Rheumatoide Arthritis – ein Handbuch - Phadia
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Elke M. M. Meier <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> <strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Handbuch</strong><br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Handbuch</strong><br />
Elke M. M. Meier<br />
Mit <strong>ein</strong>em Vorwort von Professor Alan Tyndall
Danksagung<br />
Besonders danken möchte ich Professor Alan Tyndall von der Universität<br />
Basel für die Bereitstellung der klinischen Bilder, für das<br />
Lesen und Korrigieren dieses <strong>Handbuch</strong>s und s<strong>ein</strong>en wertvollen<br />
Rat.<br />
M<strong>ein</strong> Dank gilt auch Nina Olschowka von <strong>Phadia</strong> (jetzt Thermo<br />
Fisher Scientific) für die detaillierten Korrekturen und ihre<br />
hilfreiche Unterstützung.<br />
Übersetzung aus dem Englischen von Katja Gromann, Freiburg<br />
3. Ausgabe<br />
© 2011 by<br />
<strong>Phadia</strong> GmbH<br />
Munzinger Straße 7, D-79111 Freiburg
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong> <strong>ein</strong> <strong>Handbuch</strong><br />
Elke M.M. Meier<br />
mit <strong>ein</strong>em Vorwort von Professor Alan Tyndall
Vorwort<br />
Die frühzeitige Diagnose von rheumatoider <strong>Arthritis</strong> (RA) hat<br />
seit Beginn des neuen Jahrtausends aufgrund der Verfügbarkeit<br />
effektiver Basismedikamente (engl.: disease modifying agents)<br />
<strong>ein</strong>e hohe Priorität erlangt. Diese Medikamente verbessern nicht<br />
nur das Wohlbefinden des Patienten, sondern können auch den<br />
Krankheitsverlauf und die damit verbundenen Gelenkschädigungen<br />
entscheidend positiv be<strong>ein</strong>flussen. Das so genannte „Window<br />
of Opportunities“ für <strong>ein</strong>e Therapieentscheidung bleibt in vielen<br />
Fällen nicht lange offen.<br />
Die ACR-Kriterien für die Diagnose und Klassifizierung von<br />
rheumatoider <strong>Arthritis</strong> wurden für die manifeste Erkrankung<br />
entwickelt, es fehlt ihnen jedoch die Sensitivität für Synovitis im<br />
Frühstadium, bei der <strong>ein</strong>ige Patienten <strong>ein</strong>en selbstbegrenzenden<br />
und nicht destruktiven Verlauf erleben, andere jedoch <strong>ein</strong>e<br />
Bindegewebe erkrankung wie SLE entwickeln.<br />
Der klassische IgM-Antikörper-Rheumafaktor bleibt auch weiterhin<br />
der goldene Standard für das Bekräftigen von Diagnosen<br />
und Aufstellen von Prognosen, er ist jedoch von geringer Spezifität<br />
und kann bei früher RA noch negativ s<strong>ein</strong> oder auch nie positiv<br />
werden.<br />
Aus diesem Grund bedeutet die Entwicklung des Anti-CCP-<br />
Antikörper-Assays (CCP: cyclische citrullinierte Peptide) für den<br />
Arzt <strong>ein</strong>en großen Fortschritt, denn er muss bereits früh entscheiden,<br />
ob er symptomatisch behandeln kann oder sofort <strong>ein</strong>e aggressive<br />
Behandlungsstrategie <strong>ein</strong>leiten muss.<br />
Bereits bei ihrer ersten Beschreibung im Jahr 1998 wurde die<br />
Bedeutung bestimmter Antikörper für die Diagnostik im Bereich<br />
der RA deutlich. Damals fanden Schellekens und Mitarbeiter im<br />
Serum von RA-Patienten spezifische Antikörper, die gegen synthetische<br />
Peptide gerichtet waren, welche die Aminosäure Citrullin<br />
(<strong>ein</strong> Argininrest, der nach der Translation modifiziert wird) enthielten.<br />
Hoch ger<strong>ein</strong>igt reagieren diese Antikörper auch auf Epitope<br />
in Keratin und Filaggrin. Ob sie uns Informationen über die<br />
3
Ursachen von RA liefern können, bleibt <strong>ein</strong>e kritische und zugleich<br />
faszinierende Frage der Grundlagenforschung, die derzeit intensiv<br />
untersucht wird.<br />
Ungeachtet dieser ätiologischen Frage hat der CCP-Antikörpertest<br />
in der Klinik längst Einzug gehalten, insbesondere bei Fällen<br />
mit negativem Rheumafaktor. Bei diesem Test handelt es sich um<br />
<strong>ein</strong> Verfahren, das ebenso sensitiv wie der klassische Rheumafaktor<br />
ist, aber <strong>ein</strong>e höhere Spezifität besitzt.<br />
Das vorliegende <strong>Handbuch</strong> führt prägnant und übersichtlich<br />
durch <strong>ein</strong>e klinisch orientierte „Tour“ der entzündlich-rheumatischen<br />
Erkrankungen, wobei besonderes Augenmerk auf den Einsatz<br />
von Anti-CCP-Tests gelegt wird.<br />
4<br />
Alan Tyndall<br />
Professor und Leiter der Rheumatologischen Universitätsklinik,<br />
Universität Basel
Inhalt<br />
Vorwort 3<br />
Vorbemerkung 9<br />
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>? 10<br />
1.1 Definition 10<br />
1.2 Epidemiologie 11<br />
1.3 Symptome und Diagnose 14<br />
1.4 Therapie 28<br />
1.4.1 DMARDs (LWAR) 29<br />
1.4.2 NSAIDs (NSAR) 32<br />
1.4.3 Zytostatika/Immunsuppressiva 33<br />
1.4.4 TNFα-Hemmer 34<br />
1.4.5 Kortikosteroide 35<br />
2. Basismerkmale<br />
der serologischen Analyse von RA 37<br />
2.1 Einführung 37<br />
2.2 Was ist <strong>ein</strong> Rheumafaktor? 38<br />
2.3 Was sind Anti-CCP-Antikörper? 44<br />
2.4 Rheumafaktor als Hilfe bei der Diagnose von RA 52<br />
2.5 Anti-CCP-Antikörper als Hilfe bei der Diagnose von RA 55<br />
2.6 Vorhersagewert von RF und Anti-CCP-Antikörpern 61<br />
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA 66<br />
3.1 Einführung 67<br />
3.2 Häufige Differenzialdiagnosen 67<br />
3.2.1 Bindegewebeerkrankungen 69<br />
3.2.1.1 SLE 69<br />
5
Inhalt<br />
6<br />
3.2.1.2 Sklerodermie (Systemische Sklerose) 76<br />
3.2.1.3 Polymyositis/Dermatomyositis 81<br />
3.2.1.4 Undifferenzierte Bindegewebeerkrankung<br />
(UCTD: Undifferentiated Connective Tissue Disease) 86<br />
3.2.2 Seronegative Spondylarthropathie 87<br />
3.2.2.1 Spondylitis ankylosans 88<br />
3.2.2.2 Reaktive <strong>Arthritis</strong> (Reiter-Krankheit) 92<br />
3.2.2.3 <strong>Arthritis</strong> psoriatica 95<br />
3.2.2.4 Entzündliche Darmerkrankung 99<br />
3.2.3 Bakterielle (infektiöse) <strong>Arthritis</strong> 102<br />
3.2.4 Virale <strong>Arthritis</strong> 105<br />
3.2.5 Osteoarthritis 108<br />
3.2.6 Gicht (<strong>Arthritis</strong> urica) 112<br />
3.2.7 CPPD-Ablagerungskrankheit (CPPD: Calciumpyrophosphat-Dihydrat) 115<br />
3.2.8 Fibromyalgie 118<br />
3.2.9 Polymyalgia rheumatica 120<br />
3.2.10 Behçet-Krankheit 123<br />
3.2.11 Lyme-<strong>Arthritis</strong> 125<br />
3.2.12 Glukokortikoid-Entzugssyndrom 127<br />
3.2.13 Weitere medizinische Gegebenheiten,<br />
die mit Arthropathie <strong>ein</strong>hergehen können 128<br />
4. Zusammenfassung 129<br />
Quellen 131<br />
Index 143
Liste der Abkürzungen<br />
ACR American College of Rheumatology (Amerikanische<br />
Gesellschaft für Rheumatologie)<br />
AKA Anti-Keratin-Antikörper<br />
ANA Antinukleäre Antikörper<br />
APF Antiperinukleärer Faktor<br />
ASCA Anti-Saccharomyces-cerevisiae-Antikörper<br />
B-Zellen Lymphozyten, die sich im Bursaäquivalent bilden<br />
BiP Schwerketten-Bindungsprot<strong>ein</strong><br />
BSG Blut(körperchen)senkungsgeschwindigkeit<br />
CCP Cyclisches citrulliniertes Peptid<br />
CENP-B Zentromer-Bindungsprot<strong>ein</strong><br />
COX Cyclooxygenase<br />
CPPD Calciumpyrophosphat-Dihydrat<br />
CRP C-reaktives Prot<strong>ein</strong><br />
DAS Disease Activity Score (Krankheitsaktivitätsindex)<br />
DIP Distales Interphalangealgelenk (Endgelenk von Fingern<br />
und Zehen)<br />
DMARD Disease Modifying Antirheumatic Drug<br />
(dt.: krankheitsmodifizierende Antirheumatika;<br />
LWAR: Langwirksame Antirheumatika)<br />
Fab Antigen-bindendes Fragment von Immunglobulinen<br />
(engl.: fragment antigen binding)<br />
Fc Kristallisierbares Fragment von Immunoglobulinen<br />
(frz.: fragment crystalline)<br />
HAQ Health Assessment Questionnaire (Fragebogen zur<br />
Selbst<strong>ein</strong>schätzung durch Patienten)<br />
HEp-2 Humane Epitheloidzelllinie<br />
HLA Human Leukocyte Antigen (engl.)<br />
IBD Entzündliche Darmerkrankung (eng.: inflammatory<br />
bowel disease)<br />
7
Liste der Abkürzungen<br />
IIF Indirekte Immunfluoreszenz<br />
IL-1 Interleukin 1<br />
MCP Metacarpophalangealgelenk (Gelenk der Mittelhand)<br />
MRI Magnetic Resonance Imaging (dt.: Magnetresonanz-<br />
Tomographie)<br />
MTP Metatarsophalangealgelenk (Gelenk des Mittelfußes)<br />
NK-Zelle Natürliche Killerzelle<br />
NMR Nuclear Magnetic Resonance (dt.: Kernspinresonanz)<br />
NSAID Nonsteroidal Anti-Inflammatory Drug<br />
(dt.: Nicht-steroidale Antirheumatika: NSAR)<br />
PAD Peptidylarginindesaminase<br />
p-ANCA Perinukleäre, antineutrophile zytoplasmatische<br />
Antikörper (engl.: perinuclear antineutrophil cytoplasmic<br />
antibodies)<br />
PIP Proximales Interphalangealgelenk (Mittelgelenk von<br />
Fingern und Zehen)<br />
PMR Polymyalgia rheumatica<br />
RA <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
RF Rheumafaktor<br />
SLE Systemischer Lupus erythematodes<br />
TNF Tumor-Nekrose-Faktor<br />
Topo I Topoisomerase I (Scl-70)<br />
8
Vorbemerkung<br />
Die rheumatoide <strong>Arthritis</strong>, im deutschen Sprachgebrauch auch<br />
chronische Polyarthritis (cP) genannt, war bereits im Altertum<br />
bekannt. Paläopathologische Untersuchungen von 3000 bis 5000<br />
Jahre alten Proben lieferten Hinweise darauf, dass bereits die Ur<strong>ein</strong>wohner<br />
Nordamerikas an rheumatoider <strong>Arthritis</strong> gelitten hatten.<br />
Beweise für rheumatoide <strong>Arthritis</strong> in Europa tauchten erstmals in<br />
der Kunst des frühen 17. Jahrhunderts, möglicherweise bereits des<br />
15. Jahrhunderts auf. Definiert wurde die Krankheit erstmals im<br />
Jahre 1859 von Garrod.<br />
Heutzutage stellt die rheumatoide <strong>Arthritis</strong> <strong>ein</strong>e weit verbreitete,<br />
häufig zur Invalidität führende Krankheit mit erheblichen<br />
Auswirkungen auf das Gesundheitsweisen dar. Insbesondere im<br />
Frühstadium bleibt die Diagnose dieser Krankheit jedoch schwierig,<br />
und es sind dringend zusätzliche, effiziente Diagnosemittel<br />
erforderlich. Im Jahr 1998 beschrieben Schellekens und Mit -<br />
arbeiter <strong>ein</strong>en neuen Marker-Antikörper für rheumatoide <strong>Arthritis</strong><br />
(Anti-CCP-Antikörper). Seitdem wurde diesen Antikörpern viel<br />
Beachtung geschenkt. Zahlreiche Studien führten zu vielversprechenden<br />
Ergebnissen, und der Assay wurde im Mikro titerplattenformat<br />
vermarktet. Als Folge dieser Entwicklung lancierte<br />
<strong>Phadia</strong> (jetzt Thermo Fisher Scientific) im November 2004 <strong>ein</strong>en<br />
Anti-CCP-Antikörper-Assay im EliA ® Format.<br />
Dieses Ereignis ermutigte uns dazu, dieses <strong>Handbuch</strong> zu<br />
schreiben. Im ersten Kapitel wird <strong>ein</strong>e kurze Einführung in die<br />
rheumatoide <strong>Arthritis</strong> gegeben. Im zweiten Kapitel werden grundlegende<br />
Merkmale sowie das diagnostische Potential von Anti-<br />
CCP-Antikörpern im Vergleich zum Rheumafaktor näher untersucht.<br />
Im dritten Kapitel werden schließlich die grundlegenden<br />
Aspekte der aktuellen Diagnostik (<strong>ein</strong>schließlich der wichtigsten<br />
Differenzialdiagnosen) dargestellt. Das <strong>Handbuch</strong> richtet sich an<br />
Interessierte, die sich insbesondere über diese neue, aufregende<br />
Möglichkeit im Bereich der RA-Diagnostik informieren wollen.<br />
Ziel ist dabei nicht die Vollständigkeit der Informationen, sondern<br />
vielmehr die Anregung, sich näher mit diesem Thema zu befassen.<br />
9
1 Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
1.1 Definition<br />
<strong>Arthritis</strong> bedeutet wörtlich „Entzündung des Gelenks“ (griech.:<br />
arthron = Gelenk; -itis = Entzündung). Da verschiedene Faktoren<br />
zu <strong>ein</strong>er Gelenkentzündung führen können, gibt es viele Arten von<br />
<strong>Arthritis</strong>, wie beispielsweise Osteoarthritis, <strong>Arthritis</strong> psoriatica,<br />
rheumatoide <strong>Arthritis</strong> oder Gicht. Wenn die Diagnose von rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> (der häufigsten Form von entzündlichen Gelenkerkrankungen)<br />
gestellt werden soll, müssen alle anderen Formen<br />
von <strong>Arthritis</strong> ausgeschlossen werden. Eine umfassende Liste hierzu<br />
finden Sie in Kapitel 3.2, „Häufige Differenzialdiagnosen“. Die<br />
richtige Diagnose rheumatoider <strong>Arthritis</strong> stellt für jeden Arzt <strong>ein</strong>e<br />
echte Herausforderung dar.<br />
Unter rheumatoider <strong>Arthritis</strong> (RA) versteht man <strong>ein</strong>e chronische,<br />
systemische Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem<br />
das Gewebe des Erkrankten selbst angreift. Sie kann aufgrund<br />
chronischer Entzündungen zu schweren Schädigungen der<br />
Gelenke (z. B. der Hände und Füße) führen. RA ist gekennzeichnet<br />
durch symmetrische, erodierende Gelenksynovitis (Entzündung<br />
der Synovialis, <strong>ein</strong>er Gewebeschicht, die die Gelenke umgibt und<br />
schmiert). Da es sich um <strong>ein</strong>e systemische Krankheit handelt,<br />
können darüber hinaus zahlreiche andere Organsysteme betroffen<br />
s<strong>ein</strong>, wie z. B. Herz, Lunge, Haut oder Augen (siehe Kap. 1.3,<br />
„Symptome und Diagnose“).<br />
Infektiöse Agenzien wie Bakterien (Mykoplasma, Mykobakterien,<br />
Enterobakterien) oder Viren (Retrovirus, Herpes-Virus, Epst<strong>ein</strong>-Barr-Virus,<br />
Rubella, Parvovirus) wurden bereits in die Ätiologie<br />
mit<strong>ein</strong>bezogen, bisher ist deren Beteiligung jedoch nicht<br />
erwiesen. Der starke HLA-Bezug (siehe Kap. 1.2, „Epidemiologie“)<br />
stützt die These, dass Antigenerkennungsprozesse <strong>ein</strong>e Rolle<br />
spielen könnten. Dies sch<strong>ein</strong>t nachvollziehbar, da bei Autoimmunerkrankungen<br />
die Differenzierung zwischen körpereigenen und<br />
fremden Substanzen (Fremd<strong>ein</strong>dringlingen wie Bakterien oder<br />
Viren) gestört ist. Ebenfalls diskutiert wird die Beteiligung freier<br />
Radikale an der Pathogenese. Die Ätiologie muss jedoch weiterhin<br />
10
als ungeklärt gelten. Die Auslöser der RA lassen sich nur schwer<br />
untersuchen. Vermutet werden physische oder emotionale Traumata,<br />
Infektionen und Impfungen. K<strong>ein</strong>er dieser Faktoren konnte<br />
jedoch bisher wissenschaftlich untermauert werden.<br />
Derzeit ist k<strong>ein</strong>e Heilung der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> möglich. Die<br />
heutigen Behandlungsmethoden sind darauf ausgelegt, Schmerzen<br />
zu lindern, die Entzündung abzumildern, die Gelenkzerstörung zu<br />
verlangsamen oder zu stoppen und die Funktionskapazität zu verbessern<br />
(siehe Kap. 1.4, „Therapie“).<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Definition: <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> (RA) ist <strong>ein</strong>e chronische, systemische Autoimmunerkrankung,<br />
bei der das Immunsystem des Patienten das körpereigene Gewebe angreift.<br />
Sie ist gekennzeichnet durch symmetrische, erodierende Gelenksynovitis.<br />
Die Ätiologie ist ungeklärt, die Beteiligung von Bakterien und Viren wird jedoch<br />
untersucht.<br />
1.2 Epidemiologie<br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> ist die häufigste Form entzündlicher Gelenkerkrankungen<br />
und kommt weltweit bei 0,8 <strong>–</strong> 1 % der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung<br />
vor. In den USA sind 2,1 Millionen Menschen<br />
betroffen, weltweit gibt es 165 Millionen RA-Patienten. Die Prävalenz<br />
ist bei der indianischen Bevölkerung Nordamerikas höher<br />
und in bestimmten Gebieten Italiens und Europas niedriger.<br />
Bei den Indianern liegt die Prävalenz bei 3,5 % bis 5,3 %. In den<br />
ländlichen Gebieten Südafrikas und in China ist die RA hingegen<br />
außergewöhnlich selten verbreitet. Frauen sind zwei bis vier Mal<br />
häufiger betroffen als Männer. Die Prävalenz steigt mit dem Alter<br />
und erreicht bei Frauen über 55 <strong>ein</strong>en Wert von 5 %. In den USA<br />
verursachte die rheumatoide <strong>Arthritis</strong> im Jahr 1992 aufgrund von<br />
Produktivitätsverlust und medizinischer Versorgung Kosten von<br />
ungefähr 65 Milliarden US-Dollar bzw. 0,3 % des Bruttoinlands-<br />
11
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
produkts. Die direkten medizinischen Kosten für Patienten mit<br />
RA im Frühstadium beliefen sich Berichten zufolge auf durchschnittlich<br />
5.913 US-Dollar pro Krankheitsfall und Jahr, während<br />
die indirekten Kosten bei durchschnittlich 11.750 US-Dollar<br />
pro Fall und Jahr lagen. 50 % der RA-Patienten erleben in den<br />
ersten beiden Jahren der Krankheit <strong>ein</strong>e zunehmende Einschränkung<br />
der Funktionskapazität und gelten innerhalb von 10 Jahren<br />
als funktionell schwer be<strong>ein</strong>trächtigt und arbeitsunfähig. Jüngere<br />
Ergebnisse zeigen, dass RA möglicherweise mit <strong>ein</strong>er verkürzten<br />
Lebensdauer in Zusammenhang steht. Berichten zufolge müssen<br />
RA-Patienten mit <strong>ein</strong>er um 3 bis 10 Jahre verkürzten Lebenserwartung<br />
rechnen.<br />
Bei Erwachsenen liegt die Inzidenz neuer Fälle bei circa 10<strong>–</strong><br />
20/100.000/Jahr bei Männern und bei 20<strong>–</strong>40/100.000/Jahr bei<br />
Frauen. Sie steigt mit dem Lebensalter. Im Gegensatz zur Inzidenz<br />
von Diabetes Typ I wurde bei der Inzidenzrate von rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> im Verlauf der letzten 40 Jahre <strong>ein</strong> Rückgang verzeichnet.<br />
Die Inzidenzrate von rheumatoider <strong>Arthritis</strong> hängt von verschiedenen<br />
Variablen ab. Sie ändert sich nicht nur mit der geografischen<br />
Lokalisation, mit Geschlecht und Alter, sondern auch<br />
mit dem Zeitraum zwischen dem erstmaligen Auftreten <strong>ein</strong>er undifferenzierten<br />
rheumatoiden Erkrankung und der Manifestation<br />
(30,8/100.000 bei Frauen und 12,7/100.000 bei Männern nach<br />
<strong>ein</strong>er Verlaufsbeobachtung von <strong>ein</strong>em Jahr im Vergleich zu<br />
54,0/100.000 bei Frauen und 24,5/100.000 bei Männern nach <strong>ein</strong>er<br />
Verlaufsbeobachtung von 5 Jahren laut <strong>ein</strong>er 1999 durchgeführten<br />
Studie). Eine genauere Einschätzung der Inzidenzrate von rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> erfordert <strong>ein</strong>e langfristige Verlaufsbeobachtung<br />
von Patienten mit undifferenzierter entzündlicher Polyarthritis.<br />
Ferner tritt die RA in der nördlichen Hemisphäre im Winter häufiger<br />
erstmalig auf als im Sommer.<br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> weist <strong>ein</strong>en starken Zusammenhang<br />
mit dem Klasse-II-Haupthistokompatibilitätskomplex (Human<br />
Leukocyte Antigen: HLA) auf, der auf Chromosom 6 lokalisiert<br />
ist. Dieses dimere Prot<strong>ein</strong> ist an der Interaktion zwischen<br />
T-Lymphozyten und Antigen-präsentierenden Zellen beteiligt<br />
(Antigenpräsentation). Die Anfälligkeit für RA wurde <strong>ein</strong>er<br />
Sequenz des HLA-DRB1-Moleküls zugeordnet („gem<strong>ein</strong>sames<br />
12
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Epitop“, „Suszeptivitätskassette“). Diese Sequenz ist identisch mit<br />
<strong>ein</strong>er Sequenz im Glykoprot<strong>ein</strong>(gp)110 des Epst<strong>ein</strong>-Barr-Virus, der<br />
in gewissem Zusammenhang mit der Pathogenese von RA steht.<br />
Immunkomplexe, die gp110 enthalten, binden sich an spezifische<br />
B-Zellen, die sie den T-Zellen präsentieren und von spezifischen<br />
T-Zellen Hilfe erhalten. Im Rahmen <strong>ein</strong>er Studie an der Mayo<br />
Clinic in den USA trugen 68 % der bezüglich des Rheumafaktors<br />
seronegativen Patienten das gem<strong>ein</strong>same Epitop im Vergleich zu<br />
97 % der Patienten, die seropositiv waren. Die RA-assoziierten<br />
HLA-Typen sind bei Nordeuropäern und Amerikanern HLA-DR4,<br />
Dw4 (HLA-DRB1*0401), HLA-DR4, Dw14 (HLA-DRB1*0404)<br />
und HLA-DR1, Dw1 (HLA-DRB1*0101), bei Italienern, in<br />
Israel lebenden Juden und <strong>ein</strong>igen Hispanoamerikanern ist es der<br />
Typ HLA-DR1, Dw1 (HLA-DRB1*0101) und bei den Yakima-<br />
Indianern am Nordwestpazifik ist es HLA-DR6, Dw16 (HLA-<br />
DRB1*1402). HLA-DR4 kann bei bis zu 70 % der Patienten mit<br />
RA vorhanden s<strong>ein</strong>.<br />
Eine gewisse familiär bedingte Häufung von RA konnte<br />
zwar festgestellt werden, ist jedoch nicht stark ausgeprägt. Der<br />
Vergleich von monozygoten und dizygoten Zwillingen im Rahmen<br />
<strong>ein</strong>er Studie ergab <strong>ein</strong>e 3 bis 4 Mal höhere Konkordanz von RA,<br />
was auf <strong>ein</strong>e erhebliche Bedeutung genetischer Faktoren für die<br />
Erkrankung schließen lässt.<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Epidemiologie<br />
• <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> ist die häufigste Form entzündlicher Gelenkerkrankungen,<br />
an der 0,8 bis 1 % der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung leiden.<br />
• Die Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit, an RA zu erkranken, ist bei Frauen zwei bis vier Mal höher<br />
als bei Männern. Die Prävalenz steigt mit dem Alter und erreicht 5 % bei<br />
Frauen über 55 Jahren.<br />
• <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> steht in engem Zusammenhang mit dem Klasse-II-<br />
Haupthistokompatibilitätskomplex (Human Leukocyte Antigen: HLA).<br />
• Eine familiär bedingte Häufung von RA ist erkennbar, allerdings nur in geringem<br />
Maße.<br />
13
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
1.3 Symptome und Diagnose<br />
Die Diagnose von RA erfolgt im Wesentlichen nach klinischen<br />
Gesichtspunkten. Der serologische Nachweis kann jedoch als zusätzlich<br />
stützender Wert dienen. Die Krankheit beginnt in wenigen<br />
Fällen (bei 8<strong>–</strong>5 %) plötzlich (innerhalb <strong>ein</strong>es Zeitraums von 24 bis<br />
48 Stunden). Typischerweise (bei 55<strong>–</strong>70 % aller Fälle) entwickelt<br />
sich die RA jedoch insidiös über <strong>ein</strong>en Zeitraum von mehreren<br />
Wochen. Bei 15<strong>–</strong>20 % der Patienten wird <strong>ein</strong> intermittierender<br />
Krankheitsbeginn beobachtet. Die ersten Symptome können systemisch<br />
oder artikulär auftreten. Manche Patienten beklagen als<br />
erste Symptome Müdigkeit, Unwohls<strong>ein</strong> oder diffuse Schmerzen<br />
des Bewegungsapparats. Häufig bemerken Patienten zuerst die<br />
Morgensteifigkeit in <strong>ein</strong>em oder mehreren Gelenken, die normalerweise<br />
von Schwellungen, Schmerzen bei Bewegung und Druckempfindlichkeit<br />
der Gelenke begleitet wird. Damit <strong>ein</strong>hergehen<br />
kann die lokale Überwärmung, Erytheme treten jedoch nicht auf.<br />
Die Morgensteifigkeit ist wahrsch<strong>ein</strong>lich auf die Ansammlung<br />
von Ödemflüssigkeit während des Schlafens zurückzuführen. Die<br />
Abb. 1.1: <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> im Frühstadium mit Schwellungen der proximalen<br />
Interphalangealgelenke, die zum spindelförmigen Aussehen der Finger<br />
führen<br />
14
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Abb. 1.2: <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> im Spätstadium mit Zeichen <strong>ein</strong>er chronischen<br />
Schwellung im Handgelenk, dem Metacarpophalangealgelenk (Mittelhandgelenk)<br />
und in den proximalen Interphalangealgelenken sowie <strong>ein</strong>e sichtbare<br />
Atrophie der Musculi interossei<br />
Dauer der Morgensteifigkeit in Minuten und die Messung der<br />
Kraft beim Greifen (engl.: grip strength) sind häufig verwendete<br />
Indizes der Krankheitsaktivität. Die Anzahl der betroffenen Gelenke<br />
ist äußerst variabel, aber in nahezu allen Fällen führt der<br />
Krankheitsprozess schließlich zur polyartikulären Ausprägung.<br />
Die durchschnittliche Verzögerung nach erstmaligem Auftreten<br />
der Erkrankung bis zur Diagnose beträgt 9 Monate.<br />
Im typischen Fall tritt die entzündliche Polyarthritis beidseitig<br />
und symmetrisch auf und betrifft kl<strong>ein</strong>e und große Gelenke<br />
in den oberen und unteren Extremitäten. Das Achsenskelett bleibt<br />
mit Ausnahme der Halswirbelsäule verschont. Bei den meisten<br />
Patienten sind anfangs die kl<strong>ein</strong>en, proximalen Gelenke von<br />
Fingern und Zehen sowie Fuß- oder Handgelenke betroffen.<br />
Die Schwellungen der proximalen, nicht aber der distalen<br />
Interphalangealgelenke (Grund- und Mittelgelenke von Fingern<br />
und Zehen) und der Gelenke der Mittelhand verleihen den Fingern<br />
<strong>ein</strong> spindelförmiges Aussehen (siehe Abb. 1.1 und 1.2). Im<br />
Verlauf der Krankheit werden auch Knie (bei 80 % der Patienten),<br />
15
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Ellenbogen,<br />
Schultern (bei 60 % der Patienten) und die Halswirbelsäule<br />
(bei 60<strong>–</strong>70 % der Patienten) in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Die Entzündung konzentriert sich typischerweise auf die<br />
Synovialmembran. Sie wird begleitet von <strong>ein</strong>er vermehrten<br />
Proliferation von Synovialdeckzellen und <strong>ein</strong>em verstärkten<br />
Abziehen von Synovialzellen aus dem Knochenmark. Hierdurch<br />
wird die Synovialschicht in Falten geworfen, was zu der für RA<br />
charakteristischen Synovialproliferation führt. Darüber hinaus findet<br />
<strong>ein</strong> massiver Zustrom von Leukozyten in das Synovialstroma<br />
statt.<br />
Zu den bei RA auftretenden Gelenkschädigungen gehören<br />
Knorpelabbau, Knochenerosionen und Schädigungen von<br />
Sehnen und Bändern. Der Pannus bildet <strong>ein</strong> destruktives Element<br />
in der rheumatoiden Synovialis. Es handelt sich hierbei um <strong>ein</strong>e<br />
Abb. 1.4: Histologisches<br />
Detail <strong>ein</strong>es<br />
Rheumaknotens<br />
16<br />
Fibroblasten<br />
Nekrotischer Bereich<br />
Abb. 1.3: Histologie<br />
von Rheumaknoten:<br />
der zentrale<br />
Nekrosebereich<br />
ist von <strong>ein</strong>er<br />
Fibroblastenschicht<br />
umgeben
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
wachsende entzündliche Masse<br />
von Synovialdeckzellen, die sich<br />
in Gelenkknorpeln und Knochen<br />
ausbreitet. Der durch RA bedingte<br />
Synovialpannus ist sehr gefäßreich<br />
und mit entzündeten Zellen gefüllt.<br />
Zellen im Pannusgewebe zeigen<br />
viele Merkmale transformierter<br />
Zellen und dringen beispielsweise<br />
in Knorpel und Knochen<br />
<strong>ein</strong>. Darüber hinaus werden hohe<br />
Konzentrationen von Zytokinen<br />
und destruktiven Enzymen, z.<br />
B. Matrix-Metalloproteasen, exprimiert.<br />
Dies führt zu Knorpelund<br />
Knochenschädigungen.<br />
Eine f<strong>ein</strong>e, bereits früh auftretende<br />
Veränderung bei RA ist die<br />
Abb. 1.5: Rheumaknoten<br />
Entwicklung <strong>ein</strong>er Muskelatrophie<br />
um die Gelenke.<br />
Wichtige klinische Merkmale der RA sind symmetrische Polyarthritis<br />
mit Morgensteifigkeit und subkutanen Knoten, die sich in<br />
späteren Krankheitsstadien bei ungefähr 20<strong>–</strong>35 % der Patienten entwickeln.<br />
Rheumaknoten bestehen<br />
aus <strong>ein</strong>em zentralen nekrotischen<br />
Bereich (Ur sache Vaskultitis), der<br />
von <strong>ein</strong>er Fibroblastenschicht und <strong>ein</strong>er<br />
Kollagenkapsel umgeben ist (siehe<br />
Abb. 1.3 und 1.4). Meistens entstehen<br />
sie an knöchernen Bereichen<br />
mit erhöhter Druckbelastung, z. B.<br />
an Ellenbogen, Fingergelenken oder<br />
im Bereich von Sitz- oder Kreuzb<strong>ein</strong><br />
(siehe Abb. 1.5). Bei nahezu allen<br />
Patienten mit Rheumaknoten ist der<br />
Abb. 1.6: Gelenknahe Osteopenie der Hand,<br />
k<strong>ein</strong>e Knochenerosionen<br />
17
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Rheumafaktor im Serum nachweisbar.<br />
Auch die Radiologie kann typische Veränderungen zum Vorsch<strong>ein</strong><br />
bringen. Charakteristische radiologische Kennzeichen von rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> sind Knochenerosion, Knorpelverlust, gelenknahe<br />
Osteopenie (Abnahme der Knochendichte) und Weichteilschwellungen.<br />
In frühen Krankheitsstadien jedoch sind <strong>ein</strong>fache<br />
Röntgenaufnahmen für die meisten Patienten nicht hilfreich, da<br />
sie normalerweise nur Weichteilschwellungen oder gelenknahe<br />
Osteopenie (siehe Abb. 1.6) abbilden.<br />
Erst im späteren Verlauf tritt die Gelenkzerstörung mit Be<strong>ein</strong>trächtigung<br />
der Gelenkfunktion und/oder -strukturen <strong>ein</strong>. Röntgenaufnahmen<br />
können Gelenkspaltverschmälerung, diffuse Osteoporose<br />
und schließlich marginale Knochenerosionen zeigen, die sich zu<br />
subchondralen Erosionen fortentwickeln können (siehe Abb. 1.7<br />
bis 1.10). Deformitäten von Händen und Füßen, Sehnenrupturen<br />
und Instabilität der Halswirbelsäule sind weitere Merkmale von<br />
RA im Spätstadium (siehe Abb. 1.11 und 1.12). Zu den Deformitäten<br />
der Hand gehören die Ulnardeviation (der Mittelhandgelenke)<br />
und die Schwanenhals-Deformität (Beugung der Finger end- und<br />
Mittelhandgelenke bei gleichzeitiger Überstreckung der Fingermittelgelenke).<br />
Die Verwendung der Arthroskopie ermöglicht den Rheumatologen<br />
<strong>ein</strong>e direkte Untersuchung der Synovialis. Durch den<br />
Einsatz dieses Verfahrens kann das Fortschreiten der Krankheit<br />
<strong>ein</strong>gestuft werden, bevor radiologische Veränderungen erkennbar<br />
sind. In Stadium I ist <strong>ein</strong> pathologischer Befund der<br />
Synovialis sichtbar, es findet jedoch noch k<strong>ein</strong>e Invasion der<br />
Knorpel statt. In Stadium II dringt die proliferierende Synovialis<br />
bis zu den Knorpeloberflächen vor, und es zeigen sich periphere<br />
Knorpelerosionen. Bei der radiologischen Untersuchung sind weder<br />
Gelenkspaltverschmälerungen noch Erosionen nachweisbar.<br />
Erst in den Stadien III und IV sind radiologische Veränderungen<br />
erkennbar.<br />
Die Knochenszintigraphie stellt ebenfalls <strong>ein</strong> hilfreiches bildgebendes<br />
Verfahren zur Untersuchung von RA dar. Sie bildet<br />
den empfindlichsten Indikator für <strong>ein</strong>e aktive Erkrankung, da<br />
sie Hyperämie und Entzündung belegt. Die Magnetresonanz-<br />
Tomographie (Magnetic Resonance Imaging: MRI) weist<br />
18
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Abb. 1.7 <strong>–</strong> 1.8: <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong> in den Händen (Spätstadium): Gelenkspaltverschmälerung,<br />
diffuse Osteoporose und Knochenerosionen<br />
<strong>ein</strong>e höhere Empfindlichkeit bezüglich der Feststellung von<br />
Knochenerosionen auf als die Radiologie. Ihr Einsatz im Bereich der<br />
RA-Diagnostik befindet sich derzeit in der Entwicklungsphase.<br />
Die vier Stadien der RA wurden nach klinischen,<br />
funktionalen und radiologischen Kriterien entsprechend<br />
definiert (Stadium I: Gelenkschwellung ohne<br />
19
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Be<strong>ein</strong>trächtigung der Aktivitäten; Stadium II:<br />
Synovitis mit leichten Bewegungs<strong>ein</strong>schränkungen,<br />
gelenknahe Dekalzifikation; Stadium III: Deformierungen,<br />
Muskel atrophie, Ten dini tis, <strong>ein</strong>geschränkte Funktionskapazität,<br />
Knochen de struk tion; Stadium IV: ausgeprägte Deformierungen,<br />
Gelenk instabilität, hochgradige Einschränkung der Funktionskapazität<br />
(Rollstuhlabhängigkeit oder Bettlägerigkeit,<br />
fortgeschrit tene Gelenkzerstörung).<br />
Die Krankheit verläuft in manchen Fällen monozyklisch, mit<br />
<strong>ein</strong>er Rückbildung über <strong>ein</strong>en Zeitraum von mindestens <strong>ein</strong>em<br />
Jahr (bei 20 % der Patienten). Bei 70 % der Fälle verläuft die RA<br />
20<br />
Abb. 1.9 <strong>–</strong> 1.10:<br />
Progressive<br />
Erosionen bei<br />
RA: linke Hand<br />
und rechter<br />
Fuß <strong>ein</strong>er 28jährigen<br />
Frau<br />
im Frühstadium<br />
der Erkrankung<br />
und nach<br />
18 Monaten<br />
alternativer<br />
Behandlung
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
jedoch polyzyklisch mit teilweiser Remission und mit Progression.<br />
Nur etwa 10 % der Patienten erleben <strong>ein</strong>e komplette Remission.<br />
Leider ist das Krankheitsmuster bei den <strong>ein</strong>zelnen Patienten nicht<br />
vorhersehbar. Es sind allerdings Risikofaktoren für <strong>ein</strong>e ungünstige<br />
Prognose bekannt (siehe Kap. 2.6, „Prognosewert von RF<br />
und Anti-CCP-Antikörpern“). Aus noch unbekannten Gründen<br />
nimmt die RA bei Männern und älteren Menschen typischerweise<br />
<strong>ein</strong>en schlimmeren Verlauf. Die RA-Aktivität sinkt bei etwa 70 %<br />
der Frauen während der Schwangerschaft.<br />
Palindromer Rheumatismus kennzeichnet sich durch wiederkehrende<br />
Schmerzepisoden, Schwellungen und Überwärmung (über<br />
<strong>ein</strong>en Zeitraum von mehreren Tagen bis Wochen), die in der Regel<br />
<strong>ein</strong> bis drei Gelenke betreffen. Symptomfreie Intervalle dauern<br />
normalerweise Wochen bis Monate. Bei 30<strong>–</strong>40 % der Patienten<br />
werden die wiederkehrenden Episoden häufiger und können in<br />
rheumatoide <strong>Arthritis</strong> übergehen. Möglicherweise entwickelt sich<br />
<strong>ein</strong>e Seropositivität in Bezug auf den Rheumafaktor.<br />
Die Krankheitsaktivität von RA wird normalerweise durch<br />
<strong>ein</strong>e Selbst<strong>ein</strong>schätzung des Patienten <strong>ein</strong>gestuft. Diese Art der<br />
Einstufung ist bei RA Standard und wird bei klinischen Tests<br />
routinemäßig durchgeführt. Der sogenannte Stanford Health<br />
Assessment Questionnaire (HAQ) ist das am häufigsten <strong>ein</strong>gesetzte<br />
Instrument zur Messung der funktionellen Kapazität. Es handelt<br />
Abb. 1.11 <strong>–</strong> 1.12: Deformitäten von Hand und Fuß<br />
(RA im Spätstadium)<br />
21
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
sich dabei um <strong>ein</strong>en 20 Punkte umfassenden Fragebogen mit <strong>ein</strong>er<br />
