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Deutsch in der 9. Klasse Thema 2: Deutsch in der Oberstufe Neunte Klasse Morgens im Foyer unserer Schule; noch nicht so ganz wach treffe ich auf einige sich matt tummelnde Schüler: „Und“? werde ich von einem mir gut bekannten freundlichen Gesicht angesprochen. „Ist das eine Frage oder was?“ entfährt es mir. „Aber Herr Moldenhauer, Sie wissen doch, wie ich’s meine“. Weiß ich es? – „Und“ ist ein Wort, eine Konjunktion, ein Bindewort für Satzteile, ohne jede Aussagekraft, vielleicht eine Neuntklässler-Variante für „Hallo“. Damit sind wir beim Kern der Sache: der Verständigung. Wie finden wir – Schüler und Lehrer eine gemeinsame Sprache? Was interessiert, berührt einen vierzehnjährigen Jugendlichen? Grammatik, Ausdruck, ‚Rechtschreibung; überhaupt der ganze sprachliche Werkzeugkasten – geht das in der Neunten? Sehr schwierig. Immer mal wieder, ja, als knackiges Sprachwürstchen, möglichst mit Wortwitz bestrichen. Einmal den Genitiv retten, sich seiner dann wieder ungerührt entledigen. – „Oh, Leute. Sprecht Hochdeutsch“! Auch das hält vielleicht ein Dreiviertelstündchen vor. In der Pause (auch von Eltern, Kollegen, ähm) hör’ ich andere Töne. Was geht wirklich, ist auch länger durchzuhalten? – Das Jugendwerk der Klassiker Goethe und Schiller, das kurze heftige Leben und Schreiben eines modernen Autors wie Wolfgang Borchert, überhaupt Kurzgeschichten. Hier möchte ich nur kurz auf das Wunder echter, authentischer Kurzgeschichten eingehen: Warum schreibt jemand so etwas? Wie kommt es zu einer Berührung zwischen Leben, Text und jungendlichem Leser? Am Beispiel Borcherts lässt sich das gut zeigen: Borchert war ein kleiner großmäuliger Schauspieler, der wegen seiner großen Klappe im Zweiten Weltkrieg wegen „Wehrkraftsetzung“ zur „Frontbewährung“ im russischen Winter (1942/43) verurteilt wurde, der diesen Wahnsinn schwerkrank, aber mit ungebrochenem Lebensmut überlebte und schließlich kaum anders konnte als über seine Erlebnisse zu schreiben. Er hat sich dabei, wie er selbst einmal sagte, „ausgekotzt“, seinen ganzen Schmerz zu Papier gebracht, wie im Rausch geschrieben, ohne Rücksicht auf Grammatik. Entstanden sind traurig-komische Bruchstücke einer aus den Fugen geratenen Welt. – Das ist den Jugendlichen nicht fremd. Auch sie entdecken gerade oder haben bereits kapiert, dass es die heile Welt nicht gibt. Es fällt ihnen auch nicht schwer, aus ihrem erlebten Alltag Erlebnisse, Beobachtungen oder einfach ‚Beunruhigungen’ in Form von Kurzgeschichten auszudrücken. Zwei Beispiele – Kürzestgeschichten – von Neuntklässlerinnen gebe ich abschließend (mit freundlicher Genehmigung der Autorinnen) wieder, damit sich jeder geneigte Leser dazu seine hoffentlich persönliche Meinung bilden kann; beide Geschichten wurden auf der letzten Monatsfeier vorgelesen und gespielt: - 17 -