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Sparkasse Schopfheim-Zell - Freie Waldorfschule Schopfheim

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Modellieren 10. Klasse<br />

"Herr König, darf ich mal einen Kopf<br />

plastizieren?"<br />

24 l Aus dem Unterricht 25 l Aus dem Unterricht<br />

Schon in der 9. Klasse erwacht bei einigen<br />

SchülerInnen das Interesse, konkret<br />

an den Ausdruck der menschlichen<br />

Individualität heranzugehen.<br />

In der Regel verweise ich dann auf die<br />

kommende Plastizier-Epoche in der 10.<br />

Klasse, wo dies dann Thema für alle<br />

wäre. Allerdings dürfen ganz Ungeduldige<br />

sich schon in der 9. Klasse versuchen.<br />

Geht man dann mit den SchülerInnen in<br />

der 10. Klasse an die Arbeit, stellt man<br />

schnell fest, dass es ihnen in der Regel<br />

nicht so sehr um das Festhalten eines<br />

speziellen Individuums geht, sondern<br />

mehr um das Generelle: Wie modelliere<br />

ich überhaupt Nase, Augen, Ohren,<br />

Mund, Hals und Haare?<br />

Das ist dann auch die beste Gelegenheit<br />

für den Lehrer, noch einmal die Vorbilder<br />

der griechischen Kunst und die des<br />

Mittelalters einzuführen. Denn gerade sie<br />

haben die schönsten "Typen und<br />

Typinnen" als Figuren geschaffen. In<br />

den Gesichtern von Apollon, Zeus, einer<br />

Kore oder auch der Königin Ute spricht<br />

sich nicht so sehr etwas individuell<br />

Persönliches aus als vielmehr etwas<br />

Charakteristisches.<br />

Erst am Ende der Modellier-Epoche<br />

wagen wir uns an den bärtigen, blinden<br />

Homer heran, eine Arbeit, die aus der<br />

Schlussphase der griechischen Kunstentwicklung<br />

stammt und deutlich individuelle<br />

Züge aufweist. Bei dieser Arbeit<br />

kommen die SchülerInnen erwartungsgemäß<br />

auch schnell an ihre Grenzen.<br />

Schaut man die nebenstehenden Beispiele<br />

aus der Modellier-Epoche genauer an, so<br />

bemerkt man schnell, dass es dabei<br />

nicht nur um ein blindes Kopieren von<br />

Druckvorlagen ging, sondern nur um die<br />

Zuhilfenahme klassischer Vorbilder,<br />

um sich daran zu üben. Viel Eigenes<br />

spricht sich daher aus den "Kopien" noch<br />

trotzdem aus, was ich in der Regel auch<br />

zulasse. Es geht ja wie gesagt um das<br />

Prinzipielle eines menschlichen Kopfes<br />

und darum, sich überhaupt mit derlei<br />

Problemen auseinander zu setzen. Es ist<br />

schon ein Vorzug an sich, denn seien wir<br />

mal ehrlich: Wer konnte von uns Erwachsenen<br />

in der Jugendzeit sich jemals in<br />

dieser Form mit dem menschlichen<br />

Antlitz auseinandersetzen? Und was<br />

vermissen wir dadurch, es nicht getan zu<br />

haben?<br />

Es gehört nach wie vor zu den eindrücklichsten<br />

bildhauerischen Erlebnissen, mit<br />

seinen eigenen Händen ein menschliches<br />

Gesicht hervorbringen zu können. Möglicherweise<br />

gehört das zu den ältesten<br />

menschlichen Bedürfnissen überhaupt,<br />

die bis heute noch gepflegt werden. Hat<br />

es uns ja sogar der Liebe Gott schon<br />

vorgemacht. Er soll ja die ersten<br />

Menschen schon aus Lehm geschaffen<br />

haben. Da soll es uns nur recht sein, uns<br />

in angemessener Weise an diesen urtümlichen<br />

Vorgang zu erinnern und zwar mit<br />

den eigenen Händen.<br />

Gerhard König<br />

Kunstlehrer

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