Skala von 0 bis 3. Weitere Fragebogen zur Selbst<strong>ein</strong>schätzung<br />
sind der Functional Disability Index (FDS) sowie <strong>Arthritis</strong> Impact<br />
Measurement Scales (AIMS). Eine Beurteilung durch den Arzt<br />
ist <strong>ein</strong>e weitere Möglichkeit, <strong>ein</strong> Maß der Krankheitsaktivität zu<br />
erfassen. Der DAS (Disease Activity Score: Krankheitsaktivitätsindex)<br />
berücksichtigt die Anzahl der empfindlichen Gelenke, die<br />
Anzahl der geschwollenen Gelenke, die BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit)<br />
sowie die allgem<strong>ein</strong>e Beurteilung des Patienten.<br />
Neben artikulären Krankheitszeichen können auch systemische<br />
Symptome wie Müdigkeit, Unwohls<strong>ein</strong>, Gewichtsverlust,<br />
Anämie, Thrombozytose und unspezifische, diffuse Schmerzen<br />
des Bewegungsapparats auftreten. Auch grippeähnliche Symptome<br />
sind nicht ungewöhnlich. Etwa 20 % der Patienten entwickeln<br />
Rheumaknoten, häufig an knöchernen Bereichen mit hoher<br />
Druckbelastung wie z. B. an den Ellenbogen. Bei der systemischen<br />
RA können sich weitere extraartikuläre Symptome manifestieren.<br />
Dazu gehören <strong>ein</strong> positiver Rheumafaktor, systemische<br />
Vaskulitis, Lungenknötchen, interstitielle Fibrose, Perikarditis<br />
und Keratoconjunctivitis sicca als Teil des sekundären Sjögren-<br />
Syndroms (siehe unten) (siehe Tab. 1.1).<br />
Tabelle 1.1: Extraartikuläre Manifestationen von RA<br />
22<br />
Organ Manifestation<br />
Blutgefäße Systemische Vaskulitis (kl<strong>ein</strong>e Gefäße)<br />
Lunge<br />
Lungenknötchen<br />
Interstitielle Fibrose<br />
Herz Perikarditis<br />
Augen<br />
Keratoconjunctivitis sicca,<br />
Episkleritis und Skeleritis<br />
Haut Subkutane Knoten (Rheumaknoten)<br />
Immunsystem Rheumafaktor
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Felty-Syndrom: Splenomegalie, Leukopenie, bakterielle Infektion, Ulzera<br />
Etwa 1 % der RA-Patienten leiden unter dem Felty-Syndrom. Neben<br />
den RA-Symptomen treten dabei Splenomegalie, Leukopenie,<br />
bakterielle Infektionen und Ulzera auf. Ferner liegt <strong>ein</strong> erhöhtes<br />
Risiko lymphoproliferativer Malignitäten vor.<br />
18<strong>–</strong>30 % der Patienten mit <strong>ein</strong>er RA zeigen das sekundäre<br />
Sjögren-Syndrom. Dieses Syndrom ist neben den RA-Symptomen<br />
durch trockene Augen und trockenen Mund (Sicca-Syndrom),<br />
Hypoazidität des Magens und exokrine Pankreasinsuffizienz gekennzeichnet.<br />
Im Gegensatz zu Patienten mit primärem Sjögren-<br />
Syndrom sind Patienten mit sekundärem Sjögren-Syndrom häufig<br />
seronegativ in Bezug auf Anti-SSA/Ro- und Anti-SSB/La-<br />
Antikörper.<br />
In diesem Zusammenhang relevante Laborwerte sind solche,<br />
die <strong>ein</strong>e Entzündung anzeigen, wie beispielsweise <strong>ein</strong>e erhöhte<br />
Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG), <strong>ein</strong> erhöhter CRP-Wert (Creaktives<br />
Prot<strong>ein</strong>) und der Rheumafaktor (RF).<br />
Die Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) stellt <strong>ein</strong>en allgem<strong>ein</strong><br />
gültigen und <strong>ein</strong>fachen Marker für <strong>ein</strong>e Entzündungsaktivität in<br />
Zusammenhang mit RA dar und wird seit mehr als 65 Jahren verwendet.<br />
Sie basiert auf den Auswirkungen von Veränderungen in<br />
den Plasmaprot<strong>ein</strong>en auf die Geschwindigkeit, in der rote Blutkörperchen<br />
aufgrund der Schwerkraft durch das Plasma fallen.<br />
Bei RA korreliert <strong>ein</strong>e erhöhte BSG häufig mit dem Schweregrad<br />
der Entzündung. Bei manchen Patienten ist die Blutsenkung jedoch<br />
völlig normal. Eine Erhöhung der BSG ist nicht spezifisch<br />
für rheumatoide <strong>Arthritis</strong>, sondern ist auch bei anderen Zuständen<br />
festzustellen, wie z. B. SLE, Anämie, Infektionen, Schwangerschaft,<br />
Trauma, Malignität, Lebererkrankungen und Stress. Auch<br />
das Alter kann <strong>ein</strong>e erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit mit<br />
sich bringen.<br />
Die Messung von C-reaktivem Prot<strong>ein</strong> (CRP) liefert <strong>ein</strong>en<br />
weiteren Marker für systemische Entzündungen, der zur<br />
Beurteilung von RA-Patienten dient. CRP wird von der Leber<br />
produziert. Die Messung von CRP erfolgt durch Immunassay oder<br />
Nephelometrie. Serienbestimmungen von CRP dienen dazu, den<br />
Krankheitsverlauf der RA und das Ansprechen auf die Therapie<br />
23
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
zu überwachen. Ein erhöhter CRP-Wert ist nicht spezifisch für<br />
RA, sondern tritt unter ähnlichen Umständen wie <strong>ein</strong>e erhöhte<br />
BSG auf. Verwirrenderweise ist bei Patienten, die positiv auf <strong>ein</strong>e<br />
Therapie ansprechen, nicht unbedingt auch <strong>ein</strong> fallender BSG-<br />
und CRP-Wert zu beobachten.<br />
Der Rheumafaktor (RF) liegt bei RA häufig vor: Bei etwa 75<strong>–</strong><br />
80 % der RA-Patienten wird <strong>ein</strong> positiver Rheumafaktor gegen<br />
IgM nachgewiesen (detaillierte Informationen hierzu siehe Kap.<br />
2.2, „Was ist <strong>ein</strong> Rheumafaktor?“ und Kap. 2.4, „Rheumafaktor<br />
als Hilfe bei der Diagnose von RA“).<br />
Da die Bestimmung des RF jedoch <strong>ein</strong>en Test von bescheidener<br />
Sensitivität und nur geringer Spezifität darstellt, kann<br />
weder s<strong>ein</strong> Vorhandens<strong>ein</strong> noch s<strong>ein</strong>e Abwesenheit <strong>ein</strong>e klare<br />
Differenzierungshilfe zwischen rheumatoider <strong>Arthritis</strong> und anderen<br />
Erkrankungen bieten. Nur 25 % der RF-positiven Patienten leiden<br />
tatsächlich unter RA, alle übrigen sind entweder gesund oder leiden<br />
unter <strong>ein</strong>er anderen Autoimmun- oder Infektionskrankheit. Obwohl<br />
Laborergebnisse wie der Rheumafaktor <strong>ein</strong>e gewisse Vermutung<br />
stützen können, sind Diagnose und Differenzialdiagnostik zur<br />
Abgrenzung der RA von anderen, verwandten Erkrankungen<br />
hauptsächlich von klinischen Merkmalen abhängig (siehe Kap.<br />
3.2, „Häufige Differenzialdiagnosen“).<br />
Im Jahr 1987 entwickelte das American College of Rheumatology<br />
(ACR), die wissenschaftliche Fachgesellschaft der US-amerikanischen<br />
Rheumatologen, revidierte Kriterien für die Klassifikation<br />
der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong>:<br />
Tabelle 1.2: Revidierte ACR-Kriterien für die Klassifikation von RA<br />
Patienten gelten als RA-Patienten, wenn mindestens vier der<br />
sieben Kriterien erfüllt sind<br />
24<br />
Kriterium Definition<br />
Morgensteifigkeit 1)<br />
In Gelenken und Gelenknähe von wenigstens <strong>ein</strong>er<br />
Stunde Dauer
Kriterium Definition<br />
<strong>Arthritis</strong> in drei oder<br />
mehr Gelenkregionen<br />
1)<br />
<strong>Arthritis</strong> an Handgelenken<br />
1)<br />
Symmetrische<br />
<strong>Arthritis</strong> 1 )<br />
Rheumaknoten<br />
Rheumafaktor im<br />
Serum<br />
Radiologische<br />
Veränderungen<br />
1) muss während mindestens 6 Wochen bestehen<br />
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Von <strong>ein</strong>em Arzt festgestellt, gleichzeitig auftretend, mit<br />
Weichteilschwellungen oder Gelenkergüssen, nicht nur<br />
Knochenüberwucherung. Zu den 14 möglicherweise<br />
betroffenen Gelenkregionen gehören rechte oder<br />
linke proximale Interphalangealgelenke (Mittel- und<br />
Grundgelenke von Fingern und Zehen), Metacarpophalangealgelenke<br />
(Fingerknöchel) , Hand-, Ellenbogen-,<br />
Knie- und Sprunggelenke sowie Metatarsophalangealgelenke<br />
(Mittelfußgelenke)<br />
<strong>Arthritis</strong> an Handgelenken, Metacarpophalangealgelenken<br />
oder proximalen Interphalangealgelenken<br />
Gleichzeitig beidseitiger Befall der gleichen Gelenkregionen<br />
Von <strong>ein</strong>em Arzt festgestellte, subkutane Knoten über<br />
Knochenvorsprüngen, Muskelstreckseiten oder gelenknahen<br />
Regionen<br />
Nachweis von abnormalen Mengen von Rheumafaktor<br />
im Serum mit <strong>ein</strong>er Methode, deren positiver Nachweis<br />
bei <strong>ein</strong>er normalen Kontrollgruppe unter 5 % liegt<br />
RA-typische Veränderungen bei Hand- und Handgelenksradiographien<br />
(posterior-anterior), die Erosionen<br />
oder <strong>ein</strong>deutige Knochendekalzifikation in den<br />
betroffenen Gelenken bzw. am ausgeprägtesten nahe<br />
der betroffenen Gelenke zeigen müssen<br />
Diese Kriterien wurden zwar als Hilfsmittel für die Krankheitsklassifikation<br />
zu epidemiologischen Zwecken entwickelt, sie können<br />
jedoch auch als Richtlinien beim Aufstellen <strong>ein</strong>er Diagnose<br />
nützlich s<strong>ein</strong> und werden daher häufig als diagnostisches Mittel<br />
25
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
herangezogen. Das Fehlen der Kriterien schließt jedoch, besonders<br />
bei Patienten im Frühstadium der Erkrankung, die Krankheitsdiagnose<br />
nicht aus. Die bei den Kriterien verwendeten Parameter<br />
spiegeln den Status der chronischen Erkrankung <strong>ein</strong>schließlich<br />
Knoten und Erosionen wider.<br />
Aus den ACR-Kriterien lässt sich ableiten, dass <strong>ein</strong>e definitive<br />
Diagnose erst nach <strong>ein</strong>er mehrwöchigen oder längeren Präsentation<br />
der Krankheit möglich ist; vorher können nur Verdachtsdiagnosen<br />
gestellt werden.<br />
Einer akkuraten Diagnose von RA im Frühstadium stehen inhärente<br />
Schwierigkeiten im Wege. Ein Problem hierbei bildet die<br />
Tatsache, dass das Definitionsmerkmal der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong><br />
schlechthin die Chronizität ist, die sich aber naturgemäß erst über<br />
<strong>ein</strong>en gewissen Zeitraum entwickeln kann. Patienten, die sich erstmals<br />
bei praktischen Ärzten oder Rheumatologen vorstellen, erfüllen<br />
in vielen Fällen die Kriterien der Krankheitsklassifikation nicht<br />
und zeigen atypische Symptome und Anzeichen. Ihr Zustand wird<br />
häufig als undifferenzierte Polyarthritis oder undifferenzierte entzündliche<br />
<strong>Arthritis</strong> bezeichnet. Andererseits können bei ungefähr<br />
90 % der RA-Patienten bereits nach zwei Jahren Schädigungen radiologisch<br />
nachgewiesen werden. Aus diesem Grund ist <strong>ein</strong>e frühe,<br />
wenngleich äußerst schwierig zu stellende Diagnose von RA<br />
unerlässlich für die Verordnung <strong>ein</strong>er frühzeitigen Therapie (siehe<br />
Kap. 1.4, „Therapie“). Darüber hinaus ist es wichtig, die Patienten<br />
mit vermutlich schlechten Prognosen zu identifizieren, um sie mit<br />
<strong>ein</strong>er adäquaten Therapie unterstützen zu können.<br />
Die ACR-Kriterien zeigten bei Anwendung auf RA-Patienten, die<br />
sich in Sekundärbehandlung befanden, <strong>ein</strong>e Sensitivität zwischen<br />
83,5 % und 90 %, bei <strong>ein</strong>er Spezifität zwischen 86 % und 90 %.<br />
Bei Anwendung der Kriterien auf 486 Patienten mit entzündlicher<br />
<strong>Arthritis</strong> im Frühstadium (Erkrankungsdauer 1<strong>–</strong>39 Monate), die<br />
sich in Primärbehandlung befanden, stellten sich bei <strong>ein</strong>er Verlaufsbeobachtung<br />
von drei Jahren lediglich <strong>ein</strong>e Sensitivität von<br />
57 % und <strong>ein</strong>e Spezifität von 67 % heraus. Dieses Ergebnis veranschaulicht,<br />
dass die ACR-Kriterien, die basierend auf ihrer Fähigkeit<br />
entwickelt wurden, <strong>ein</strong>e Unterscheidung zwischen 262 Patienten<br />
mit manifester RA (durchschnittliche Erkrankungsdauer<br />
7,7<strong>–</strong>8,6 Jahre) und 262 Patienten mit anderen rheumatischen Er-<br />
26
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
krankungen herbeizuführen, für die Diagnose von RA im frühesten<br />
Stadium in ihrer aktuellen Form nicht geeignet sind.<br />
Möglicherweise könnte durch die Verlängerung des Zeitraums<br />
der Symptome auf 3 Monate <strong>ein</strong>erseits und durch die Aufnahme<br />
von bildgebenden Verfahren (in den Kriterienkatalog) andererseits<br />
<strong>ein</strong> besseres Ergebnis bei der frühen Diagnose erzielt werden. Die<br />
Magnetresonanz-Tomographie kann sowohl <strong>ein</strong>e Synovitis als<br />
auch Knochenveränderungen sichtbar machen, und anhand der<br />
Ultraschalldiagnostik können Erosionen entdeckt werden, noch<br />
bevor diese mit Hilfe <strong>ein</strong>facher Radiologie nachweisbar sind.<br />
Die Diagnose <strong>ein</strong>er RA im Frühstadium ist als wahre<br />
Herausforderung zu sehen, da zum Zeitpunkt des erstmaligen<br />
Auftretens der Erkrankung weder radiologische noch immunologische<br />
Merkmale pathognomonisch für rheumatoide <strong>Arthritis</strong><br />
sind. Bei etwa 50 % der Patienten ist der Röntgenbefund beispielsweise<br />
unauffällig, 60 % haben <strong>ein</strong>en negativen Rheumafaktor und<br />
bis zu 60 % zeigen k<strong>ein</strong>e Akutphasenreaktion. Aus diesem Grund<br />
könnte <strong>ein</strong> hoch krankheitsspezifischer serologischer Marker, wie<br />
Anti-CCP-Antikörper, als wichtiges zusätzliches Hilfsmittel bei<br />
der frühzeitigen Diagnose von RA dienen (siehe Kap. 2.3, „Was<br />
sind Anti-CCP-Antikörper?“, Kap. 2.5, „Anti-CCP-Antikörper als<br />
Hilfsmittel bei der Diagnose von RA“ und Kap. 2.6, „Prognosewert<br />
von RF und Anti-CCP-Antikörpern“).<br />
27
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Symptome und Diagnose<br />
• Zu den wichtigsten klinischen Merkmalen von RA zählen symmetrische Polyarthritis<br />
mit Morgensteifigkeit und subkutane Knoten.<br />
• Im Jahr 1987 entwickelte das American College of Rheumatology revidierte Kriterien<br />
für die Klassifikation von rheumatoider <strong>Arthritis</strong>. Diese Kriterien werden<br />
häufig zum Diagnostizieren der Krankheit herangezogen. Eine definitive Diagnose<br />
unter Verwendung dieser Kriterien kann jedoch erst erfolgen, wenn die<br />
Krankheit über mehrere Wochen oder länger besteht; vorher handelt es sich um<br />
<strong>ein</strong>e Verdachtsdiagnose.<br />
• Eine frühzeitige Diagnosestellung von RA gestaltet sich sehr schwierig, andererseits<br />
ist sie unerlässlich für die rasche Einleitung <strong>ein</strong>er Therapie. Die Diagnose<br />
von RA im Frühstadium gilt als echte Herausforderung, da zum Zeitpunkt der<br />
Präsentation weder radiologische noch immunologische Merkmale für die rheumatoide<br />
<strong>Arthritis</strong> pathognomonisch sind.<br />
• Im Fall der systemischen RA treten extraartikuläre Manifestationen auf.<br />
• Für die Entzündung relevante Laborwerte sind erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit<br />
(BSG) und C-reaktives Prot<strong>ein</strong> (CRP).<br />
• Es wurden anhand von klinischen, funktionellen und radiologischen Kriterien<br />
vier Stadien der RA definiert.<br />
• Die Krankheitsaktivität von RA kann über <strong>ein</strong>e Selbst<strong>ein</strong>schätzung des Patienten<br />
<strong>ein</strong>gestuft werden. Der Stanford Health Assessment Questionnaire (HAQ) ist das<br />
am häufigsten <strong>ein</strong>gesetzte Instrument zur Beurteilung der funktionellen Kapazität.<br />
1.4 Therapie<br />
Heute ist bekannt, dass die schlimmsten Schädigungen durch<br />
RA bereits in den ersten beiden Jahren der Erkrankung <strong>ein</strong>treten.<br />
Gelenkschädigungen lassen sich innerhalb von sechs Monaten<br />
nach Einsetzen der Symptome radiologisch nachweisen (Gelenkerosionen<br />
können unter Einsatz empfindlicherer Techniken, wie<br />
beispielsweise der Magnetresonanz-Tomographie, bereits vier<br />
Monate nach Krankheitsbeginn sichtbar gemacht werden). Daher<br />
sind frühzeitige Diagnose und Behandlung entscheidend. Aus<br />
diesem Grund wurde das früher angewendete Behandlungsmodell<br />
28
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
der „progressiven Pyramide“ (schwächere Medikamente zu Behandlungsbeginn<br />
und anschließendes Steigern der Wirksamkeit)<br />
von <strong>ein</strong>em aggressiveren Ansatz abgelöst. Obwohl der Beweis nur<br />
schwer zu erbringen ist, so gibt es in der Literatur doch Anhaltspunkte<br />
dafür, dass <strong>ein</strong>e frühzeitige Therapie, insbesondere mit<br />
Hilfe <strong>ein</strong>er TNF-α-Blockade, den Verlauf <strong>ein</strong>er andernfalls progressiven<br />
Erkrankung stoppen kann.<br />
Neben der konservativen Behandlung (physikalische Therapie<br />
und Ergotherapie, Ruhe) und dem operativen Eingriff ist die medikamentöse<br />
Therapie zum Eindämmen der Entzündung von äußerster<br />
Wichtigkeit.<br />
Bei der medikamentösen Therapie von RA wird unterschieden<br />
zwischen Schmerzmitteln (Analgetika), krankheitsmodifizierenden<br />
Medikamenten (engl.: disease-modifying anti-rheumatic<br />
drugs: DMARDs), nicht-steroidalen Antirheumatika, NSAR<br />
(engl.: non-steroidal anti-inflammatory drugs: NSAIDs), zytotoxischen<br />
Medikamenten/Immunsuppressiva und biologischen<br />
Agenzien (TNF-alpha-Hemmern).<br />
1.4.1 DMARDs (LWAR)<br />
Während Patienten mit neu diagnostizierter RA in der Vergangenheit<br />
über Wochen oder Monate ausschließlich mit NSAIDs<br />
behandelt wurden, setzt <strong>ein</strong> neuerer Trend darauf, bereits zu <strong>ein</strong>em<br />
frühen Zeitpunkt der Therapie auch so genannte krankheitsmodifizierende<br />
Antirheumatika (DMARDs: disease modifying<br />
anti-rheumatic drugs) <strong>ein</strong>zuführen, die im Deutschen auch häufig<br />
als langwirksame Antirheumatika (LWAR) bezeichnet werden und<br />
früher als Basismedikamente bekannt waren.<br />
DMARDs zögern die durch RA verursachten Gelenkschäden<br />
hinaus, indem sie in die Zytokinproduktion der T-Lymphozyten <strong>ein</strong>greifen.<br />
Hierdurch wird die Akutphasenreaktion unterdrückt und die<br />
lokale Gewebeschädigung verhindert. Daneben tritt <strong>ein</strong>e Linderung<br />
der mehr systemischen Merkmale der RA <strong>ein</strong>. Die Behandlung wird<br />
normalerweise über <strong>ein</strong>en Zeitraum von mindestens fünf Jahren,<br />
möglicherweise auch lebenslang fortgesetzt. DMARDs wirken im<br />
Allgem<strong>ein</strong>en nur langsam, es können daher vier bis sechs Monate<br />
vergehen, bevor <strong>ein</strong>e überzeugende Wirkung erkennbar wird.<br />
29
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Zu dieser Gruppe von Therapeutika gehören Hydroxychloroquin<br />
(Resochin ® ), Methotrexat (Matrex ® etc.), Sulfasalazin (Salazopyrin<br />
® etc.), D-Penicillamin, Leflunomid (Arava ® ) sowie parenteral<br />
oder oral verabreichtes Gold (Myocrisin ® , Ridaura ® , Auranofin<br />
® etc.)<br />
Hydroxychloroquin und Methotrexat werden normalerweise bei<br />
der frühen Therapie <strong>ein</strong>gesetzt. Wenige Rheumatologen verwenden<br />
Gold an Stelle von Methotrexat. Nach M<strong>ein</strong>ung <strong>ein</strong>iger Autoren sind<br />
Sulfasalazin und Methotrexat aufgrund ihrer günstigeren Risiko-<br />
Nutzen-Profile und dem vergleichsweise raschen Wirkungs<strong>ein</strong>tritt<br />
bei RA im Frühstadium die derzeitigen DMARDs der Wahl. Dies<br />
wird jedoch aufgrund der hohen Toxizität von Sulfasalazin von anderen<br />
Wissenschaftlern in Frage gestellt. Methotrexat wird wegen<br />
s<strong>ein</strong>er hohen Wirkungsrate und der relativen Sicherheit standardmäßig<br />
als erste DMARD-Therapie <strong>ein</strong>gesetzt.<br />
Zu den wichtigsten Nebenwirkungen von Sulfasalazin gehören<br />
Knochenmarkdepression und Magen-/Darmunverträglichkeit. Die<br />
Behandlung mit Sulfasalazin kann auch zu SLE-artigen Symptomen<br />
führen, insbesondere in Zusammenhang mit bestimmten HLA-<br />
Haplotypen und ANA-Positivität. Die häufigsten Nebenwirkungen<br />
von Methotrexat sind Übelkeit, Mundschleimhautentzündungen<br />
und selten Pneumonitis. Hydroxychloroquine (Antimalariamittel)<br />
können Hautausschläge und Magenschmerzen verursachen. Oral<br />
verabreichtes Gold ist weniger wirkungsvoll, weist aber auch<br />
weniger Nebenwirkungen (Magen-/Darm-Toxizität) auf als parenteral<br />
verabreichtes Gold (Prot<strong>ein</strong>urie, Thrombozytopenie,<br />
Hautausschlag). Eine positive Wirkung ist normalerweise nach<br />
zwei bis vier Monaten erkennbar. Das Monozyten/Makrophagen-<br />
System bildet das wahrsch<strong>ein</strong>lichste Ziel der Aktivität von<br />
Goldsalzen (Blockieren der Antigenpräsentation und anderer<br />
Komponenten der Makrophagenfunktion).<br />
Bei Gegenreaktionen oder fehlender Wirkung wird <strong>ein</strong> anderes<br />
DMARD ausgewählt. D-Penicillamin wurde in den 60er-Jahren<br />
<strong>ein</strong>geführt. Es wird normalerweise Patienten verordnet, die auf<br />
Hydroxychloroquin, Methotrexat oder Goldsalze nicht ansprechen<br />
oder diese Medikamente nicht vertragen, und bei denen die<br />
Krankheit noch aktiv ist. Das Gleiche gilt für Patienten mit fibrotischen<br />
Manifestationen. D-Penicillamin wird heute nur noch selten<br />
30
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
zur Behandlung von RA <strong>ein</strong>gesetzt. Leflunomid wurde in jüngster<br />
Vergangenheit für die Verwendung gegen RA zugelassen und ist<br />
bei <strong>ein</strong>er Erkrankung moderater Intensität indiziert.<br />
Die meisten DMARDs können Nebenwirkungen verursachen<br />
und ihre Verwendung erfordert daher regelmäßige Blut- und/<br />
oder Urinkontrollen. In Anbetracht der potenziellen Toxizität<br />
von DMARDs liegt die Bedeutung <strong>ein</strong>er exakten Diagnose auf<br />
der Hand. Kombinationen von DMARDs empfehlen sich nur bei<br />
Patienten, die auf die Monotherapie nicht angemessen ansprechen.<br />
Um die Therapie kontinuierlich dem Verlauf der Krankheit anpassen<br />
zu können, muss nach M<strong>ein</strong>ung des ACR <strong>ein</strong>e regelmäßige<br />
Beurteilung der Krankheitsaktivität erfolgen. Gleichzeitig müssen<br />
entsprechende Änderungen der DMARD-Behandlung <strong>ein</strong>geleitet<br />
werden (siehe Abb. 1.13).<br />
Abb. 1.13: ACR-Behandlungsalgorithmus für RA (ACR Committee: Guidelines for<br />
the Management of Rheumatoid <strong>Arthritis</strong>. <strong>Arthritis</strong> Rheum 2002, 46:328<strong>–</strong>46)<br />
31
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
1.4.2 NSAIDs (NSAR)<br />
NSAIDs (non-steroidal anti-inflammatory drugs) werden im Deutschen<br />
auch als nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) bezeichnet.<br />
Sie hemmen die Entzündung und wirken gleichzeitig schmerzlindernd,<br />
haben jedoch k<strong>ein</strong>e signifikant modifizierende Wirkung<br />
auf den zu Grunde liegenden Krankheitsprozess. Während Patienten<br />
mit neu diagnostizierter RA in der Vergangenheit ausschließlich<br />
mit NSAIDs behandelt wurden, geht der jüngste Trend dahin,<br />
bereits im frühen Krankheitsstadium DMARDs <strong>ein</strong>zusetzen, insbesondere<br />
bei Patienten mit schlechten Prognosen. NSAIDs bieten<br />
kurzfristige Besserung in dem Zeitraum, bevor DMARDs ihre<br />
Wirkung zeigen (mehrere Wochen oder Monate). Es gehört zur<br />
anerkannten Praxis, RA-Patienten über den gesamten Krankheitsverlauf<br />
hinweg mit NSAIDs zu behandeln. Hinweise deuten auf<br />
die Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit hin, dass sich die entzündungshemmenden<br />
Effekte von NSAIDs zur Wirkung von DMARDs addieren. Häufig<br />
müssen mehrere NSAIDs ausprobiert werden, um die richtige<br />
Therapie für den <strong>ein</strong>zelnen Patienten zu finden.<br />
Zu den NSAIDs gehören Naproxen (Naprosyn ® etc.), Ibuprofen<br />
(Brufen ® , Nurofen ® , Motrin ® etc.), Diclofenac (Voltaren ® ,<br />
Diclomax ® etc.), Indometacin (Indocid ® etc.), Nabumeton<br />
(Reliflex ® etc.), Piroxicam (Feldene ® ) und Aspirin. Sie hemmen<br />
die Cyclooxygenasen, die (die von Membranlipiden freigesetzte)<br />
Arachidonsäure in Prostaglandine und Prostacycline umwandeln,<br />
die ihrerseits als Mediatoren bei Entzündungen, Fieber und<br />
Schmerzen fungieren (COX-Hemmer).<br />
NSAIDs sind die am häufigsten verschriebenen Arzneimittel<br />
gegen arthritische Schmerzen. Sie bilden die weltweit am häufigsten<br />
verordnete Substanzklasse. Schätzungen zufolge verwenden<br />
zwei bis vier Millionen US-Amerikaner und 30 Millionen<br />
Menschen weltweit täglich NSAIDs.<br />
Nachfolgend sind die schädlichen Nebenwirkungen traditioneller<br />
NSAIDs aufgelistet:<br />
<strong>–</strong> Geschwürbildung, Blutung, Perforation oder Obstruktion<br />
des oberen Magen-Darm-Trakts<br />
<strong>–</strong> Nierenschäden<br />
32
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
<strong>–</strong> verstärkte Neigung zu blauen Flecken aufgrund mangelnder<br />
Funktion der Blutplättchen<br />
Cyclooxygenase tritt in zwei Isoenzymen auf (COX-1 und COX-<br />
2). Konstitutiv exprimiertes COX-1 produziert Prostaglandine, die<br />
die Magenschleimhaut vor dem Angriff der Magensäure schützen.<br />
Induzierbares COX-2 produziert Prostaglandine meist an Entzündungsherden,<br />
aber auch konstitutiv, z. B. in den Nieren. COX-2<br />
liegt in vivo im Synovialgewebe von RA-Patienten vor. Es wird<br />
vermutet, dass die entzündungshemmende Wirkung von NSAIDs<br />
auf die Hemmung von COX-2 zurückzuführen ist. Die bislang<br />
bekannten NSAIDs hemmen die beiden Enzyme unterschiedlich<br />
stark und verursachen dabei beträchtliche Nebenwirkungen auf<br />
den Magen (durch die Hemmung von COX-1). Aus diesem Grund<br />
wurden selektive COX-2-Hemmer entwickelt. Zu dieser Untergruppe<br />
der NSAIDs zählen Celecoxib (Celebrex ® ) und Lumiracoxib<br />
(Prexige ® ). Die COX-2-spezifischen NSAIDs reizen den<br />
Magen in viel geringerem Maße, sind jedoch ebenso wirksam wie<br />
die bisher üblichen NSAIDs. Sie werden bei Patienten mit hohem<br />
Risiko bezüglich Magenproblemen angewendet, bei älteren Menschen<br />
sowie bei Patienten, die in der Vergangenheit bereits unter<br />
NSAID-vermittelten Magenirritationen oder -unverträglichkeiten<br />
litten. Im Rahmen <strong>ein</strong>er Studie, bei der Celecoxib zum Einsatz<br />
kam, traten bei nur zwei von 5.285 Patienten signifikante Magen-<br />
Darm-Komplikationen auf.<br />
Alle NSAIDs können Leberentzündungen und Nierenprobleme<br />
verursachen. Daher müssen regelmäßig Routineuntersuchungen<br />
durchgeführt werden. Insbesondere ältere Patienten sind engmaschig<br />
zu überwachen (Hypertonie, Stauungsinsuffizienz, Diabetes,<br />
Niereninsuffizienz).<br />
1.4.3 Zytostatika/Immunsuppressiva<br />
Azathioprin (Oprisine ® , Imuran ® ) ist <strong>ein</strong> Purinanalog, das in die<br />
DNA-Synthese <strong>ein</strong>greift. Bei der Behandlung von RA bringt es<br />
nur den bescheidenen Nutzen, dass die Glukokortikoid-Dosis gegebenenfalls<br />
entsprechend gedrosselt werden kann. Als wichtigste<br />
Nebenwirkung ist Knochenmarkdepression mit Neutropenie bekannt.<br />
33
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
Cyclophosphamid (Endoxan ® ) gehört zu den Alkylanzien, die die<br />
DNA-Stränge vernetzen und die Zellen so in allen Phasen ihres<br />
Wachstumszyklus behindern. Dieser Wirkstoff weist <strong>ein</strong>e hohe<br />
Toxizität auf (Knochenmarkdepression, Gonadalsuppression,<br />
Alopezie, Magen-/Darm-Überempfindlichkeit), s<strong>ein</strong>e Anwendung<br />
kann jedoch bei RA-Patienten mit schwerer Vaskulitis und anderen<br />
extraartikulären Ersch<strong>ein</strong>ungen sinnvoll s<strong>ein</strong>.<br />
Bei Cyclosporin A handelt es sich um <strong>ein</strong> Pilzpeptid, das<br />
im Bereich der Organtransplantation <strong>ein</strong> weit verbreite ter<br />
Wirkstoff ist. Es besitzt <strong>ein</strong>e hemmende Wirkung auf Lymphozyten<br />
(Zytokinproduktion). Auf dem Gebiet der RA sollte<br />
die Verabreichung von Cyclosporin A auf Patienten mit guter<br />
Nierenfunktion und schwerem progressivem Krankheitsverlauf<br />
beschränkt bleiben. Zu den wichtigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen<br />
gehören Nierentoxizität und Hypertonie.<br />
1.4.4 TNF-α-Hemmer<br />
TNF-α (Tumor-Nekrose-Faktor) kommt im rheumatoiden Gelenk<br />
in großen Mengen vor. Er ist auf vielfache Weise proinflammatorisch<br />
aktiv, indem er beispielsweise die Expression von Gefäßadhäsionsmolekülen<br />
sowie die Expression von Matrix-Metalloprotease-1<br />
hochreguliert. In der jüngeren Vergangenheit wurden<br />
drei TNF-α hemmende Substanzen für die Verwendung gegen RA<br />
zugelassen: Etanercept (Enbrel ® ), <strong>ein</strong> löslicher TNF-α-Rezeptor,<br />
Infliximab (Remicade ® ), <strong>ein</strong> chimärischer Anti-TNF-α-Antikörper<br />
und Adalimumab (Humira ® ), <strong>ein</strong> vollständig humanisierter,<br />
monoklonaler Antikörper. Etanercept und Adalimumab werden<br />
zwei Mal wöchentlich bzw. jede zweite Woche subkutan verabreicht.<br />
Nach Erreichen <strong>ein</strong>er klinischen Reaktion wird Infliximab<br />
alle 6 bis 8 Wochen intravenös verabreicht. Randomisierte, kontrollierte<br />
Studien über 3<strong>–</strong>12 Monate ergaben <strong>ein</strong>en Rückgang der<br />
Krankheitsaktivität und der Gelenkentzündung bei RA-Patienten,<br />
die auf DMARDs nicht angesprochen hatten. Die kurzfristige<br />
Toxizität ist gering, die Langzeitfolgen können jedoch noch nicht<br />
abgeschätzt werden. Berichten zufolge führte die Behandlung mit<br />
Infliximab bereits zur Produktion von Autoantikörpern wie IgM-<br />
34
1. Was ist rheumatoide <strong>Arthritis</strong>?<br />
dsDNA-Antikörpern und gelegentlich zum sich selbst limitierenden<br />
SLE. Zu den am häufigsten auftretenden Nebenwirkungen<br />
von Adalimumab gehören lokale Entzündungen der Einstichstelle,<br />
Kopfschmerzen und allergische Reaktionen.<br />
Bei Kineret ® handelt es sich um <strong>ein</strong>en löslichen Interleukin-<br />
1-Rezeptor, der IL-1 bindet und damit die Beseitigung aus der<br />
Zirkulation ermöglicht. Es wird täglich subkutan verabreicht.<br />
Diese biologischen Medikamente (engl.: Biologicals) der „ersten<br />
Generation“ haben krankheitsmodifizierende Eigenschaften bewiesen<br />
(sie hemmen die so genannte Röntgenprogression) und erzielten<br />
bessere klinische Ergebnisse als bisherige Therapien gegen<br />
rheumatoide <strong>Arthritis</strong>.<br />
1.4.5 Kortikosteroide<br />
Im Jahr 1949 wurde erstmals die günstige Wirkung von Glukokortikoiden<br />
auf RA beobachtet. Einige Anzeichen deuten auf <strong>ein</strong>e<br />
krankheitsmodifizierende Wirkung (Hemmung der Entwicklung<br />
neuer Erosionen und der Röntgenprogression) bei Langzeitanwendung<br />
hin, wenn Patienten über 2 Jahre hinweg niedrige Dosierungen<br />
von Kortikosteroiden erhalten. Orale Kortikosteroide werden<br />
jedoch nicht für den routinemäßigen Gebrauch empfohlen, da k<strong>ein</strong><br />
nachhaltiger klinischer oder funktioneller Nutzen nachgewiesen<br />
wurde und die Langzeit<strong>ein</strong>nahme mit <strong>ein</strong>em hohen Toxizitätsrisiko<br />
<strong>ein</strong>hergeht. Diese Medikamente sind nur unter <strong>ein</strong>igen besonderen<br />
Bedingungen angezeigt, wie beispielsweise bei Vaskulitis,<br />
bei schweren Hauterythemen oder als Überbrückungstherapie<br />
zu NSAIDs. Die Glukokortikoide können nach ihrer Wirkdauer<br />
in kurz wirksame (t 1/2 8<strong>–</strong>12 Stunden: Cortison, Cortisol), mittelfristig<br />
wirksame (t 1/2 12<strong>–</strong>36 Stunden: Prednison, Prednisolon,<br />
Methylprednisolon, Triamcinolon) und langwirksame Mittel (t 1/2<br />
36<strong>–</strong>72 Stunden: Paramethason, Dexamethason, Betamethason)<br />
<strong>ein</strong>geteilt werden.<br />
Kortikosteroide weisen <strong>ein</strong>e Reihe unerwünschter Nebenwirkungen<br />
auf wie z. B. Wasserretention und Gewichts zunahme, Rundung<br />
des Gesichts, verzögerte Wundheilung, verstärkte Neigung zu<br />
blauen Flecken, Diabetes, Glaukome, erhöhter Blutdruck, Osteoporose,<br />
Suppression des Immunsystems, Störungen des zentralen<br />
35
Nervensystems, Magenirritationen und andere. Aus diesem Grund<br />
sollten Kortikosteroide stets in möglichst niedriger Dosierung über<br />
<strong>ein</strong>en möglichst kurzen Zeitraum angewendet werden.<br />
Intraartikuläre Kortikosteroid-Injektionen sind allerdings<br />
bei der Behandlung lokal auftretender Hauterytheme hilfreich.<br />
Gegenreaktionen sind hier selten. Als ernsthafteste Komplikation<br />
infolge <strong>ein</strong>er Injektion ist die septische <strong>Arthritis</strong> mit <strong>ein</strong>er Inzidenz<br />
von 1/17.000 bis 1/50.000 bekannt.<br />
36<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Therapie<br />
• Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass <strong>ein</strong>e frühe Therapie den andernfalls progressiven<br />
Verlauf der Erkrankung ändern kann.<br />
• Neben der konservativen Behandlung und operativen Eingriffen ist die medikamentöse<br />
Therapie zur Eindämmung der Entzündung von äußerster Wichtigkeit.<br />
• Bei der medikamentösen Therapie der RA unterscheidet man zwischen Analgetika,<br />
krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARDs), nicht-steroidalen<br />
Antirheumatika (NSAIDs), Zytostatika/Immunsuppressiva und biologischen<br />
Agenzien (TNF-α-Hemmern).<br />
• Krankheitsmodifizierende Antirheumatika (DMARDs) verzögern die Gelenkzerstörung<br />
und unterdrücken die systemischen Merkmale von RA. Die Behandlung<br />
mit diesen Medikamenten wird normalerweise über mindestens 5 Jahre, möglicherweise<br />
lebenslang fortgesetzt. DMARDs weisen im Allgem<strong>ein</strong>en <strong>ein</strong>en langsamen<br />
Wirkungs<strong>ein</strong>tritt auf.<br />
• Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAIDs) wirken sowohl entzündungshemmend<br />
als auch schmerzlindernd, haben allerdings k<strong>ein</strong>en signifikant modifizierenden<br />
Einfluss auf den zu Grunde liegenden Krankheitsprozess.<br />
• Während Patienten mit neu diagnostizierter RA in der Vergangenheit ausschließlich<br />
mit NSAIDs behandelt wurden, geht <strong>ein</strong> neuerer Trend dahin, insbesondere<br />
bei Patienten mit schlechter Prognose, bereits im Frühstadium der Krankheit mit<br />
<strong>ein</strong>er DMARD-Therapie zu beginnen.
