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«Heimat» ischt: s'Lebe i öserem Land - Heimatschutz AR

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Jubiläums-Unterstützung:<br />

Die Fotografen in den 20 Gemeinden:<br />

<strong>Heimatschutz</strong> Appenzell A. Rh.<br />

Kleiner Vorstand:<br />

Geschäftleitung, Sekretariat:<br />

weitere Infos:<br />

Impressum:<br />

Dr. Bertold Suhner-Stiftung, Herisau<br />

Metrohm Stiftung, Herisau<br />

Steinegg Stiftung, Herisau<br />

Migros Ostschweiz<br />

Rosmarie Nüesch, Niederteufen<br />

und die meisten Ausserrhoder Gemeinden<br />

Urnäsch: René Dahinden<br />

Herisau: Werner Frischknecht<br />

Schwellbrunn: Werner Büsser<br />

Hundwil: Peter Schläpfer<br />

Stein: Paul Preisig<br />

Schönengrund: René Dahinden<br />

Waldstatt: H9 Hans Ulrich Gantenbein<br />

Teufen: Bilder:<br />

- 01, 03, 04, 05, 10, 12: Hans Sonderegger<br />

- 07, 09, 11: Jost Kirchgraber<br />

- 06: Irene Hochreutener<br />

- 02: Christine Späth<br />

Bühler: Urs Klauser<br />

Obmann: Heinz Naef, Ober Bendlehn 20, 9042 Speicher<br />

Statthalter: Ueli Rohner, Seeallee 2, 9410 Heiden<br />

Säckelmeister: Peter Schläpfer, Halten, 9064 Hundwil<br />

Schreiber: Moritz Flury-Rova, Berg 24, 9043 Trogen<br />

Beisitzer: Irene Hochreutener, Scheibe, 9053 Teufen<br />

Otto Hugentobler, Kasernenstrasse 17A, 9102 Herisau<br />

Ueli Sonderegger, Rosentalstasse. 8, 9410 Heiden<br />

Ernst Suhner, Grausegg 1110, 9428 Walzenhausen<br />

Heinz Naef<br />

Ober Bendlehn 20, 9042 Speicher<br />

Telefon: 071 344 26 44<br />

E-Mail: admin@heimatschutz.ch<br />

www.heimatschutz-ar.ch<br />

Herausgeber: <strong>Heimatschutz</strong> Appenzell Ausserrhoden<br />

Redaktion: Heinz Naef und Otto Hugentobler<br />

Gestaltung: Emanuel Sturzenegger, Trogen<br />

Druck: Appenzeller Medienhaus<br />

Auflage: 2’000 / Dezember 2010<br />

Gais: Esther Johnson<br />

Speicher: Heinz Naef<br />

Trogen: Moritz Flury<br />

Rehetobel: Arthur Sturzenegger und<br />

Emanuel Sturzenegger<br />

Wald: Therese Pecnik und Elsi Hohl<br />

Grub: Bernhard Lutz<br />

Heiden: Ueli Rohner<br />

Wolfhalden: Ernst Suhner<br />

Lutzenberg:<br />

Werner Meier und Heinz Naef<br />

Walzenhausen: Ernst Suhner<br />

Reute: Esther Rechsteiner<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>: s’Lebe i <strong>öserem</strong> <strong>Land</strong><br />

Jubiläumsbroschüre zum<br />

100jährigen Bestehen<br />

des <strong>Heimatschutz</strong><br />

Appenzell Ausserrhoden<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>: mis Appezellerland


Seite 2<br />

Heinz Naef<br />

Obmann<br />

<strong>Heimatschutz</strong> Appenzell A. Rh.<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Im Dezember 1910 wurde der «<strong>Heimatschutz</strong> Appenzell Ausserrhoden» als Sektion des<br />

«Schweizer <strong>Heimatschutz</strong>» gegründet. Dieser Umstand war wahrlich ein Grund, im Jahr 2010<br />

den 100sten Geburtstag gebührend zu feiern.<br />

Ein zentraler Teil war die festliche Hauptversammlung vom 1. Mai im neu renovierten Mehrzwecksaal<br />

des Psychiatrischen Zentrums Herisau. In bester Erinnerung bleiben zweifellos nach<br />

dem geschäftlichen Teil die Darbietungen des Schauspielers Matthias Flückiger in Zusammenarbeit<br />

mit der Hackbrettformation Anderscht zum Thema «Wort und Musik».<br />

Das grosszügige Entgegenkommen des Appenzeller Medienhauses hat uns ermöglicht, ein übers<br />

ganze Jubiläumsjahr laufendes Zeitungsprojekt zu realisieren. Dafür und auch für die gute<br />

