrategie<br />
– offensichtlich eine sehr<br />
erfolg<strong>re</strong>iche. Wenn ich mir anschaue, wie<br />
verbissen die Menschen durch den Wald<br />
joggen oder walken, kann ich nur den<br />
Kopf schütteln. Warum genießen die<br />
Menschen nicht lieber die Natur, statt<br />
ih<strong>re</strong> Gelenke zu ruinie<strong>re</strong>n?<br />
?<br />
RESIDENZ-Report: Aber gerade<br />
Nordic Walking soll doch eine besonders<br />
gelenkschonende Sportart sein.<br />
Dr. Günter Schmale: Wenn demnächst<br />
jeder Bürger zwei Nordic-Walking-Gehstützen<br />
besitzt, wird meiner Meinung nach<br />
die Er<strong>re</strong>gungsindustrie, wie der Philosoph<br />
Peter Sloterdijk die Medien nennt, als neueste<br />
Erkenntnis publizie<strong>re</strong>n, dass Nordic<br />
Walking nicht gelenkschonend ist und sich<br />
die hochkarätigen Sportwissenschaftler<br />
geirrt haben. Gleichzeitig werden sie etwas<br />
sensationell Neues präsentie<strong>re</strong>n …<br />
?<br />
RESIDENZ-Report: Wie muss Bewegung<br />
für Sie aussehen, wenn sie<br />
der Gesundheit dienen soll?<br />
Dr. Günter Schmale: Wenn sie von<br />
Körper, Geist und Seele befürwortet wird,<br />
dient sie der Ganzheit und d<strong>am</strong>it der<br />
Gesundheit. Den Körper z. B. zu einem<br />
Marathon zu quälen, empfinde ich als<br />
geist- und seelenlos. Ich möchte er<strong>re</strong>ichen,<br />
dass Bewegung wieder altersge<strong>re</strong>cht<br />
und sinnvoll ist. Das ist beispielsweise<br />
der Fall, wenn ich meine Einkäufe<br />
zu Fuß erledige oder die T<strong>re</strong>ppen zu meiner<br />
Wohnung hochsteige.<br />
?<br />
RESIDENZ-Report: Ein kluger Kopf<br />
hat mal gesagt, es komme nicht nur<br />
darauf an, dem Leben Jah<strong>re</strong> zu geben,<br />
sondern auch den Jah<strong>re</strong>n Leben zu<br />
geben. Welchen Stellenwert hat der<br />
D<strong>re</strong>iklang aus Körper, Geist und Seele<br />
unter diesem Aspekt?<br />
Dr. Günter Schmale: Mit zunehmendem<br />
Alter verschieben sich die Prioritäten.<br />
Wir nehmen langs<strong>am</strong> Abschied vom<br />
Körperlichen – Sexualität, Bewegung und<br />
auch ein jugendliches Aussehen verlie<strong>re</strong>n<br />
an Bedeutung. Stattdessen vermögen<br />
Geist und Seele stärker in den Vordergrund<br />
zu t<strong>re</strong>ten. Deshalb bin ich strikt<br />
dagegen, Menschen etwas aufzwingen<br />
zu wollen, was nicht ih<strong>re</strong>m Lebensabschnitt<br />
entspricht. Würde, Erfahrung und<br />
Weisheit charakterisie<strong>re</strong>n das Alter. Leider<br />
spielen diese Werte in unse<strong>re</strong>r Gesellschaft<br />
eine eher untergeordnete Rolle.<br />
?<br />
RESIDENZ-Report: Demnach beg<strong>re</strong>ifen<br />
Sie den demografischen<br />
Wandel als Chance?<br />
Dr. Günter Schmale: Unbedingt! Der<br />
Jugendwahn wird ein Ende haben. Durch<br />
den demografischen Wandel werden wir<br />
gezwungen sein, älte<strong>re</strong> Menschen wieder<br />
in Gesellschaft, Politik und Arbeitswelt<br />
einzubinden, weil die Jungen die anstehenden<br />
Aufgaben nicht mehr alleine<br />
bewältigen können. Dann erfah<strong>re</strong>n die<br />
Älte<strong>re</strong>n endlich die Wertschätzung, die<br />
ihnen zusteht. Wer die Möglichkeit erhält,<br />
eine sinnvolle Aufgabe zu verfolgen, ist<br />
sicherlich motiviert, gesund zu bleiben.<br />
Und d<strong>am</strong>it komme ich wieder auf den<br />
Sport zurück: Wenn jemand geistig und<br />
sozial engagiert ist, drückt sich das seelisch<br />
in Begeisterung aus und er kommt<br />
auch körperlich in Bewegung. Denken Sie<br />
an einen mit<strong>re</strong>ißenden Vortragenden, der<br />
mit Händen und Füßen <strong>re</strong>det. In diesem<br />
Sinne befürworte ich Bewegung.