2 Basismerkmale<br />
der serologischen Analyse von RA<br />
2.1 Einführung<br />
Die Unterscheidung der RA von ihren häufigsten Differenzialdiagnosen<br />
wird in Kapitel 3.2 beschrieben. Es wird deutlich, dass<br />
sich die klinische Diagnose der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> kompliziert<br />
gestaltet und häufig Zweifel hinterlässt. In vielen Fällen sind<br />
mehrere klinische Analysen notwendig. Aus diesem Grund könnte<br />
<strong>ein</strong> serologischer Marker mit hoher Sensitivität und Spezifität für<br />
RA zusätzlichen Nutzen bringen. Insbesondere die frühe Diagnose<br />
von RA, die für die Einleitung <strong>ein</strong>er effizienten Therapie unerlässlich<br />
ist, gilt als schwierig. Im Rahmen <strong>ein</strong>er retrospektiven<br />
Studie von 98 Patienten lag die mittlere Dauer von Beginn der<br />
Erkrankung bis zur Diagnose bei 36 Wochen (Bereich: 4 Wochen<br />
bis > 10 Jahre). Dieses Ergebnis ist repräsentativ und verdeutlicht<br />
die Notwendigkeit von adäquaten, zusätzlichen Markern für RA.<br />
Zwei serologische Marker stehen hier im Mittelpunkt des<br />
Interesses: Rheumafaktor (RF) und Anti-CCP-Antikörper. Der<br />
Rheumafaktor wurde 1940 erstmals beschrieben und hat sich zu<br />
<strong>ein</strong>em bewährten Analyt entwickelt. Er wird in Zusammenhang mit<br />
den Differenzialdiagnosen von RA in Kapitel 3.2 näher erläutert.<br />
S<strong>ein</strong> diagnostischer Wert ist jedoch, wie später beschrieben wird,<br />
aufgrund s<strong>ein</strong>er <strong>ein</strong>geschränkten Spezifität für RA begrenzt.<br />
Anti-CCP-Antikörper wurden hingegen erst vor wenigen Jahren<br />
erstmals beschrieben. Sie bieten den Vorteil <strong>ein</strong>er hohen Spezifität<br />
für RA. Daher überrascht es nicht, dass bereits zahlreiche Studien<br />
durchgeführt wurden, um deren Eigenschaften näher zu erforschen.<br />
Die Anti-CCP-Antikörper sind nicht in den Erläuterungen<br />
der Differenzialdiagnosen in Kapitel 3.2 enthalten. Sie stellen <strong>ein</strong><br />
zusätzliches Hilfsmittel bei der Diagnose von RA dar.<br />
In den folgenden Kapiteln werden die charakteristischen Merkmale<br />
von Rheumafaktor und Anti-CCP-Antikörpern dargelegt.<br />
Darüber hinaus werden diagnostischer Nutzen und Prognosewert<br />
dieser Marker näher behandelt.<br />
37
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
38<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Basismerkmale der serologischen Analyse von RA <strong>–</strong> Einleitung<br />
• Die klinische Diagnose der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> ist kompliziert. Insbesondere<br />
die frühzeitige Diagnose von RA, die für die Einleitung <strong>ein</strong>er effizienten Therapie<br />
unerlässlich ist, gilt als schwierig.<br />
• Für die Serodiagnostik von RA sind der Rheumafaktor (RF) und Anti-CCP-Antikörper<br />
von Bedeutung.<br />
• Der RF wurde 1940 entdeckt und ist <strong>ein</strong> bewährter Analyt, während die Anti-<br />
CCP-Antikörper erst in der jüngeren Vergangenheit beschrieben wurden. Ihre<br />
Spezifität für RA ist jedoch sehr vielversprechend.<br />
2.2 Was ist <strong>ein</strong> Rheumafaktor?<br />
Die Bezeichnung „Rheumafaktor“ (RF) beschreibt <strong>ein</strong>e Serie zirkulierender<br />
Immunglobuline, die die C-Termini der konstanten<br />
Region (Fc) autologer IgG-Moleküle erkennen. Der RF von RA-<br />
Patienten bindet alle IgG-Subklassen. Rheumafaktoren reagieren<br />
mit nativem IgG, ihre Reaktionsfreudigkeit ist gegenüber aggregiertem<br />
oder denaturiertem IgG in Immunkomplexen (aufgrund<br />
der Multivalenz) jedoch ungleich höher. Der Rheumafaktor (RF)<br />
kann in Form verschiedener Isotypen wie IgG, IgM, IgA und IgE<br />
vorliegen. IgM ist die reaktionsfreudigste Form (Abb. 2.1) und bildet<br />
daher den Mittelpunkt des klinischen Interesses.<br />
Etwa die Hälfte der RF binden Konformationsdetermi nanten<br />
auf der Fc-Oberfläche, während die restlichen RF lineare Polypeptiddeterminanten<br />
binden, die über 8 Regionen von Cγ2 und<br />
12 Regionen von Cγ3 verteilt sind. Die Glykosylierung von RF ist<br />
wichtig für die IgG-Bindung.<br />
Die Häufigkeit von RF-spezifischen B-Zellen-Vorläufern im<br />
Blut von seropositiven RA-Patienten ist im Vergleich zu seronegativen<br />
Patienten zwar nicht höher, die Häufigkeit von RF-spezifischen<br />
Synovialzellen ist bei seropositiver RA jedoch vier Mal<br />
höher. Dies lässt den Schluss zu, dass der Großteil von Serum-RF<br />
in den Gelenken produziert wird.<br />
Der RF (von RA-Patienten, nicht jedoch von gesunden Kontrollen)
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
geht häufig auch <strong>ein</strong>e Kreuzreaktion mit IgG von anderen Spezies,<br />
insbesondere von Kaninchen, <strong>ein</strong>. Lymphozyten der RA-Synovialis<br />
produzieren RF in vitro mit <strong>ein</strong>er erhöhten Bindungsavidität<br />
gegenüber menschlichem im Vergleich zu Kaninchen-IgG und <strong>ein</strong>er<br />
Selektivität für IgG . Andererseits sezernieren Lymphozyten<br />
3<br />
aus RA-Blut <strong>ein</strong>en RF, der menschliches IgG und Kaninchen-IgG<br />
gleichermaßen bindet und für IgG und IgG selektiv ist.<br />
1 2<br />
Eine idiotypische Ähnlichkeit zwischen antibakteriellen Pep -<br />
ti do glykan-Antikörpern und RF lässt vermuten, dass Rheumafaktoren<br />
möglicherweise Anti-Idiotypen zu antimikrobiellen<br />
Antikörpern sind. Daher entwickeln mit RF immunisierte Mäuse<br />
sowohl Anti-RF-Idiotyp- als auch Anti-Streptokokken-Peptidoglykan-Antikörper.<br />
Diese Beobachtung könnte relevante Hinweise<br />
für den Mechanismus der RF-Induktion liefern.<br />
Zu den Nachweisverfahren zählen Agglutinationstests, Laser -<br />
nephelo metrie, indirekte Immunfluoreszenz (IIF), Radio immunassay<br />
und ELISA.<br />
ELISA und IIF eignen sich für den Nachweis <strong>ein</strong>zelner RF-<br />
Isotypen. Agglutinationstests weisen vorwiegend IgM nach, während<br />
IgG-RF und IgA-RF möglicherweise nicht erfasst werden.<br />
Beim Latexfixationstest werden mit aggregiertem humanem IgG<br />
beladene Partikel verwendet, die von IgM-RF sichtbar agglutiniert<br />
werden. Der Titer entspricht der höchsten Serumverdünnung, die<br />
<strong>ein</strong>e Agglutination verursacht. Ein Titer größer als 1:80 gilt visuell<br />
als positiv. Der Latex-Fixationstest besitzt <strong>ein</strong>e höhere Sensitivität<br />
als der mit IgG-sensibilisierten Kaninchen-Erythrozyten durchgeführte<br />
Ag glu tinationstest (Waaler-Rose-Test). Letzterer ist hingegen<br />
spezifischer.<br />
Der RF ist bei Patienten mit RA erhöht. Die Kombination von<br />
erhöhtem IgM-RF und IgA-RF ist (unabhängig von IgG-RF) das<br />
bei RA-Patienten am häufigsten vorzufindende RF-Muster. RF-<br />
Tests finden als Teil der ACR-Kriterien für RA (siehe Tab. 1.2)<br />
weite Verbreitung in der klinischen Praxis.<br />
Die Sensitivität von RF-Tests bei RA-Patienten liegt je nach<br />
angewandter Methode sowie Schwere und Dauer der Erkrankung<br />
bei <strong>ein</strong>em Wert von 60<strong>–</strong>90 %. Der Spezifitätsgrad ist allerdings<br />
gering (70<strong>–</strong>90 %). Bei der kaukasischen Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung<br />
lässt sich der Rheumafaktor bei 1<strong>–</strong>5 % nachweisen, bei den über<br />
39
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
70-Jährigen kann er bei 10<strong>–</strong>25 % festgestellt werden. Bei <strong>ein</strong>igen<br />
nordamerikanischen Indianerstämmen liegt die Häufigkeit von<br />
RF-positiven Personen in <strong>ein</strong>em Bereich von bis zu 30 %. Der bei<br />
der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung festgestellte RF ist polyreaktiv mit geringer<br />
Affinität.<br />
Ferner stehen auch andere Erkrankungen als RA in Zusammenhang<br />
mit zirkulierendem RF. Beispiele hierfür sind<br />
systemische Autoimmunerkrankungen (SLE, Sklerodermie,<br />
Mischkollagenose (MCTD) und besonders das Sjögren-Syndrom),<br />
Viruserkrankungen (AIDS, Hepatitis, Influenza), chronisch bakterielle<br />
(Tuberkulose, Syphilis, Lepra, Salmonellose, subakute<br />
bakterielle Endokarditis) und parasitäre Infektionen (Malaria,<br />
Schistosomiasis etc.), Neoplasmen und weitere hyper-γ-globuline<br />
Zustände (chronische Lebererkrankung, Sarkoidose, andere chronische<br />
Lungenerkrankungen etc.). In Tabelle 2.1 ist die Prävalenz<br />
von RF bei verschiedenen Krankheiten dargestellt.<br />
Der Rheumafaktor ist transient assoziiert mit vielen<br />
Infektionskrankheiten. Dies ist wahrsch<strong>ein</strong>lich auf die Tatsache<br />
zurückzuführen, dass monomeres IgG zwar nicht sehr effizient im<br />
Induzieren von RF ist, IgG jedoch auf <strong>ein</strong>e komplexe, immunogene<br />
Art und Weise angeordnet wird, wenn mehrere Epitope auf<br />
<strong>ein</strong>em Mikroorganismus aufgereiht sind.<br />
Tabelle 2.1: Prävalenz von RF (mittels Latex-Agglutination) bei verschiedenen<br />
Krankheiten<br />
40<br />
Erkrankung Prävalenz RF<br />
RA 80 %<br />
Sjögren-Syndrom 70 %<br />
Gemischte Kryoglobulinämie 70 %<br />
SLE 30 %<br />
Mischkollagenose 25 %<br />
Polymyositis 20 %
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Erkrankung Prävalenz RF<br />
Systemische Sklerose 20 %<br />
Juvenile chronische <strong>Arthritis</strong> 15 %<br />
Subakute bakterielle Endokarditis 40 %<br />
Infektiöse Hepatitis 25 %<br />
EBV-, CMV-Infektionen 20 %<br />
Lepra 25 %<br />
Tuberkulose 15 %<br />
Trypanosomiasis 15 %<br />
Syphilis 10 %<br />
Sarkoidose 10 %<br />
Makroglobulinämie Waldenström 30 %<br />
Leberzirrhose 25 %<br />
Lungeninterstitialerkrankung 25 %<br />
Gesunde Kontrollen < 5 %<br />
Ältere Menschen (> 70 Jahre) 15 %<br />
Aus: Smolen JS (1994) Autoantibodies in Rheumatoid <strong>Arthritis</strong>; Manual of Biological Markers of Disease C 1.1, 1-18;<br />
Kluwer Academic Publishers<br />
Wie in Tabelle 2.1 gezeigt wird, ist der RF bei vielen verschiedenen<br />
Störungen, insbesondere jedoch bei Autoimmun- und Infektionskrankheiten,<br />
nachzuweisen. Neben s<strong>ein</strong>em Vorkommen bei RA<br />
tritt er am häufigsten beim Sjögren-Syndrom und der gemischten<br />
Kryoglobulinämie auf. Das Sjögren-Syndrom kann dabei entweder<br />
als Primärerkrankung oder in Zusammenhang mit RA oder<br />
41
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
SLE vorliegen. Bei RA leiden 18<strong>–</strong>30 % der Patienten unter dem<br />
sekundären Sjögren-Syndrom und dem damit verbundenen Sicca-<br />
Syndrom (Trockenheit von Mund und Augen). Beim sekundären<br />
Sjögren-Syndrom liegt die Häufigkeit von RF bei 85<strong>–</strong>90 %. Die<br />
gemischte Kryoglobulinämie kennzeichnet sich durch die Formierung<br />
von Rheumafaktoren mit Immunkomplexen, die bei Kälte als<br />
Präzipitate ausfallen. Diese Krankheit kann als idio pathische Entität<br />
vorliegen oder verbunden s<strong>ein</strong> mit Bindegewebeerkrankungen,<br />
lymphoproliferativen Störungen oder Infektionskrankheiten, insbesondere<br />
Hepatitis C.<br />
Aufgrund s<strong>ein</strong>er unzureichenden Sensitivität und der begrenzten<br />
Spezifität ist der RF-Test k<strong>ein</strong> taugliches Mittel für die<br />
Bestätigung oder den Ausschluss <strong>ein</strong>er rheumatoiden <strong>Arthritis</strong>.<br />
Er kann bei der Prognose (in Bezug auf den Schweregrad von<br />
Erosionen) von gewissem Nutzen s<strong>ein</strong> und wird als guter prädiktiver<br />
Marker für Patienten diskutiert, die <strong>ein</strong> erhöhtes Risiko<br />
der Entwicklung von ernsteren extraartikulären Manifestationen<br />
wie Vaskulitis, Augenentzündung und Rheumaknoten aufweisen.<br />
Mehrere Studien haben gezeigt, dass RA-Patienten mit erhöhtem<br />
IgA-RF <strong>ein</strong>e schwerere Erkrankung mit Knochenerosionen<br />
und extraartikulären Manifestationen entwickeln (siehe Kap. 2.6,<br />
„Prognosewert von RF und Anti-CCP-Antikörpern“).<br />
Es gibt Bemühungen, die Spezifität durch <strong>ein</strong>e kombinierte<br />
Analyse verschiedener Isotypen zu steigern. Dies ginge allerdings<br />
mit <strong>ein</strong>er geringeren Sensitivität <strong>ein</strong>her.<br />
Aus Tierversuchen ergaben sich Hinweise darauf, dass Rheumafaktoren<br />
<strong>ein</strong>e patho gene Rolle bei der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong><br />
spielen, z. B. durch<br />
Kom plementbindung<br />
von Immunkomplexen<br />
(<strong>ein</strong>schließlich derer,<br />
die Anti-Knorpel-<br />
Antikörper enthalten),<br />
durch Induktion der<br />
42<br />
Abb. 2.1: Struktur des IgM-<br />
Rheumafaktor-Moleküls
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Zytokinproduktion durch Killerzellen sowie durch die Antigenpräsentation<br />
von B-Zellen. Ferner wird vermutet, dass Rheumafaktoren<br />
bei der gesunden Bevölkerung an der Wirtsreaktion auf<br />
zahlreiche infektiöse Organismen beteiligt sind und <strong>ein</strong>en Beitrag<br />
zur Wirtsabwehr leisten, indem sie bei der Antigenpräsentation<br />
durch RF-positive B-Zellen sowie beim Beseitigen von Immunkomplexen<br />
helfen.<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Was ist <strong>ein</strong> Rheumafaktor?<br />
• Die Bezeichnung „Rheumafaktor“ (RF) beschreibt <strong>ein</strong>e Gruppe von Immunglobulinen,<br />
die den C-Terminus der konstanten Region (Fc) autologer IgG-Moleküle<br />
erkennen.<br />
• RF ist bei Patienten mit RA erhöht. Der RF-Test hat als <strong>ein</strong>es von sieben ACR-<br />
Kriterien für RA <strong>ein</strong>en hohen Stellenwert erlangt und ist in der klinischen Praxis<br />
weit verbreitet.<br />
• Zu den Nachweismethoden gehören Agglutinationstests, Lasernephelometrie,<br />
indirekte Immunfluoreszenz, Radioimmunassay und ELISA. Der Latex-Fixationstest<br />
weist zwar <strong>ein</strong>e höhere Sensitivität, aber <strong>ein</strong>e geringere Spezifität auf als<br />
der mit IgG-sensibilisierten Kaninchenerythrozyten durchgeführte Agglutinationstest<br />
(Waaler-Rose-Test).<br />
• Die Sensitivität der RF-Tests bei RA-Patienten liegt bei 60<strong>–</strong>90 %.<br />
• Die Spezifität ist eher gering (70<strong>–</strong>90 %), da der RF nicht nur bei <strong>ein</strong>em relativ<br />
hohen Anteil der gesunden Bevölkerung, sondern auch bei vielen anderen<br />
Erkrankungen, insbesondere bei Autoimmun- und Infektionskrankheiten (z. B.<br />
Sjögren-Syndrom, gemischte Kryoglobulinämie, subakute bakterielle Endokarditis)<br />
festgestellt werden kann.<br />
• Aufgrund s<strong>ein</strong>er unzureichenden Sensitivität und der begrenzten Spezifität ist<br />
der RF-Test für die Bestätigung oder den Ausschluss <strong>ein</strong>er rheumatoiden <strong>Arthritis</strong><br />
ungeeignet, er kann jedoch als nützlicher prädiktiver Marker für die Entwicklung<br />
<strong>ein</strong>iger der ernsthafteren extraartikulären Manifestationen dienen.<br />
43
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
2.3 Was sind Anti-CCP-Antikörper?<br />
Heute wird angenommen, dass Anti-CCP-Antikörper (anti-CCP:<br />
anti-cyclic citrullinated peptide) dasselbe Antigen erkennen wie<br />
Antikörper gegen den perinukleären Faktor (APF), gegen Keratin<br />
(AKA) und gegen Filaggrin. Diese Antikörper wurden bereits vor<br />
den Anti-CCP-Antikörpern beschrieben.<br />
Als erster Antikörper dieser Gruppe wurde APF entdeckt und<br />
1964 von Nienhuis und Mandena beschrieben, als sie nach <strong>ein</strong>em<br />
neuen ANA-Substrat forschten. Als Nachweisverfahren dient<br />
die indirekte Immunfluoreszenz (IIF) auf Zellen der menschlichen<br />
Mundschleimhaut. Bei <strong>ein</strong>em positiven APF-Test ist <strong>ein</strong>e<br />
Komponente der den Zellkern umgebenden Keratohyalinkörnchen<br />
(zytoplasmatische Aggregate) markiert (siehe Abb. 2.2).<br />
Die klinische Sensitivität dieser Methode liegt für RA zwischen<br />
49 % und 91 %. Die Spezifität erreicht 73 % bis 99 % <strong>–</strong><br />
Werte also, die beträchtlich höher sind als beim Rheumafaktor.<br />
Die sehr geringe Inzidenz von APF innerhalb <strong>ein</strong>er „normalen“<br />
Kontrollpopulation wurde von verschiedenen Autoren nachgewiesen.<br />
Dennoch wurde die Bestimmung von APF nicht als Routineanalyse<br />
<strong>ein</strong>geführt. Es handelt sich um <strong>ein</strong> Verfahren der indirekten<br />
Immunfluoreszenz (IIF)<br />
an frisch isolierten Zellen<br />
der Mundschleimhaut. Dies<br />
ist <strong>ein</strong>e komplizierte, aufwändige<br />
Technik, die Spezialkenntnisse<br />
erfordert und<br />
deren Ergebnisse schwer zu<br />
interpretieren sind. Darüber<br />
Abb. 2.2: APF-Markierung bei<br />
Zellen der menschlichen Mundschleimhaut<br />
(Bild freundlicherweise<br />
zur Verfügung gestellt<br />
von Dr. Dr. Pierre Youinou, Centre<br />
Hospitalier Régional et Universitaire,<br />
Brest, Cedex, Frankreich)<br />
44
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Abb. 2.3: Anti-Keratin-Antikörper<br />
auf Rattenösophagus<br />
durch IIF dargestellt (Bild<br />
freundlicherweise zur Verfügung<br />
gestellt von Prof. Dr.<br />
René L. Humble, Laboratoire<br />
Luxembourgeois d’Immuno-<br />
Pathologie)<br />
hinaus erweist sich die<br />
Beschaffung des für<br />
APF-Tests erforderlichen<br />
Substrats als schwierig:<br />
nur 11<strong>–</strong>69 % der Spender besitzen geeignete Zellen. Zellkulturen<br />
können nicht <strong>ein</strong>gesetzt werden. Ferner variiert die Qualität der<br />
Zellen von Spender zu Spender, von Tag zu Tag und von Zelle zu<br />
Zelle, und überdies ist das Antigen bei der Lagerung labil, was zu<br />
<strong>ein</strong>er unsteten Sensitivität führt. Der auf diese Weise festgestellte<br />
Titer bewegt sich zwischen 1:5 bei gesunden Menschen und 1:800<br />
bei RA-Patienten.<br />
Das durch den antiperinukleären Faktor erkannte Antigen wurde<br />
1995 als (Pro-)Filaggrin identifiziert (siehe unten).<br />
Die zweiten, in Verbindung mit Anti-CCP-Antikörpern relevanten<br />
Antikörper sind Anti-Keratin-Antikörper (AKA). AKA wurden<br />
1979 erstmals von Young und Mitarbeitern beschrieben. Sie<br />
werden durch die indirekte Immunfluoreszenz (IIF) im Ösophagus<br />
von Ratten nachgewiesen. Dabei werden Gefrierschnitte bevor zugt<br />
aus dem mittleren Drittel des Ösophagus, ohne vorherige Fixation<br />
verwendet. Wie in Abbildung 2.3 dargestellt, ergeben AKA<br />
<strong>ein</strong>e typische, linear laminierte Färbung, die sich auf die obere<br />
Hornschicht, das Stratum corneum, des Epithels beschränkt.<br />
Die klinische Sensitivität von AKA-Tests liegt für die rheumatoide<br />
<strong>Arthritis</strong> bei 40<strong>–</strong>60 %, die Spezifität zwischen 95 % und<br />
99 %. Dieses Verfahren wurde trotz s<strong>ein</strong>er hohen Spezifität nicht<br />
als Routinetestmethode <strong>ein</strong>geführt, da es sich um <strong>ein</strong>e indirekte<br />
Immunfluoreszenztechnik handelt, die geringe Sensitivität bietet.<br />
Überdies ist das Substrat nur schwer verfügbar, und es existieren<br />
k<strong>ein</strong>e allgem<strong>ein</strong> gebräuchlichen Standards.<br />
45
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Das Antigen, das von AKA erkannt wird, war über <strong>ein</strong>en langen<br />
Zeitraum unbekannt. Es stand jedoch früh fest, dass das Antigen<br />
(trotz der Bezeichnung „Anti-Keratin-Antikörper“) nicht mit Cytokeratinen<br />
in Zusammenhang steht.<br />
Der experimentelle Nachweis dazu wurde folgendermaßen geführt:<br />
a) Die Sättigung von Gefrierschnitten mit <strong>ein</strong>em Kaninchen-Antiserum<br />
gegen Cytokeratine hat k<strong>ein</strong>en Einfluss auf die AKA-<br />
Reaktivität.<br />
b) Die Präadsorption von RA-Seren mit humanen Cytokeratinen<br />
der Epidermis be<strong>ein</strong>flusst die Reaktivität nicht.<br />
c) Der Titer von AKA ist unabhängig vom Titer der Anti-Cytokeratin-Antikörper.<br />
d) Immunoblotting von RA-Seren mit Cytokeratinen ist schwach<br />
oder nicht vorhanden und steht in k<strong>ein</strong>em Zusammenhang mit<br />
der AKA-Aktivität der Seren.<br />
Im Jahr 1993 extrahierten Simon und Mitarbeiter aus der menschlichen<br />
Epidermis <strong>ein</strong> Prot<strong>ein</strong> von 40 kD, das von 75 % der RA-<br />
Seren immunspezifisch erkannt und von den Forschern als neutrale/saure<br />
Form von Basisfilaggrin identifiziert wurde. Dabei wurde<br />
der folgende experimentelle Nachweis geführt:<br />
a) Filaggrin-spezifische, monoklonale Antikörper reagierten mit<br />
dem 40-kD-Prot<strong>ein</strong>.<br />
b) Autoantikörper aus RA-Seren, affinitätsger<strong>ein</strong>igt auf dem 40kD-Prot<strong>ein</strong>,<br />
erkannten ger<strong>ein</strong>igtes Filaggrin.<br />
c) Die Reaktivität von RA-Seren auf das 40-kD-Prot<strong>ein</strong> verschwand<br />
nach der Immunadsorption mit ger<strong>ein</strong>igtem Filaggrin.<br />
d) Das 40-kD-Prot<strong>ein</strong> und Filaggrin wiesen <strong>ein</strong>e ähnliche Aminosäurezusammensetzung<br />
auf.<br />
e) Letztlich wurde durch Immunadsorption gezeigt, dass die Autoantikörper<br />
gegen das 40-kD-Prot<strong>ein</strong> und AKA größtenteils<br />
identisch waren.<br />
Bei epidermalem Filaggrin handelt es sich um <strong>ein</strong> kationisches<br />
Prot<strong>ein</strong> mit <strong>ein</strong>em apparenten Molekulargewicht von 37 kD. Es ist<br />
an der Anordnung von Cytokeratin-Filamenten in Makrofibrillen<br />
beteiligt (erleichtert die Generierung von Disulfidbrücken), die ih-<br />
46
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
rerseits die dichte Zellmatrix von Corneozyten in der Epidermis<br />
bilden.<br />
Filaggrin wird im Stratum corneum der Epidermis als Profilaggrin<br />
synthetisiert und in Keratohyalinkörnchen gespeichert.<br />
Profilaggrin ist <strong>ein</strong> histidinreiches, unlösliches Prot<strong>ein</strong> und besteht<br />
aus 10 bis 12 Filaggrin-Einheiten, die durch Brückenpeptide<br />
(7 Aminosäuren) verbunden sind. Profilaggrin weist <strong>ein</strong> apparentes<br />
Molekulargewicht von 200<strong>–</strong>400 kD auf. Es wird in den<br />
Spätstadien der Epidermisdifferenzierung exprimiert und reichert<br />
sich in <strong>ein</strong>er stark phosphorylierten Form im Stratum corneum<br />
des keratinisierenden Epithelgewebes an. Die Umwandlung in<br />
Filaggrin (Dephosphorylierung, begrenzte Proteolyse) ist wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
Ca++-abhängig.<br />
Filaggrin enthält 10<strong>–</strong>12 % Histidin. Die Funktion von Basisfilaggrin<br />
ist das Anordnen von Cytokeratin-Filamenten zu Makrofibrillen<br />
in den Corneozyten. Zu <strong>ein</strong>em späteren Zeitpunkt in<br />
s<strong>ein</strong>em Lebenszyklus wird das Basisfilaggrin posttranslational<br />
durch Peptidylarginyl-Desaminase (PAD) modifiziert. Von diesem<br />
Enzym gibt es mehrere Isotypen. In der entzündlichen Synovialis<br />
von RA-Patienten sind PAD2 und PAD4 in großen Mengen vorhanden.<br />
Das Enzym desaminiert etwa 20 % der Argininreste und<br />
wandelt sie dabei in Citrullin um (siehe Abb. 2.4). Die Funktion<br />
der Citrullinierung ist noch nicht geklärt. Möglicherweise steht sie<br />
in Zusammenhang mit Proteolyse oder Apoptose.<br />
Durch die Citrullinierung wird neutrales oder saures Filaggrin<br />
generiert, das <strong>ein</strong>e geringere Affinität gegenüber Cytokeratin-Filamenten<br />
aufweist und sich durch <strong>ein</strong>e große Ladungsheterogenität<br />
auszeichnet. Im späteren Verlauf s<strong>ein</strong>es Lebenszyklus wird neutrales<br />
oder saures Filaggrin durch Proteolyse vollständig abgebaut,<br />
und die generierten Aminosäuren erzeugen <strong>ein</strong>en hohen osmotischen<br />
Druck in den oberflächlichen Hornschichten. Darüber<br />
hinaus absorbieren sie ultraviolette Strahlung.<br />
Im Jahr 1993 identifizierten Simon und Mitarbeiter (neutrales<br />
oder saures) citrulliniertes Filaggrin als Zielantigen von Anti-<br />
Keratin-Antikörpern. Später wurde gezeigt, dass auch der antiperinukleäre<br />
Faktor citrulliniertes Filaggrin als s<strong>ein</strong> Antigen erkennt.<br />
Hoet und Mitarbeiter hatten 1991 mit Hilfe der doppelten<br />
Immunfluoreszenz die Kolokalisation von perinukleärem Faktor<br />
47
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Abb. 2.4: Citrullinierung<br />
und Profilaggrin in Zellen der menschlichen Mundschleimhaut beobachtet.<br />
Vier Jahre später, 1995, fanden Sebagg und Mitarbeiter<br />
heraus, dass es sich bei APF und AKA größtenteils um dieselben<br />
Autoantikörper handelt. Sie erkennen citrulliniertes Filaggrin als<br />
Antigen; die Epitope können allerdings unterschiedlich s<strong>ein</strong>.<br />
Gegen Filaggrin gerichtete Antikörper können auch mittels<br />
ELISA oder Immunoblotting nachgewiesen werden. Bei diesen<br />
Verfahren wird ger<strong>ein</strong>igtes Hautfilaggrin oder rekombinantes Filaggrin<br />
verwendet, das in-vitro citrulliniert wurde. Die erreichte<br />
Sensitivität liegt in den meisten Fällen zwischen 40 % und 50 %<br />
(Vincent et al., 1998; Nogueira et al., 2001), sie kann jedoch stark<br />
variieren (12,2 %<strong>–</strong>75 %) (Slack et al., 1998; Vincent et al., 2002).<br />
Dies ist wahrsch<strong>ein</strong>lich auf den unterschiedlichen Grad der Citrullinierung<br />
(z. B. je nach Präparationsverfahren) zurückzuführen.<br />
Aus diesem Grund wurde die Methode nicht als Routinetestverfahren<br />
<strong>ein</strong>geführt. Die Spezifität ist hoch (95 %<strong>–</strong>99 %), bei älteren<br />
Menschen etwas geringer. Es konnte nachgewiesen werden, dass<br />
die Spezifität des Filaggrin-Tests beim Serum älterer Menschen<br />
geringer ist als die des Anti-CCP-Tests (Palosuo et al., 2003). Fi-<br />
48
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
laggrin-Antikörper können bei der frühen Diagnose von Nutzen<br />
s<strong>ein</strong> und stellen möglicherweise <strong>ein</strong>en Marker für die Schwere der<br />
Erkrankung dar (Forslind et al., 2000; Aho et al., 1999). Im Jahr<br />
1999 zeigten Girbal-Neuhauser und Mitarbeiter, dass die Epitope<br />
von Filaggrin Citrullinreste enthalten.<br />
Schellekens und Mitarbeiter präsentierten 1998 <strong>ein</strong> neues<br />
Verfahren zum Nachweis von Antikörpern gegen citrulliniertes<br />
Filaggrin. Sie stellten <strong>ein</strong>en ELISA mit citrullinierten Peptiden<br />
vor. Die Peptide wurden entsprechend der COOH-Endung von<br />
Profilaggrin synthetisiert und kovalent an die Platte gekoppelt.<br />
Die Wissenschaftler zeigten, dass citrullinierte Peptide das<br />
Immunoblotting von Filaggrin-Antikörpern hemmen, während<br />
nicht citrullinierte Derivate ohne Wirkung bleiben. Ferner erzeugten<br />
Antikörper, die aus <strong>ein</strong>er Affinitätssäule mit citrulliniertem<br />
Peptid eluiert worden waren, die charakteristischen<br />
Immunfluoreszenzmuster von APF und AKA. Folglich erkennen<br />
die anhand des ELISA mit citrullinierten Peptiden nachgewiesenen<br />
Antikörper dasselbe Antigen wie APF-, AKA- und Filaggrin-<br />
Antikörper. Die Reaktivität dieser Antikörper mit Serumkollektiven<br />
ist allerdings nicht identisch. Aufgrund der Beteiligung unterschiedlicher<br />
Epitope oder methodischer Diskrepanzen werden<br />
stets unterschiedliche Ergebnisse erzielt.<br />
Insgesamt wurden 9 verschiedene citrullinierte Pep ti de ge tes tet.<br />
Dabei ergaben sich Sensitivitäten für RA zwischen 27 % und<br />
65 % und klinische Spezifitäten zwischen 97,4 % und 99,4 %.<br />
Eine kombinierte Auswertung führte zu <strong>ein</strong>er Sensitivität von<br />
76 % und <strong>ein</strong>er Spezifität von 96,1 %.<br />
Um die Sensitivität zu steigern, stellten Schellekens und Mitarbeiter<br />
im Jahr 2000 <strong>ein</strong> cyclisches citrulliniertes Peptid (CCP, siehe<br />
Abb. 2.5) als Antigen in <strong>ein</strong>em ELISA vor. Die beobachtete klinische<br />
Sensitivität lag bei 68 %, die klinische Spezifität erreichte<br />
sogar 98 %. Diese Publikation bildete die Basis für Anti-CCP-An-<br />
HQCHQESTX GRSRGRCGRSGS<br />
Abb. 2.5: Cyclisch citrulliniertes Peptid (CCP) (erste Generation), X = Citrullin;<br />
Balken stellen chemische Bindungen zwischen den beiden Cyst<strong>ein</strong>-Resten dar.<br />
49
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
tikörper-Tests und gilt als Beginn <strong>ein</strong>er neuen Ära im Bereich diagnostischer<br />
Marker für RA. Der ELISA für Anti-CCP-Antikörper<br />
wurde für Europa von Euro-Diagnostica auf den Markt gebracht.<br />
Ende 2002 wurde <strong>ein</strong> Anti-CCP-Assay der zweiten Generation mit<br />
anderen cyclischen Peptiden (die echten konformationellen Epitopen<br />
nachempfunden sind) <strong>ein</strong>geführt. Dieser Assay zeichnet sich<br />
durch verbesserte Leistungsmerkmale (99 % Spezifität und 80 %<br />
Sensitivität) aus und wurde von Euro-Diagnostica für Europa und<br />
Axis-Shield für die USA kommerzialisiert (mit weltweiten Verkaufsrechten<br />
für beide Unternehmen aufgrund <strong>ein</strong>er gegenseitigen<br />
Lizenzver<strong>ein</strong>barung).<br />
Die diagnostischen Merkmale des Tests sind in Kapitel 2.5,<br />
„Anti-CCP als Hilfe bei der Diagnose von RA“, die prognostischen<br />
Eigenschaften in Kapitel 2.6, „Vorhersagewert von RF und<br />
Anti-CCP-Antikörpern“ beschrieben.<br />
Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich die interessante Frage<br />
nach dem natürlichen Autoantigen von Anti-CCP-Antikörpern.<br />
Wie oben bereits erwähnt, handelt es sich bei (Pro-)Filaggrin um<br />
<strong>ein</strong>e spezifische Komponente, die ausschließlich in verhornten,<br />
mehrschichtigen, schuppigen Epithelien vorkommt. Aus diesem<br />
Grund werden Kreuzreaktionen <strong>ein</strong>gehende, citrullinierte Prot<strong>ein</strong>e<br />
in der Synovialis postuliert. Bislang wurden Fibrin (Masson-<br />
Bessiere et al., 2001) und Vimentin (das jedoch wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
von Sa-Antikörpern erkannt wird) diskutiert. Die Frage, ob diese<br />
citrullinierten Synovialantigene <strong>ein</strong>deutig für RA-Patienten sind,<br />
bleibt sehr umstritten. In <strong>ein</strong>er vor wenigen Jahren durchgeführten<br />
Studie (2001) fanden Baeten und Mitarbeiter citrullinierte Prot<strong>ein</strong>e<br />
in den Gelenken von RA-Patienten, nicht jedoch bei Patienten mit<br />
anderen Gelenkerkrankungen.<br />
Im Rahmen <strong>ein</strong>es Tierversuchs (Mäuse mit <strong>Arthritis</strong>) wurde<br />
Peptidylarginin-Desaminase-4-mRNA (PADI 4), die in der gesunden<br />
Synovialis gar nicht vorhanden war, von Neutrophilen,<br />
die das Synovialgewebe während <strong>ein</strong>er vorliegenden Entzündung<br />
infiltrierten, bereitwillig transkribiert und übersetzt. Als Folge davon<br />
wurden mehrere Synovialprot<strong>ein</strong>e, <strong>ein</strong>schließlich Fibrin, der<br />
Citrullinierung unterzogen (Vossenaar et al., 2003). Auch bei RA-<br />
Patienten konnten Expression und Regulation von PADI-2- und<br />
PADI-4-Genen in den Monozyten demonstriert werden (Vossenaar<br />
50
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
et al., 2004a). Das PADI-4-Gen wurde als Suszeptivitätsort für RA<br />
bei Menschen beschrieben (Suzuki A. et al., 2003).<br />
Neuere Informationen führen zu der Annahme, dass Anti-CCP-<br />
Antikörper am Krankheitsprozess von RA beteiligt s<strong>ein</strong> könnten.<br />
Es wird vermutet, dass verschiedene, mit RA in Zusammenhang<br />
stehende, genetische Faktoren über <strong>ein</strong>e Modulation der Produktion<br />
von Anti-CCP-Antikörpern oder von citrullinierten Antigenen<br />
funktionell mit der Erkrankung verbunden sind. Die Citrullinierung<br />
stellt möglicherweise <strong>ein</strong>e funktionelle Verbindung zwischen<br />
Suszeptivitätsgenen und RA dar (Vossenaar et al., 2004c; Utz et<br />
al., 2004).<br />
Darüber hinaus wurde die Citrullinierung auch als posttranslationale<br />
Modifikation des Myelinbasisprot<strong>ein</strong>s, des wichtigsten<br />
Autoantigens bei Multipler Sklerose beschrieben.<br />
Neben dem RF und der Familie der Filaggrin-verwandten<br />
Antikörper wurden verschiedene Autoantikörper in Seren von<br />
Patienten mit RA festgestellt. Sa-Antikörper (nach dem Namen<br />
des ersten Patienten, in dessen Serum sie 1989 festgestellt wurden)<br />
färben <strong>ein</strong>e Doppelbande von ungefähr 50 kD auf Western<br />
Blots von Extrakten aus normaler menschlicher Plazenta, Milz und<br />
rheumatoidem Gewebe. Sie sind hochspezifisch für RA (Spezifität<br />
> 95 %) und mäßig sensitiv (Sensitivität etwa 40 %) (Despres<br />
et al., 1994). Unlängst wurde berichtet, dass Sa-Antikörper gegen<br />
citrulliniertes Vimentin, <strong>ein</strong> Intermediärfilamentprot<strong>ein</strong> des<br />
Zytoskeletts, gerichtet sind (Vossenaar et al., 2004b). Einige Hinweise<br />
deuten darauf hin, dass dieser Antikörper insbesondere bei<br />
männlichen Patienten <strong>ein</strong> frühes Vorhersagepotential für schwere<br />
RA in sich birgt.<br />
Anti-RA-33-Antikörper (hnRNP-A2) wurden erstmals 1989<br />
von Hassfeld und Mitarbeitern beschrieben. Sie weisen <strong>ein</strong>e mäßige<br />
Spezifität (85<strong>–</strong>89 %) auf, die durch <strong>ein</strong>e Differenzialauswertung<br />
(Ausschluss) von Sm- und U1snRNP-Antikörpern auf Werte von etwa<br />
96 % gesteigert werden kann. Die Sensitivität liegt bei ca. 35 %.<br />
Bläss und Mitarbeiter entdeckten im Jahr 1995 Anti-68kD-<br />
Antikörper. Sie wurden als hochspezifisch (99 %) und relativ sensitiv<br />
(64 %) beschrieben. Vor wenigen Jahren wurde das Antigen<br />
als ubiquitär exprimiertes Stressprot<strong>ein</strong> BiP (Schwerketten-Bindungsprot<strong>ein</strong>)<br />
identifiziert (Bläss et al., 2001).<br />
51
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
52<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Was sind Anti-CCP-Antikörper?<br />
• Heute wird angenommen, dass Anti-CCP-Antikörper dasselbe Antigen erkennen<br />
wie die Antikörper gegen den perinukleären Faktor (APF), gegen Keratin (AKA)<br />
und gegen Filaggrin. APF-, AKA- und Filaggrin-Antikörper zeigten <strong>ein</strong>e bessere<br />
Sensitivität und Spezifität als RF. Aus verschiedenen Gründen wurde ihr Nachweis<br />
jedoch nicht als Routineanalyse <strong>ein</strong>geführt.<br />
• Im Jahr 1998 wurde <strong>ein</strong> ELISA mit citrullinierten Peptiden zum Nachweis von<br />
Antikörpern gegen citrulliniertes Filaggrin präsentiert. Insgesamt wurden neun<br />
verschiedene citrullinierte Peptide getestet. Eine kombinierte Auswertung führte<br />
zu <strong>ein</strong>er Sensitivität von 76 % und <strong>ein</strong>er Spezifität von 96,1 %. Später steigerte<br />
die Verwendung von Antigenen cyclisch citrullinierter Peptide die klinische<br />
Sensitivität und Spezifität.<br />
• Ein Anti-CCP-Assay der zweiten Generation mit anderen cyclischen Peptiden<br />
(die echten konformationellen Epitopen nachempfunden sind) und verbesserten<br />
Leistungsmerkmalen (99 % Spezifität und 80 % Sensitivität) wurde 2002<br />
<strong>ein</strong>geführt.<br />
• Neuere Informationen lassen den Schluss zu, dass Anti-CCP-Antikörper möglicherweise<br />
am Krankheitsprozess von RA beteiligt sind.<br />
2.4 Rheumafaktor als Hilfe bei der Diagnose von RA<br />
Der Nachweis des Rheumafaktors (RF) im Serum ist Bestandteil<br />
der revidierten ACR-Kriterien für rheumatoide <strong>Arthritis</strong><br />
(siehe Tab. 1.2). Es handelt sich daher um <strong>ein</strong>en Analyten, der<br />
in der ärztlichen Praxis breite Verwendung findet, obwohl s<strong>ein</strong>e<br />