Zusammenarbeit bedanken wir uns bei Medienhaus und allen beteiligten Personen herzlich.<br />

Die vorliegende Broschüre fasst nun die übers Jahr erschienen Texte und Bilder zusammen, die<br />

im Zusammenhang mit unserer Jubiläumsaktion in der Appenzellerzeitung erschienen sind.<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> Appenzell Ausserrhoden hat mit seinem Geburtstag ein stolzes Alter erreicht.<br />

Er hat auch in der heutigen Zeit nach wie vor eine wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft,<br />

besteht doch immer wieder die Gefahr, dass Wertvolles dem Zeitgeist geopfert wird.<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> will<br />

• auf die Eigenart und Schönheit der<br />

Dörfer und der appenzellischen Streusiedlungen acht geben<br />

• wertvolle Kulturgüter vor Beeinträchtigung, Entstellung und<br />

Zerstörung bewahren<br />

• eine Raumordnung und Baugestaltung fördern,<br />

die den Bedürfnissen aller Bewohner dient<br />

• gute Architektur unterstützen<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> erreicht dies mit<br />

• Aufklärung und Information<br />

• Bauberatung und Beiträgen an Restaurationen<br />

• Vernehmlassungen zu Gesetzesentwürfen<br />

• Stellungnahmen zu öffentlichen und privaten Bauvorhaben<br />

• Zusammenarbeit mit zielverwandten Organisationen des<br />

Natur-, <strong>Land</strong>schafts- und Umweltschutzes<br />

• Ortsbildberatung durch unabhängige Fachleute<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> braucht deshalb Mitglieder, die seine Bestrebungen ideell und materiell<br />

unterstützen. Werden Sie Mitglied! Benützen Sie zur Anmeldung die eingeheftete Karte.<br />

Weitere Informationen zum <strong>Heimatschutz</strong> Appenzell A. Rh. finden Sie auf unserer Homepage:<br />

www heimatschutz-ar.ch<br />

Heinz Naef, Obmann<br />

Ein Appenzeller namens Butz<br />

war alt und kaum zu etwas nutz.<br />

Statt seine Tage zu vergammeln,<br />

verlegte er sich auf das Sammeln.<br />

Erst stürzte er sich wie ein Wilder<br />

auf alle WM-Fussballbilder,<br />

doch mancher Star, der damals lässig,<br />

war später nur noch mittelmässig,<br />

und Butz fand seine Hefte öd.<br />

Er hielt es auch für ziemlich blöd,<br />

sich einzuordnen bei den Hammeln,<br />

die Kaffee-Rähmli-Deckel sammeln.<br />

Zum grossen Glück für unsern Butz<br />

entschied sich jüngst der <strong>Heimatschutz</strong>,<br />

manch Bild aus heimischen Gefilden<br />

in einer Zeitung abzubilden<br />

und allem Volk den Rat zu geben,<br />

die Bilder in ein Heft zu kleben.<br />

Das schien dem guten Butz famos.<br />

Die Bilder waren kostenlos<br />

und konnten nicht so schnell veralten.<br />

Butz fand, dass sie den Wert behalten<br />

und pries den Bildaktions-Erfinder.<br />

Er sprach, selbst meine Kindeskinder<br />

wird dieses Bilderheft einst freuen,<br />

es soll mich deshalb nicht gereuen,<br />

die Bilder sorgsam aufzuheben<br />

und – einzukleben.<br />

Unsere Jubiläumsaktivitäten 2010<br />

Was bedeutet für mich Heimat?<br />

Ist Heimat mehr als <strong>Land</strong>schaft und Häuser?<br />

Wann fühle ich mich beheimatet?<br />

Im Zusammenhang mit dem Jubiläum stellte sich auch der Vorstand des <strong>Heimatschutz</strong><br />

