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Ordnungsmuster im modernen Wohlfahrtsstaat

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2. Der vermeintliche Rückzug des Staates<br />

Eine als nicht hintergehbar verstandene Trennung von Staat und Gesellschaft schiene<br />

aus dieser Perspektive als zu wenig flexibel, um das Ineinandergreifen gesellschaftlicher<br />

Selbstregulierung und staatlicher Gewährleistungsverantwortung 24 einerseits und<br />

die Wechselwirkungen zwischen Ordnungen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts<br />

andererseits zu erfassen und zu durchdringen. 25 Die Kennzeichnung der Verzahnungen<br />

zwischen dem öffentlichen Recht und dem Privatrecht 26 liefert Erkenntnisse<br />

darüber, welche Verwirklichungsbedingungen individueller, grundrechtlich geschützter<br />

Freiheit vor diesem Hintergrund denkbar sind. Dabei scheint eine radikale Beseitigung<br />

der Grenzen in keiner Weise geeignet, die Rechtsentwicklung angemessen abzubilden.<br />

Vielmehr muß es Aufgabe einer Rechtstheorie sein, sich der historischen und dogmatischen<br />

Gebundenheiten einzelner Rechtsinstrumente an das Trennungsmodell zu vergegenwärtigen<br />

und auf diese Weise Möglichkeiten ihrer Überwindung oder Fortentwicklung<br />

aufzuzeigen.<br />

Soweit sich heute <strong>im</strong>mer mehr eine Sichtweise aufzudrängen scheint, die von dem fortschreitenden<br />

Kompetenz- und einem vermeintlich damit verbundenen Bedeutungsverlust<br />

des Staates ausgeht, ist diese Ansicht kritisch zu untersuchen. Ob von einem Rückzug<br />

des Staates oder einem Siegeszug des Marktes als des vermeintlichen Komplementärbegriffs<br />

der Gesellschaft gesprochen werden kann oder sollte, ist in erster Linie davon<br />

abhängig, welche Bedeutung mit den Begriffen des Staates und der Gesellschaft<br />

verbunden wird. Es ist keineswegs ausgemacht, daß verstärkte behördliche Rechtssetzung<br />

und zunehmende Bürgerbeteiligung in Verfahren und Kommissionen nicht lediglich<br />

eine weitere Erscheinungsform staatlicher Tätigkeit darstellen. 27<br />

Erst <strong>im</strong> Anschluß an die Klärung dieser Frage kann die Diskussion um den Formenwandel<br />

öffentlicher Aufgabenerfüllung sinnvoll einsetzen. 28 Dabei wird sich zeigen,<br />

wie stark die Vorstellungen etwa einer Verantwortungsteilung 29 an „Staat“ und an „Gesellschaft“,<br />

also an den bekannten <strong>Ordnungsmuster</strong>n politischer Organisation ausgerich-<br />

24 Siehe dazu jüngst Hoffmann-Riem, Finanzkontrolle als Steuerungsaufsicht <strong>im</strong> Gewährleistungsstaat;<br />

Schuppert, Die öffentliche Verwaltung <strong>im</strong> Kooperationsspektrum staatlicher und privater<br />

Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstrukturen, 441; ders., Zur notwenigen Neubest<strong>im</strong>mung<br />

der Staatsaufsicht <strong>im</strong> verantwortungsteilenden Verwaltungsstaat, 299 ff.; Trute, Verantwortungsteilung<br />

als Schlüsselbegriff eines sich verändernden Verhältnisses von öffentlichem<br />

und privatem Sektor, 13 ff.<br />

25 Vgl. Schmidt-Aßmann, Flexibilität und Innovationsoffenheit als Entwicklungsperspektiven des<br />

Verwaltungsrechts, 407 ff.<br />

26 Vgl. etwa Trute, Wechselseitige Verzahnungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht,<br />

167 ff.<br />

27 Siehe etwa den Hinweis bei Vesting, Widerkehr der bürgerlichen Gesellschaft und ihres Rechts?,<br />

195.<br />

28 Vgl. Schuppert, Die öffentliche Verwaltung <strong>im</strong> Kooperationsspektrum staatlicher und privater<br />

Aufgabenerfüllung: Zum Denken in Verantwortungsstrukturen, 438 ff.<br />

29 Trute, Verwaltungs und Verwaltungsrecht, 950 ff.; Schuppert, Jenseits von Privatisierung und<br />

„schlankem“ Staat, 102 ff.; s. nun die Beiträge in: Schuppert (Hrsg.), Schuppert, Jenseits von Privatisierung<br />

und „schlankem“ Staat.<br />

21

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