Leistungsmerkmale nicht optimal sind und die Diagnose von RA<br />
im Allge m<strong>ein</strong>en nach klinischen Gesichtspunkten erfolgt.<br />
Die Sensitivität von RF-Tests liegt zwischen 60 und 90 %, die<br />
Spezifität ist relativ niedrig und liegt in den meisten Fällen weit<br />
unter 90 %. Die tatsächlich erzielten Leistungsdaten sind von der<br />
Art des <strong>ein</strong>gesetzten Verfahrens (Nephelometrie, Waaler-Rose-<br />
Test oder ELISA), von Schwere und Dauer der Erkrankung sowie<br />
vom Typ der ausgewählten Kontrollseren abhängig. Zusätzlich
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
be<strong>ein</strong>flussen Alter und Geschlecht die Häufigkeit seronegativer<br />
Krankheitsfälle. Patienten, bei denen die RA erst im fortgeschrittenen<br />
Alter begann, und weibliche RA-Patienten sind in Bezug auf<br />
den Rheumafaktor häufiger negativ als jüngere oder männliche Patienten.<br />
Die Prävalenz der RF-Positivität ohne vorliegende Gelenkserkrankung<br />
steigt von weniger als 5 % bei Personen unter 55 Jahren<br />
auf bis zu 25 % bei Menschen im Alter von über 70 Jahren.<br />
Darüber hinaus wurde auch bei verschiedenen anderen Krankheiten<br />
häufig von <strong>ein</strong>em positiven RF berichtet (siehe Tab. 2.1).<br />
Der Rheumafaktor ist k<strong>ein</strong> für die RA <strong>ein</strong>deutiges, spezifisches<br />
Merkmal und ist überdies nur bei etwa 75<strong>–</strong>80 % der RA-Patienten<br />
vorhanden. Aus diesem Grund kann die Diagnose <strong>ein</strong>er RA<br />
anhand des Rheumafaktors weder ausgeschlossen noch bestätigt<br />
werden. Dennoch wird der Nachweis des RF in vielen Fällen verwendet,<br />
um der Diagnose zusätzlich Gewicht zu verleihen.<br />
Im Rahmen <strong>ein</strong>er Untersuchung von 8.287 Patienten, die an <strong>ein</strong>e<br />
ambulante Rheumaklinik überwiesen worden waren, ermittelten<br />
Wolfe, Cathey und Roberts im Jahr 1991 bei RF-Tests mittels<br />
Latexfixation <strong>ein</strong>e Sensitivität von 82 % und <strong>ein</strong>e Spezifität von<br />
97 % in Bezug auf nicht inflammatorische Rheumaerkrankungen.<br />
Der positive Vorhersagewert lag bei 80 %, der negative bei 96 %.<br />
Dieses hohe Maß an klinischem Nutzen des RF-Tests war nicht<br />
erwartet worden und konnte mit der höchst selektiven Population<br />
der Untersuchung in Zusammenhang gebracht werden.<br />
Bei <strong>ein</strong>er jüngeren Studie (Suarez-Almazor et al. 1998) mit<br />
711 Patienten, die praktische Ärzte an Rheumatologen der University<br />
of Alberta überwiesen hatten, lag der positive Vorhersagewert<br />
in Bezug auf den RF nur bei 44 % der RA-Patienten. Die<br />
klinischen Merkmale, die praktische Ärzte häufig zur Anforderung<br />
von RF-Tests veranlassen, waren diffuse Schmerzen des Bewegungsapparats<br />
und Erschöpfung. Im Falle solch unspezifischer<br />
Beschwerden ist der RF mit s<strong>ein</strong>er begrenzten Spezifität offensichtlich<br />
wenig hilfreich bei der Diagnose von RA.<br />
Sinclair und Hull untersuchten 2003 im Rahmen <strong>ein</strong>er Studie<br />
die Gründe, die Allgem<strong>ein</strong>ärzte zur Anforderung von RF-Assays<br />
für die Diagnose veranlassen, sowie die Entscheidungen, die sie<br />
aufgrund der Ergebnisse fällen (bei 5-jähriger Verlaufsbeobach-<br />
53
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
tung der Patienten). Die klinische Sensitivität bzw. die Spezifität<br />
für die RF-Tests (alle drei Isotypen) lag in diesem Fall bei 74 %<br />
respektive 88 %.<br />
Zu den häufigsten Gründen für die Anforderung <strong>ein</strong>er RF-Untersuchung<br />
zählten die vier wichtigsten Kriterien der klinischen<br />
Diagnose von RA (Morgensteifigkeit, <strong>Arthritis</strong> von drei oder mehr<br />
Gelenken, <strong>Arthritis</strong> der Handgelenke, symmetrische Schwellung<br />
der Hände), das am häufigsten auftretende Symptom schien allerdings<br />
die Polyarthralgie zu s<strong>ein</strong>. Das Ergebnis der Studie lässt<br />
nach M<strong>ein</strong>ung der Autoren darauf schließen, dass Anforderungen<br />
von RF-Tests durch Allgem<strong>ein</strong>ärzte normalerweise mit entsprechenden<br />
klinischen Anzeichen der RA beim Patienten <strong>ein</strong>hergehen<br />
und vom klinischen Standpunkt her zu vertreten sind.<br />
Die Ergebnisse der RF-Tests waren für die praktischen Ärzte<br />
jedoch schwer zu interpretieren. 52 % der RF-positiven Patienten<br />
wurden an <strong>ein</strong>en Rheumatologen überwiesen, 15 % sollten potenziell<br />
an <strong>ein</strong>en anderen Spezialisten überwiesen werden und 25 %<br />
wurden gar nicht überwiesen. Im Gegensatz dazu wurden von der<br />
Gruppe der RF-negativen Patienten nur 14 % an <strong>ein</strong>en Rheumatologen<br />
überwiesen, 17,6 % sollten potenziell zu <strong>ein</strong>em anderen<br />
Spezialisten geschickt werden und 66 % wurden nicht weiter<br />
überwiesen. Die Patienten in der RF-negativen Gruppe zeigten<br />
allerdings ähnliche Symptome wie die grenzwertigen und die RFpositiven<br />
Patienten. Die Entscheidung zur Überweisung schien<br />
folglich stets auf der Basis des RF-Nachweises gefallen zu s<strong>ein</strong>.<br />
Die Allgem<strong>ein</strong>mediziner hatten sich im Hinblick auf <strong>ein</strong>e Überweisung<br />
offensichtlich in hohem Maße auf das Ergebnis des RF-<br />
Tests verlassen. In diesem Vorgehen kann <strong>ein</strong> inadäquater Umgang<br />
mit dem Test gesehen werden, da hier <strong>ein</strong>e Überweisungsentscheidung<br />
hinsichtlich <strong>ein</strong>es Zustands be<strong>ein</strong>flusst wird, dessen Diagnose<br />
grundsätzlich klinisch bleibt. Besonders besorgniserregend ist<br />
die Gefahr, dass Patienten mit klaren klinischen Krankheitszeichen<br />
möglicherweise nicht überwiesen werden, wenn der RF-Test<br />
negativ ausfällt. Seronegative RA macht jedoch <strong>ein</strong>en Anteil von<br />
ungefähr 25 % der gesamten RA-Patienten aus. Rheumafaktoren<br />
schließen <strong>ein</strong>e RA weder aus, noch bestätigen sie diese.<br />
Insgesamt betrachtet wurde den Ergebnissen von RF-Tests in<br />
dieser Studie <strong>ein</strong>e weitaus größere Bedeutung beigemessen, als<br />
54
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
sich dies rechtfertigen lässt. Offenbar herrschte hier zu großes<br />
Vertrauen in die Resultate von RF-Bestimmungen. Auch im Hinblick<br />
auf die langfristige Behandlung von Patienten wurde den Ergebnissen<br />
mehr Gewicht verliehen, als dies nach wissenschaftlichen<br />
Gesichtspunkten legitim ist. Weitere Studien werden zeigen,<br />
ob dies <strong>ein</strong> allgem<strong>ein</strong>es Problem beim Einsatz von RF-Tests in der<br />
klinischen Praxis darstellt. Bereits jetzt festzustellen ist allerdings<br />
<strong>ein</strong>e offenkundige Diskrepanz zwischen dem begrenzten Diagnosewert<br />
von RF-Tests und ihrer breiten Verwendung in der routinemäßigen<br />
Gesundheitsvorsorge.<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Rheumafaktor als Hilfe bei der Diagnose von RA<br />
• Der Nachweis des Rheumafaktors (RF) ist Bestandteil der revidierten ACR-Kriterien<br />
für RA. Aus diesem Grund ist die RF-Bestimmung in der klinischen Praxis<br />
weit verbreitet.<br />
• Die Sensitivität von RF-Tests bewegt sich zwischen 60 und 90 %, die Spezifität ist<br />
relativ niedrig und liegt in den meisten Fällen deutlich unter 90 %.<br />
• Die Existenz des RF kann die Diagnose von RA weder ausschließen noch bestätigen.<br />
Dennoch wird der RF häufig bestimmt, um der Diagnose zusätzlich Gewicht<br />
zu verleihen.<br />
• Es herrscht <strong>ein</strong> zu großes Vertrauen in die Ergebnisse von RF-Tests.<br />
2.5 Anti-CCP-Antikörper als Hilfe bei der Diagnose von RA<br />
Die Bestimmung des Rheumafaktors (RF) stellt <strong>ein</strong>es der ACR-<br />
Kriterien für rheumatoide <strong>Arthritis</strong> dar. Obwohl dieser Test k<strong>ein</strong>e<br />
optimalen Leistungsmerkmale aufweist, wird er bei der Diagnose<br />
von RA häufig als Hilfe <strong>ein</strong>gesetzt. Der RF ist verhältnismäßig<br />
sensitiv in Bezug auf RA-Patienten, besitzt jedoch <strong>ein</strong>e niedrige<br />
Spezifität, ist also auch bei <strong>ein</strong>er Reihe anderer Krankheiten,<br />
z.B. nicht rheumatischen Autoimmunerkrankungen und Infektionen<br />
und sogar bei gesunden, älteren Menschen vorzufinden. Der<br />
Rheumafaktor kann rheumatoide <strong>Arthritis</strong> weder bestätigen noch<br />
55
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
ausschließen.<br />
Anti-CCP-Antikörper-Tests wurden erheblich später (im Jahr<br />
2000) als RF-Tests (1940) <strong>ein</strong>geführt. Sie haben seither jedoch<br />
weitaus bessere Leistungsmerkmale bewiesen als RF-Tests. Von<br />
besonderer Relevanz ist in diesem Zusammenhang die sehr hohe<br />
Spezifität, die bei Anti-CCP-Tests erzielt wird. In Tabelle 2.2 sind<br />
<strong>ein</strong>ige der bislang zu diesem Thema durchgeführten Studien zusammengefasst.<br />
Tabelle 2.2: Sensitivität und Spezifität von Anti-CCP-Antikörpern und IgM-RF<br />
Sensitivität Spezifität Sensitivität Spezifität Quelle<br />
von Anti-CCP von Anti-CCP von IgM RF von IgM RF<br />
68 % 96 % Schellekens et al, 2000<br />
41 % 97,8 % 62 % 84 % Bizzaro et al, 2001<br />
42,6 % 97,5 % 50,4 % 93,4 % Jansen et al, 2002<br />
56 % 90 % 73 % 82 % Bas et al, 2003<br />
87,6 % 88,9 % 69,8 % 81,7 % Suzuki K et al, 2003<br />
47,1 % 97,4 % Zeng et al, 2003<br />
82 % * 98 % * 80 % 88 % Van Venrooij et al, 2002<br />
66 % * 90,4 % * 71,6 % 80,3 % Lee et al, 2003<br />
80 % * 98 % * Pinheiro, 2003<br />
80 % * 99 % * Van Venrooij et al, 2003<br />
71,4 % * 95,2 % * 91,4 % 31 % Girelli et al, 2004<br />
* = CCP-Test der zweiten Generation laut Boekel et al.<br />
Aus der Tabelle geht klar hervor, dass mit Anti-CCP-Tests <strong>ein</strong>e<br />
deutlich höhere Spezifität als mit RF-Tests erzielt wurde (in fast<br />
allen Studien 96 % oder höher). Die Sensitivität lag bei Werten<br />
zwischen 41 % und 87,6 % und war damit vergleichbar mit der<br />
Sensitivität von RF-Tests. Die Unterschiede zwischen den Studienergebnissen<br />
können teilweise aus den ausgewählten Serumpopulationen<br />
abgeleitet werden. Wenn ROC-Analysen durchgeführt<br />
wurden, war bei Anti-CCP-Antikörper-Tests die Fläche unterhalb<br />
der Kurve (Area under the Curve: AUC) größer als bei anderen<br />
Tests wie RF- oder Anti-Filaggrin-Antikörper-Tests (z. B. Suzuki<br />
K et al., 2003).<br />
56
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Die wesentlich höhere Spezifität von Anti-CCP im Vergleich zu RF<br />
wurde im Rahmen <strong>ein</strong>er von Medikawe und Mitarbeitern durchgeführten<br />
Studie (2001) ebenfalls demonstriert. Die Wissenschaftler<br />
beobachteten <strong>ein</strong>e RF-Positivität von 18 % verglichen mit <strong>ein</strong>er<br />
Positivität von 0,5 % in Bezug auf Anti-CCP bei 231 SLE-Patienten<br />
mit nicht erosiver Erkrankung. Von 10 SLE-Patienten mit<br />
erosiver Erkrankung waren 6 seropositiv in Bezug auf RF, verglichen<br />
mit 2 Patienten, die bezüglich Anti-CCP-Antikörpern positiv<br />
waren.<br />
Das gleichzeitige Vorkommen von Anti-CCP-Antikörpern und<br />
RF ist Gegenstand <strong>ein</strong>iger Aus<strong>ein</strong>andersetzungen. Während bei <strong>ein</strong>igen<br />
Studien Anti-CCP-Antikörper mit RF korrelierten, wurden<br />
sie in anderen als von<strong>ein</strong>ander unabhängige Marker beschrieben.<br />
In mehreren Untersuchungen wurden im Serum von Patienten mit<br />
RF-negativer RA Anti-CCP-Antikörper nachgewiesen. Das Kombinieren<br />
von Anti-CCP-Tests mit RF-Ergebnissen führt zu <strong>ein</strong>er<br />
verbesserten Sensitivität und hoher Spezifität und wird daher oft<br />
empfohlen. Es stellte sich heraus, dass Anti-CCP-Antikörper in<br />
den meisten Fällen mit AKA, APF, Anti-Filaggrin-Antikörpern<br />
und Sa korrelieren.<br />
Die Leistungsmerkmale von Anti-CCP-Tests sind offensichtlich<br />
besser als die von RF-Tests. Anti-CCP-Antikörper-Tests können<br />
bei der Diagnose von RA vor allem aufgrund ihrer hohen Spezifität<br />
und ihres hohen positiven Vorhersagewerts <strong>ein</strong>e wertvolle Hilfe<br />
darstellen.<br />
Ein Beispiel hierfür ist die bessere Unterscheidung zwischen<br />
Patienten mit RA und denen mit chronischer Hepatitis-C-Virusinfektion<br />
mit <strong>ein</strong>hergehender Gelenkbeteiligung, wie von Bombardieri<br />
und Mitarbeitern (2004) beobachtet wurde. Die Autoren<br />
ermittelten <strong>ein</strong>e Sensitivität von 76,6 % und <strong>ein</strong>e Spezifität von<br />
100 % für Anti-CCP-Antikörper im Vergleich zu <strong>ein</strong>er Sensitivität<br />
von 90 % und <strong>ein</strong>er Spezifität von 63 % für RF (in Bezug auf<br />
Patienten mit Hepatitis-C-Infektion und polyartikulärer Beteiligung).<br />
In Zusammenhang mit der Differenzierung zwischen RA<br />
und Polymyalgia rheumatica stellte sich bezüglich Anti-CCP-Antikörpern<br />
<strong>ein</strong>e Sensitivität von 65 % und <strong>ein</strong>e Spezifität von 100 %<br />
heraus (Lopez-Hoyos et al., 2004).<br />
Moderne Behandlungskuren unter Verwendung von DMARDs<br />
57
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
sind darauf ausgerichtet, die Entwicklung erheblicher irreversibler<br />
Schäden (die radiologisch festgestellt werden können) durch<br />
frühzeitigen Eingriff in den Krankheitsprozess zu verhindern. Die<br />
grundlegende Voraussetzung für diesen Ansatz ist <strong>ein</strong>e klare Diagnose<br />
zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Aus diesem Grund sind die<br />
diagnostischen Eigenschaften von Anti-CCP-Antikörper-Tests bei<br />
früher RA und undifferenzierter <strong>Arthritis</strong> von großer Relevanz.<br />
Der Begriff „frühe <strong>Arthritis</strong>“ bezieht sich im Allgem<strong>ein</strong>en auf <strong>ein</strong>e<br />
Symptomdauer von weniger als drei Monaten.<br />
Verschiedene Studien belegen die Tatsache, dass Anti-CCP-<br />
Antikörper-Tests zwar <strong>ein</strong>e sehr hohe Spezifität bei früher RA<br />
(Schellekens et al., 2000: 96 %; Goldbach-Mansky et al., 2000:<br />
91 %) aufweisen, dabei aber <strong>ein</strong>e etwas geringere Sensitivität<br />
(Schellekens et al, 2000: 48 %; Goldbach-Mansky et al., 2000:<br />
41 %; Jansen et al., 2003: 32 %; Nell et al., 2003: 30 %) zeigen.<br />
In <strong>ein</strong>er von Kroot und Mitarbeitern im Jahr 2000 durchgeführten<br />
Studie wurden jedoch bei nahezu 70 % der Patienten mit neu aufgetretener<br />
RA Anti-CCP-Antikörper nachgewiesen, und Meyer und<br />
Mitarbeiter stellten 2003 bei 191 RA-Patienten mit Erkrankungsbeginn<br />
innerhalb des vorangegangenen Jahres <strong>ein</strong>e Anti-CCP-<br />
Antikörper-Positivität von 58,9 % fest. Diese Ergebnisse deuten<br />
darauf hin, dass die Citrullinierung von Synovialantigenen und die<br />
Produktion von Antikörpern gegen diese citrullinierten Antigene<br />
bereits im sehr frühen Krankheitsstadium <strong>ein</strong>geleitet werden.<br />
Im Rahmen <strong>ein</strong>er 2004 von van Gaalen und Kollegen durchgeführten<br />
Studie wurden 936 Patienten getestet, die kurz zuvor<br />
mit <strong>Arthritis</strong> überwiesen worden waren. Die Autoren konnten<br />
318 Patienten (34 %) nicht klassifizieren und bezeichneten ihre<br />
Krankheit als undifferenzierte <strong>Arthritis</strong>. Bei 21 % dieser Patienten<br />
wurden Anti-CCP-Antikörper nachgewiesen. Drei Jahre später<br />
wurde bei 40 % der Gruppe mit undifferenzierter <strong>Arthritis</strong> die<br />
Diagnose RA gestellt. Bei 93 % der Anti-CCP-positiven Patienten<br />
wurde <strong>ein</strong> Fortschreiten des Krankheitsverlaufs zur RA beobachtet.<br />
Anhand von Multivarianzanalysen wurden Polyarthritis, symmetrische<br />
<strong>Arthritis</strong>, auf Röntgenaufnahmen erkennbare Erosionen<br />
sowie Anti-CCP-Antikörper als wichtige prädiktive Marker für<br />
RA identifiziert. Anti-CCP-Antikörper deuten bei undifferenzierter<br />
<strong>Arthritis</strong> offensichtlich auf <strong>ein</strong>e hohe Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit der<br />
58
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Progression zur RA hin und können die Diagnose von RA daher<br />
erleichtern.<br />
Wolfe und Mitarbeiter testeten 1993 im Rahmen <strong>ein</strong>er vergleichbaren<br />
Studie zum Rheumafaktor 532 Patienten mit undifferenzierter<br />
Polyarthritis und <strong>ein</strong>er Symptomdauer von weniger als zwei<br />
Jahren. 11 % der Patienten waren RF-positiv, und innerhalb dieser<br />
Gruppe wurde nach zwei Jahren bei 43 % die Diagnose RA<br />
gestellt, verglichen mit 13 % bei der Gruppe der RF-negativen<br />
Patienten.<br />
Das Vorhandens<strong>ein</strong> von Anti-CCP-Antikörpern kann den klinischen<br />
Symptomen von RA sogar vorausgehen. Bei <strong>ein</strong>er von<br />
Rantapää-Dahlqvist und Mitarbeitern 2003 durchgeführten Studie<br />
wurden 83 Personen mit RA identifiziert, die vor dem Auftreten<br />
von Symptomen <strong>ein</strong>er Gelenkerkrankung Blut gespendet hatten<br />
(Medianwert 2,5 Jahre vor RA). Bei den Proben, die vor dem Einsetzen<br />
der RA entnommen worden waren, lag die Prävalenz von<br />
Autoantikörpern bei 33,7 % für Anti-CCP-Antikörper, bei 16,9 %<br />
für IgG-RF, 19,3 % für IgM-RF und 33,7 % für IgA-RF. Bei 382<br />
speziell ausgewählten Kontrollpersonen waren lediglich 1,8 %<br />
positiv in Bezug auf Anti-CCP-Antikörper, 5,5 % bezüglich IgG-<br />
RF, 6,0 % bezüglich IgM-RF und 5,5 % bezüglich IgA-RF. Die<br />
jeweilige Sensitivität im Hinblick auf die Entdeckung dieser Autoantikörper<br />
in <strong>ein</strong>em Zeitraum von mehr als 1,5 Jahren bzw. weniger<br />
als 1,5 Jahren vor dem Auftreten von RA-Symptomen lag bei<br />
25 % bzw. 52 % für Anti-CCP-Antikörper, bei 15 % bzw. 30 %<br />
für IgM-RF, bei 12 % bzw. 27 % für IgG-RF und bei 29 % bzw.<br />
39 % für IgA-RF. Die Titer von Anti-CCP-Antikörpern stiegen mit<br />
dem Näherrücken des Krankheitsbeginns. In logistischen Regressionsmodellen<br />
stellten sich Anti-CCP-Antikörper und IgA-RF als<br />
wichtige Prädiktoren von RA heraus, wobei Anti-CCP-Antikörper<br />
den höchsten Vorhersagewert besaßen (31,4 % für < 1,5 Jahre<br />
und 29,6 % für > 1,5 Jahre). Der positive Vorhersagewert von<br />
Anti-CCP-Antikörpern für die zukünftige Entwicklung von RA in<br />
der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung lag jedoch nur bei 16 %. Daher sollte<br />
der Anti-CCP-Antikörper-Test mit der Beurteilung anderer Risikofaktoren,<br />
wie beispielsweise radiologischer Veränderungen, genetischer<br />
Prädisposition, Familiengeschichte sowie Seropositivität<br />
bezüglich anderer Autoantikörper kombiniert werden.<br />
59
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
In <strong>ein</strong>er ähnlichen Studie, die 79 RA-Patienten umfasste, waren<br />
49 % der Patienten bereits vor der Entwicklung von RA-Symptomen<br />
(Medianwert 4,5 Jahre vor Symptombeginn) positiv bezüglich<br />
Anti-CCP-Antikörpern und/oder IgM-RF, während bei nur<br />
1,1 % von 2.138 Kontrollpersonen (Blutspendern) IgM-RF und<br />
bei lediglich 0,6 % von ihnen Anti-CCP-Antikörper festzustellen<br />
waren (Nielen et al., 2004).<br />
In mehreren, z. T. noch nicht veröffentlichten Studien wurden<br />
Anti-CCP-Antikörper bis zu 10 Jahre vor Auftreten der ersten RA-<br />
Symptome festgestellt. Bis zu 30 % der vor RA-Beginn entnommenen<br />
Seren enthalten AKA und/oder APF.<br />
Gemäß <strong>ein</strong>er Hypothese entwickeln sich Autoimmunerkrankungen<br />
wie Diabetes mellitus Typ 1 oder SLE möglicherweise in<br />
drei Stufen: Die Anfangsphase wird definiert als Zustand der Suszeptivität<br />
aufgrund genetischer Risikofaktoren (Typ HLA-DR),<br />
die zweite Stufe ist gekennzeichnet durch den Übergang zur Autoreaktivität<br />
(z. B. Bildung von Autoantikörpern), die durch Umweltfaktoren<br />
ausgelöst werden kann, und die dritte Stufe bildet schließlich<br />
die Entwicklung der klinisch apparenten Erkrankung. Dieses<br />
Modell gilt möglicherweise auch für rheumatoide <strong>Arthritis</strong>.<br />
In diesem Zusammenhang höchst interessant sind die Ergebnisse<br />
<strong>ein</strong>er vergleichbaren retrospektiven Studie in Bezug auf<br />
SLE, die im Jahr 2001 von Arbuckle und Mitarbeitern durchgeführt<br />
wurde. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass 55 % der<br />
133 SLE-Patienten bis zu 9,3 Jahre vor der Diagnose des klinischen<br />
SLE bereits Anti-dsDNA-Antikörper hatten.<br />
60
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Anti-CCP-Antikörper als Hilfe bei der Diagnose von RA<br />
• Die Beurteilung der Sensitivität und Spezifität von Anti-CCP-Antikörpern war<br />
bereits Gegenstand verschiedener Studien. Die Spezifität lag dabei zwischen<br />
88,9 % und 99 % und war in allen Fällen beträchtlich höher als die von RF-Tests.<br />
Die Sensitivität hingegen bewegte sich zwischen 41 % und 87,6 % und war damit<br />
vergleichbar mit der Sensitivität von RF-Tests.<br />
• In mehreren Studien wurden Anti-CCP-Antikörper im Serum von Patienten mit<br />
RF-negativer RA festgestellt. Die Kombination von Anti-CCP-Tests mit RF-Ergebnissen<br />
führt zu <strong>ein</strong>er verbesserten Sensitivität und <strong>ein</strong>er höheren Spezifität und<br />
wird daher häufig empfohlen. Anti-CCP-Antikörper korrelierten in den meisten<br />
Fällen mit AKA, APF, Anti-Filaggrin-Antikörpern und Sa.<br />
• Der Test auf Anti-CCP-Antikörper kann, insbesondere dank s<strong>ein</strong>er außergewöhnlich<br />
hohen Spezifität und s<strong>ein</strong>es hohen positiven Vorhersagewerts, als wertvolles<br />
Instrument bei der Diagnose von RA dienen.<br />
• Zahlreiche Studien belegen, dass Anti-CCP-Antikörper-Tests <strong>ein</strong>e äußerst hohe<br />
Spezifität in Bezug auf RA im Frühstadium, allerdings <strong>ein</strong>e relativ geringe Sensitivität<br />
aufweisen. Im Rahmen <strong>ein</strong>iger bisher noch unveröffentlichter Studien<br />
konnten Anti-CCP-Antikörper bis zu 10 Jahre vor Auftreten der ersten RA-Symptome<br />
festgestellt werden.<br />
• Offensichtlich weisen Anti-CCP-Antikörper auf <strong>ein</strong>e hohe Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit des<br />
Fortschreitens <strong>ein</strong>er undifferenzierten <strong>Arthritis</strong> zur RA hin und können daher die<br />
Diagnose von RA möglicherweise erleichtern.<br />
2.6 Vorhersagewert von RF und Anti-CCP-Antikörpern<br />
Die Behandlungsstrategien für rheumatoide <strong>Arthritis</strong> bewegen<br />
sich hin zu <strong>ein</strong>em aggressiveren Ansatz zu <strong>ein</strong>em früheren Zeitpunkt<br />
im Krankheitsverlauf als zuvor. Ebenfalls äußerst wichtig<br />
ist allerdings die Vorhersage des langfristigen Krankheitsausgangs<br />
auf individueller Ebene, um die optimale Behandlung auswählen<br />
zu können. Aus diesem Grund ist der Vorhersagewert von serologischen<br />
Markern wie RF oder Anti-CCP-Antikörpern von großem<br />
Interesse.<br />
61
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Ein hoher IgM-RF-Titer, Rheumaknoten, radiologische Veränderungen,<br />
die Anzahl der betroffenen Gelenke, hohe Konzentrationen<br />
von Immunkomplexen, extraartikuläre Manifestationen, psychosoziale<br />
Probleme, <strong>ein</strong>e hohe BSG sowie <strong>ein</strong>e hohe CRP-Konzentration<br />
wurden bereits als Vorhersagemarker für <strong>ein</strong>en schweren<br />
Krankheitsverlauf dargelegt. Immungenetische Untersuchungen<br />
können in diesem Zusammenhang ebenfalls hilfreich s<strong>ein</strong>. Weitere<br />
Parameter, wie Lymphokine oder Produkte aus dem veränderten<br />
Bindegewebeumsatz stehen gegenwärtig zur Diskussion. Studien<br />
zur Röntgenprogression bei Patienten, die über <strong>ein</strong>en Zeitraum<br />
von <strong>ein</strong>em bis zu neun Jahren beobachtet wurden, haben gezeigt,<br />
dass 40<strong>–</strong>83 % der nachfolgenden Progression anhand <strong>ein</strong>er Kombination<br />
prädiktiver Faktoren, wie z. B. Gelenkbeteiligung, hoher<br />
Konzentration von CRP und RF-Positivität vorhergesagt werden<br />
kann.<br />
In den ersten beiden Jahren der RA korreliert der Serum-<br />
RF nicht mit der Krankheitsaktivität. Serum-IgM-RF kann dem<br />
Beginn von RA um mehrere Jahre vorausgehen. Bei manifester<br />
RA korrelieren Serum-IgM-RF und IgG-RF häufig mit dem<br />
Auftreten von Vaskulitis und Rheumaknoten. Bei langjähriger<br />
Krankheit kann das Vorhandens<strong>ein</strong> von IgA-RF oder IgG-RF <strong>ein</strong><br />
Vorher sagemarker für <strong>ein</strong>e systemische Erkrankung s<strong>ein</strong>. IgA-RF<br />
hat sich als Marker für Schleimhautentzündung und Knochenerosionen<br />
erwiesen.<br />
Abb. 2.6: Schematische Darstellung der Vorhersagewerte, die durch Bewertung<br />
der 7 Variablen für jeden Patienten generiert werden (Visser et al., 2002)<br />
62<br />
t=0<br />
<strong>Arthritis</strong><br />
t = 2 Jahre<br />
sich selbst limitierend<br />
permanent, nicht erosiv<br />
permanent, erosiv
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Anti-CCP-Antikörper<br />
auf schwere, radiologisch sichtbare Schäden in der Zukunft hinweisen<br />
können. Patienten mit Anti-CCP-Antikörpern entwickelten<br />
erhebliche, radiologisch nachweisbare Schäden nach 6 Jahren<br />
der Beobachtung in <strong>ein</strong>er Studie von Kroot und Mitarbeitern<br />
(2000), nach 2 Jahren in <strong>ein</strong>er Studie von Jansen und Mitarbeitern<br />
(2003) und nach 5 Jahren in <strong>ein</strong>er Studie von Meyer und Mitarbeitern<br />
(2003). Auch APF, AKA und Filaggrin-Antikörper liefern<br />
Berichten zufolge <strong>ein</strong>en Vorhersagewert hinsichtlich radiologisch<br />
sichtbarer Schäden (Genevay et al. (2002), Forslind et al. (2001).<br />
Der Vorhersagewert von Anti-CCP-Antikörpern im Vergleich<br />
zu dem von RF bildet gegenwärtig <strong>ein</strong> Thema von Diskussionen.<br />
Während Meyer und Mitarbeiter im Jahr 2003 berichteten, dass<br />
Anti-CCP-Antikörper für die Vorhersage von totalen Gelenkschädigungen<br />
und die Progression von Gelenkschäden nach 5 Jahren<br />
<strong>ein</strong> besserer Marker als RF sind, fanden Bas und Mitarbeiter<br />
2002 heraus, dass IgM-RF <strong>ein</strong>en besseren Vorhersagewert für den<br />
Schweregrad der Erkrankung darstellt. Schellekens und Mitarbeitern<br />
(2000) zufolge war die Vorhersagefähigkeit der beiden Tests<br />
bezüglich erosiver Erkrankung bei zweijähriger Verlaufsbeobachtung<br />
vergleichbar. In jedem Fall liefert die Bestimmung von Anti-CCP-Antikörpern<br />
<strong>ein</strong>en zusätzlichen Vorhersagewert neben RF.<br />
Eine kombinierte Analyse von Anti-CCP-Antikörpern und IgM-<br />
RF gilt als vielversprechend (Vencovsky et al., 2003).<br />
Allerdings können Anti-CCP-Antikörper-Test weder all<strong>ein</strong><br />
noch in Kombination mit RF-Tests zuverlässig Personen identifizieren,<br />
die für schwere, radiologisch sichtbare Schäden anfällig<br />
sind, da innerhalb der Gruppe positiver Patienten nur <strong>ein</strong> Teil tatsächlich<br />
<strong>ein</strong>e schwere Krankheit entwickelt. Der Vorhersagewert<br />
von Anti-CCP-Antikörpern bzw. der Kombination aus Anti-CCP-<br />
Antikörper-Tests und RF-Tests liegt vorwiegend in der Fähigkeit,<br />
(durch Ausschluss von Reaktivität) <strong>ein</strong>e leichte Erkrankung zu<br />
prognostizieren.<br />
Ein Vorhersagemodell für permanente (erosive) RA von Visser<br />
und Mitarbeitern (2002) setzt sich aus 7 Variablen zusammen:<br />
vorangegangene Symptomdauer beim ersten Arztbesuch, Morgensteifigkeit<br />
von mindestens <strong>ein</strong>er Stunde, <strong>Arthritis</strong> in mindestens<br />
drei Gelenken, bilaterale Druckschmerzen in den Metatarsopha-<br />
63
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
langealgelenken (MTP), RF-Positivität, Anti-CCP-Positivität sowie<br />
die Präsenz von Erosionen. Die Anwendung des Modells auf<br />
524 auf<strong>ein</strong>ander folgende, kurz zuvor überwiesene Patienten mit<br />
<strong>Arthritis</strong> im Frühstadium resultierte nach <strong>ein</strong>er zweijährigen Verlaufsbeobachtung<br />
in drei klinisch relevanten Vorhersagewerten für<br />
jeden Patienten: <strong>ein</strong>em Wert für sich selbst limitierende <strong>Arthritis</strong>,<br />
<strong>ein</strong>em für permanente, nicht erosive <strong>Arthritis</strong> und <strong>ein</strong>em für permanente,<br />
erosive <strong>Arthritis</strong>.<br />
Die Fläche unterhalb der ROC-Kurve (AUC) ergab <strong>ein</strong>en Wert<br />
von 0,84 für die Unterscheidung zwischen sich selbst limitierender<br />
und permanenter <strong>Arthritis</strong> und von 0,91 für die Unterscheidung<br />
zwischen permanenter, nicht erosiver und permanenter, erosiver<br />
<strong>Arthritis</strong>. Bei Anwendung der ACR-Klassifikationskriterien<br />
für RA waren die entsprechenden Werte erheblich niedriger (0,78<br />
bzw. 0,79). Den Autoren ist es offensichtlich gelungen, <strong>ein</strong> klinisches<br />
Vorhersagemodell zu entwickeln, das die hervorragende<br />
Möglichkeit bietet, bereits beim ersten Arztbesuch des Patienten<br />
zwischen drei Verlaufsformen von <strong>Arthritis</strong> zu unterscheiden. Den<br />
stärksten Zusammenhang mit permanenter <strong>Arthritis</strong> wiesen die<br />
Kriterien Symptomdauer und Anti-CCP-Positivität auf. Nach der<br />
Permanenz assoziierte die erosive <strong>Arthritis</strong> ebenfalls am stärksten<br />
mit dem Kriterium Anti-CCP-Positivität. Dies unterstreicht den<br />
Vorhersagewert von Anti-CCP-Antikörpern.<br />
64
2. Basismerkmale der serologischen Analyse von RA<br />
Auf den Punkt gebracht<br />
Vorhersagewert von RF und Anti-CCP-Antikörpern<br />
• Serum-IgM-RF kann dem Beginn von RA um mehrere Jahre vorausgehen. In den<br />
ersten beiden Jahren von RA korreliert Serum-RF nicht mit der Krankheitsaktivität.<br />
Bei manifester RA geht Serum-RF häufig mit Vaskulitis und Rheumaknoten<br />
<strong>ein</strong>her und kann <strong>ein</strong> prädiktiver Marker für die systemische Erkrankung s<strong>ein</strong>. IgA-<br />
RF soll <strong>ein</strong> Marker für Schleimhautentzündung und Knochenerosionen s<strong>ein</strong>.<br />
• Es wurde nachgewiesen, dass Anti-CCP-Antikörper schwere, radiologisch sichtbare<br />
Schäden vorhersagen können. Diese Fähigkeit wurde auch von APF, AKA<br />
und Filaggrin-Antikörpern berichtet.<br />
• Ein gegenwärtiges Diskussionsthema bildet der Vorhersagewert von Anti-CCP-<br />
Antikörpern im Vergleich zu RF. In jedem Fall kommt der Bestimmung von Anti-<br />
CCP-Antikörpern neben dem RF <strong>ein</strong> zusätzlicher prognostischer Wert zu. Eine<br />
kombinierte Analyse von Anti-CCP-Antikörpern und IgM-RF gilt als vielversprechend.<br />
• Der Vorhersagewert von Anti-CCP-Antikörpern oder der Kombination aus Anti-<br />
CCP und RF besteht hauptsächlich darin, leichte Erkrankungen durch Ausschluss<br />
dieser Antikörper vorherzusagen.<br />
• In <strong>ein</strong>em Vorhersagemodell für permanente (erosive) RA von Visser und Mitarbeitern<br />
(2002) stellt die Anti-CCP-Positivität <strong>ein</strong>e von 7 Variablen dar. Dieses<br />
klinische Vorhersagemodell bietet die hervorragende Möglichkeit, bereits beim<br />
ersten Arztbesuch des Patienten zwischen drei Verlaufsformen von <strong>Arthritis</strong> zu<br />
unterscheiden: sich selbst limitierender <strong>Arthritis</strong>, permanenter, nicht erosiver<br />
<strong>Arthritis</strong> und permanenter, erosiver <strong>Arthritis</strong>.<br />
65
3 Aktuelle Diagnostik<br />
auf dem Gebiet der RA<br />
3.1 Einführung<br />
Je früher die Therapie von RA mit krankheitsmodifizierenden Antirheumatika<br />
(DMARDs) <strong>ein</strong>geleitet wird, umso effektiver ist sie<br />
(siehe Kap. 1.4, „Therapie“). Aus diesem Grund lastet auf <strong>ein</strong>em<br />
behandelnden Arzt derzeit <strong>ein</strong> hoher Druck im Hinblick auf <strong>ein</strong>e<br />
frühe Diagnose von rheumatoider <strong>Arthritis</strong>. In Anbetracht des<br />
potenziellen Risikos von DMARDs liegt andererseits auch die<br />
Bedeutung <strong>ein</strong>er exakten Diagnose auf der Hand. Was also offenkundig<br />
benötigt wird, ist <strong>ein</strong>e Methode für die genaue und frühe<br />
Diagnose von RA.<br />
Bei Betrachtung der ACR-Kriterien für die Diagnose von rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> (siehe Tab. 1.2) wird jedoch deutlich, dass vier<br />
der sieben Kriterien (Morgensteifigkeit, <strong>Arthritis</strong> von drei oder<br />
mehr Gelenkregionen, <strong>Arthritis</strong> der Handgelenke und symmetrische<br />
<strong>Arthritis</strong>) über <strong>ein</strong>en Zeitraum von mindestens sechs Wochen<br />
bestehen müssen. Dieser Aspekt ist hinsichtlich der Differenzierung<br />
von nur kurz andauernden Arthritiden, z. B. viraler <strong>Arthritis</strong><br />
(siehe Kap. 3.2.4, „Virale <strong>Arthritis</strong>“) von besonderer Bedeutung.<br />
Ferner sind die ACR-Kriterien, wie oben bereits beschrieben (siehe<br />
Kap. 1.3, „Symptome und Diagnose“) weder sensitiv noch spezifisch<br />
für die Diagnose von früher RA. Zum heutigen Zeitpunkt<br />
ist <strong>ein</strong>e zuverlässige Diagnose von rheumatoider <strong>Arthritis</strong> nicht<br />
möglich, wenn die Krankheitsgeschichte bezüglich Polyarthritis<br />
noch kurz ist. Es besteht folglich der Bedarf an zusätzlichen Hilfsmitteln<br />
für die Diagnose von RA, die das Feststellen <strong>ein</strong>er Erkrankung<br />
im Frühstadium erleichtern.<br />
Für neu aufgetretene Arthralgie-Symptome (Gelenkschmerz)<br />
steht <strong>ein</strong>e breite Palette von Differenzialdiagnosen zur Verfügung<br />
(siehe Kap. 3.2, „Häufige Differenzialdiagnosen“). Die Krankheiten,<br />
die als Differenzialdiagnosen von RA relevant sind, werden in<br />
den Kapiteln 3.2.1 bis 3.2.13 behandelt. In diesen Kapiteln wird<br />
jeweils <strong>ein</strong> kurzer Überblick über die wichtigsten Merkmale ge-<br />
66
geben, durch die sich die entsprechende Krankheit von RA unterscheidet.<br />
Die serologische Untersuchung von RA-Patienten kann weitere<br />
diagnostische Unterstützung bieten. Das Vorhandens<strong>ein</strong> des Rheumafaktors<br />
kann jedoch trotz s<strong>ein</strong>es gewissen diagnostischen und<br />
prognostischen Werts aufgrund der naturgemäß niedrigen Spezifität<br />
nicht alle Anforderungen erfüllen (siehe Kap. 2.2, „Was ist <strong>ein</strong><br />
Rheumafaktor?“ und Kap. 2.4, „Rheumafaktor als Hilfe bei der<br />
Diagnose von RA“). Eine Hilfe bei der frühen Diagnose von RA<br />
könnte die Aufnahme von Anti-CCP-Antikörper-Tests in die Diagnosestrategie<br />
darstellen (siehe Kap. 2.3, „Was sind Anti-CCP-<br />
Antikörper?“, Kap. 2.5, „Anti-CCP-Antikörper als Hilfe bei der<br />
Diagnose von RA“ und Kap. 2.6, „Vorhersagewert von RF und<br />
Anti-CCP-Antikörpern“). Im Gegensatz zum RF, der <strong>ein</strong>en bereits<br />
etablierten Analysewert darstellt, werden die Anti-CCP-Antikörper<br />
in Kapitel 3.2, „Häufige Differenzialdiagnosen“ nicht als Hilfe<br />
bei der Diagnose von RA beschrieben.<br />
Neben den im folgenden Kapitel dargestellten Merkmalen kann<br />
der Nachweis von Anti-CCP-Antikörpern zukünftig vielleicht als<br />
zusätzliches Instrument bei der frühen und genauen Diagnose von<br />
RA dienen.<br />
3.2 Häufige Differenzialdiagnosen<br />
In den nachfolgenden Kapiteln 3.2.1 bis 3.2.13 sind Krankheiten<br />
