Renate sucht im Overkillshop Farben für Sprühdosen aus
Renate Sänger ist über 70 und hat sich auf einen Hinweis von Barbara Töne bei mir gemeldet, einer Ehemaligen des Instituts für Kunst im Kontext, an dem ich studiere und Leiterin eines anderen Kurses, den sie regelmäßig besucht. Beim Sprayen mit Schablonen fiel ihr ein, dass sie schon früher gesprüht hatte als Spritzerin in einer Fabrik. Farben faszinieren sie. Im „Overkillshop“, einem Spezialladen für Graffitibedarf in Kreuzberg wählte sie die Farben der Sprühdosen für die Aktionswoche aus. Was war für Dich der Höhepunkt der Woche? Ach, es gab so viele Höhepunkte, schon am ersten Tag, als wir mit der Musik einzogen, als dann auch mein Brett ausgestellt wurde, als wir alles angemacht haben, es gab eigentlich jeden Tag einen Höhepunkt. Auch als meine Tochter kam und sich das angesehen hat, war ich doch ein bisschen stolz auf meine Arbeiten, und auch, dass ich wieder in einer Gruppe war, sie wusste ja schon in etwa Bescheid, was wir machen, das hat mir schon gefallen. Auch der Herr Stenzel hat mir imponiert, den sie in der Zeitung um zehn Jahre jünger gemacht haben. Dass er so für sich blieb, aber immer teilgenommen hat. Und dass er so Bescheid wusste, dass er manches zur Aufklärung beigetragen hat, was wir nicht wissen konnten: das mit dem Maler, der inzwischen verstorben war (der Sprüher Maxim, siehe taz-Artikel im Anhang). Das war ein Mann, der sehr wach war, obwohl er gar nicht so wirkte, denn er brachte ja alles ziemlich ruhig hervor. Das war schon was, das auch einmal ein alter Mann dabei war, weil die sonst immer zu Hause bleiben… Hat sich eigentlich durch den Workshop und durch die Teilnahme an der Aktionswoche Deine Haltung zu Graffiti verändert? Ich war sowieso nicht so dagegen. Ich hab mal einen Künstler verehrt, der ist inzwischen gestorben, Keith Haring, der hat so Graffiti-ähnlich 5 gemalt. Manchmal wurde er auch im Fernsehen erwähnt. Das hat mir gefallen. An manchen Stellen in der Stadt war ja auch diese schwungvolle Schrift, die ist für mich wie so`n Walzer. Als ich dann selber gesprüht habe, und das nicht so einfach konnte, da hat mir das erst recht imponiert und da bin ich immer mehr bei dieser Walzer-Vorstellung hängen geblieben. Das tanze ich ja sehr gerne. Ich hab das dann ja ein paarmal probiert an dem einen Bild, aber da ist nichts draus geworden, lediglich Farbe aufm Papier. Walzer sprühen, das ist so unerreichbar. Mir gefallen insbesonders die großen Buchstaben, einmal silber, einmal schwarz, und dann noch was rein, das gefällt mir schon sehr. Und die Informationen, die wir in der Vorarbeit dann so bekamen, teilweise hab ich gestaunt, dann fühlte ich mich auch bestätigt, dass, na ja, ich weiß nicht, wie das weiter gehen wird mit dieser Schrift, aber es wird doch auf Dauer wahrscheinlich bleiben, ich kann mir das nicht anders vorstellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das aus dem Stadtbild verschwindet, auch in Zukunft nicht. Es sei denn, ja, wann würde das verboten werden, in einer Diktatur, ja siehste, das erinnert mich auch wahrscheinlich an die Nazizeit, also da wäre das nicht geduldet worden. Was die damals alles verboten haben, da kann man doch nur… wie dumm die Nazizeit war, mit ihrer Diktatur. Was würde der Stadt denn fehlen, wenn Graffiti verboten werden würde? Det Schwungvolle. Es wird ja immer wieder andere Künstler geben. Ich glaube, das wird bleiben, wird sich vielleicht noch weiter entwickeln. Vor dem Kursus hätt ich das noch nicht gedacht, aber als wir die verschiedenen Sachen gesehen haben in der Ausstellung im Bethanien, da hab ich erst gemerkt wie wenig ich auch wusste, und dann, dass wir über die Entwicklung von Graffiti doch einiges dazu gelernt haben.