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Theater - Freie Waldorfschule Saar-Hunsrück Walhausen

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Elfte Klasse<br />

Wie wird aus „Freiheit von ...“ „Freiheit zu…“?:<br />

Deutschunterricht in der 11. Klasse<br />

Parzival macht sich auf den Weg, weg von zu Hause, nichts wie weg, ohne Rücksicht auf<br />

Verluste. Er wird ein großer Ritter, denkt er, und in seiner Arroganz und Ahnungslosigkeit sieht<br />

er nicht, wie lächerlich er in seiner Aufmachung aussieht. Die Ratschläge, die ihm seine Mutter<br />

mit auf den Weg gab, versteht er nicht, ohne zu merken, dass er sie nicht verstanden hat. Doch<br />

sie sind seine einzige Orientierung in der Fremde, er befolgt sie wortwörtlich – und richtet<br />

damit ein immenses Chaos an, zerstört das Leben von Menschen, denen er begegnet, und<br />

verpasst seine Bestimmung: Gralskönig zu sein.<br />

Als er schließlich begreift, was er angerichtet hat, scheint es zu spät zu sein – doch Parzival<br />

kämpft, fängt klein an, lernt, stellt seine außergewöhnlichen Fähigkeiten freiwillig in Dienste<br />

Anderer, leistet Wiedergutmachung und wächst an seinen Aufgaben: Aus „Freiheit von“ ist<br />

„Freiheit zu“ geworden.<br />

Parzival – ein Elftklässler?<br />

Er sitzt, denke ich, nicht in der ersten Reihe (zumindest nicht freiwillig), und er ist verdammt<br />

schlau – manchmal. Dann blitzt etwas auf im Unterrichtsgespräch, so dass mir der Atem stockt,<br />

nur um im nächsten Moment in gedankliche Wolken abzuheben oder eine Bruchlandung im<br />

Sumpf ordinärer Plattheiten zu landen, was seine Klassenkollegen überwiegend richtig witzig<br />

finden.<br />

Aber das macht ja nichts – er hat den Laden hier durchschaut, eigentlich steht er da schon längst<br />

drüber. Die kochen auch alle nur mit Wasser, locker bleiben, in der 11. macht man auch keine<br />

Prüfungen, praktisch, … und die Lehrer - na ja, wer, bitteschön, ist schon so doof und wird<br />

Waldorflehrer, den muss man nun wirklich nicht ernst nehmen.<br />

Parzival ist auch sensibel – wenn es keiner sieht. Dann sieht er Wahr- und Weisheiten, und<br />

wenn er richtig gut drauf ist, schreibt er sie auch auf. Aber meistens ist das doch etwas zu<br />

anstrengend, eigentlich hat er das nicht nötig, er weiß ja, dass er gut ist, er muss es nicht<br />

wirklich zeigen. Uncool…<br />

Manchmal zweifelt er auch – an sich. Ziemlich oft eigentlich. Aber für diese Momente gibt es<br />

ja zum Glück die flashy rote Rüstung, deren Visier man dann runterklappen kann, und dann<br />

kommt keiner mehr an ihn ran. Außerdem tut es dann ziemlich gut, ein bisschen auf den<br />

anderen rumzuhauen, das lenkt so gut ab von den eigenen Verletzlichkeiten. Und außerdem:<br />

Austeilen ist immer besser als einstecken, sowieso klar.<br />

Kürzlich hat Parzival allerdings etwas an sich entdeckt, das ihn schon etwas anstrengt – die<br />

Sache mit der Freundin. Muss ja sein, irgendwie. Gehört dazu. Statussymbol. Aber, verdammt,<br />

wie soll er diese blöde Rüstung bloß ausziehen?<br />

Am wichtigsten für ihn ist jedoch: Er will seine Freiheit, es wird ja auch Zeit, weg mit Eltern,<br />

Hausaufgaben, Lernen, Unterricht überhaupt, besonders Mathe… – das echte Leben will er,<br />

Musik, Handy, Disco, Abhängen. Nicht diese kümmerlichen Surrogate in der Schule… und<br />

schon gar nicht diesen blöden alten Schinken lesen, wo die sich dauernd nur kloppen, komisch<br />

reden und immer nur daran denken, wie sie sich an Frauen ranmachen können.<br />

Wann wird aus „Freiheit von…“ „Freiheit zu…“?<br />

Ursula Kirchdörfer<br />

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