beschrieben, die als potenzielle Differenzialdiagnosen der RA von<br />
Bedeutung sind:<br />
Tabelle 3.1 Relevante Differenzialdiagnosen der RA<br />
1. Bindegewebeerkrankungen (siehe 3.2.1) (SLE, systemische Sklerose,<br />
Polymyositis/Dermatomyositis, undifferenzierte Kollagenose (undifferentiated<br />
connective tissue disease: UCTD), Churg-Strauss-Syndrom , primäres Sjögren-<br />
Syndrom<br />
2. Seronegative Spondylarthropathien (siehe 3.2.2) (Spondylitis ankylosans,<br />
reaktive <strong>Arthritis</strong>, <strong>Arthritis</strong> psoriatica, entzündliche Darmerkrankung)<br />
67
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
68<br />
3. Bakterielle (infektiöse) <strong>Arthritis</strong> (siehe 3.2.3)<br />
4. Virale <strong>Arthritis</strong> (siehe 3.2.4)<br />
5. Osteoarthritis (degenerative <strong>Arthritis</strong>) (siehe 3.2.5)<br />
6. Gicht (siehe 3.2.6)<br />
7. Pseudogicht (siehe 3.2.7)<br />
8. Fibromyalgie (siehe 3.2.8)<br />
9. Polymyalgia rheumatica (siehe 3.2.9)<br />
10. Behçet-Krankheit (siehe 3.2.10)<br />
11. Lyme-<strong>Arthritis</strong> (siehe 3.2.11)<br />
12. Glukokortikoid-Entzugssyndrom (siehe 3.2.12)<br />
13. Weitere medizinische Gegebenheiten, die mit Arthropatie <strong>ein</strong>hergehen<br />
können (Sarkoidose, Malignität etc.) (siehe 3.2.13)<br />
Zu den Differenzialdiagnosen der RA zählen vergleichsweise häufig<br />
auftretende Krankheiten, wie Spondylarthropathien, Gicht, reaktive<br />
<strong>Arthritis</strong>, Virusinfektionen, Fibromyalgie, Pseudogicht und<br />
Osteoarthritis, während andere relativ selten vorkommen (z. B.<br />
Lyme-<strong>Arthritis</strong>). Darüber hinaus gibt es weitere, noch seltenere<br />
Erkrankungen, wie beispielsweise die Whipple-Krankheit, die<br />
hier nicht aufgelistet sind. Osteoarthritis und Pseudogicht bilden<br />
die häufigsten Differenzialdiagnosen der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong>.<br />
Die folgenden Laboruntersuchungen können bei der Diagnose<br />
von RA <strong>ein</strong>e allgem<strong>ein</strong>e Hilfe darstellen:<br />
<strong>–</strong> Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG)<br />
<strong>–</strong> C-reaktives Prot<strong>ein</strong> (CRP)<br />
<strong>–</strong> Blutbild<br />
<strong>–</strong> Harnstoff und Elektrolyte<br />
<strong>–</strong> Leberfunktionstests
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
<strong>–</strong> Harnsäure<br />
<strong>–</strong> Analyse der Synovialflüssigkeit<br />
<strong>–</strong> Urinstatus<br />
<strong>–</strong> Rheumafaktor<br />
<strong>–</strong> Anti-CCP-Antikörper<br />
<strong>–</strong> ANA<br />
<strong>–</strong> Virale Titer<br />
3.2.1 Bindegewebeerkrankungen<br />
Die folgenden Bindegewebeerkrankungen sind als Differenzialdiagnosen<br />
der rhreumatoiden <strong>Arthritis</strong> von Bedeutung:<br />
<strong>–</strong> SLE<br />
<strong>–</strong> Sklerodermie<br />
<strong>–</strong> Polymyositis/Dermatomyositis<br />
<strong>–</strong> Undifferenzierte Bindegewebeerkrankung (UCTD:<br />
Un differentiated Connective Tissue Disease)<br />
3.2.1.1 SLE<br />
Klinische Merkmale<br />
Beim systemischen Lupus erythematodes (SLE) handelt es sich um<br />
<strong>ein</strong>e systemische Autoimmunkrankheit ungeklärter Ätiologie, von<br />
der vorwiegend junge Frauen betroffen sind. Die Prävalenz liegt<br />
bei 300 bis 500 Krankheitsfällen pro Million bei <strong>ein</strong>em Verhältnis<br />
von Frauen zu Männern von 9:1. Afroamerikaner und Asiaten<br />
weisen dabei <strong>ein</strong> erhöhtes Erkrankungsrisiko auf. Zwillings- und<br />
Familienstudien belegen <strong>ein</strong>e genetische Suszeptivität. SLE ist in<br />
Bezug auf klinische Manifestation und serologische Faktoren sehr<br />
heterogen. Das American College of Rheumatology (ACR) hat<br />
Klassifikationskriterien entwickelt, die zur Auswahl von Patienten<br />
für klinische Studien, Studien der Grundlagenforschung sowie für<br />
genetische Studien dienen (siehe Tab. 3.2).<br />
69
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Tabelle 3.2: Revidierte ACR-Kriterien für SLE; Aktualisierung von 1997<br />
70<br />
1. Schmetterlingserythem<br />
2. Scheibenförmige<br />
Erytheme<br />
3. Photosensitivität<br />
4. Orale Ulzera<br />
5. <strong>Arthritis</strong><br />
Starre Erytheme, flach oder erhaben, im Jochbogen-Wangen-Bereich,<br />
meist Aussparung der Nasolabialfalten<br />
Erythematöse, erhabene Flecken<br />
Hautausschlag infolge ungewöhnlicher Reaktion auf<br />
Sonnenlicht<br />
Orale oder nasopharyngeale Ulzeration, normalerweise<br />
schmerzfrei<br />
Nicht erosive <strong>Arthritis</strong> an zwei oder mehr peripheren<br />
Gelenken, gekennzeichnet durch Druckempfindlichkeit der<br />
Gelenke, Schwellungen oder Ergüsse<br />
6. Serositis a) Pleuritis ODER b) Perikarditis<br />
7. Nierenstörungen<br />
8. Neurologische<br />
Störungen<br />
9. Hämatologische<br />
Befunde<br />
a) Permanente Prot<strong>ein</strong>urie von mehr als 0,5 Gramm/Tag<br />
ODER<br />
b) Zellzylinder<br />
a) Anfälle mangels gegenwirksamer Medikamente oder<br />
bekannte stoffwechselbedingte Geistesgestörtheit<br />
ODER<br />
b) Psychose mangels gegenwirksamer Medikamente oder<br />
bekannte stoffwechselbedingte Geistesgestörtheit<br />
a) Hämolytische Anämie ODER<br />
b) Leukopenie ODER<br />
c) Lymphopenie ODER<br />
d) Thrombozytopenie
10. Immunologische<br />
Befunde<br />
11. Antinukleäre<br />
Antikörper<br />
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
a) Anti-DNA: Antikörper gegen native DNA in abnormalem<br />
Titer ODER<br />
b) Anti-Sm: Präsenz von Antikörpern gegen nukleäres<br />
Sm-Antigen ODER<br />
c) Positiver Befund von Antiphospholipid-Antikörpern<br />
(abnormale Serumkonzentration von IgG- oder IgM-<br />
Anticardiolipin-Antikörpern ODER Lupus-Antikoagulans<br />
ODER <strong>ein</strong> seit mindestens 6 Monaten bekannter, falsch<br />
positiver serologischer Test auf Syphillis)<br />
Abnormaler Titer von antinukleären Antikörpern im<br />
Immunfluoreszenztest oder äquivalentem Assay zu <strong>ein</strong>em<br />
beliebigen Zeitpunkt und in Abwesenheit von Arzneimitteln,<br />
die bekanntermaßen mit dem medikamenteninduzierten<br />
Lupus erythematodes in Zusammenhang stehen.<br />
*) Die vorgeschlagene Klassifikation basiert auf 11 Kriterien. Zum Zwecke der Identifizierung von<br />
Patienten im Rahmen klinischer Studien gilt <strong>ein</strong>e Person als SLE-Patient, wenn sie während <strong>ein</strong>es<br />
beliebigen Beobachtungszeitraums von den 11 Kriterien beliebige 4 Kriterien nach<strong>ein</strong>ander oder<br />
gleichzeitig erfüllt.<br />
Ungeachtet der Tatsache, dass die ACR-Kriterien für die Klassifizierung<br />
von Patienten zu Studienzwecken bestimmt sind, machen<br />
Rheumatologen, Internisten und zahlreiche andere Spezialisten<br />
ausgiebig Gebrauch von diesen<br />
Kriterien. Sie nutzen die Kriterien<br />
jedoch nicht nur zum Klassifizieren<br />
der Patienten, sondern in manchen<br />
Fällen auch zum Diagnostizieren<br />
der Krankheit und weiten damit<br />
ihren eigentlichen Verwendungszweck<br />
unangemessen aus.<br />
In den meisten Fällen beginnt SLE<br />
mit insidiös auftretenden, konstitutionellen<br />
Anzeichen (Unwohls<strong>ein</strong>,<br />
Abb. 3.1: Typischer mukokutaner<br />
Hautausschlag bei SLE<br />
71
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Fieber, Gewichtsverlust, Müdigkeit),<br />
mit photosensitiven Hautausschlägen<br />
(siehe Abb. 3.1 bis 3.3)<br />
oder nicht erosiver und im Allgem<strong>ein</strong>en<br />
nicht deformierender <strong>Arthritis</strong>.<br />
Die am häufigsten beobachtete<br />
Hautmanifestation bei SLE ist das<br />
so genannte Schmetterlingserythem,<br />
<strong>ein</strong> erythematöser, malarer<br />
Hautausschlag, der häufig durch<br />
Sonnenlicht ausgelöst wird (siehe<br />
Abb. 3.4). Im späteren Stadium<br />
der Erkrankung können praktisch alle Organsysteme betroffen<br />
s<strong>ein</strong>. Etwa 50 % der Patienten leiden unter Nierenstörungen. Zu<br />
den zahlreichen neurologischen und psychiatrischen Begleitersch<strong>ein</strong>ungen<br />
(Beteiligung des zentralen Nervensystems) zählen<br />
beispielsweise hartnäckige Kopfschmerzen, Krampfanfälle, akute<br />
Schlaganfälle, Bewegungsstörungen und psychische Störungen<br />
(Depression, Psychose). Auch der Magen-Darm- sowie der<br />
Respirationstrakt können betroffen s<strong>ein</strong> (siehe Abb. 3.5). Ferner<br />
können Serositis (Pleuritis, Perikarditis, Peritonitis), Alopecie und<br />
Schleimhautulzera auftreten. Bei den meisten Patienten sind leichte<br />
Anämie, Thrombozytopenie und Leukopenie festzustellen. Die<br />
Beteiligung lebenswichtiger Organe, insbesondere der Nieren und<br />
des zentralen Nervensystems, erklärt die beträchtliche Morbidität<br />
und Mortalität. Der Krankheitsverlauf ist im Allgem<strong>ein</strong>en durch<br />
Remissionen und Rückfälle (engl. flares: so genannte flammende<br />
Röte) gekennzeichnet.<br />
Ein typisches Merkmal von SLE ist das Vorhandens<strong>ein</strong> antinukleärer<br />
Antikörper (ANA) und hoch krankheitsspezifischer Antikörper.<br />
Der Nachweis von ANA erfolgt durch indirekte Immunfluoreszenz<br />
(IIF) auf <strong>ein</strong>er humanen Epitheloidzelllinie (HEp2-Zellen). Ein negatives<br />
ANA-Ergebnis schließt <strong>ein</strong>en aktiven unbehandelten SLE<br />
(mit <strong>ein</strong>er Wahrsch<strong>ein</strong>lichkeit von 95<strong>–</strong>99 %) praktisch aus. Auf der<br />
anderen Seite sind ANA k<strong>ein</strong>esfalls spezifisch für SLE, sondern<br />
72<br />
Abb. 3.2: Photosensitive Alopezie bei SLE
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Abb. 3.3 (links): Photosensitiver Hautausschlag auf der Brust bei SLE<br />
Abb. 3.4: Erythematöser malarer Hautauschlag bei SLE, so genanntes „Schmetterlingserythem“<br />
(Bild mit Genehmigung von Elsevier nachgedruckt aus:<br />
Rheumatology, Klippel und Diepe (Hrsg.), 2/E, ©1998 Mosby)<br />
sind auch bei <strong>ein</strong>er großen Anzahl anderer Krankheiten festzustellen.<br />
Daher werden im nächsten Schritt spezifische Marker-Antikörper<br />
analysiert. Folgende Antikörper können bei SLE auftreten:<br />
Antikörper gegen Nukleosomen (Anti-dsDNA: 70<strong>–</strong>90 %,<br />
Anti-Histone: 70<strong>–</strong>90 %, Anti-Nukleosom: 88 %, LE-Zelltest),<br />
Antikörper gegen<br />
Ribonucleoprot<strong>ein</strong>-Partikel<br />
(Anti-<br />
Sm: 25 %, Anti-<br />
U1-snRNP: 40 %),<br />
Anti-SSA/Ro (40<strong>–</strong><br />
50 %) und Anti-<br />
SSB/La (15 %),<br />
Antikörper gegen<br />
Abb. 3.5:<br />
Pleura-Erguss bei SLE<br />
73
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Phospholipide (Anticardiolipin:<br />
20<strong>–</strong>40 %,<br />
Anti-β2-Glykoprot<strong>ein</strong><br />
I, Lupus Antikoagulans)<br />
und schließlich<br />
verschiedene Spezifitäten, wie Antikörper gegen anti-ribosomales<br />
Prot<strong>ein</strong> P (15<strong>–</strong>40 %) oder Anti-Ku (20<strong>–</strong>40 %). Antikörper gegen<br />
Anti-dsDNA, Anti-Sm und Anti-ribosomales P-Prot<strong>ein</strong> sind hoch<br />
krankheitsspezifisch, während die übrigen Antikörper auch bei<br />
anderen Erkrankungen, wie z. B. Sjögren-Syndrom oder Mischkollagenose,<br />
vorhanden s<strong>ein</strong> können.<br />
Anti-dsDNA-Antikörper werden auch als Monitoring-Instrument<br />
benutzt, da sich der Titer, insbesondere in Bezug auf<br />
Nierenstörungen, parallel zur Krankheitsaktivität verhält. Ferner<br />
steht zur Diskussion, ob diese Antikörper von pathogener Relevanz<br />
sind. Die Konzentration der Komplementfaktoren C3 und C4 wird<br />
ebenfalls zum Beurteilen der Krankheitsaktivität herangezogen,<br />
da die Verschlimmerung der Krankheit mit <strong>ein</strong>er Abnahme dieser<br />
Substanzen verbunden ist. Zirkulierende Immunkomplexe und<br />
C-reaktives Prot<strong>ein</strong> sind hier nur von geringer Bedeutung.<br />
Niedrig dosierte Kortikosteroide, NSAIDs und Antimalariamittel<br />
(Hydroxychloroquin) spielen <strong>ein</strong>e wichtige Rolle bei der<br />
Behandlung von leichtem SLE. Patienten mit ernster oder progressiver<br />
Organbeteiligung werden kurzzeitig mit hoch dosierten<br />
Kortikosteroiden und/oder Zytostatika (z. B. Cyclophosphamid)<br />
behandelt.<br />
Konventionelle Differenzierung zwischen SLE und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
SLE kann mit <strong>ein</strong>er RA-ähnlichen symmetrischen Polyarthritis<br />
von Händen, Handgelenken und Knien <strong>ein</strong>hergehen (siehe Abb.<br />
3.6). SLE-Patienten weisen jedoch normalerweise zusätzliche ex-<br />
74<br />
Abb. 3.6: Polyarthritis in<br />
den Händen <strong>ein</strong>es SLE-<br />
Patienten ohne Gelenkerosionen
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
traartikuläre Manifestationen auf, wie Hautausschlag („Schmetterlingserythem“),<br />
Fieber, Beteiligung von Nieren oder zentralem<br />
Nervensystem, Pleuritis (Entzündung der Pleura) und Auffälligkeiten<br />
der Blutwerte, z. B. <strong>ein</strong>e geringe Anzahl von weißen und<br />
roten Blutkörperchen sowie der Blutplättchen.<br />
Anders als bei der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> wandert die<br />
Polyarthritis bei SLE.<br />
95<strong>–</strong>99 % aller SLE-Patienten sind positiv in Bezug auf antinukleäre<br />
Antikörper (ANA). Dieser Befund ist allerdings nicht<br />
spezifisch: Etwa 30 % aller RA-Patienten besitzen ebenfalls<br />
ANA. Daher bildet <strong>ein</strong> negativer ANA-Befund hauptsächlich <strong>ein</strong><br />
Ausschlusskriterium für SLE. ANA-positive Patienten müssen im<br />
Hinblick auf die Entwicklung von SLE-Symptomen sehr sorgfältig<br />
beobachtet werden.<br />
Eine weitere Unterscheidungsmöglichkeit zwischen SLE und<br />
rheumatoider <strong>Arthritis</strong> bilden vorhandene, hoch krankheitsspezifische<br />
Autoantikörper bei SLE: dsDNA-Antikörper werden mit<br />
<strong>ein</strong>er Prävalenz von 70<strong>–</strong>90 % festgestellt, Sm-Antikörper können<br />
bei etwa 25 % aller SLE-Patienten nachgewiesen werden, und<br />
Antikörper gegen ribosomales Prot<strong>ein</strong> P treten bei 15<strong>–</strong>40 % der<br />
SLE-Patienten auf. Diese Antikörper sind bei RA hingegen nicht<br />
vorhanden.<br />
Der Rheumafaktor kann trotz s<strong>ein</strong>es Zusammenhangs mit RA<br />
nicht als Unterscheidungskriterium herangezogen werden, da ungefähr<br />
30 % der SLE-Patienten in Bezug auf den Rheumafaktor<br />
ebenfalls seropositiv sind.<br />
Tabelle 3.3 Unterscheidung zwischen SLE und RA<br />
SLE <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
ACR-Kriterien für SLE ACR-Kriterien für RA<br />
Extraartikuläre Manifestationen („Schmetterlingserythem“,<br />
Nieren oder ZNS-Beteiligung,<br />
niedrige Werte von weißen und roten<br />
Blutkörperchen und Blutplättchen)<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten, grippeähnliche<br />
Symptome etc., siehe<br />
Tab. 1.1)<br />
75
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
76<br />
SLE <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
K<strong>ein</strong>e Knochenerosionen Erosive Gelenkerkrankung<br />
Wandernde <strong>Arthritis</strong> Permanente <strong>Arthritis</strong><br />
ANA (95<strong>–</strong>99 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
dsDNA-Ak (70<strong>–</strong>90 %) <strong>–</strong><br />
Sm-Ak (ca. 25 %) <strong>–</strong><br />
Ak gegen ribosomales Prot<strong>ein</strong> P (15<strong>–</strong>40 %) <strong>–</strong><br />
RF (30 %)<br />
ANA (30 %)<br />
3.2.1.2 Sklerodermie (Systemische Sklerose)<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe<br />
Krankheitsspezifität<br />
Klinische Merkmale<br />
Die Bezeichnung Sklerodermie bedeutet „Verhärtung der Haut“,<br />
was gleichzeitig das charakteristische Symptom der Krankheit<br />
ist. Die systemische Sklerose ist weltweit verbreitet mit <strong>ein</strong>er<br />
Prävalenz von 126<strong>–</strong>250/Million und <strong>ein</strong>er Inzidenzrate von 0,6<strong>–</strong><br />
19/100.000/Jahr. Die Prävalenz der Sklerodermie wird in Japan<br />
auf 7 Erkrankte pro Million Menschen geschätzt, während bei<br />
<strong>ein</strong>em nordamerikanischen Indianerstamm <strong>ein</strong>e Prävalenz von<br />
472 pro Million festgestellt wurde. Frauen bergen im Vergleich<br />
zu Männern <strong>ein</strong> drei- bis achtfaches Erkrankungsrisiko, wobei<br />
die Differenz bei jüngeren Altersgruppen größer ist. Die ersten<br />
Symptome treten normalerweise im Alter zwischen 30 und<br />
50 Jahren auf.<br />
Die Sklerodermie ist <strong>ein</strong>e multisystemische Krankheit, die durch<br />
<strong>ein</strong>e zunehmende Verdickung und Verhärtung der Haut gekennzeichnet<br />
ist und sich häufig auf die viszeralen Organe ausbreitet.<br />
Bei nahezu allen Sklerodermie-Patienten tritt das Raynaud-<br />
Phänomen auf. Das charakteristische Merkmal dieses Phänomens
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Abb. 3.7 (links): Raynaud-<br />
Phänomen<br />
Abb. 3.8: Digitale vertiefte<br />
Narben und Ulzera, häufig<br />
auftretend bei systemischer<br />
Sklerose<br />
ist die durch Kälte oder Stress<br />
ausgelöste Vasokonstriktion<br />
von <strong>ein</strong>em oder mehreren<br />
Fingern, die zum Weißwerden<br />
und anschließend zur Hyperämie<br />
führt, die dann <strong>ein</strong>e<br />
Hautrötung bewirkt (siehe<br />
Abb. 3.7). Häufig geht <strong>ein</strong><br />
neu aufgetretenes, stark ausgeprägtes Raynaud-Phänomen mit<br />
schwerer digitaler Ischämie mit Fingerspitzenulzeration <strong>ein</strong>her,<br />
die an systemische Vaskulitis erinnert (siehe Abb. 3.8).<br />
Aufgrund der Heterogenität des Krankheitsbildes fällt die<br />
Klassifizierung von Sklerodermie oft schwer. Das American<br />
College of Rheumatology (ACR) hat klinische Kriterien zur<br />
Klassifizierung von Sklerodermie entwickelt. Danach gibt es zwei<br />
Haupttypen der Sklerodermie.<br />
Die lokalisierte Sklerodermie umfasst verschiedene<br />
Unterformen, wie Morphaea (<strong>ein</strong>zelne Stellen verhärteter Haut),<br />
lineare Form (auf darunter liegende Knochen und Muskeln begrenzte<br />
Hautverhärtung) und Sclérodermie on coup de sabre<br />
(säbelhiebartige Sklerodermie ausschließlich am Kopf und im<br />
Gesicht). Die systemische Sklerodermie kann hingegen in zwei<br />
Unterformen <strong>ein</strong>geteilt werden: begrenzte Sklerodermie und diffuse<br />
Sklerodermie.<br />
Bei der diffusen Variante kann die Fibrose der Haut und anderer<br />
Organe sich weit auf den Körper ausbreiten und lebensbedrohlich<br />
s<strong>ein</strong>. Ungefähr 95 % der Patienten zeigen charakteristische<br />
Veränderungen der Haut (Sklerose, siehe Abb. 3.9), bei ca.<br />
77
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Abb. 3.9: Hautverhärtung mit Hyperpigmentierung<br />
von Brust und<br />
Bauch <strong>ein</strong>es Patienten mit diffuser<br />
Sklerodermie<br />
90 % tritt das Raynaud-Phänomen<br />
auf, 95 % haben geschwollene<br />
Finger und 96 %<br />
leiden unter Arthralgien. Bei<br />
etwa 50 % der Patienten wird<br />
in der Frühphase der Krankheit<br />
<strong>ein</strong>e Magen-Darm- oder<br />
Lun gen beteiligung er kennbar.<br />
Zu sätzlich können sich<br />
(bei ca. 10 % der Fälle) Myokardiopathie<br />
und Einschränkungen<br />
der Nierenfunktion<br />
entwickeln.<br />
Die begrenzte Sklerodermie<br />
bleibt hingegen<br />
auf die Finger oder distalen Extremitäten (k<strong>ein</strong>e Rumpfbeteiligung)<br />
beschränkt und verläuft weniger schmerzhaft und günstiger.<br />
Die meisten Patienten mit begrenzter Sklerodermie entwickeln<br />
die typischen Merkmale des CREST-Syndroms: Calcinosis<br />
cutis (subkutane Kalkablagerungen), Raynaud-Phänomen (99 %<br />
der Fälle), ösophageale (engl.: esopha geal) Bewegungsstörungen<br />
(90 % der Fälle), Sklerodaktylie (dünne, blasse, skle ro tische Fin ger,<br />
siehe Abb. 3.10) und<br />
Tele angie k ta sie (bleibende<br />
Er wei terung<br />
78<br />
Abb. 3.10: Finger- und<br />
Hand-Sklerodermie <strong>–</strong> fortgeschritteneHautverhärtung,<br />
die den Patienten<br />
unfähig macht, <strong>ein</strong>e Faust<br />
zu bilden
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Abb. 3.11: Punktförmige Telangiektasien auf<br />
den Wangen bei seit langem bestehender,<br />
begrenzter Sklerodermie. Die straffe, glatte<br />
Haut im Gesicht führt zu <strong>ein</strong>er zunehmenden<br />
Verkl<strong>ein</strong>erung der Mundöffnung und<br />
radialer Furchenbildung um die Lippen<br />
kl<strong>ein</strong>er, oberflächlicher Blutgefäße,<br />
siehe Abb. 3.11) (90 % der Fälle). Es<br />
gibt allerdings Forderungen, die in<br />
diesem Zusammenhang verwendete<br />
Bezeichnung „CREST-Syndrom“<br />
solle durch „begrenzte Sklerodermie“<br />
ersetzt werden, da viele Patienten nicht alle Merkmale von<br />
CREST aufweisen. Die Beteiligung innerer Organe bleibt im Allgem<strong>ein</strong>en<br />
auf den Ösophagus und andere Teile des Magen-Darm-<br />
Trakts beschränkt.<br />
Die Behandlung umfasst Gefäßtherapie (Warmhalten, Vasodilatatoren),<br />
Immunmodulation (z. B. Cyclophosphamid) und<br />
anti fibrotische Arzneimittel (D-Penicillamin, Interferon-α, Inter -<br />
feron-γ, Colchicin). Darüber hinaus ist möglicherweise <strong>ein</strong>e organspezifische<br />
Therapie notwendig.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Sklerodermie und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Trotz augensch<strong>ein</strong>licher Krankheitsmerkmale, die klar von der<br />
RA zu unterscheiden sind, stellt die Sklerodermie <strong>ein</strong>e Differenzialdiagnose<br />
der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> dar. Dies ist auf die Tatsache<br />
zurückzuführen, dass die Sklerodermie mit moderaten bis<br />
schweren Allgem<strong>ein</strong>symptomen und <strong>ein</strong>er leichten Polyarthritis<br />
der proximalen Interphalangealgelenke (PIP) und der Metacarpophalangealgelenke<br />
(MCP) beginnt, ähnlichen Symptomen also,<br />
wie sie bei RA auftreten.<br />
Die Differenzierung zwischen <strong>ein</strong>er beginnenden Sklerodermie<br />
und RA kann anhand der Bestimmung spezifischer Antikörper<br />
erfolgen. Antikörper gegen Anti-topo-I (Scl-70) sind gegen<br />
Topoisomerase I gerichtet, <strong>ein</strong> nukleäres Schlüsselenzym, das<br />
79
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
überspiralisierte DNA in die erforderlichen Konformationen für<br />
die normale DNA-Replikation und -Transkription überführt. Anti-<br />
Topo-I-Antikörper sind hoch spezifisch für diffuse Sklerodermie<br />
und weisen <strong>ein</strong>e Sensitivität von ungefähr 30 % auf. Autoantikörper<br />
gegen die RNA-Polymerasen I und III sind ebenfalls hoch spezifisch<br />
für diffuse Sklerodermie, insbesondere in Zusammenhang<br />
mit Nierenstörungen.<br />
Hoch spezifische Autoantikörper gegen Zentromer- oder<br />
Kinetochorprot<strong>ein</strong>e (z. B. Anti-CENP-B) können im Serum von bis<br />
zu 90 % der Patienten mit begrenzter Sklerodermie nachgewiesen<br />
werden. Im Vergleich zu Patienten mit Anti-Topo-I-Antikörpern<br />
erleben Patienten mit Anti-Zentromer-Antikörpern <strong>ein</strong>en günstigeren<br />
und längeren Krankheitsverlauf. Anti-Zentromer-Antikörper<br />
können auch bei Patienten mit primärem Raynaud-Syndrom<br />
festgestellt werden, <strong>ein</strong>er Gruppe, bei der häufig <strong>ein</strong> späteres<br />
Fortschreiten zur begrenzten Sklerodermie zu beobachten ist.<br />
Neben Sklerodermie-spezifischen Antikörpern können für die<br />
Unterscheidung zwischen neu aufgetretener Sklerodermie und<br />
rheumatoider <strong>Arthritis</strong> auch extraartikuläre Manifestationen herangezogen<br />
werden.<br />
Der Rheumafaktor, der bei etwa 75<strong>–</strong>80 % der RA-Patienten<br />
nachgewiesen werden kann, ist ungeeignet für die Differenzierung,<br />
da etwa 20 % der Sklerodermie-Patienten ebenfalls seropositiv in<br />
Bezug auf den RF sind.<br />
Tabelle 3.4 Unterscheidung zwischen Sklerodermie und RA<br />
Sklerodermie <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Ak gegen Anti-Topo-I (Scl 70): 30 % d.<br />
Patienten mit diffuser Sklerodermie;<br />
<strong>–</strong><br />
Anti-RNA-Polymerase I und III spezifisch<br />
für diffuse Sklerodermie<br />
Ak gegen Zentromer (CENP-B): 90 %<br />
der Patienten mit begrenzter Sklerodermie<br />
80<br />
<strong>–</strong>
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Sklerodermie <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
RF (20 %)<br />
Raynaud-Phänomen<br />
Sklerose<br />
3.2.1.3 Polymyositis/Dermatomyositis<br />
RF (75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(grippeähnliche Symptome, Rheumaknoten<br />
etc., siehe Tab. 1.1)<br />
Klinische Merkmale<br />
Die berichtete Gesamtinzidenz von Polymyositis/Dermatomyositis<br />
beläuft sich auf ungefähr 2<strong>–</strong>10/100.000/Jahr, mit <strong>ein</strong>em Altersgipfel<br />
im fünften und sechsten Lebensjahrzehnt und <strong>ein</strong>em weiteren,<br />
aber weniger ausgeprägten Gipfel im Kindesalter. Die Prävalenz<br />
liegt bei 20<strong>–</strong>50/Million, das Verhältnis von weiblichen zu männlichen<br />
Patienten ist dabei 2:1. Die Krankheit tritt bei Schwarzen<br />
häufiger auf als bei Weißen. Polymyositis/Dermatomyositis ist<br />
gekennzeichnet durch <strong>ein</strong>e chronische Entzündung der quergestreiften<br />
Skelettmuskulatur (Polymyositis) und manchmal zusätzlich<br />
der Haut (Dermatomyositis).<br />
Das charakteristische Merkmal der<br />
Myositis bildet die symmetrische<br />
Muskelschwäche. Bei manchen<br />
Pa tienten mit Polymyositis/Derma<br />
tomyositis entwickelt sich die<br />
Myositis akut, mit Fieber, Un wohls<strong>ein</strong>,<br />
Gelenkschmerzen und Niereninsuffizienz,<br />
in den meisten Fällen<br />
be ginnt die Krankheit jedoch subakut.<br />
Abb. 3.12 : Bläulich violetter Ausschlag und<br />
Lidödeme bei <strong>ein</strong>em Jungen mit Dermatomyositis<br />
81
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Abb. 3.13: Gottron-Papeln, <strong>ein</strong> erythematöser,<br />
schuppender Ausschlag an den<br />
Fingerknöcheln und auf den Handrücken<br />
bei früher Dermatomyositis<br />
Abb. 3.14: Kalkablagerungen in den<br />
Weichteilen<br />
82<br />
Anders als bei der Polymyositis<br />
ist die zusätzlich<br />
zu den Muskelsymptomen<br />
auftretende Hautbeteili gung<br />
bei der Dermatomyositis<br />
na he zu pathognomonisch.<br />
Sie besteht aus <strong>ein</strong>em erythematösen,schmetterlingsförmigen<br />
Ausschlag der<br />
sonnenlichtexponierten Haut<br />
auf Wangen, Nasen rücken<br />
und Stirn mit Verfärbung<br />
der Augenlider (siehe Abb.<br />
3.12), verschiedenen anderen,<br />
typischen Ausschlägen<br />
(z. B. Gottron-Papeln, siehe<br />
Abb. 3.13) und Teleangiektasien<br />
(bleibende Erweiterung<br />
kl<strong>ein</strong>er, oberflächlicher Blutgefäße).<br />
Kalkablagerungen<br />
können zum spät auftretenden,<br />
behindernden Problem<br />
bei chronischer Dermatomyositis<br />
werden, insbesondere<br />
bei Krankheitsbeginn in der<br />
Kindheit. Bei im Erwachsenenalter erstmals aufgetretener Erkrankung<br />
sind Kalkablagerungen ungewöhnlich (siehe Abb. 3.14). Im<br />
Gegensatz zur Polymyositis sind bei der Dermatomyositis erhebliche<br />
Gefäßschädigungen zu beobachten. Forscher haben bereits<br />
<strong>ein</strong>en Zusammenhang zwischen Dermatomyositis und Malignität<br />
bei älteren Menschen beschrieben.<br />
Bei der Polymyositis/Dermatomyositis tritt neben der Muskelschwäche<br />
normalerweise <strong>ein</strong>e Atrophie auf. Muskelschmerzen<br />
und Druckempfindlichkeit können zwar vorkommen, sind aber<br />
bei manifester Synovitis im Allgem<strong>ein</strong>en stärker ausgeprägt. Die<br />
Creatinkinase-Aktivität im Serum ist generell erhöht und korreliert<br />
mit der Krankheitsaktivität (in Akutphasen bis zu 50fache<br />
Erhöhung des Normalwerts). Die Elektromyographie bringt <strong>ein</strong>
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
typisches Myopathiemuster zum Vorsch<strong>ein</strong>, das allerdings nicht<br />
spezifisch für Autoimmunkrankheiten der Muskeln ist. Während<br />
akuter Stadien können mit Hilfe des Magnetresonanzverfahrens<br />
Muskelödeme festgestellt werden. Die Muskelbiopsie stellt<br />
schließlich das definitive Diagnos<strong>ein</strong>strument zum Identifizieren<br />
der Polymyositis/Dermatomyositis dar. Andere Organsysteme, wie<br />
Gelenke, Lunge (Fibrose), Herz und Magen-Darm-Trakt, können<br />
ebenfalls betroffen s<strong>ein</strong>.<br />
Bei Gelenkbeteiligung tritt Polyarthralgie und/oder Polyarthritis<br />
mit RA-ähnlichen Symptomen auf. Am häufigsten betroffen sind<br />
die Handgelenke, die Knie sowie die kl<strong>ein</strong>en Gelenke der Hand.<br />
Die Morgensteifigkeit ist stark ausgeprägt. <strong>Arthritis</strong> kommt besonders<br />
oft bei Patienten mit Overlap-Syndrom sowie bei Patienten mit<br />
Antikörpern gegen die Untergruppe der Anti-tRNA-Synthetasen<br />
vor (siehe unten).<br />
Der Nachweis von Myositis-spezifischen Autoantikörpern stellt<br />
<strong>ein</strong>e weitere Diagnosehilfe dar.<br />
Zu den am häufigsten festgestellten Antikörpern gehören<br />
Antikörper gegen die Aminoacyl-tRNA-Synthetasen, besonders<br />
Histidyl-tRNA-Synthetase, die ursprünglich als Jo-1 beschrieben<br />
wurde. Diese Antikörper werden bei bis zu 20 % der Patienten<br />
mit Polymyositis oder Dermatomyositis festgestellt, und zwar vorwiegend<br />
bei Patienten mit Lungenfibrose. Ebenfalls beschrieben<br />
wurden Autoantikörper gegen Alanyl- (PL-12), Threonyl- (PL-7),<br />
Glycyl- (EJ) und Isoleucyl-tRNA-Synthetasen (OJ).<br />
Bei an Polymyositis Erkrankten seltener beobachtet werden<br />
Autoantikörper gegen SRP (Signal Recognition Particle).<br />
Patienten mit diesen Antikörpern neigen zu <strong>ein</strong>er sehr schweren,<br />
Steroid-resistenten Myositis mit akutem Beginn und schlechter<br />
Prognose, die normalerweise mit <strong>ein</strong>er Herzbeteiligung <strong>ein</strong>hergeht.<br />
Anti-Mi-2-Antikörper sind charakteristisch für Dermatomyositis-<br />
Patienten (15<strong>–</strong>35 %). Diese Antikörper sind gegen <strong>ein</strong>e Helikase<br />
gerichtet. Aufgrund ihrer geringen Krankheitsspezifität (Vorkommen<br />
bei 5 % von SLE-Patienten) ist ihr Nutzen für die<br />
Diagnose begrenzt.<br />
Wenn Patienten gleichzeitig unter Myositis und systemischer<br />
Sklerose leiden, spricht man von <strong>ein</strong>em Overlap-Syndrom. Etwa<br />
25 % dieser Patienten besitzen Antikörper gegen das nukleo-<br />
83
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
läre Antigen PM-Scl. Das PM-Scl-Autoantigen besteht aus <strong>ein</strong>em<br />
Komplex von 11<strong>–</strong>16 Prot<strong>ein</strong>en im Bereich von 20 kD bis<br />
110 kD. In den meisten Fällen richtet sich die Immunreaktion<br />
gegen <strong>ein</strong> 100-kD-Prot<strong>ein</strong>, <strong>ein</strong>e Reaktivität ist jedoch auch gegen<br />
<strong>ein</strong>e 70- oder 75-kD-Komponente zu verzeichnen. In Japan<br />
wurde bei <strong>ein</strong>igen Patienten mit Overlap-Syndrom festgestellt,<br />
dass ihre Autoantikörper nicht gegen das PM-Scl-Antigen, sondern<br />
hauptsächlich gegen das 70-kD/80-kD- Ku-Antigen gerichtet<br />
waren. Ferner können bei Myositis-Overlap-Syndromen auch<br />
Autoantikörper gefunden werden, die typischerweise mit anderen<br />
Bindegewebekrankheiten assoziiert sind (z. B. Anti-U1RNP, Anti-<br />
PM-Scl, Anti-SS-A, Anti-Zentromer).<br />
Die Behandlung besteht normalerweise aus <strong>ein</strong>er Kortikosteroid-<br />
Therapie. Falls <strong>ein</strong> Patient auf diese Therapie nicht anspricht, werden<br />
Methotrexat und andere Immunsuppressiva <strong>ein</strong>gesetzt. Manche<br />
Patienten sprechen Berichten zufolge auch auf Plasmapherese<br />
und γ-Globulin an.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Polymyositis/Dermatomyositis<br />
und RA (ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Die autoimmun bedingte Muskelkrankheit ist <strong>ein</strong>e potenzielle<br />
Differenzialdiagnose der RA. Dies ist <strong>ein</strong>erseits auf die Tatsache<br />
zurückzuführen, dass sich im Verlauf von RA <strong>ein</strong>e Myopathie entwickeln<br />
kann, und andererseits die autoimmun bedingte Muskelkrankheit<br />
häufig mit moderaten bis schweren Allgem<strong>ein</strong>symptomen<br />
und leichter <strong>Arthritis</strong> der proximalen Interphalangeal- (PIP)<br />
und der Metacarpophalangealgelenke (MCP) beginnt. In seltenen<br />
Fällen können bei <strong>ein</strong>em Patienten beide Krankheiten koexistieren.<br />
Die Unterscheidung zwischen Polymyositis/Dermatomyositis<br />
und RA erfolgt durch <strong>ein</strong>e Analyse von Myositis-spezifischen<br />
Merkmalen. Im Rahmen dieser Analyse wird beispielsweise<br />
die CK-Aktivität (CK: Creatinkinase) im Serum bestimmt,<br />
es werden NMR-Untersuchungen durchgeführt, und anhand<br />
von Biopsieproben werden schließlich typische Veränderungen<br />
festgestellt. Charakteristische Hautveränderungen sind bei<br />
Dermatomyositis zu beobachten. Zusätzlich bietet die Existenz<br />
von Myositis-spezifischen Antikörpern, wie Jo-1 oder anderer<br />
84
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
spezifischer Antikörper (PL-12, Pl-7, EJ, OJ) <strong>ein</strong>e Hilfe bei der<br />
Unterscheidung zwischen autoimmun bedingter Myopathie und<br />
RA. Auf der anderen Seite sind die ACR-Kriterien und typische<br />
extraartikuläre Manifestationen (z. B. Rheumaknoten) charakteristisch<br />
für RA und helfen bei der Abgrenzung gegenüber<br />
Polymyositis/Dermatomyositis.<br />
Der Rheumafaktor ist für <strong>ein</strong>e Differenzierung ungeeignet, da<br />
etwa 20 % der Polymyositis-/Dermatomyositis-Patienten in Bezug<br />
auf RF ebenfalls seropositiv sind.<br />
Tabelle 3.5 Unterscheidung zwischen Poly-/Dermatomyositis und RA<br />
Poly-/Dermatomyositis <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Erhöhter CK-Wert <strong>–</strong><br />
Veränderungen in Muskel-NMR<br />
erkennbar<br />
<strong>–</strong><br />
Typische Veränderungen in der<br />
Muskelbiopsie erkennbar<br />
Autoantikörper (Jo-1 (20 %), PL-12,<br />
PL-7, EJ, OJ)<br />
Leichte <strong>Arthritis</strong> von PIP- und MCP-<br />
Gelenken<br />
RF (20 %)<br />
Hautbeteiligung im Fall von Dermatomyositis<br />
<strong>–</strong><br />
-<br />
ACR-Kriterien<br />
RF (75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten, grippeähnliche<br />
Symptome etc., siehe Tab. 1.1)<br />
85
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
3.2.1.4 Undifferenzierte Bindegewebeerkrankung (UCTD: Undifferentiated<br />
Connective Tissue Disease)<br />
Klinische Merkmale<br />
Mit der Bezeichnung undifferenzierte Bindegewebeerkrankung<br />
(UCTD: Undifferentiated Connective Tissue Disease) wird <strong>ein</strong><br />
Zustand beschrieben, bei dem sich <strong>ein</strong>e Kollagenose zwar schon<br />
äußert (möglicherweise mit weiteren Krankheiten assoziiert), sich<br />
aber noch nicht bis zu <strong>ein</strong>em Punkt entwickelt hat, an dem sie<br />
leicht zu identifizieren wäre. Die Ärzte wissen daher nicht genau,<br />
mit welcher Krankheit sie es zu tun haben. Nicht selten sind<br />
zwar mehrere Symptome der Krankheit vorhanden, aber nicht in<br />
geeignetem Maße, um <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>deutige Diagnose zu erlauben. Zu<br />
den häufig auftretenden Symptomen zählen Myositis, Vaskulitis<br />
und Raynaud-Phänomen. Aus der undifferenzierten Bindegewebeerkrankung<br />
können sich Krankheiten wie SLE, Sklerodermie,<br />
Polymyositis, Vaskulitis, RA, Sjögren-Syndrom und Fibromyalgie<br />
entwickeln. In vielen Fällen werden verschiedene Gruppen von<br />
Autoantikörpern festgestellt (z. B. Anti-Zentromer).<br />
Die Mischkollagenose (MCTD: Mixed Connective Tissue Disease)<br />
wird ebenfalls oft dieser Unter gruppe zugeordnet und manchmal<br />
auch als „undifferenzier te Bindegewebe erkrankung“ bezeichnet.<br />
Patienten mit Mischkollagenose wei sen Merk male von zwei oder<br />
mehr Binde gewebe krank heiten auf, wie SLE, Sklerodermie und Polymyositis/Dermato<br />
myo sitis und haben gleichzeitig cha rakteristisch<br />
hohe Titer von Antikörpern gegen die 70-kD-Komponente des<br />
U1-snRNP- Partikels. Zu den typischen klinischen Merkmalen<br />
zählen Raynaud-Phänomen, Polyarthritis, Handschwellungen,<br />
Sklero daktylie, Arthralgien, Myositis, restriktive Lungenkrankheit<br />
und Funktionsstörungen des Ösophagus. Es handelt sich um <strong>ein</strong>e<br />
seltene Krankheit mit <strong>ein</strong>em Verhältnis von weiblichen zu männlichen<br />
Patienten von 4:1.<br />
Ein Anteil von 60<strong>–</strong>70 % der Patienten leidet unter <strong>Arthritis</strong>. Die<br />
Unterscheidung von RA kann schwierig s<strong>ein</strong>, da sich in vielen<br />
Fällen <strong>ein</strong>e deformierende, erosive <strong>Arthritis</strong> entwickelt.<br />
86
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen UCTD und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Die Mischkollagenose wird anfangs möglicherweise als RA diagnostiziert.<br />
Eine Hilfe bei der Unterscheidung zwischen den beiden<br />
Krankheiten bietet der Nachweis von Anti-70-kD-Antikörpern<br />
im Falle der Mischkollagenose. Ferner sind die extraartikulären<br />
Manifestationen charakteristisch für RA. Der Rheumafaktor kann<br />
allerdings nicht als Unterscheidungskriterium dienen, da er auch bei<br />
etwa 25 % der Patienten mit Mischkollagenose festzustellen ist.<br />
Die UCTD kann von der RA <strong>ein</strong>erseits anhand ihrer spezifischen<br />
Antikörpergruppen und andererseits anhand der ACR-<br />
Kriterien und extraartikulären Manifestationen von RA unterschieden<br />
werden.<br />
Tabelle 3.6: Unterscheidung zwischen UCTD/Mischkollagenose und RA<br />
Undifferenzierte Bindegewebeerkrankung<br />
(UCTD);<br />
Mischkollagenose<br />
Mischkollagenose: Ak gegen Anti-70kD<br />
(95<strong>–</strong>100 %); UCTD: verschiedene<br />
Antikörpergruppen<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien<br />
Raynaud-Phänomen<br />
Polymyositis<br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong><br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten etc., siehe Tab. 1.1)<br />
RF (25 % bei Mischkollagenose) RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität<br />
3.2.2 Seronegative Spondylarthropathie<br />
Die folgenden seronegativen Spondylarthropathien sind als Differenzialdiagnosen<br />
der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> relevant: Spondylitis<br />
ankylosans, reaktive <strong>Arthritis</strong>, <strong>Arthritis</strong> psoriatica und entzündliche<br />
Darmerkrankung.<br />
87
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
3.2.2.1 Spondylitis ankylosans<br />
Klinische Merkmale<br />
Spondylitis ankylosans kommt bei Männern häufiger vor als bei<br />
Frauen (Verhältnis 5:1) und beginnt meist im Alter zwischen 20 und<br />
40 Jahren. Bei Kaukasiern bewegt sich die Prävalenz von Spondylitis<br />
ankylosans normalerweise in <strong>ein</strong>em Bereich von 0,5<strong>–</strong>1,0 %.<br />
In den USA liegt die Inzidenz bei 6,6/100.000/Jahr. Diese chronische<br />
Form von <strong>Arthritis</strong> betrifft primär das Achsenskelett und nur<br />
sekundär dessen (die Extremitäten betreffenden) Grenzgelenke.<br />
Am häufigsten präsentiert sich die Krankheit mit Schmerzen und<br />
Steife im unteren Rücken. Die Symptome werden durch mangelnde<br />
Bewegung verstärkt und durch leichte Übungen gemildert.<br />
Charakteristisch sind radiologische Veränderungen (Erosion und<br />
Sklerose) im Iliosakralbereich (zwischen Kreuzb<strong>ein</strong> und Hüfte),<br />
die jedoch erst nach <strong>ein</strong>igen Jahren der Erkrankung sichtbar wer-<br />
88<br />
Abb. 3.15 (links): Junger Mann mit<br />
Spondylitis ankylosans<br />
Abb. 3.16: Seitenansicht der Lumbosakralwirbelsäule<br />
mit dünnen und<br />
prägnanten Syndesmophyten von<br />
Spondylitis ankylosans (so genannte<br />
Bambusstabwirbelsäule)
Abb. 3.17: Akute anteriore<br />
Uveitis mit circumcornealer<br />
Kongestion (Stauung um die<br />
Hornhaut) und irregulärer<br />
Pupille<br />
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
den. Früher <strong>ein</strong>setzende<br />
Symptome sind verminderte<br />
Thoraxausdehnung<br />
aufgrund der Beteiligung<br />
der Rippenwirbelgelenke.<br />
Im fortgeschrittenen Stadium kann die gesamte Wirbelsäule<br />
<strong>ein</strong>steifen (knöcherne Ankylose), so dass k<strong>ein</strong>e Bewegung mehr<br />
möglich ist (siehe Abb. 3.15 und 3.16).<br />
Klassifizierungskriterien wurden erstmals 1961 <strong>ein</strong>geführt<br />
(Rom-Kriterien: Schmerzen und Steife im unteren Rücken,<br />
Schmerzen und Steife im Thoraxbereich, <strong>ein</strong>geschränkte Bewegung<br />
in der Lendenwirbelsäule (LWS), begrenzte Thoraxausdehnung<br />
und Manifestation von Iritis) und 1966 revidiert (New York-<br />
Kriterien: frühere oder aktuelle Schmerzen im Bereich des<br />
dorso-lumbalen Übergangs oder in der Lendenwirbelsäule,<br />
Bewegungs<strong>ein</strong>schränkung bei Anteriorflexion, Lateroflexion und<br />
Extension sowie <strong>ein</strong>geschränkte Thoraxausdehnung). In Europa<br />
wurden von der European Spondyloarthropathy Study Group<br />
(ESSG) weitere Klassifizierungskriterien entwickelt.<br />
Eine vorübergehende, akute <strong>Arthritis</strong> der peripheren Gelenke tritt<br />
bei ungefähr 50 % der Fälle auf, während permanente Veränderungen<br />
in den peripheren Gelenken, meist der Hüften, Schultern<br />
und Knie bei etwa 25 % der Erkrankten beobachtet werden. Die<br />
<strong>Arthritis</strong> ist in der Regel symmetrisch ausgeprägt. Die am häufigsten<br />
auftretende Beteiligung außerhalb der Wirbelsäule bei Patienten<br />
mit Spondylitis ankylosans ist die (auch als akute Iritis oder<br />
Iridozyklitis bezeichnete) akute Uveitis anterior (siehe Abb. 3.17).<br />
Weitere mögliche Organmanifestationen außerhalb der Wirbelsäule<br />
sind Amyloidose (extravaskuläre Ablagerung von fibrillären<br />
Prot<strong>ein</strong>en und nachfolgende Störung des Metabolitentransports)<br />
oder IgA-Nephropathie. Die spondylitische Herzkrankheit, die<br />
89
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
hauptsächlich durch atrioventrikuläre Reizleitungsstörungen und<br />
Aorteninsuffizienz gekennzeichnet ist, kann bei 3<strong>–</strong>5 % der Patienten<br />
mit lang bestehender, schwerer Krankheit auftreten.<br />
Das Serum von Patienten mit Spondylitis ankylosans ist in<br />
Bezug auf den Rheumafaktor fast immer negativ. Die Erkrankten<br />
weisen erhöhte BSG- und CRP-Werte auf, die jedoch nicht in<br />
Zusammenhang mit der Krankheitsaktivität stehen. Die Inzidenz<br />
von HLA-B27 ist drastisch erhöht. Das MHC-Klasse-I-Molekül<br />
HLA-B27 (das von 6 verschiedenen Allelen codiert wird) ist<br />
bei 90<strong>–</strong>95 % der Patienten mit Spondylitis ankylosans festzustellen,<br />
im Gegensatz zu 4<strong>–</strong>13 % bei gesunden Kaukasiern. Die<br />
Prävalenz von HLA-B27 in der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung deutet auf<br />
beträchtliche geographische Unterschiede hin und bewegt sich<br />
zwischen 52,9 % in Papua-Neuguinea und 0 % in Guatemala und<br />
Afrika. Dies hat signifikante Auswirkungen auf das Vorkommen<br />
HLA-B27-relevanter Störungen. Mit Ausnahme von Patienten<br />
mit anderen seronegativen Spondylarthropathien (reaktive<br />
<strong>Arthritis</strong>, <strong>Arthritis</strong> psoriatica, entzündliche Darmerkrankung),<br />
ist bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen k<strong>ein</strong>e erhöhte<br />
Inzidenz von HLA-B27 festzustellen. Die enge Verknüpfung von<br />
seronegativen Spondylarthropathien mit HLA-B27 spiegelt wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
die direkte Beteiligung des HLA-B27-Genprodukts an<br />
der Pathogenese wider.<br />
Spondylitis ankylosans kann auch mit Psoriasis, chronisch entzündlicher<br />
Darmerkrankung und reaktiver <strong>Arthritis</strong> assoziiert s<strong>ein</strong>.<br />
Neben physikalischer Therapie und Beschäftigungstherapie<br />
besteht die Standardbehandlung von Spondylitis ankylosans aus<br />
der Verabreichung von NSAIDs. Darüber hinaus werden infolge<br />
neuer Behandlungsansätze auf diesem Krankheitsgebiet auch<br />
DMARDs, Immunsuppressiva oder TNF-α-Hemmer (Remicade ®<br />
und Enbrel ® ) <strong>ein</strong>gesetzt (siehe Kap. 1.4 „Therapie von RA“). In<br />
Sonderfällen werden isolierte Gelenke mit Strahlentherapie behandelt.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Spondylitis ankylosans und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Anders als bei RA ist bei Spondylitis ankylosans primär das<br />
Achsen skelett (Kreuzschmerzen) betroffen. Die rheumatoide<br />
90
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
<strong>Arthritis</strong> kann sich zwar letztlich ebenfalls auf die Wirbelsäule<br />
ausdehnen, dies geschieht jedoch typischerweise im Bereich der<br />
Halswirbelsäule. Eine vorliegende Knochenproliferation mit normaler<br />
Mineralisation und knöcherner Ankylose (Gelenksteife) sowie<br />
das Fehlen von Osteoporose sind bei der Unterscheidung von<br />
Spondylitis ankylosans und rheumatoider <strong>Arthritis</strong> der peripheren<br />
Gelenke nützlich. Zu Beginn sollte <strong>ein</strong>e konventionelle Röntgenaufnahme<br />
gemacht werden. Magnetresonanz-Tomographie und<br />
Computer-Tomographie spielen <strong>ein</strong>e wichtige Rolle bei der Abbildung<br />
verschiedener Abschnitte der Wirbelsäule.<br />
Konstitutionelle Symptome, wie sie bei rheumatoider <strong>Arthritis</strong><br />
auftreten, kommen bei den meisten Patienten mit Spondylitis<br />
ankylosans nicht vor. Aus diesem Grund können die extraartikulären<br />
Manifestationen der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> als weiteres<br />
Unterscheidungskriterium dienen.<br />
Tabelle 3.7 Unterscheidung zwischen Spondylitis ankylosans und RA<br />
Spondylitis ankylosans <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Vorwiegend Beteiligung des<br />
Achsenskeletts (Iliosakralbereich!);<br />
Kreuzschmerzen<br />
HLA-B27 (90<strong>–</strong>95 %)<br />
<strong>–</strong><br />
Charakteristische radiologische<br />
Veränderungen (Iliosakralbereich)<br />
Reduzierte Thoraxausdehnung<br />
Bei Beteiligung des Achsenskeletts nur<br />
HWS-Bereich<br />
HLA-B27-Häufigkeit nicht erhöht<br />
(4<strong>–</strong>13 % bei gesunden Euro-Kaukasiern)<br />
RF (ca. 70 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
Typisches Röntgenbild von Händen und<br />
Füßen<br />
K<strong>ein</strong>e Auswirkung auf Thoraxausdehnung<br />
91
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
92<br />
Spondylitis ankylosans <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Knochenproliferation ohne Demineralisation;<br />
knöcherne Ankylose<br />
(Gelenksteife)<br />
Osteoporose, Erosionen, Dekalzifikation,<br />
Gelenkspaltverschmälerung<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Iritis als extraartikuläre Manifestation<br />
<strong>–</strong><br />
3.2.2.2 Reaktive <strong>Arthritis</strong> (Reiter-Krankheit)<br />
Keratoconjunctivitis als extraartikuläre<br />
Manifestation<br />
Extraartikuläre Manifestationen (grippeähnliche<br />
Symptome, Rheumaknoten<br />
etc., siehe Tab. 1.1)<br />
Klinische Merkmale<br />
Bei der reaktiven <strong>Arthritis</strong> handelt es sich um <strong>ein</strong>e Entzündung<br />
mehrerer Gelenke, die durch <strong>ein</strong>e Infektion in anderen Körperteilen<br />
ausgelöst wird. Sie kann <strong>ein</strong>er durch verdorbene Lebensmittel<br />
hervorgerufenen Infektion mit Salmonella, Shigella, Yersinia oder<br />
Campylobacter folgen oder aus bestimmten, durch sexuellen Kontakt<br />
übertragenen Infektionen des Urogenitaltrakts (z. B. Chlamydia<br />
trachomatis, HIV) hervorgehen. Ferner kann die auslösende<br />
Infektion auch in den Atemwegen ihren Ursprung haben (Chlamydia<br />
pneumoniae und andere, z. B. Streptococci). Die ursächlichen<br />
Erreger dringen im Allgem<strong>ein</strong>en nicht in die Gelenke <strong>ein</strong>.<br />
Die <strong>Arthritis</strong> entwickelt sich typischerweise 6<strong>–</strong>14 Tage nach <strong>ein</strong>er<br />
Magen-Darm-Infektion. In den meisten Fällen handelt es sich<br />
um <strong>ein</strong>e asymmetrische, wandernde Mono- oder Oligoarthritis<br />
der stützenden Gelenke (Knie, Sprunggelenke, Hüften). Darüber<br />
hinaus können Entzündung und Schwellung ganze Zehen oder<br />
Finger betreffen (Daktylitis). Enthesopathien können sich ebenso<br />
entwickeln. Die <strong>Arthritis</strong> limitiert sich häufig selbst und dauert<br />
1<strong>–</strong>5 Monate. Bei nahezu 30 % der Patienten treten mehrere<br />
<strong>Arthritis</strong>episoden auf, und bei 5<strong>–</strong>20 % der Erkrankten wird die
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
<strong>Arthritis</strong> chronisch. Die meisten Patienten zeigen (oft heftige)<br />
konstitutionelle Symptome (Fieber, Anorexie, Müdigkeit), und<br />
<strong>ein</strong>ige entwickeln extraartikuläre Manifestationen, die hauptsächlich<br />
die Augen (Uveitis, Konjunktivitis) und das Urogenitalsystem<br />
(Urethritis, Zervizitis) betreffen. Die Prävalenz von HLA-B27 ist<br />
erhöht (60<strong>–</strong>80 %). Häufig sind auch Haut- und Schleimhautläsionen<br />
zu beobachten.<br />
Antibiotika können bei der Behandlung von reaktiver <strong>Arthritis</strong><br />
nur helfen, wenn <strong>ein</strong>e aktive bakterielle Infektion vorliegt. Die<br />
meisten Patienten mit reaktiver <strong>Arthritis</strong> werden mit nicht-steroidalen<br />
Antirheumatika (NSAIDs), wie Indometacin (Indocin ® ) oder<br />
Ibuprofen (Motrin ® ) behandelt. Bei <strong>Arthritis</strong> im Knie helfen in<br />
manchen Fällen intraartikuläre Injektionen von Kortikosteroiden.<br />
Zur Therapie von chronischer reaktiver <strong>Arthritis</strong> werden DMARDs<br />
<strong>ein</strong>gesetzt (siehe Kap. 1.4 „Therapie von RA“).<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen reaktiver <strong>Arthritis</strong> und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Die reaktive <strong>Arthritis</strong> ist gekennzeichnet durch die Beteiligung<br />
mehrerer Gelenke (Entzündung, Schwellung, Schmerzen), die<br />
durch <strong>ein</strong>e Infektion in anderen Teilen des Körpers verursacht<br />
wird. Anders als bei der bakteriellen <strong>Arthritis</strong> sind im Allgem<strong>ein</strong>en<br />
mehrere Gelenke betroffen, und in der Synovialflüssigkeit<br />
sind k<strong>ein</strong>e Bakterien nachweisbar. Ebenfalls häufig zu beobachten<br />
sind Hautmanifestationen.<br />
Charakteristisch für die reaktive <strong>Arthritis</strong> sind Enthesopathien<br />
(Entzündungen der Sehnen bzw. Sehnenansätze), insbesondere im<br />
Sternum und in den Fingern oder Füßen.<br />
Für die Unterscheidung von der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> ist<br />
<strong>ein</strong>e vorangegangene Infektion wichtig. Diese Infektion kann die<br />
Harnwege, Genitalien oder den Magen-Darm-Trakt betreffen.<br />
Die der <strong>Arthritis</strong> vorausgehenden Magen-Darm-Symptome sind<br />
häufig nur minimal ausgeprägt oder nicht vorhanden, was <strong>ein</strong>e<br />
definitive Diagnose zusätzlich erschwert. Aufgrund <strong>ein</strong>er genetischen<br />
Suszeptivität tritt die reaktive <strong>Arthritis</strong> (obwohl sie nicht<br />
ansteckend ist) tendenziell bei mehreren Familienmitgliedern auf.<br />
70<strong>–</strong>80 % der Patienten mit reaktiver <strong>Arthritis</strong> sind Träger des Gens<br />
HLA-B27.<br />
93
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Ein weiteres Unterscheidungskriterium kann das Fehlen der typischen<br />
extraartikulären Manifestationen der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong><br />
darstellen.<br />
Antikörper gegen die Erreger, besonders vom Typ IgA, können<br />
ebenfalls hilfreich bei der Abgrenzung gegenüber rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> s<strong>ein</strong>. Der serologische Nachweis ist allerdings nicht sehr<br />
spezifisch, da Antikörper <strong>ein</strong>erseits auch bei anderen rheumatischen<br />
Erkrankungen feststellbar sind und andererseits nicht immer<br />
<strong>ein</strong>e Unterscheidung der Bakterien möglich ist.<br />
Da Patienten mit reaktiver <strong>Arthritis</strong> in Bezug auf RF normalerweise<br />
seronegativ sind, ist <strong>ein</strong> vorhandener RF <strong>ein</strong> Indikator für<br />
RA.<br />
Tabelle 3.8: Unterscheidung zwischen reaktiver <strong>Arthritis</strong> und RA<br />
Reaktive <strong>Arthritis</strong> <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Vorangegangene Infektion<br />
(Gastrointestinal-, Urogenital-,<br />
Spontaner, insidiöser Beginn<br />
Respirationstrakt)<br />
Serologischer Nachweis (Antikörper<br />
gegen infektiöse Organismen)<br />
<strong>–</strong><br />
94<br />
HLA-B 27 (70 <strong>–</strong> 80 %)<br />
<strong>–</strong><br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
Häufigkeit von HLA-B27 nicht erhöht<br />
(4<strong>–</strong>13 % bei gesunden euro-kaukasischen<br />
Kontrollpersonen)<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Urethritis, Zervizitis<br />
Hautläsionen<br />
Enthesopathien Synovitis<br />
Extraartikuläre Manifestationen (grippeähnliche<br />
Symptome, Rheumaknoten<br />
etc., siehe Tab. 1.1)
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Reaktive <strong>Arthritis</strong> <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Wandernde <strong>Arthritis</strong> Permanente <strong>Arthritis</strong><br />
Tendenz zu familiärer Häufung Schwache familiäre Assoziation<br />
3.2.2.3 <strong>Arthritis</strong> psoriatica<br />
Klinische Merkmale<br />
Unter Psoriasis versteht man <strong>ein</strong>e chronische, entzündliche Hautkrankheit,<br />
von der ungefähr 2 % der kaukasischen Bevölkerung<br />
betroffen sind. Typische Merkmale sind scharf begrenzte, gerötete,<br />
durch übermäßige Abschilferung von Epithelzellen mit silbernen<br />
Schuppen bedeckte Herde und häufig psoriatische Nagelveränderungen<br />
(siehe Abb. 3.18 und 3.19). Ärzte unterscheiden<br />
<strong>ein</strong>schließlich der gem<strong>ein</strong>en Placken-Psoriasis vier verschiedene<br />
Formen von Psoriasis. Bislang noch vagen Vermutungen zufolge<br />
stellt die Psoriasis <strong>ein</strong>e Autoimmunkrankheit dar. Dieser Ansatz<br />
wird bekräftigt durch den Frauenüberschuss unter den Patienten<br />
(obwohl das Verhältnis kl<strong>ein</strong>er ist als 2:1), durch die wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
polygene Vererbung, die beobachteten HLA-Assoziationen<br />
und die Anhäufung von T-Lymphozyten in der Dermis sowie das<br />
gute Ansprechen von Läsionen auf topisch angewandte Kortikosteroide.<br />
Die relevanten Autoantigene konnten jedoch noch nicht<br />
identifiziert werden.<br />
Etwa 5<strong>–</strong>8 % der Patienten mit Psoriasis entwickeln <strong>ein</strong>e entzündliche<br />
Oligo- oder Polyarthritis (Gesamtprävalenz: 0,1 %),<br />
die der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> in vielen Aspekten ähnelt. Un terscheidungsmerkmale<br />
sind Seronegativität<br />
in Bezug auf den<br />
Rheumafaktor, das Fehlen von<br />
Rheumaknoten, die Beteiligung<br />
distaler Gelenke (besonders<br />
der Finger, siehe Abb. 3.20),<br />
Abb. 3.18: Typischer Nagelbefund bei<br />
<strong>Arthritis</strong> psoriatica<br />
95
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Enthesopathie (Entzündung<br />
der An sätze von<br />
Bändern und Sehnen<br />
am Kno chen) und häufig<br />
Spondyl arthropathie.<br />
Ferner ist die Gelenkbeteiligung bei etwa 40 % der Fälle asymmetrisch<br />
ausgeprägt (siehe Abb. 3.21). Bei symmetrischem Auftreten<br />
ist die <strong>Arthritis</strong> nicht zu unterscheiden von der RA, da in beiden<br />
Fällen die kl<strong>ein</strong>en Gelenke von Händen und Füßen, Handgelenke,<br />
Sprunggelenke, Knie und Ellenbogen betroffen sind. Anders als<br />
bei RA führt die Beteiligung der DIP-Gelenke allerdings häufig<br />
zu Daktylitis („Wurstfingern“). Bei der Mehrheit der Fälle (75 %)<br />
geht die Psoriasis der Gelenkbeteiligung voraus, bei 15 % der<br />
Fälle ist <strong>ein</strong> synchrones Auftreten zu beobachten und bei 10 %<br />
tritt die <strong>Arthritis</strong> vor der Psoriasis auf.<br />
Ungefähr 70 % der Patienten mit Symptomen des Achsenskeletts<br />
sind Träger des HLA-B27-Allels, 25 % der Patienten weisen dieses<br />
Allel nicht auf. Zu den typischen radiologischen Befunden gehört<br />
die Proliferation an Sehnenansätzen.<br />
Normalerweise ist k<strong>ein</strong>e Beziehung<br />
zwischen der Aktivität von Haut- und<br />
Gelenksymptomen vorhanden. Zur<br />
Beurteilung der Krankheitsaktivität<br />
können serologische Messungen von<br />
BSG und CRP herangezogen werden.<br />
Bei Fällen von leichter <strong>Arthritis</strong> psoriatica<br />
wird <strong>ein</strong>e Therapie mit NSAIDs<br />
angewandt. Fälle mit progressivem<br />
Verlauf werden mit DMARDs, z. B.<br />
Sulfasalazin oder Methotrexat und mit<br />
96<br />
Abb. 3.20: Entzündung des distalen Interphalangealgelenks<br />
bei <strong>Arthritis</strong> psoriatica<br />
Abb. 3.19: Füße <strong>ein</strong>es<br />
Mannes mit <strong>Arthritis</strong><br />
psoriatica mit Nagelveränderungen,<br />
Hauterythemen und<br />
typischer „Wurstzehe“
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Zytostatika/Immunsuppressiva,<br />
z.B. Azathioprin und Cyclosporin-<br />
A oder <strong>ein</strong>er Kombinationstherapie<br />
behandelt. Unlängst wurden auch<br />
TNF-α-Hemmer erfolgreich <strong>ein</strong>geführt<br />
(siehe Kap. 1.4 „Therapie<br />
von RA“).<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen<br />
<strong>Arthritis</strong> psoriatica und RA (ohne Berücksichtigung<br />
von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Ein Anteil von 5<strong>–</strong>8 % der Psoriasis-<br />
Patienten entwickelt <strong>ein</strong>e <strong>Arthritis</strong><br />
psoriatica. In den meisten Fällen<br />
geht die Psoriasis der <strong>Arthritis</strong> voraus.<br />
Häufig sind alle Gelenke <strong>ein</strong>es<br />
Fingers oder Fußes („Strahlbefall“,<br />
Daktylitis) sowie die Weichteile betroffen. Dieses Krankheitsmuster<br />
ist auch bei Lyme-<strong>Arthritis</strong> und<br />
reaktiver <strong>Arthritis</strong>, nicht aber bei RA<br />
zu beobachten. Einige Patienten mit<br />
<strong>Arthritis</strong> psoriatica entwickeln auch<br />
Schmerzen und Steifigkeit im unteren<br />
Rücken (ähnlich wie bei Spondylitis<br />
ankylosans), während die Beteiligung<br />
des Achsenskeletts bei der RA<br />
auf den Bereich der Halswirbelsäule<br />
beschränkt ist. In manchen Fällen<br />
entwickelt sich <strong>ein</strong>e symmetrische<br />
Abb. 3.22: Verdeckte Psoriasis<br />
in der Gesäßspalte<br />
Abb. 3.21: Oligoarthritis bei <strong>Arthritis</strong><br />
psoriatica manifestiert an <strong>ein</strong>em großen<br />
Gelenk (rechtes Knie) und kl<strong>ein</strong>en<br />
Gelenken (typischerweise <strong>ein</strong>em oder<br />
zwei Interphalangealgelenken und <strong>ein</strong>em<br />
daktylitischen Finger oder Zeh)<br />
97
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Polyarthritis, die klinisch nicht von rheumatoider <strong>Arthritis</strong> zu unterscheiden<br />
ist. Patienten mit <strong>Arthritis</strong> psoriatica sind normalerweise<br />
seronegativ in Bezug auf den RF. Die häufigste Organmanifestation<br />
neben der <strong>Arthritis</strong> ist die Uveitis (Augenentzündung).<br />
Wenn die Krankheit voll ausgeprägt ist, können Röntgenaufnahmen<br />
zur Unterscheidung von der RA herangezogen werden. Bei<br />
Auftreten <strong>ein</strong>er asymmetrischen, seronegativen Oligoarthritis (besonders<br />
in Zusammenhang mit Daktylitis oder DIP-Gelenkbeteiligung)<br />
kann häufig <strong>ein</strong>e zuvor nicht erkannte Psoriasis in <strong>ein</strong>er<br />
Körperfalte, dem behaarten Kopf oder den Nägeln festgestellt<br />
werden (Abb. 3.22).<br />
Die Diagnosen von <strong>Arthritis</strong> psoriatica und rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> schließen sich nicht gegenseitig aus. Sie können als simultane,<br />
von<strong>ein</strong>ander unabhängige Störungen koexistieren.<br />
Tabelle 3.9: Unterscheidung zwischen <strong>Arthritis</strong> psoriatica und RA<br />
<strong>Arthritis</strong> psoriatica <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Gleichzeitige Psoriasis Normalerweise k<strong>ein</strong>e Hautbeteiligung<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Betrifft möglicherweise die Fingerspitzen;<br />
Daktylitis<br />
Fingerspitzen nicht betroffen<br />
Kann mit Kreuzschmerzen <strong>ein</strong>hergehen<br />
(Iliosakralgelenk)<br />
98<br />
Enthesopathien <strong>–</strong><br />
HLA-B27 (bei Symptomen des<br />
Achsenskeletts 70 %, ohne diese<br />
Symptome 25 %)<br />
Uveitis ist die häufigste extraartikuläre<br />
Organmanifestation<br />
Beteiligung des Achsenskeletts auf<br />
Halswirbelsäule beschränkt<br />
Häufigkeit von HLA-B27 nicht erhöht<br />
(4<strong>–</strong>13 % bei gesunden Euro-Kaukasiern)<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten, grippeähnliche<br />
Symptome etc.; siehe Tab. 1.1)
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
<strong>Arthritis</strong> psoriatica <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Normalerweise seronegativ in Bezug<br />
auf RF<br />
Radiologische Unterscheidung<br />
(Proliferation an Sehnenansätzen)<br />
3.2.2.4 Entzündliche Darmerkrankung<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); niedrige Krankheitsspezifität<br />
Radiologische Unterscheidung<br />
(Gelenkspaltverschmälerung, Erosionen,<br />
Dekalzifikation)<br />
Klinische Merkmale<br />
Die entzündliche Darmerkrankung (Inflammatory Bowel Disease:<br />
IBD) betrifft meist Erwachsene im Alter zwischen 25 und 45 Jahren.<br />
Sie besteht aus zwei separaten, eigenständigen Krankheitsbildern,<br />
die <strong>ein</strong>e Darmentzündung verursachen und zu <strong>Arthritis</strong><br />
führen können:<br />
<strong>–</strong> Unter Morbus Crohn (Enteritis regionalis Crohn) versteht<br />
man <strong>ein</strong>e Entzündung aller Schichten der Dünn- oder<br />
Dickdarmwand (Prävalenz: 500<strong>–</strong>1.000/Million)<br />
<strong>–</strong> Colitis ulcerosa ist gekennzeichnet durch Ulzerationen und<br />
Entzündungen der Dickdarmschleimhaut (Prävalenz: 750/<br />
Million).<br />
Bauchschmerzen, die häufig mit blutiger Diarrhoe <strong>ein</strong>hergehen,<br />
sind das primäre Symptom der entzündlichen Darmerkrankung.<br />
Die <strong>Arthritis</strong> bildet die am häufigsten auftretende extraintestinale<br />
Manifestation der chronischen Colitis ulcerosa und ist gleichzeitig<br />
<strong>ein</strong> Merkmal des Morbus Crohn. Etwa 30 % der IBD-Patienten<br />
leiden unter <strong>Arthritis</strong>. Zu den Symptomen von IBD-<strong>Arthritis</strong><br />
gehören Schmerzen, Schwellungen und Steifigkeit der Gelenke.<br />
Die mit der entzündlichen Darmerkrankung assoziierte <strong>Arthritis</strong><br />
kann sich entweder auf das Achsenskelett oder auf die peripheren<br />
Gelenke beziehen. <strong>Arthritis</strong> des Achsenskeletts tritt in Form von<br />
Spondylitis ankylosans (1<strong>–</strong>25 % bei Colitis ulcerosa, 2<strong>–</strong>7 % bei<br />
99
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Morbus Crohn) oder in Form von Sakroileitis auf. Der Schweregrad<br />
der <strong>Arthritis</strong> steht dabei nicht unbedingt mit dem der Darmkrankheit<br />
in Zusammenhang. Eine Erkrankung der peripheren<br />
Gelenke tritt bei bis zu 20 % der Patienten mit IBD (besonders bei<br />
Morbus Crohn) auf. Bei der peripheren <strong>Arthritis</strong> können <strong>ein</strong> oder<br />
mehrere Gelenke betroffen s<strong>ein</strong>, und die Symptome wandern oft<br />
von <strong>ein</strong>em Gelenk zum anderen. Am häufigsten beteiligt sind Knie,<br />
Sprunggelenke und MTP-Gelenke. Der Schweregrad der <strong>Arthritis</strong><br />
korreliert bei diesen Fällen mit dem der Darmerkrankung. Die<br />
Entzündung der Gelenke ist normalerweise asymmetrisch. Sie hält<br />
nur über <strong>ein</strong>en kurzen Zeitraum (2<strong>–</strong>6 Wochen) an, kann danach<br />
zwar wiederkehren, verursacht aber k<strong>ein</strong>e permanente Deformität.<br />
Die Entwicklung <strong>ein</strong>er Chronizität tritt möglicherweise zusammen<br />
mit radiologisch sichtbaren, erosiven Läsionen auf. Periphere<br />
Enthesopathien sind nicht selten. Patienten mit IBD-<strong>Arthritis</strong> sind<br />
normalerweise seronegativ in Bezug auf den Rheumafaktor und<br />
entwickeln k<strong>ein</strong>e Rheumaknoten. Bei Colitis ulcerosa soll mit der<br />
operativen Entfernung des Dickdarms <strong>ein</strong>e heilende Wirkung auf<br />
die erkrankten peripheren Gelenke erzielt werden können.<br />
Eine akute Uveitis ist bei 3<strong>–</strong>11 % der Patienten festzustellen.<br />
Ebenfalls vorkommen können Eisenmangelanämie, Leukozytose,<br />
Thrombozytose sowie Erhöhung von BSG und CRP. Die Häufigkeit<br />
von HLA-B27 ist bei Patienten mit IBD vermehrt, insbesondere in<br />
Zusammenhang mit Spondylitis (60 %) und Sakroileitis (40 %).<br />
Ein Anteil von 50<strong>–</strong>80 % der Patienten mit Colitis ulcerosa<br />
ist positiv in Bezug auf p-ANCA, während 60 % der Patienten<br />
mit Morbus Crohn Antikörper gegen Saccharomyces cerevisiae<br />
(ASCA) besitzen. ASCA sind hoch krankheitsspezifisch, p-ANCA<br />
hingegen können auch bei <strong>ein</strong>er Reihe anderer Krankheitszustände<br />
nachgewiesen werden, z. B. bei bis zu 50 % der Patienten mit<br />
RA.<br />
Bei der Behandlung der IBD-<strong>Arthritis</strong> werden nicht-steroidale<br />
Antirheumatika (NSAIDs, siehe Kap. 1.4 „Therapie von RA“),<br />
wie Ibuprofen, Naproxen-Natrium oder Indometacin <strong>ein</strong>gesetzt.<br />
Alternativ werden Sulfasalazin und 5-Aminosalicylate oder<br />
Immunsuppressiva (z. B. Methotrexat) verwendet. Bei schweren<br />
Symptomen werden Kortikosteroide verschrieben. Der chimärische<br />
Antikörper Infliximab wurde von der FDA für die Behandlung<br />
100
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
von Morbus Crohn zugelassen. Daneben sind Krankengymnastik<br />
sowie Ruhe bei schweren Schüben wichtig.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen entzündlicher Darmerkrankung und<br />
RA (ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Die Symptome der mit IBD <strong>ein</strong>hergehenden peripheren <strong>Arthritis</strong><br />
sind Schmerzen, Schwellungen und Steifigkeit der Gelenke. Je<br />
schwerer die entzündliche Darmerkrankung, desto schwerer sind<br />
die Symptome der peripheren <strong>Arthritis</strong>. Die Abgrenzung gegenüber<br />
der RA wird durch die Tatsache erleichtert, dass der <strong>Arthritis</strong>entwicklung<br />
in den meisten Fällen Darmsymptome vorausgehen.<br />
Darüber hinaus helfen die unterschiedlichen Entzündungsmuster<br />
(normalerweise asymmetrisch, wandernde Beteiligung von Hüften,<br />
Knien und Sprunggelenken) und die kurze Dauer der <strong>Arthritis</strong><br />
bei IBD sowie das Vorhandens<strong>ein</strong> des Rheumafaktors und die typischen<br />
extraartikulären Manifestationen bei rheumatoider <strong>Arthritis</strong><br />
bei der Unterscheidung zwischen den beiden Erkrankungen.<br />
Tabelle 3.10 Unterscheidung zwischen IBD-<strong>Arthritis</strong> und RA<br />
Entzündliche Darmerkrankung <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Meist vorausgehende Darmsymptome K<strong>ein</strong>e Darmsymptome<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Gelenkentzündung normalerweise asym- Symmetrische Gelenkentmetrischzündung<br />
<strong>Arthritis</strong> nicht destruktiv Erosive Krankheit<br />
Symptome wandern häufig von <strong>ein</strong>em Gelenk<br />
zum anderen<br />
Permanente <strong>Arthritis</strong><br />
Gelenksymptome dauern nur 2<strong>–</strong>6 Wochen an Chronische Krankheit<br />
Häufig periphere Enthesopathie <strong>–</strong><br />
101
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Entzündliche Darmerkrankung <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
HLA-B27 erhöht (60 % bei Patienten<br />
mit Spondylitis, 40 % bei Patienten mit<br />
Sakroileitis)<br />
<strong>–</strong><br />
Colitis ulcerosa: 50<strong>–</strong>80 % p-ANCA<br />
Morbus Crohn: bis zu 60 % ASCA<br />
Hautbeteiligung (Erytheme)<br />
3.2.3 Bakterielle (infektiöse) <strong>Arthritis</strong><br />
102<br />
K<strong>ein</strong>e vermehrte Häufigkeit<br />
von HLA-B27 (4<strong>–</strong>13 % bei<br />
gesunden Euro-Kaukasiern)<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe<br />
Krankheitsspezifität<br />
p-ANCA: bis zu 50 % der<br />
RA-Patienten<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten, grippeähnliche<br />
Symptome etc.; siehe<br />
Tab. 1.1)<br />
Klinische Merkmale<br />
Die bakterielle (septische oder infektiöse) <strong>Arthritis</strong> wird durch<br />
<strong>ein</strong>e direkte Infektion des betreffenden Gelenks verursacht. Die<br />
Bakterien können entweder von <strong>ein</strong>er Infektion in anderen Körperregionen<br />
ausgehend in das Gelenk <strong>ein</strong>dringen oder unmittelbar<br />
nach <strong>ein</strong>er Operation oder Verletzung dort auftreten. Am häufigsten<br />
erfolgt die hämatogene Aussaat, wobei zugrunde liegende,<br />
immunschädigende Zustände prädisponierende Faktoren bilden.<br />
Die bakterielle <strong>Arthritis</strong> setzt normalerweise plötzlich (über<br />
Nacht) <strong>ein</strong>, ebenfalls möglich ist <strong>ein</strong> verzögerter Krankheitsbeginn.<br />
In jedem Fall schwillt das infizierte Gelenk an, entzündet<br />
sich und schmerzt (siehe Abb. 3.23, 3.24 und 3.25). Die infektiöse<br />
<strong>Arthritis</strong> wird oft von Fieber und Schüttelfrost begleitet.<br />
Anders als bei der reaktiven <strong>Arthritis</strong> ist die Infektion oft monoarthritisch<br />
ausgeprägt. Am häufigsten betroffen sind Knie, Hüfte,<br />
Handgelenk, Iliosakralgelenk oder Wirbelkörper. Die Bakterien
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
sind in der Regel sowohl in der Synovia<br />
als auch im Blut nachweisbar.<br />
Die jährliche Inzidenz bewegt sich<br />
zwischen 15 und 30/100.000 in der<br />
Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung und zwischen<br />
30 und 70/100.000 bei RA-Patienten<br />
und Patienten mit Gelenkprothesen.<br />
Akute bakterielle Gelenkinfektionen<br />
können nach ihren typischen Erregern<br />
in zwei allgem<strong>ein</strong>e Gruppen<br />
unterteilt werden: Gonokokkeninfektionen und Infektionen durch<br />
andere Erreger.<br />
Die bakterielle <strong>Arthritis</strong> aufgrund <strong>ein</strong>er disseminierten (durch<br />
Neisseria gonorrhoeae verursachten) Gonokokkeninfektion tritt<br />
meist bei jungen, gesunden Erwachsenen auf. Bei mehr als 50 %<br />
der Patienten entwickelt sich <strong>ein</strong>e Polyarthritis mit meist migratorischer<br />
oder additiver und asymmetrischer Ausprägung. Die Blutkultur<br />
fällt bei weniger als 10 %, die Kultur der Gelenkflüssigkeit<br />
bei etwa 25 % der Patienten positiv aus. Ein Anteil von 30<strong>–</strong>50 %<br />
der Patienten entwickelt Hautläsionen (kl<strong>ein</strong>e Papeln, Pusteln<br />
oder Bläschen mit erythematöser Basis) am Rumpf und an den<br />
dis talen Extremitäten.<br />
Bei den häufigervorkommenden,<br />
nicht durch<br />
Abb. 3.24 und Abb.<br />
3.25: Durch Salmonella<br />
ausgelöste,<br />
reaktive Oligoarthritis<br />
bei <strong>ein</strong>em<br />
jungen Mann<br />
Abb. 3.23: Septische <strong>Arthritis</strong> der Schulter,<br />
erkannt anhand von Distention, erhöhter<br />
Hauttemperatur und Druckempfindlichkeit<br />
103
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Go no kokken verur sachten Infektionen zäh len Staphylococcus aureus<br />
(68 % der Fälle) und Streptococci (20 % der Fälle) zu den<br />
wichtigsten infizierenden Organismen. Auch Mykobakterien oder<br />
Pilze können beteiligt s<strong>ein</strong>. In diesem Fall verläuft die infektiöse<br />
<strong>Arthritis</strong> im Gegensatz zu der akuten bakteriellen Form chronisch.<br />
Der nicht durch Gonokokken verursachte Typ der bakteriellen <strong>Arthritis</strong><br />
tritt häufig bei sehr jungen und älteren Menschen sowie bei<br />
Personen mit geschwächtem Immunsystem (Patienten mit behandelten<br />
Autoimmunkrankheiten, HIV-Patienten, Drogenkonsumenten)<br />
auf. Bei mehr als 85 % der Erkrankten entwickelt sich <strong>ein</strong>e<br />
Monoarthritis. Die Blutkultur ist bei ungefähr 50 % der Fälle, die<br />
Kultur der Gelenkflüssigkeit bei 85<strong>–</strong>95 % der Fälle positiv.<br />
Die Behandlung umfasst hohe Dosen Antibiotika, die das<br />
Problem normalerweise innerhalb von 3 bis 6 Wochen beseitigen.<br />
Mit <strong>ein</strong>er ersten Antibiotikatherapie sollte so rasch wie möglich begonnen<br />
werden, ohne die Endergebnisse der Kulturen abzuwarten.<br />
Nach Vorliegen der Ergebnisse kann die Therapie entsprechend<br />
modifiziert werden. Die Antibiotika werden anfangs meist parenteral<br />
verabreicht. Darüber hinaus werden am betroffenen Gelenk<br />
täglich (oder sogar häufiger) Saug-Spül-Drainagen durchgeführt,<br />
bis sich k<strong>ein</strong>e Flüssigkeit mehr ansammelt. Bei schwer zugänglichen<br />
Gelenken oder, wenn der Patient nicht rasch (innerhalb von<br />
5 Tagen) auf die Antibiotikabehandlung anspricht, ist möglicherweise<br />
<strong>ein</strong> operativer Eingriff erforderlich.<br />
Konventionelle Unterscheidung von bakterieller <strong>Arthritis</strong> und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Für die Diagnose <strong>ein</strong>er bakteriellen <strong>Arthritis</strong> und zur Unterscheidung<br />
von der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> ist die Analyse der Synovialflüssigkeit<br />
von äußerster Wichtigkeit. Die Gelenkaspiration<br />
und nachfolgende Gram-Färbung, Kultur, Leukozytenzählung<br />
sowie Kristalluntersuchung der Gelenkflüssigkeit unter dem Polarisationsmikroskop<br />
sind unerlässlich. Die Präsenz infizierender<br />
Organismen bei der septischen <strong>Arthritis</strong> unterscheidet die beiden<br />
Krankheiten von<strong>ein</strong>ander, während bei Gicht und Pseudogicht<br />
doppelbrechende Kristalle (negativ doppelbrechend: Gicht, positiv<br />
doppelbrechend: Pseudogicht) <strong>ein</strong> charakteristisches Merkmal<br />
bilden.<br />
104
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Anhand <strong>ein</strong>er Röntgenaufnahme können destruktive Veränderungen<br />
in Form von Gelenkspaltverschmälerungen und Erosionen<br />
nach 10<strong>–</strong>14 Tagen der Infektion sichtbar gemacht werden.<br />
Hier ist anzumerken, dass die septische <strong>Arthritis</strong> auch bei<br />
RA-Patienten auftreten kann. Bei diesen chronisch kranken<br />
Patienten mit reduzierter Gelenkfunktion, die unter Behandlung<br />
mit Immunsuppressiva stehen, können lokale Injektionen von<br />
Steroiden das Risiko zusätzlich erhöhen. In diesem Fall ist die<br />
bakterielle <strong>Arthritis</strong> nur schwer zu diagnostizieren, da sie <strong>ein</strong>em<br />
Schub der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> ähneln kann.<br />
Tabelle 3.11: Unterscheidung zwischen bakterieller <strong>Arthritis</strong> und RA<br />
Bakterielle <strong>Arthritis</strong> <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Häufig Monoarthritis (bei nicht durch<br />
Gonokokken verursachten Infektionen)<br />
Polyarthritis<br />
Meist Isolierung von Bakterien aus der<br />
Synovia möglich<br />
Polyarthritis meist migratorisch oder<br />
additiv und asymmetrisch<br />
K<strong>ein</strong>e Bakterien in der Synovia<br />
Permanente, symmetrische <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Fieber<br />
Schüttelfrost<br />
3.2.4 Virale <strong>Arthritis</strong><br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten, Rheumafaktor,<br />
grippeähnliche Symptome etc., siehe<br />
Tab. 1.1)<br />
Klinische Merkmale<br />
Zahlreiche Virusinfektionen sind mit Polyarthritis assoziiert. In<br />
Westeuropa und Nordamerika sind (entsprechend der zugrunde<br />
liegenden Infektion) fünf Formen der viralen <strong>Arthritis</strong> von Be-<br />
105
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
deutung: HIV, Parvovirus B19, Röteln, Hepatitis B und Hepatitis<br />
C. In Afrika, im westpazifischen Raum und in Südamerika lösen<br />
<strong>ein</strong>e Reihe von Moskitoviren Polyarthritisepidemien aus. Zu den<br />
Begleitsymptomen von viraler <strong>Arthritis</strong> gehören im Allgem<strong>ein</strong>en<br />
Fieber, Hautausschläge, Atemwegs- oder Magen-Darm-Symptome,<br />
Erhöhung der Leberenzymwerte und regionale Lymphadenopathie<br />
(Lymphknoten abnormal in Größe, Konsistenz oder Anzahl).<br />
Ein charakteristisches Merkmal ist die nur kurz (Tage bis<br />
Wochen) anhaltende Gelenkbeteiligung.<br />
Ein Anteil von 5<strong>–</strong>10 % der mit Parvovirus B19 infizierten Kinder<br />
und etwa 78 % der infizierten Erwachsenen entwickeln deutliche<br />
Gelenksymptome. Die <strong>Arthritis</strong> ist normalerweise symmetrisch<br />
ausgeprägt. Sie setzt 1<strong>–</strong>3 Wochen nach der Erstinfektion (über den<br />
Respirationstrakt) <strong>ein</strong>. Bei den meisten Patienten ist innerhalb von<br />
2 Wochen <strong>ein</strong>e Besserung zu beobachten. Die <strong>Arthritis</strong> limitiert<br />
sich bei 90 % der Erkrankten selbst, bei 10 % verläuft sie chronisch<br />
und dauert bis zu 10 Jahre.<br />
Hepatitis B in der präikterischen Phase und Hepatitis C können<br />
als RA-ähnliche Krankheiten in Ersch<strong>ein</strong>ung treten (typisch symmetrische<br />
Polyarthritis, oft Beteiligung von Händen und Knien,<br />
Morgensteifigkeit), und der Nachweis von RF bei Patienten mit<br />
Hepatitis-C-assoziierter <strong>Arthritis</strong> oder Kryoglobulinämie erschwert<br />
die Differenzierung zusätzlich (siehe Kap. 2.2 „Was ist<br />
<strong>ein</strong> Rheumafaktor?“). Leberfunktionsproben ermöglichen hier<br />
<strong>ein</strong>e Unterscheidung. Die <strong>Arthritis</strong> geht der viralen Hepatitis oft<br />
voraus. Mit Eintreten des Ikterus löst sich die <strong>Arthritis</strong> in der<br />
Regel auf, ohne Spuren zu hinterlassen.<br />
Die HIV-Infektion kann von akuten Arthralgien begleitet<br />
werden, die gleichzeitig mit der anfänglichen Virämie auftreten<br />
und wenige Tage andauern. Im Falle von AIDS kann sich <strong>ein</strong>e<br />
Oligoarthritis der unteren Extremitäten oder <strong>ein</strong>e permanente<br />
Polyarthritis entwickeln. Zusätzlich kann <strong>ein</strong>e reaktive <strong>Arthritis</strong><br />
oder <strong>Arthritis</strong> psoriatica vorliegen.<br />
Die Behandlung besteht vorwiegend aus der Verabreichung<br />
von NSAIDs (nicht-steroidalen Antirheumatika, siehe Kap.<br />
1.4 „Therapie von RA“), wie Aspirin oder Ibuprofen, um die<br />
Symptome des Bewegungsapparats zu kontrollieren.<br />
106
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen viraler <strong>Arthritis</strong> und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Eine Möglichkeit der Diagnose von viraler <strong>Arthritis</strong> ist die Bestimmung<br />
von virusspezifischen Antikörpern, z. B. Anti-Parvovirus-B19-IgM-Antikörpern,<br />
deren Werte über <strong>ein</strong>en Zeitraum von<br />
zwei Monaten nach der akuten Infektion erhöht sind.<br />
Bei <strong>ein</strong>em anderen Diagnoseansatz macht man sich die<br />
Erkenntnis zunutze, dass die virale <strong>Arthritis</strong> sich selbst limitiert,<br />
und beobachtet den <strong>Arthritis</strong>verlauf in dem Zeitraum, bevor die<br />
Diagnose <strong>ein</strong>er rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> gestellt werden kann (laut<br />
ACR-Kriterien ist <strong>ein</strong>e Symptomdauer von mindestens 6 Wochen<br />
erforderlich).<br />
Schließlich kann die virale <strong>Arthritis</strong> anhand der Präsenz spezifischer,<br />
extraartikulärer Manifestationen von RA ebenfalls unterschieden<br />
werden (Beispiel siehe Abb. 3.26).<br />
Der Rheumafaktor kann nicht zur Differenzierung dienen, da er<br />
bei etwa 25 % der Fälle von Hepatitis B/C und gemischter Kryoglobulinämie<br />
und manchmal auch bei Parvovirus nachweisbar ist.<br />
Tabelle 3.12: Unterscheidung zwischen viraler <strong>Arthritis</strong> und RA<br />
Virale <strong>Arthritis</strong> <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Serologischer Nachweis<br />
(Anti-Virus-Antikörper, z. B. Anti-Par-<br />
<strong>–</strong><br />
vovirus-B19-IgM oder AK gegen virale<br />
Oberflächenantigene, z. B. Hepatitis B)<br />
Kurze Dauer (Tage bis Wochen) der<br />
Gelenkbeteiligung<br />
Abb. 3.26: Klassisches Wangenbild<br />
(„Ohrfeige“) <strong>ein</strong>es Kindes mit<br />
viraler <strong>Arthritis</strong>, verursacht durch<br />
Parvovirus<br />
Normalerweise progressive chronische<br />
Krankheit<br />
107
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Andere extraartikuläre Manifestationen<br />
(Hautausschläge, Symptome des<br />
Respirations- und Gastrointestinaltrakts,<br />
Lymphadenopathie)<br />
RF (25 % bei infektiöser Hepatitis,<br />
Kryoglobulinämie)<br />
3.2.5 Osteoarthritis<br />
108<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumafaktor, Rheumaknoten,<br />
grippeähnliche Symptome etc., siehe<br />
Tab. 1.1)<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
Klinische Merkmale<br />
Radiologische Studien haben gezeigt, dass Osteoarthritis (degenerative<br />
<strong>Arthritis</strong>) durch das Brechen von Knorpeln gekennzeichnet<br />
ist, was zu Schmerzen bei der Bewegung, Bewegungs<strong>ein</strong>schränkungen<br />
sowie Steifigkeit führt. Dieser Prozess geht normalerweise<br />
nicht mit <strong>ein</strong>er Entzündung <strong>ein</strong>her. Bei Osteoarthritis handelt es<br />
sich um die am häufigsten vorkommende Gelenkerkrankung der<br />
Welt. Die Prävalenz steigt dabei mit zunehmendem Alter. Osteoarthritis<br />
tritt bei der Mehrheit der Bevölkerung bis zum 65. Lebensjahr<br />
und bei etwa 80 % der Menschen über 75 Jahren auf<br />
und wird gehäuft in den Knien von Übergewichtigen festgestellt.<br />
Viele Gelenke mit pathologischen oder radiologischen Osteoarthritis-Befunden<br />
bleiben jedoch symptomfrei. Die Bezeichnung<br />
Osteoarthritis umfasst <strong>ein</strong> breites und heterogenes Spektrum von<br />
idiopathischen Gelenkerkrankungen. Die Krankheit kann entsprechend<br />
ihrer Verteilung (z. B. Hüfte oder Knie), prädisponierender<br />
Faktoren (z. B. lokales Trauma, genetische Disposition) oder<br />
entsprechend des Krankheitsausgangs in Untergruppen <strong>ein</strong>geteilt<br />
werden.<br />
Osteoarthritis kann alle Gelenke, <strong>ein</strong>schließlich der Gelenke<br />
der gesamten Wirbelsäule betreffen. Zu den am häufigsten<br />
beteiligten Gelenken gehören Hüften, Knie und Finger,<br />
aber auch Lenden- und Halswirbelsäule. Nutzungsbedingte<br />
Gelenkschmerzen, Steifigkeit aufgrund von Inaktivität und redu-
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
zierte Gelenkfunktion sind die wichtigsten Symptome. Weitere<br />
Anzeichen sind Druckempfindlichkeit um das betroffene Gelenk,<br />
feste Schwellungen des Gelenkrands, Gelenk-Crepitatio (Knarren<br />
oder Sperren) und Instabilität. Die Gelenkbeteiligung ist in der<br />
Regel asymmetrisch. Die Schmerzen sind typischerweise morgens<br />
am ausgeprägtesten, lassen bei normaler Bewegung nach und<br />
werden im späteren Tagesverlauf wieder stärker. Bei Anspannung<br />
nehmen die Schmerzen ebenfalls zu. Anders als bei der RA dauert<br />
die Morgensteifigkeit im Allgem<strong>ein</strong>en weniger als 30 Minuten.<br />
Im Endstadium können die betroffenen Gelenke bei Osteoarthritis<br />
und RA gleich aussehen.<br />
Bei der Osteoarthritis werden 5 verschiedene Grade radiologischer<br />
Veränderungen unterschieden. Die Röntgenaufnahme<br />
lässt typische Merkmale erkennen, wie Gelenkspaltverschmälerung,<br />
Osteophytose, subchondrale Läsionen etc. (siehe Abb. 3.27)<br />
Weitere Informationen können Magnetresonanz-Tomographie und<br />
Szintigraphie liefern.<br />
Die Behandlung umfasst Dehnungsübungen, chiropraktische<br />
Handgriffe, Wassertherapie und die Anwendung von schmerzlindernden<br />
Medikamenten, wie Paracetamol (nicht verschreibungspflichtige<br />
Medikation) oder NSAIDs (siehe Kap. 1.4 „Therapie<br />
von RA“). In <strong>ein</strong>igen Fällen können intraartikuläre Injektionen<br />
von Kortikosteroiden angezeigt s<strong>ein</strong>. Auch operative Eingriffe<br />
sind manchmal erforderlich.<br />
Abb. 3.27: Hypertrophe<br />
Osteoarthritis mit Osteophytbildung<br />
109
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Osteoarthritis und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Bei der Osteoarthritis wird der degenerative Prozess des Knorpels<br />
im Unterschied zur RA im Allgem<strong>ein</strong>en nicht von <strong>ein</strong>er Entzündung<br />
begleitet. In <strong>ein</strong>igen Fällen kann sich im betroffenen Gelenk<br />
jedoch <strong>ein</strong>e Entzündung entwickeln („aktivierte <strong>Arthritis</strong>“), die<br />
<strong>ein</strong>e Unterscheidung von der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> erschwert.<br />
Die Gelenkbeteiligung ist bei der Osteoarthritis im Normalfall<br />
asymmetrisch ausgeprägt und verschlimmert sich, wenn das<br />
Gelenk unter Spannung steht. Zu den typischen Regionen der<br />
Osteoarthritis-Beteiligung gehören die Endgelenke der Finger,<br />
<strong>ein</strong> Knie oder <strong>ein</strong>e Hüfte, der Hals und der untere Rücken.<br />
Die Verteilung der Osteoarthritis in den Gelenken unterscheidet<br />
sich folglich von der Verteilung bei RA und kann daher zur<br />
Abb. 3.28a<br />
Abb. 3.28b<br />
Abb. 3.28a/b Verteilungsmuster von <strong>Arthritis</strong> in der Hand (Abb. 3.28a) und im<br />
Handgelenk (Abb. 3.28b) für Osteoarthritis (OA), rheumatoide <strong>Arthritis</strong> (RA) und<br />
Pseudogicht oder CPPD-Ablagerungskrankheit<br />
110
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Differenzierung der Krankheit von rheumatoider <strong>Arthritis</strong> herangezogen<br />
werden. Schwere symmetrische entzündliche <strong>Arthritis</strong> der<br />
Ellenbogen und Schultern verweist fast immer auf RA. Auch in der<br />
Hand und im Handgelenk sind unterschiedliche Verteilungsmuster<br />
der betroffenen Gelenke zu beobachten (siehe Abb. 3.28). Die<br />
Radiologie kann ebenfalls <strong>ein</strong>e Hilfe bei der Abgrenzung der beiden<br />
Krankheiten von<strong>ein</strong>ander darstellen.<br />
Da die Osteoarthritis sehr häufig vorkommt, kann sie bei manchen<br />
Patienten gleichzeitig mit rheumatoider <strong>Arthritis</strong> bestehen.<br />
Tatsächlich wird bei den RA-Patienten, die sich Gelenkersatzoperationen<br />
unterziehen müssen, als endgültige Ursache der Gelenkzerstörung<br />
normalerweise Osteoarthritis festgestellt, die sekundär<br />
zur anfangs RA-bedingten Schädigung aufgetreten ist.<br />
Tabelle 3.13: Unterscheidung zwischen Osteoarthritis und RA<br />
Osteoarthritis <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Normalerweise asymmetrische<br />
Verteilung der <strong>Arthritis</strong><br />
Normalerweise symmetrische <strong>Arthritis</strong><br />
K<strong>ein</strong>e Entzündung Entzündungsprozess in der Synovialis<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien für RA<br />
Andere Verteilung der betroffenen<br />
Gelenke (Fingerendgelenke, Knie,<br />
Hüfte, unterer Rücken)<br />
Andere <strong>Arthritis</strong>muster in den<br />
Gelenken, z. B. den Händen und im<br />
Handgelenk, verglichen mit RA (siehe<br />
Abb. 3.28)<br />
Andere Gelenkbeteiligung<br />
(proximale Gelenke der Finger und<br />
Zehen, Sprunggelenke, Handgelenke,<br />
Schultern)<br />
Andere <strong>Arthritis</strong>muster in den<br />
Gelenken, z. B. den Händen und im<br />
Handgelenk, verglichen mit Osteoarthritis<br />
(siehe Abb. 3.28)<br />
111
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Osteoarthritis <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Morgensteifigkeit normalerweise<br />
weniger als 30 Minuten; Schmerzen<br />
nehmen im Verlauf des Tages und bei<br />
Aktivität zu<br />
Normalerweise seronegativ in Bezug<br />
auf RF<br />
<strong>–</strong><br />
Anderes Röntgenbild in frühen<br />
Krankheitsstadien<br />
3.2.6 Gicht (<strong>Arthritis</strong> urica)<br />
112<br />
Morgensteifigkeit über mindestens<br />
<strong>ein</strong>e Stunde<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(grippeähnliche Symptome, Rheumaknoten<br />
etc., siehe Tab. 1.1)<br />
Anderes Röntgenbild in frühen<br />
Krankheitsstadien<br />
Klinische Merkmale<br />
Die Gicht war bereits im Altertum bekannt. Die Beschreibungen<br />
dieser Krankheit gehen auf die Zeit Babyloniens zurück. Heutzutage<br />
liegt die Prävalenz bei der erwachsenen Bevölkerung bei ungefähr<br />
1 %. Männer sind häufiger betroffen als Frauen (5:1), und<br />
der Altersgipfel der Inzidenz liegt bei Männern bei 40<strong>–</strong>50 Jahren<br />
und bei Frauen bei über 60 Jahren. Die Gicht wird durch <strong>ein</strong>e Entzündungsreaktion<br />
auf Mononatrium-Uratmonohydrat-Kristalle<br />
ausgelöst, die sich bei Menschen mit Hyperurikämie (Uratkonzentration<br />
im Serum oder Plasma > 7,0 mg/dl) bilden. Die Hyperurikämie<br />
ist <strong>ein</strong>e Voraussetzung für die Entwicklung von Gicht,<br />
genügt jedoch für deren Auslösung all<strong>ein</strong> nicht aus.<br />
Die Gicht setzt normalerweise plötzlich (über Nacht) <strong>ein</strong> und<br />
äußert sich mit Röte, Überwärmung und extremen Schmerzen<br />
des betroffenen Gelenks. Zu den hauptsächlich beteiligten<br />
Gelenken gehören das erste Metatarsophalangeal gelenk (Großzehengrundgelenk)<br />
(90 %), das Fußwurzelgelenk, Knie, Hände<br />
und Ellenbogen. Die unteren Gliedmaßen sind häufiger beteiligt
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
als die oberen Gliedmaßen. In den meisten Fällen klingt <strong>ein</strong> Anfall<br />
innerhalb von 1<strong>–</strong>7 Tagen ab. Im Allgem<strong>ein</strong>en tritt <strong>ein</strong>e vollständige<br />
Remission mit symptomfreien Intervallen auf, denen oft<br />
polyartikuläre Anfälle folgen, die nur schwer von rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong> zu unterscheiden sind. Zu den Merkmalen der gichtbedingten<br />
<strong>Arthritis</strong>, die den RA-Merkmalen ähneln können, gehören<br />
Polyarthritis, symmetrische Beteiligung, Gelenkschwellungen,<br />
subkutane Knoten und die subakute Präsentation von Anfällen.<br />
Bei den ersten Anfällen bleiben die radiologisch nachweisbaren<br />
Veränderungen normalerweise auf die Weichteile beschränkt. In<br />
fortgeschritteneren Erkrankungsstadien können Erosionen sichtbar<br />
werden, anders als bei der RA tritt jedoch k<strong>ein</strong>e gelenknahe<br />
Osteoporose oder Gelenkspaltverschmälerung <strong>ein</strong>. Im späten<br />
Krankheitsprozess sind die radiologischen Befunde denen von<br />
RA sehr ähnlich.<br />
Ferner kann sich im Spätstadium der Krankheit <strong>ein</strong>e chronische,<br />
progressive, erosive und destruktive <strong>Arthritis</strong> mit Tophi (intradermale<br />
Uratkristallablagerungen, siehe Abb. 3.29) und schweren<br />
Deformationen entwickeln. In diesem Fall klingen die Symptome<br />
zwischen Exazerbationen nur unvollständig ab. Der Rheumafaktor<br />
wurde bei beachtlichen 30 % der Patienten mit chronisch-tophöser<br />
Gicht festgestellt.<br />
Neben der direkten Ursache, der Hyperurikämie, wurden auch<br />
indirekte Risikofaktoren für Gicht identifiziert: Fettleibigkeit<br />
(Obesitas), Diabetes, Hyperlipidämie, Hypertonie, Atherosklerose,<br />
Alkoholgenuss und Niereninsuffizienz.<br />
Die Koexistenz von Gicht und RA kommt viel seltener als<br />
bislang angenommen vor. Seit 1881 wurden in den USA nur<br />
Abb. 3.29: Gichttophus am<br />
ersten Metatarsophalangeal-<br />
Gelenk. Patienten leiden<br />
normalerweise mindestens<br />
10 Jahre an Gicht, bis sich<br />
Tophi ausbilden<br />
113
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
10 Fälle beschrieben, obwohl unter Berücksichtigung der dortigen<br />
Prävalenz der Krankheiten 10.617 Patienten mit RA und Gicht zu<br />
erwarten gewesen wären.<br />
Zur Behandlung von akuten Anfällen werden nicht-steroi dale<br />
Antirheumatika (NSAIDs, siehe Kap. 1.4 „Therapie von RA“)<br />
(z. B. Indometacin, Diclofenac oder Naproxen), Colchicin oder<br />
Kortikosteroide <strong>ein</strong>gesetzt. Als vorbeugende Maßnahmen werden<br />
niedrig dosiertes Colchicin oder NSAIDs angewandt, Risikofaktoren<br />
für Hyperurikämie (z. B. regelmäßiger Alkoholgenuss, purinreiche<br />
Nahrung, Fettleibigkeit) möglichst ausgeschaltet und bei<br />
Bedarf Urikosurica (zur Steigerung der Uratausscheidung) oder<br />
Urikostatika (zur Minderung der Uratsynthese) verabreicht.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Gicht und RA (ohne Berücksichtigung<br />
von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Der klassische Gichtanfall ist klinisch vergleichsweise leicht zu<br />
erkennen. Im Gegensatz zur RA äußert sich Gicht typischerweise<br />
mit plötzlichem Einsetzen und <strong>ein</strong>er akuten Entzündung <strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>zelnen<br />
Gelenks, in den meisten Fällen der großen Zehe. Probleme<br />
bei der Differenzierung können jedoch andere Krankheitsbilder,<br />
wie beispielsweise polyartikuläre Gicht bereiten.<br />
Die Untersuchung der Synovialflüssigkeit ist <strong>ein</strong> hilfreiches<br />
Mittel bei der Unterscheidung zwischen Gicht und rheumatoider<br />
<strong>Arthritis</strong>: Bei Gicht werden zusätzlich zu <strong>ein</strong>em Entzündungsherd<br />
negativ doppelbrechende (anisotrope) Uratkristalle festgestellt,<br />
die von polymorphkernigen Leukozyten phagozytiert werden.<br />
Bei rheumatoider <strong>Arthritis</strong> sind nur die Entzündungszeichen<br />
(Leukozytenzahl: 2.000<strong>–</strong>75.000/µl Synovialflüssigkeit) vorhanden.<br />
Die Uratkonzentration im Serum ist bei Gichtpatienten erhöht.<br />
Dies ist allerdings k<strong>ein</strong> spezifisches Kriterium, da viele Menschen<br />
mit Hyperurikämie k<strong>ein</strong>e Gicht entwickeln.<br />
Eine weitere Möglichkeit zur Abgrenzung von Gicht gegenüber<br />
der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> ist die Tatsache, dass die<br />
Gelenksymptome bei Gicht normalerweise intermittierend auftreten,<br />
während sie bei rheumatoider <strong>Arthritis</strong> in den meisten Fällen<br />
kontinuierlich präsent sind.<br />
114
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Tabelle 3.14: Unterscheidung zwischen Gicht und RA<br />
Gicht <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
In den meisten Fällen Entzündung<br />
<strong>ein</strong>es <strong>ein</strong>zelnen Gelenks<br />
Negativ doppelbrechende Kristalle in<br />
der Synovialflüssigkeit<br />
ACR-Kriterien für RA<br />
Intermittierende Symptome Normalerweise progressiver Verlauf<br />
Normalerweise plötzliches Einsetzen<br />
Uratkonzentration im Serum erhöht<br />
(nicht spezifisch)<br />
RF bei bis zu 30 % der Fälle von<br />
chronisch-tophöser Gicht<br />
In frühen Erkrankungsstadien andere<br />
radiologische Befunde als bei RA<br />
3.2.7 CPPD-Ablagerungskrankheit<br />
(CPPD: Calciumpyrophosphat-Dihydrat)<br />
<strong>–</strong><br />
In den meisten Fällen insidiöses<br />
Auftreten<br />
K<strong>ein</strong> Hyperurikämie-Bezug<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
In frühen Erkrankungsstadien andere<br />
radiologische Befunde (gelenknahe<br />
Osteoporose, Gelenkspaltverschmälerung)<br />
als bei Gicht<br />
Klinische Merkmale<br />
Bei der CPPD-Ablagerungskrankheit (CPPD: Calciumpyrophosphat-Dihydrat)<br />
handelt es sich um <strong>ein</strong>e kristall-induzierte Krankheit,<br />
die in klinischer Hinsicht der Gicht ähnelt. Epidemiologische<br />
Daten sind spärlich, es wird jedoch davon ausgegangen, dass überwiegend<br />
Frauen betroffen sind. Die Prävalenz steigt mit dem Alter<br />
drastisch an (10<strong>–</strong>15 % im Alter von 65<strong>–</strong>75 Jahren; 30<strong>–</strong>60 % im<br />
Alter > 85 Jahren).<br />
Von der CPPD-Ablagerungskrankheit sind viele verschiedene<br />
115
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Formen bekannt, vom Syndrom der indolenten <strong>Arthritis</strong> bis zu<br />
dem des akut überwärmten Gelenks. Etwa 5 % der Patienten entwickeln<br />
<strong>ein</strong>e chronische <strong>Arthritis</strong>. Es werden zwei Haupttypen der<br />
CPPD-Ablagerungskrankheit beschrieben: Pseudogicht (akute<br />
Synovitis) und chronische Pyrophosphat-Arthropathie.<br />
Die akute Pseudogicht äußert sich in den meisten Fällen<br />
monoartikulär. Zu den am häufigsten beteiligten Gelenken gehören<br />
Knie, Handgelenk, Ellenbogen, Schulter, Hüfte und<br />
Sprunggelenk. Synovitis tritt normalerweise akut auf und limitiert<br />
sich selbst. Die klassische Manifestation der Pseudogicht ist die<br />
häufigste Ursache akuter Monoarthritis bei älteren Menschen.<br />
Dabei sind akute Attacken möglicherweise das <strong>ein</strong>zige Symptom.<br />
Die typische Attacke entwickelt sich rasch, meist innerhalb von<br />
6<strong>–</strong>24 Stunden, und geht mit starken Schmerzen, Steifigkeit und<br />
Schwellungen <strong>ein</strong>her. Ein Trauma, Operationen oder Ischämie<br />
können <strong>ein</strong>e Attacke provozieren. Die symptomfreien Intervalle<br />
zwischen den Schmerzattacken dauern in der Regel länger als bei<br />
Gicht. Im Rahmen der Pseudogicht können Kalzifikationen in den<br />
Menisken und in Sehnen oder Kapseln der Schulter oder entlang<br />
der Wirbelsäule auftreten.<br />
Die chronische Pyrophosphat-Arthropathie äußert sich in chronischen<br />
Schmerzen, Steifigkeit am Morgen und bei Inaktivität<br />
sowie funktionellen Einschränkungen. Die Symptome beschränken<br />
sich häufig auf nur wenige Gelenke (meist Knie, aber auch<br />
Handgelenke, Schultern, Ellenbogen, Hüften). Die betroffenen<br />
Gelenke weisen üblicherweise Zeichen von Osteoarthritis auf. Eine<br />
Differenzierung kann anhand des Gelenkbeteiligungsmusters (siehe<br />
Abb. 3.28), der oft stark ausgeprägten Entzündungskomponente<br />
und des Auftretens akuter Attacken gelingen.<br />
Die Behandlung umfasst die Gabe nicht-steroidaler Anti rheuma<br />
tika (NSAIDs, siehe Kap. 1.4 „Therapie von RA“) und bei<br />
der monoarthritischen Form auch intraartikuläre Injektionen von<br />
Glukokortikoiden.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen CPPD-Ablagerungskrankheit und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Die Pseudogicht ähnelt der Gicht (siehe Kap. 3.2.6 „Gicht“) und<br />
unterscheidet sich in den meisten Fällen von der RA. Die Gelenk-<br />
116
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Abb. 3.30 (rechts): Chrondrokalzinose,<br />
lineare Kalzifikation<br />
Abb. 3.31: Chondrokalzinose im<br />
Handgelenk <strong>ein</strong>er Frau mit Pseudogicht<br />
symptome treten meist intermittierend<br />
auf, während sie bei der<br />
RA häufig permanent existieren.<br />
Röntgenaufnahmen sind bei Vorliegen<br />
<strong>ein</strong>er Chondrokalzinose<br />
(Kalzifikation von Knorpeln)<br />
zwar sehr hilfreich (siehe Abb. 3.30 und 3.31), CPPD-Ablagerungen<br />
können jedoch auch vorhanden s<strong>ein</strong>, wenn auf dem Röntgenbild<br />
k<strong>ein</strong>e Kalzifikation erkennbar ist.<br />
Bei älteren Patienten mit chronischer Pyrophosphat-Arthropathie<br />
können die Symptome den RA-Symptomen ähneln. Als Hauptunterscheidungsmerkmale<br />
dienen die selten vorkommende MTP-<br />
Gelenkbeteiligung, <strong>ein</strong> selten systemischer Krankheitsbeginn,<br />
das Fehlen extraartikulärer Merkmale, das Fehlen <strong>ein</strong>er starken<br />
Seropositivität in Bezug auf den Rheumafaktor sowie charakteristische<br />
radiologische Befunde.<br />
Eine definitive Bestätigung für das Vorliegen <strong>ein</strong>er CPPD-<br />
Ablagerungskrankheit kann darüber hinaus <strong>ein</strong>e Gelenkaspiration<br />
mit Demonstration von positiv doppelbrechenden (anisotropen)<br />
Calciumpyrophosphat-Kristallen in Neutrophilen der<br />
Synovial flüssigkeit des entzündeten Gelenks bringen. Die<br />
Harnsäurekristalle der<br />
echten Gicht sind negativ<br />
doppelbrechend. Die<br />
Gelenkaspiration weist<br />
Abb. 3.32: Akute Synovitis<br />
(„Pseudogicht“) in den<br />
Handgelenken<br />
117
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
<strong>ein</strong>e höhere diagnos tische Sensitivität als radiologische Befunde<br />
auf.<br />
Typisch sind schließlich auch die Verteilungsmuster der <strong>Arthritis</strong><br />
in Hand und Handgelenk (siehe Abb. 3.28 und Abb. 3.32).<br />
Tabelle 3.15: Unterscheidung zwischen CPPD-Ablagerungskrankheit und RA<br />
Chronische Pyrophosphat-<br />
Arthropathie<br />
Positiv doppelbrechende Kristalle in der<br />
Synovialflüssigkeit<br />
118<br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Selten MTP-Gelenkbeteiligung MTP-Gelenke sind betroffen<br />
Andere Verteilungsmuster der betroffenen<br />
Gelenke in Hand und Handgelenk<br />
(siehe Abb. 3.28)<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien<br />
<strong>–</strong><br />
<strong>–</strong><br />
3.2.8 Fibromyalgie<br />
<strong>–</strong><br />
<strong>–</strong><br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten, grippeähnliche<br />
Symptome etc., siehe Tab. 1.1)<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %); geringe Krankheitsspezifität<br />
Klinische Merkmale<br />
Die Fibromyalgie ist gekennzeichnet durch Müdigkeit, Steifigkeit<br />
und weit verbreitete Schmerzen in Muskeln und Weichteilen.<br />
Dieser Symptomkomplex betrifft ungefähr 2 % der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung<br />
und tritt bei Frauen siebenmal häufiger (meist im Alter<br />
zwischen 30 und 50 Jahren) auf als bei Männern. Zu den Risikofaktoren<br />
gehören <strong>ein</strong>e Krankengeschichte des Patienten oder s<strong>ein</strong>er<br />
Familienmitglieder hinsichtlich Depression, vorangegangene phy-
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
sische oder emotionale Traumata, rheumatische Erkrankungen und<br />
HIV-Infektion. Normale Laborwerte sind bei der Fibromyalgie die<br />
Regel und unterscheiden die Krankheit von der Polymyalgia rheumatica.<br />
Es sind k<strong>ein</strong>e Entzündungszeichen, Gelenkveränderungen<br />
oder Bewegungs<strong>ein</strong>schränkungen festzustellen. Gelegentlich kann<br />
Morgensteifigkeit auftreten, was die Differenzierung von der rheumatoiden<br />
<strong>Arthritis</strong> erschweren kann. Eine Synovitis ist bei der Fibromyalgie<br />
nur in seltenen Fällen nachweisbar.<br />
Für <strong>ein</strong>e Diagnose ist das Vorhandens<strong>ein</strong> von so genannten<br />
Druckpunkten (definierte, nichtartikuläre Schmerzpunkte) an bis<br />
zu 18 spezifischen Körperregionen von Bedeutung. Die Diagnose<br />
basiert auf dem positiven Befund von mehreren (mindestens 11<br />
von 18) Druckpunkten sowie den Berichten des Patienten über<br />
chronische, generalisierte, diffuse Schmerzen über mindestens<br />
3 Monate sowie Müdigkeit und/oder Schlafstörungen.<br />
Die Behandlung umfasst regelmäßige, leichte Krankengymnastik,<br />
<strong>ein</strong> schlafförderndes Antidepressivum in niedriger<br />
Dosierung und Analgetika, wie beispielsweise Acetaminophen,<br />
zur Schmerzbewältigung.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Fibromyalgie und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Im frühen Verlauf der Krankheit können rheumatoide <strong>Arthritis</strong><br />
und Osteoarthritis der Fibromyalgie ähneln.<br />
Charakteristisch für die Fibromyalgie sind das Vorhandens<strong>ein</strong> definierter<br />
Druckpunkte und diffuse, generalisierte Muskelschmerzen.<br />
Typische Symptome der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong>, die bei ihrer<br />
Differenzierung von Fibromyalgie helfen, sind Morgensteifigkeit,<br />
die sich bei Bewegung bessert, Gelenküberwärmung und -schwellungen.<br />
Fibromyalgie und rheumatoide <strong>Arthritis</strong> können auch gleichzeitig<br />
auftreten. Im Rahmen <strong>ein</strong>er Studie wurde bei 13 % der Patienten<br />
mit rheumatoider <strong>Arthritis</strong> und bei 10 % der Osteoarthritis-<br />
Patienten <strong>ein</strong>e gleichzeitige Fibromyalgie festgestellt.<br />
119
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Tabelle 3.16: Unterscheidung zwischen Fibromyalgie und RA<br />
Fibromyalgie <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Druckpunkte in Verbindung mit generalisierten<br />
Schmerzen<br />
Gelegentlich Morgensteifigkeit<br />
Normale Laborwerte<br />
K<strong>ein</strong>e Entzündungszeichen<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien<br />
<strong>–</strong><br />
3.2.9 Polymyalgia rheumatica<br />
120<br />
<strong>–</strong><br />
Morgensteifigkeit (über mindestens<br />
<strong>ein</strong>e Stunde), Gelenküberwärmung,<br />
Schwellungen<br />
RF (75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität;<br />
erhöhte BSG- und/oder<br />
CRP-Werte<br />
Entzündete Synovialis;<br />
2.000<strong>–</strong>75.000 Leukozyten/mm 3<br />
Synovialflüssigkeit<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(grippeähnliche Symptome, Rheumaknoten<br />
etc., siehe Tab. 1.1)<br />
Klinische Merkmale<br />
Bei der Polymyalgia rheumatica handelt es sich um <strong>ein</strong>e systemische<br />
Entzündungskrankheit, die primär bei Patienten im Alter von<br />
über 50 Jahren auftritt. Frauen sind doppelt so häufig betroffen<br />
wie Männer. Die Krankheit ist in den nordeuropäischen Ländern<br />
häufiger verbreitet. In den USA entwickeln Schätzungen zufolge<br />
500/100.000 Menschen der Allgem<strong>ein</strong>bevölkerung im Alter von<br />
über 50 Jahren <strong>ein</strong>e Polymyalgia rheumatica. Die Krankheit beginnt<br />
meist insidiös, sie kann aber auch über Nacht <strong>ein</strong>setzen. Das<br />
Durchschnittsalter der Patienten bei Krankheitsbeginn liegt bei<br />
70 Jahren. Die Erkrankung dauert typischerweise 2 bis 3 Jahre.
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Die Patienten leiden in der Regel unter symmetrischen (Muskel-)<br />
Schmerzen und Steifigkeit im Nacken, in den Schultern und in<br />
der Hüftgegend im Gegensatz zur vorwiegenden Hand- und Fußbeteiligung<br />
bei der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong>. Die Steifigkeit ist das<br />
beherrschende Merkmal. Sie ist beim Aufwachen oder nach <strong>ein</strong>er<br />
Ruhepause stärker ausgeprägt und dauert normalerweise länger<br />
als 30 Minuten. Die Synovitis fällt gegebenenfalls leichter aus als<br />
bei der RA und bleibt fast immer auf die Handgelenke und Hände<br />
beschränkt. Obwohl die Symptome vorwiegend in den Muskeln<br />
auftreten, ist noch nicht genau bekannt, ob es sich um <strong>ein</strong>e Erkrankung<br />
der Gelenke, der Muskeln oder der Arterien handelt. Zu<br />
den charakteristischen Befunden zählen Müdigkeit, grippeähnliche<br />
Symptome, Fieber, Gewichtsverlust, Depression, dramatisch<br />
erhöhte BSG und Anämie. Elektromyographie und Biopsie weisen<br />
nicht auf <strong>ein</strong>e selektive Muskelschwäche oder <strong>ein</strong>e Muskelerkrankung<br />
hin. Die Kreatinkinasewerte sind normal.<br />
Die Wirkung von geringen Dosen von Kortikosteroiden, meist<br />
Prednison, kann (innerhalb von 24<strong>–</strong>48 Stunden) dramatisch s<strong>ein</strong>.<br />
Bei Behandlung verschwinden die Symptome oft rasch. Die<br />
Therapie wird in der Regel mit geringer Dosis über <strong>ein</strong>en Zeitraum<br />
von sechs Monaten bis zu zwei Jahren fortgesetzt. Bei Rückfällen<br />
oder ernsthaften Kortikosteroid-bedingten Nebenwirkungen wurden<br />
auch mit Azathioprin und Methotrexat als Ersatzmittel bereits<br />
Behandlungserfolge erzielt.<br />
Häufig tritt gleichzeitig <strong>ein</strong>e Arteriitis temporalis (Horton-<br />
Riesenzellarteriitis) auf (in den USA bei etwa 15 % der Patienten<br />
mit Polymyalgia rheumatica). Diese Erkrankung ist gekennzeichnet<br />
durch <strong>ein</strong>e Entzündung der Arterien im Kopf (meist<br />
der Arteria temporalis), im Nacken und in den Armen, die zu<br />
<strong>ein</strong>er Arterienverengung und Reduktion des Blutflusses führt.<br />
Symptome wie Kopfschmerz, Sehstörungen (Verschwommen-<br />
oder Doppelsehen) und Schmerzen des Kiefermuskels müssen mit<br />
Vorsicht beobachtet werden. Daneben kann durch <strong>ein</strong>e physische<br />
Untersuchung <strong>ein</strong>e abnormale Schläfenarterie festgestellt werden<br />
(schmerzempfindlich auf Druck, entzündet, mit reduziertem<br />
Puls). Aufgrund der Gefahr der permanenten Erblindung empfiehlt<br />
sich in den meisten Fällen <strong>ein</strong>e Biopsie der Schläfenarterie.<br />
Eine Arteriitis temporalis sollte sofort nach der Diagnosestellung<br />
121
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
behandelt werden. Die Therapie besteht aus <strong>ein</strong>er hohen Dosis von<br />
Kortikosteroiden (Prednison) über <strong>ein</strong>en Zeitraum von etwa zwei<br />
Monaten und anschließender Reduzierung der Dosis. Bei richtiger<br />
Behandlung sind Rezidive der Horton-Riesenzellarteriitis selten.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Polymyalgia rheumatica und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Eine Unterscheidungsmöglichkeit zwischen Polymyalgia rheumatica<br />
und rheumatoider <strong>Arthritis</strong> ergibt sich aus den unterschiedlichen<br />
anatomischen Regionen, die jeweils betroffen sind.<br />
Während bei rheumatoider <strong>Arthritis</strong> <strong>ein</strong>e symmetrische Beteiligung<br />
vorwiegend von Händen und Füßen vorliegt, zeigen sich<br />
die Symptome von Polymyalgia rheumatica hauptsächlich in den<br />
Schultern und in der Hüftgegend. Darüber hinaus unterscheidet<br />
sich die Polymyalgia rheumatica von rheumatoider <strong>Arthritis</strong> durch<br />
das typische Fehlen von Synovitis der kl<strong>ein</strong>en Gelenke, erosiver<br />
oder zerstörender Krankheit, Rheumafaktor und Rheumaknoten.<br />
Weitere Hilfen bei der Differenzierung bieten Skelettszintigraphie<br />
und Ultraschalluntersuchung der Schulter. Schließlich ist bei Polymyalgia<br />
rheumatica die BSG drastisch erhöht, und es ist <strong>ein</strong> sehr<br />
schnelles Ansprechen auf Kortikosteroide zu beobachten.<br />
Polymyalgia rheumatica und rheumatoide <strong>Arthritis</strong> können<br />
gleichzeitig auftreten und ihre Klassifizierung stellt in manchen<br />
Fällen <strong>ein</strong> Problem dar. Besonders RA-Patienten mit spätem<br />
Krankheitsbeginn können unter polymyalgischen Symptomen<br />
leiden, die manchmal nur schwer von Polymyalgia rheumatica zu<br />
unterscheiden sind. Derzeit stehen k<strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>deutigen klinischen<br />
Merkmale oder Routinelabormarker zur Verfügung, die <strong>ein</strong>e frühe<br />
Unterscheidung zwischen Polymyalgia rheumatica und RA mit<br />
polymyalgischem Beginn erlauben.<br />
122
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Tabelle 3.17: Unterscheidung zwischen Polymyalgia und RA<br />
Polymyalgia rheumatica <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Hauptsächlich Beteiligung von<br />
Schultern und Hüftgegend (Ultraschalluntersuchung<br />
der Schultern).<br />
Füße sind nur selten betroffen<br />
K<strong>ein</strong>e erosive oder destruktive Gelenkerkrankung,<br />
k<strong>ein</strong>e auffallenden<br />
Schmerzen oder Schwellungen der<br />
peripheren Gelenke<br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien<br />
<strong>–</strong><br />
Normalerweise seronegativ in Bezug<br />
auf RF<br />
Hauptsächlich Beteiligung von Händen<br />
und Füßen<br />
Synovitis mit Schmerzen, Schwellungen,<br />
Druckempfindlichkeit und<br />
späteren Erosionen<br />
Extraartikuläre Manifestationen (Rheumaknoten<br />
etc., siehe Tab. 1.1)<br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität<br />
Dramatisch erhöhte BSG BSG möglicherweise moderat erhöht<br />
Sehr schnelles Ansprechen auf<br />
Kortikosteroide<br />
Assoziiert mit Arteriitis temporalis <strong>–</strong><br />
3.2.10 Behçet-Krankheit<br />
Langsames Ansprechen auf Glukokortikoide<br />
Klinische Merkmale<br />
Bei der Behçet-Krankheit handelt es sich um <strong>ein</strong>e seltene Vaskulitis<br />
mit <strong>ein</strong>er Prävalenz von ungefähr 40/Million in den USA. Die<br />
Krankheit setzt meist im dritten Lebensjahrzehnt <strong>ein</strong> und tritt bei<br />
Männern doppelt so häufig auf wie bei Frauen. Das Syndrom ist<br />
gehäuft entlang der alten Seidenstraße in den Mittelmeerländern<br />
und bestimmten asiatischen Ländern, besonders in Japan, zu beobachten.<br />
Die Ursache ist unbekannt.<br />
123
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Zu den üblicherweise auftretenden Symptomen gehören bei fast<br />
allen Patienten wiederkehrende, schmerzhafte Ulzera am Mund,<br />
die denen bei aphthöser Stomatitis ähneln. Vergleichbare Ulzera<br />
bilden sich an den Genitalien. Weitere Symptome folgen nach<br />
Tagen bis Jahren, wie beispielsweise Augenveränderungen (rezidivierende<br />
Uveitis), Meningoenzephalitis, Erkrankungen der großen<br />
Gefäße oder Hautläsionen (Papeln, Pusteln, Bläschen etc.).<br />
Ein Anteil von 50<strong>–</strong>60 % der Patienten leidet unter <strong>ein</strong>er asymmetrischen<br />
Polyarthritis, die relativ leicht, sich selbst limitierend<br />
und nicht destruktiv ist. Sie betrifft vorwiegend die Knie,<br />
Sprunggelenke und Handgelenke und dauert in der Regel wenige<br />
Wochen.<br />
Das Syndrom ist im Allgem<strong>ein</strong>en chronisch und gut in den Griff<br />
zu bekommen. Remissionen und Rezidive können von Wochen bis<br />
zu Jahren anhalten und sich sogar über mehrere Jahrzehnte erstrecken.<br />
Die Behandlung erfolgt hauptsächlich symptomatisch und<br />
umfasst bei Bedarf Methotrexat und Cyclosporin-A.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Behçet-Krankheit und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Die Behçet-Krankheit kann von der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> durch<br />
ihre Multiorganbeteiligung und den rezidivierenden Verlauf unterschieden<br />
werden. Darüber hinaus fehlen die extraartikulären<br />
Manifestationen der RA.<br />
Tabelle 3.18: Unterscheidung zwischen Behçet-Krankheit und RA<br />
Behçet-Krankheit <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Multiorganbeteiligung (Mundulzera,<br />
Hautläsionen, Augenveränderungen)<br />
124<br />
Extraartikuläre Manifestationen (Rheumaknoten,<br />
grippeähnliche Symptome<br />
etc., siehe Tab. 1.1)<br />
Asymmetrische, leichte <strong>Arthritis</strong> Symmetrische, erosive <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Behçet-Krankheit <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
<strong>–</strong><br />
Strikt rezidivierender Verlauf<br />
3.2.11 Lyme-<strong>Arthritis</strong><br />
RF (ca. 75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität<br />
Häufig permanente Symptome,<br />
progressiver Verlauf<br />
Klinische Merkmale<br />
Die Krankheit ist nach <strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Ort in Connecticut (USA)<br />
benannt, wo 1976 erstmals <strong>ein</strong>e vermehrte Häufigkeit von <strong>Arthritis</strong><br />
mit negativem Rheumafaktor beschrieben wurde. Die Lyme-<br />
<strong>Arthritis</strong> wird durch Bisse von Ixodes ricinus (Holzbock) in Europa,<br />
von Ixodes scapularis(Rehzecken) im Nordosten und mittleren<br />
Norden der USA und von Ixodes pacificus an der Westküste der<br />
USA ausgelöst, die mit den Spirochaeten Borrelia burgdorferi infiziert<br />
sind. Bei <strong>ein</strong>er infizierten Zecke, die weniger als 24 Stunden<br />
am Körper haftete, ist die Übertragung <strong>ein</strong>er Infektion unwahrsch<strong>ein</strong>lich.<br />
Nahezu 100 % der Übertragungen erfolgen jedoch,<br />
wenn mehr als 74 Stunden nach dem Anklammern der infizierten<br />
Zecke vergangen sind.<br />
Die Krankheit ist weltweit verbreitet. Der Krankheitsbeginn liegt<br />
meist zwischen Mai und November, mit <strong>ein</strong>em Erkrankungsgipfel<br />
in den Monaten Juni und Juli.<br />
In Stadium I (erste Wochen bis Monate) entwickelt sich <strong>ein</strong><br />
Erythema chronicum migrans, <strong>ein</strong> rotes Erythem, häufig mit<br />
teil weiser zentraler Abblassung, das sich 3 bis 32 Tage nach der<br />
Infektion an der Bissstelle bildet und sich zentrifugal bis zu <strong>ein</strong>er<br />
Größe von mehr als 5 cm ausbreiten kann. Ein Erythema chronicum<br />
migrans ist bei 60<strong>–</strong>70 % der Patienten mit Lyme-<strong>Arthritis</strong><br />
zu beobachten. Darüber hinaus können grippeähnliche Symptome<br />
auftreten.<br />
Stadium II (disseminierte Krankheit) beginnt Wochen bis<br />
Monate nach dem Biss/Erythem. Dieses Stadium kann bei 15 %<br />
aller Patienten mit <strong>ein</strong>er neurologischen Beteiligung, wie bei-<br />
125
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
spielsweise Meningitis, Enzephalitis, Chorea etc. <strong>ein</strong>hergehen.<br />
Ein Anteil von 5 % der Erkrankten zeigt in diesem Stadium möglicherweise<br />
<strong>ein</strong>e Herzbeteiligung. Darüber hinaus werden kurze<br />
Attacken von entzündlicher Mono- oder Polyarthritis in den großen<br />
Gelenken, vor allem der Knie, beobachtet. <strong>Arthritis</strong> tritt in<br />
den USA bei etwa 60 % der Patienten mit unbehandelter Lyme-<br />
Borreliose auf.<br />
Stadium III (chronische, permanente Krankheit) ist gekennzeichnet<br />
durch chronische, neurologische Symptome, chronische<br />
<strong>Arthritis</strong> und chronische Hautbeteiligung (vorwiegend in Europa).<br />
Zu den <strong>Arthritis</strong>-Symptomen gehören anfangs asymmetrische,<br />
oligoartikuläre, intermittierende Schmerzen und Schwellungen.<br />
Die <strong>Arthritis</strong>-Episoden werden häufig im zweiten oder dritten<br />
Jahr der Erkrankung länger und dauern dann eher Monate als<br />
Wochen. Bei ungefähr 20 % der unbehandelten Patienten setzt<br />
während dieser Periode <strong>ein</strong>e chronische <strong>Arthritis</strong> <strong>ein</strong>. Der chronischen<br />
Lyme-<strong>Arthritis</strong> liegen wahrsch<strong>ein</strong>lich immungenetische<br />
Faktoren (Häufung von HLA-DR4 oder HLA-DR2) zu Grunde.<br />
Nur <strong>ein</strong>e Minderheit der Erkrankten entwickelt radiologisch sichtbare<br />
Läsionen.<br />
Die Diagnose basiert auf dem Nachweis von Antikörpern gegen<br />
Borrelia burgdorferi mittels ELISA, der durch <strong>ein</strong>en Western<br />
Blot bestätigt wird. Falsch negative Ergebnisse können in den ersten<br />
3 bis 4 Wochen der Krankheit erzielt werden, falsch positive<br />
Ergebnisse können durch Treponema pallidum, Escherichia coli<br />
und <strong>ein</strong>ige andere Krankheitszustände verursacht werden.<br />
Die Behandlung besteht aus Antibiotikagaben in definierter<br />
Dosis und Abfolge.<br />
Konventionelle Unterscheidung zwischen Lyme-<strong>Arthritis</strong> und RA<br />
(ohne Berücksichtigung von Anti-CCP-Antikörpern)<br />
Das arthritische Stadium der Lyme-Krankheit ist der rheumatoiden<br />
<strong>Arthritis</strong> sehr ähnlich und geht ebenfalls mit episodischer<br />
Krankheitsaktivität und Synovitis <strong>ein</strong>her. Bei Kindern ähnelt es in<br />
hohem Maße der mono- oder oligoartikulären Form der juvenilen<br />
rheumatoiden <strong>Arthritis</strong>.<br />
Unterscheidungsfaktoren sind die neurologische und kardiovaskuläre<br />
Beteiligung im Fall der Lyme-<strong>Arthritis</strong> sowie der<br />
126
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
Anamnesehinweis auf <strong>ein</strong>en Zeckenbiss und <strong>ein</strong> Erythema chronicum<br />
migrans. Schließlich ist auch der Nachweis von Antikörpern<br />
gegen Borrelia burgdorferi <strong>ein</strong> charakteristisches Merkmal. Auf<br />
der anderen Seite fehlen die meisten typischen Merkmale von<br />
rheumatoider <strong>Arthritis</strong> (Knoten, Rheumafaktor, Morgensteifigkeit,<br />
ACR-Kriterien).<br />
Tabelle 3.19: Unterscheidung zwischen Lyme-<strong>Arthritis</strong> und RA<br />
Lyme-<strong>Arthritis</strong> <strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Zeckenbiss <strong>–</strong><br />
Erythema chronicum migrans<br />
(60<strong>–</strong>70 %)<br />
<strong>–</strong><br />
Neurologische und kardiovaskuläre<br />
Beteiligung (20 %)<br />
Antikörper gegen Borrelia burgdorferi <strong>–</strong><br />
<strong>–</strong> ACR-Kriterien<br />
Normalerweise seronegativ in Bezug<br />
auf RF<br />
Normalerweise k<strong>ein</strong>e radiologischen<br />
Veränderungen<br />
3.2.12 Glukokortikoid-Entzugssyndrom<br />
Extraartikuläre Manifestationen<br />
(Rheumaknoten etc., siehe Tab. 1.1)<br />
RF (75<strong>–</strong>80 %), geringe Krankheitsspezifität<br />
Radiologische Veränderungen (Erosionen,<br />
Gelenkspaltverschmälerung,<br />
gelenknahe Osteopenie, Dekalzifikation)<br />
Die Symptome <strong>ein</strong>es Glukokortikoidentzugs werden häufig mit<br />
RA verwechselt. Die betroffenen Patienten, die auf nicht-rheumatische<br />
Erkrankungen behandelt werden, können unter diffusen polyartikulären<br />
Schmerzen, besonders in den Händen leiden, wenn<br />
die Glukokortikoid-Dosis zu abrupt herabgesetzt wird.<br />
127
3. Aktuelle Diagnostik auf dem Gebiet der RA<br />
3.2.13 Weitere medizinische Gegebenheiten, die mit Arthropathie<br />
<strong>ein</strong>hergehen können<br />
Zusätzlich gibt es <strong>ein</strong>e Reihe von Störungen und Gegebenheiten,<br />
die gelegentlich zu RA-ähnlichen Symptomen führen können:<br />
<strong>–</strong> Paraneoplastische Syndrome (besonders im Fall von<br />
Leukämie, Lymphom, Brustkrebs)<br />
<strong>–</strong> Schilddrüsenerkrankung (Hyper- oder Hypothyreose)<br />
<strong>–</strong> Bakterielle Endokarditis<br />
<strong>–</strong> Orale Kontrazeptiva<br />
<strong>–</strong> Sarkoidose<br />
<strong>–</strong> Hämochromatose<br />
<strong>–</strong> Familiäres Mittelmeerfieber<br />
<strong>–</strong> Hämoglobinopathien<br />
<strong>–</strong> Hämophilie<br />
<strong>–</strong> Hyperlipoprot<strong>ein</strong>ämie<br />
<strong>–</strong> Hypertrophe Osteoarthropathie<br />
<strong>–</strong> Multizentrische Retikulohistiozytose<br />
<strong>–</strong> Polychondritis<br />
<strong>–</strong> Rheumatisches Fieber<br />
<strong>–</strong> Sweet-Syndrom<br />
<strong>–</strong> Ochronosis<br />
<strong>–</strong> Purpura Schoenl<strong>ein</strong>-Henoch<br />
<strong>–</strong> Lipidstoffwechselstörungen<br />
<strong>–</strong> Akute Leukämie<br />
<strong>–</strong> Cheiroarthropathia diabetica<br />
<strong>–</strong> Plasmozytom<br />
<strong>–</strong> Multiples Myelom<br />
128
4 Zusammenfassung<br />
Bei der rheumatoiden <strong>Arthritis</strong> handelt es sich um <strong>ein</strong>e weit verbreitete<br />
Autoimmunerkrankung (Prävalenz: 0,8<strong>–</strong>1 %) mit erheblichen<br />
Auswirkungen im Gesundheitssektor. Sie ist gekennzeichnet<br />
durch <strong>ein</strong>e entzündliche Gelenkzerstörung, die zu progressiver<br />
Funktions<strong>ein</strong>schränkung und erhöhter Mortalität führt. Aufgrund<br />
<strong>ein</strong>er beträchtlichen Anzahl klinisch ähnlicher Krankheiten (z. B.<br />
Bindegewebeerkrankungen, Spondylarthropathien, bakterieller<br />
und viraler <strong>Arthritis</strong>, Gicht und Fibromyalgie) kann insbesondere<br />
bei <strong>ein</strong>er neu aufgetretenen Krankheit nicht immer <strong>ein</strong>e klare<br />
Diagnose gestellt werden. In Kapitel 3 sind die wichtigsten Kriterien<br />
für die Differenzialdiagnose der RA 12 relevanten Krankheitsgruppen<br />
gegenübergestellt. Ein stetig wachsender Bestand<br />
wissenschaftlicher Erkenntnisse deutet darauf hin, dass Gelenkdestruktion<br />
und Funktionsabbau durch frühzeitiges therapeutisches<br />
Eingreifen gemildert werden können. Vor allem mit Hilfe <strong>ein</strong>er<br />
frühen und aggressiveren Therapie mit DMARDs konnten bereits<br />
Erfolge erzielt werden. Hierfür ist <strong>ein</strong>e <strong>ein</strong>deutige Diagnose zu<br />
<strong>ein</strong>em frühen Zeitpunkt erforderlich.<br />
Die Diagnose von RA stützt sich zwar hauptsächlich auf klinische<br />
Merkmale, aber auch hoch spezifische und sensitive serologische<br />
Marker können hilfreich s<strong>ein</strong>. Der Rheumafaktor ist <strong>ein</strong> bewährter<br />
Marker für rheumatoide <strong>Arthritis</strong>, obwohl s<strong>ein</strong>e Spezifität<br />
für die Krankheit begrenzt ist. Er wurde erstmals 1940 beschrieben.<br />
In der jüngeren Vergangenheit wurden Anti-CCP-Antikörper<br />
als neue Marker-Antikörper für rheumatoide <strong>Arthritis</strong> <strong>ein</strong>geführt.<br />
Sie weisen <strong>ein</strong>e hervorragende Krankheitsspezifität auf. Anti-<br />
CCP-Antikörper wurden auch im Serum von Patienten mit RF-negativer<br />
RA gefunden, obwohl die Sensitivität beider Assays ähnlich<br />
ist. Eine kombinierte Analyse kann daher im Vergleich zum<br />
ausschließlichen RF-Test die Sensitivität steigern. Aufgrund ihrer<br />
beträchtlich höheren Spezifität bieten Anti-CCP-Antikörpertests<br />
die Möglichkeit, (frühe) RA besser von anderen entzündlichen<br />
Polyarthritiden zu unterscheiden als RF-Tests. In mehreren Studien<br />
konnte nachgewiesen werden, dass Anti-CCP-Antikörper und RF<br />
bis zu mehrere Jahre vor Auftreten klinischer Symptome bereits<br />
129
ei RA-Patienten vorhanden s<strong>ein</strong> können. Dieses Ergebnis legt die<br />
Vermutung nahe, dass der Nachweis von Anti-CCP-Antikörpern<br />
auch beim Identifizieren von RA-Patienten noch vor dem Auftreten<br />
von Symptomen und destruktiver Synovitis nützlich s<strong>ein</strong> kann.<br />
Ferner können Anti-CCP-Antikörper als Vorhersagewert für<br />
Röntgenprogression dienen. Die beschriebenen Antikörper können<br />
folglich in Kombination mit dem Rheumafaktor, aber auch<br />
eigenständig, <strong>ein</strong>e wesentliche, zusätzliche Unterstützung bei der<br />
<strong>ein</strong>deutigen und frühzeitigen Diagnose von RA bieten.<br />
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141
Bildnachweis<br />
Alle klinischen Bilder wurden freundlicherweise von Professor<br />
Alan Tyndall, Universität Basel, zur Verfügung gestellt.<br />
142
Index<br />
A<br />
ACR-Kriterien 24<br />
Activity Score 21<br />
Adalimumab 34<br />
Agglutinationstests 39<br />
Amyloidose 89<br />
ANCA 100<br />
Anti-68kD-Antikörper 52<br />
Anti-CCP-Antikörper 44, 55<br />
Definition 44<br />
Sensitivität 49, 56<br />
Spezifität 49, 56<br />
Titer 59<br />
Vorhersagewert 59<br />
zweite Generation 50<br />
Anti-dsDNA-Antikörper 60<br />
Anti-Keratin-Antikörper 45<br />
Anti-Ku-Antikörper 84<br />
Anti-Mi-2-Antikörper 83<br />
Anti-PM-Scl-Antikörper 84<br />
Anti-RA-33-Antikörper 51<br />
Anti-U1-snRNP-Antikörper 86<br />
Antibiotika 93, 104<br />
Antimalariamittel 30<br />
Antiperinukleärer Faktor (APF) 44<br />
Arachidonsäure 32<br />
Arteriitis 121<br />
<strong>Arthritis</strong> Impact Measurement<br />
Scales 22<br />
<strong>Arthritis</strong> psoriatica 95<br />
Ätiologie 95<br />
Behandlung 96<br />
Unterscheidung von RA 97<br />
<strong>Arthritis</strong> urica siehe Gicht 112<br />
Arthroskopie 18<br />
Aspirin 32<br />
Azathioprin 33<br />
B<br />
Bakterielle <strong>Arthritis</strong> 102<br />
Ätiologie 103<br />
Behandlung 104<br />
Unterscheidung von RA 104<br />
Basismedikamente 29<br />
Bechterew-Krankheit siehe<br />
Spondylitis ankylosans 90<br />
Behçet-Krankheit 123<br />
Ätiologie 123<br />
Unterscheidung von RA 124<br />
Betamethason 35<br />
Biologicals 35<br />
BiP 52<br />
Blutsenkungs geschwindigkeit 23<br />
Borrelia burgdorferi 125<br />
143
Index<br />
C<br />
C-reaktives Prot<strong>ein</strong> 23<br />
Calciumpyrophosphat-Ablagerungskrankheit<br />
siehe CPPD-Ablagerungskrankheit<br />
115<br />
Campylobacter 92<br />
Celebrex 33<br />
Celecoxib 33<br />
Chlamydia 92<br />
Chromosom 6 12<br />
Chondrocalcinosis 117<br />
Citrullin 47<br />
Citrullinierte Peptide 49<br />
Citrullinierung 47<br />
Colchicin 114<br />
Colitis ulcerosa 99<br />
Cortisol 35<br />
Cortison 35<br />
COX-2-spezifische NSAIDs 33<br />
COX-Hemmer 32<br />
CPPD-Ablagerungskrankheit 115<br />
Ätiologie 115<br />
Behandlung 116<br />
Unterscheidung von RA 116<br />
Cyclooxygenase 33<br />
Cyclooxygenase-Hemmer 32<br />
Cyclophosphamid 34<br />
D<br />
D-Penicillamin 30<br />
Depression 118<br />
Dexamethason 35<br />
Diclofenac 32<br />
144<br />
Disease Activity Score 22<br />
Disease modifying anti-rheumatic<br />
drugs (DMARDs) 29<br />
DMARDs 29<br />
Nebenwirkungen 30<br />
Doppelbrechende Kristalle 104, 117<br />
E<br />
ELISA 39<br />
Endoxan 34<br />
Entzündliche Darmerkrankung 99<br />
Behandlung 100<br />
Unterscheidung von RA 101<br />
Epst<strong>ein</strong>-Barr-Virus 13<br />
Erythema chronicum migrans 125<br />
Etanercept 34<br />
F<br />
Felty-Syndrom 23<br />
Fibrin 50<br />
Fibromyalgie 118<br />
Ätiologie 118<br />
Behandlung 119<br />
Unterscheidung von RA 119<br />
Filaggrin 47<br />
Functional Disability Index 22<br />
Funktionskapazität 12<br />
G<br />
Gem<strong>ein</strong>sames Epitop 13<br />
genetische Suszeptivität 51<br />
Gicht 112
Ätiologie 112<br />
Behandlung 114<br />
Unterscheidung von RA 114<br />
Gleichzeitiges Vorkommen 57<br />
Glukokortikoid-Entzugssyndrom 127<br />
Glukokortikoide 35<br />
Gold 30<br />
Gonokokkeninfektion 103<br />
gouty tophus 113<br />
H<br />
Haupthistokompatibilitätskomplex 12<br />
Hepatitis 57, 106<br />
HIV 92, 106, 119<br />
HLA-B27 90, 93, 96, 100<br />
HLA-Typen 13<br />
Human Leukocyte Antigen 12<br />
Hydroxychloroquin 30<br />
Hyperämie 18<br />
Hyperurikämie 112<br />
I<br />
Ibuprofen 32<br />
Immunsuppressiva 33<br />
Imuran 33<br />
Indirekte Immunfluoreszenz 39<br />
Indometacin 32, 93<br />
Infektiöse <strong>Arthritis</strong> siehe<br />
Bakterielle <strong>Arthritis</strong> 102<br />
Infliximab 34, 101<br />
Interleukin-1-Rezeptor 35<br />
Iridozyklitis 89<br />
Isotypen 38, 42<br />
Ixodes 125<br />
K<br />
Kineret 35<br />
Konjunktivitis 93<br />
Kortikosteroide 35, 114<br />
Nebenwirkungen 35<br />
Kosten 12<br />
Krankheitsbeginn 14<br />
Kryoglobulinämie 42<br />
L<br />
Langwirksame Antirheumatika<br />
(LWAR) 29<br />
Lasernephelometrie 39<br />
Latexfixationstest 39<br />
Leflunomid 30<br />
Lumiracoxib 33<br />
Lyme-<strong>Arthritis</strong> 125<br />
Behandlung 126<br />
Unterscheidung von RA 126<br />
M<br />
Magnetresonanz-Tomographie 18<br />
Meningoenzephalitis 124<br />
Methotrexat 30<br />
Methylprednisolon 35<br />
Mischkollagenose 86<br />
Mononatrium-Uratmonohydrat-<br />
Kristalle 112<br />
Morbus Crohn 99<br />
Moskitoviren 106<br />
Index<br />
145
Index<br />
Multiple Sklerose 51<br />
Myelinbasisprot<strong>ein</strong> 51<br />
Mykobakterien 104<br />
Myositis-Overlap-Syndrom 84<br />
N<br />
Nabumeton 32<br />
Naproxen 32<br />
Nebenwirkungen 30, 32, 35<br />
Neisseria gonorrhoeae 103<br />
New York-Kriterien 89<br />
Nicht-steroidale Antirheumatika<br />
(NSAR) 32<br />
Nicht durch Gonokokken verursachte<br />
Infektion 103<br />
Non-steroidal anti-inflammatory<br />
drugs (NSAIDs) 32<br />
NSAIDs<br />
Nebenwirkungen 32<br />
O<br />
Oprisine 33<br />
Osteoarthritis 108<br />
Ätiologie 108<br />
Behandlung 109<br />
Unterscheidung von RA 110<br />
Osteopenie 18<br />
P<br />
PADI-2-Gen 51<br />
PADI-4-Gen 51<br />
146<br />
Palindromer Rheumatismus 21<br />
Pannus 16<br />
Paracetamol 109<br />
Paramethason 35<br />
Parvovirus B19 106<br />
Peptidylarginin-Desaminase 4<br />
(PADI 4) 50<br />
Peptidylarginyl-Desaminase (PAD) 47<br />
Pilze 104<br />
Piroxicam 32<br />
Polymyalgia rheumatica 58, 120<br />
Ätiologie 120<br />
Behandlung 121<br />
Unterscheidung von RA 122<br />
Polymyositis/Dermatomyositis<br />
Behandlung 84<br />
Prednisolon 35<br />
Prednison 35<br />
Prexige 33<br />
Profilaggrin 47<br />
Prostacycline 32<br />
Prostaglandine 32<br />
Pseudogicht siehe CPPD-Ablagerungskrankheit<br />
116<br />
Psoriasis 95<br />
Purinanalog 33<br />
Pyrophosphat-Arthropathie siehe<br />
CPPD-Ablagerungskrankheit 116<br />
R<br />
Radioimmunassay 39<br />
Radiologie 18<br />
RA 33 51<br />
Reaktive <strong>Arthritis</strong> 92
Behandlung 93<br />
Unterscheidung von RA 93<br />
Rehzecken 125<br />
Reiter-Krankheit siehe Reaktive<br />
<strong>Arthritis</strong> 92<br />
Remission 21<br />
Rheumafaktor 24, 38, 52<br />
Prävalenz 53<br />
Prvalenz 40<br />
Sensitivität 39, 53, 56<br />
Spezifität 39, 53, 56<br />
Vorhersagewerte 53<br />
Rheumaknoten 17<br />
<strong>Rheumatoide</strong> <strong>Arthritis</strong><br />
Activitiy Score 21<br />
Anfälligkeit 12<br />
Ätiologie 10<br />
Definition 10<br />
Diagnose 14<br />
Differenzialdiagnosen 67<br />
Epidemiologie 11<br />
erste Symptome 14<br />
genetische Assoziation 12<br />
Inzidenz 12<br />
Klassifikationskriterien 24<br />
Krankheitsaktivität 21<br />
Labormarker 23<br />
Pathogenese 13<br />
Prävalenz 11<br />
Therapie 28<br />
Riesenzellarteriitis 121<br />
ROC-Analyse 64<br />
ROC-Analysen 57<br />
Rom-Kriterien 89<br />
Röteln 106<br />
S<br />
Index<br />
Sa-Antikörper 50, 51<br />
Saccharomyces cerevisiae 100<br />
Salmonella 92, 103<br />
Schwanenhals 18<br />
Schwangerschaft 21<br />
Septische <strong>Arthritis</strong> siehe Bakterielle<br />
<strong>Arthritis</strong> 102<br />
Shigella 92<br />
Sicca-Syndrom 23<br />
Sjögren-Syndrom 23<br />
Spirochaeten 125<br />
Spondylitis ankylosans 88<br />
Ätiologie 88<br />
Behandlung 90<br />
Klassifizierungskriterien 89<br />
Unterscheidung von RA 90<br />
Stanford Health Assessment<br />
Questionnaire 21<br />
Staphylococcus aureus 104<br />
Streptococci 92, 104<br />
Sulfasalazin 30<br />
Symmetrische <strong>Arthritis</strong> 25<br />
Synovialdeckzellen 16<br />
Synovialproliferation 16<br />
Szintigraphie 18<br />
T<br />
T-Lymphozyten 12<br />
Tierversuch 50<br />
TNF-α-Hemmer 34<br />
Tophus 113<br />
Trauma 119<br />
147
Index<br />
Triamcinolon 35<br />
Tumor-Nekrose-Faktor 34<br />
U<br />
Ulzera 124<br />
Undifferenzierte Bindegewebeerkrankung<br />
Unterscheidung von RA 87<br />
Undifferenzierte Bindegewebeerkrankung<br />
(UCTD) 85<br />
Undifferenzierte Polyarthritis 26<br />
Uveitis 89, 93, 98, 100, 124<br />
V<br />
Verlaufsstadien 19<br />
Verlaufsstadium 18<br />
Vimentin 50, 51<br />
Virale <strong>Arthritis</strong> 105<br />
Behandlung 106<br />
148<br />
Unterscheidung von RA 107<br />
Vorhersagemarker 62<br />
Vorhersagewert 61<br />
W<br />
Waaler- Rose-Test 39<br />
Weichteilschwellungen 18<br />
Y<br />
Yakima-Indianer 13<br />
Yersinia 92