Appenzell Ausserrhoden diesen Fragen.<br />

Gedanken zu 12 Heimat-Themen<br />

Aus der Fülle von möglichen Antworten wurden zwölf Themenkreise ausgewählt. Jeweils in den<br />

ersten Tagen der 12 Jubiläums-Monate wurde ein Themenkreis erörtert.<br />

Neben historischen Rückblicken auf die Tätigkeit des <strong>Heimatschutz</strong> Appenzell Ausserrhoden<br />

während der vergangenen 100 Jahre und einer Betrachtung von aussen durch eine im Kanton<br />

bekannte Person hat die Kulturjournalistin Franziska Schläpfer jeweils in einer Art Leitartikel ihre<br />

Gedanken zum Themenkreis «Heimat <strong>ischt</strong>...» dargelegt.<br />

Spass und Spannung bei der Bilder-Sammelaktion<br />

Unten an der Zeitungsseite fand sich jeweils ein Bildstreifen mit fünf Fotos zum entsprechenden<br />

Themenkreis aus den Gemeinden unseres Kantons. Damit von allen Gemeinden Bilder zur<br />

Verfügung standen, wurden in den folgenden Wochen drei weitere Bildstreifen in der Zeitung<br />

veröffentlicht. Diese Bilder konnten von Leserinnen und Lesern entdeckt, ausgeschnitten und an<br />

der richtigen Stelle eines zur Verfügung gestellten Sammelheftes eingeklebt werden. Damit entstand<br />

ein buntes Bild über unsern Kanton. Leserinnen und Leser wurden aufgefordert, folgenden<br />

Fragen nachzugehen:<br />

Kennen Sie die Sujets aus Ihrer Gemeinde?<br />

Können Sie alle Bilder Ihrer Gemeinde richtig zuordnen?<br />

Unsere Absicht bestand darin, dass Gemeinden und Kanton besser kennen und damit schätzen<br />

gelernt werden.<br />

Gelbe Sterne mit Buchstaben auf einzelnen Bildern bildeten die Grundlage zur Lösung der im<br />

November lancierten Wettbewerbsfragen. Als Hauptpreise wurden im Januar 2011 Ferien im<br />

Baudenkmal verlost.<br />

Rückblick und Dank<br />

Über zahlreiche positive Rückmeldungen aus dem Leser- und Sammlerkreis haben wir uns<br />

sehr gefreut.<br />

Neben dem Dank ans Appenzeller Medienhaus gilt dieser auch:<br />

• den Gemeinden und den Sponsoren für ihre finanzielle Unterstützung,<br />

• den Autorinnen und Autoren der Aussensicht und der historischen Artikel,<br />

sowie den Fotografinnen und Fotografen aus den 20 Gemeinden für ihre spontane Bereitschaft,<br />

an unserer Jubiläumsaktion mitzuwirken,<br />

• Frau Franziska Schläpfer für ihre anregenden Gedankenanstösse,<br />

• dem Grafiker Emanuel Sturzenegger für die gute Zusammenarbeit.<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>: mini Kultur <strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>: mini Identität<br />

Seite 3<br />

Freispiel<br />

Eugen Auer<br />

Speicher


Bloss kein Moderduft!<br />

Das Herz klopft munterer, wenn ich ins <strong>Land</strong> zurück kehre, das zu verlassen<br />

mir nie leicht gefallen ist. Wenn vor Matzingen die Säntiskette auftaucht, in<br />

Gossau die Appenzellerbahn wartet. Die klassische, rote. Fusionierte 2006<br />

mit ihren Kollegen zu «Appenzeller Bahnen» und überholte Julius Ammanns<br />

Lied von 1922:<br />

«D Appezeller Isebahne / hend Charakter, glob mers no. /<br />

Jedi macht en ääges Zögli, / ali chönnd zor Not devo.»<br />

Ammanns Elogen auf <strong>Land</strong> und Leute sind nicht überholt. Da liegen sie,<br />

vereinzelt, verstreut, die Bauernhäuser, Häämet genannt. Hügel und Täler.<br />

Grünschwarze Wälder. Die letzten Holzzäune wie abstrakte Zeichnungen in<br />

den verschneiten Wiesen. In wirtlichen Jahreszeiten Kühe, sogar mit Hörnern<br />

und Glocken. Die <strong>Land</strong>schaft, Urgrund des Heimatgefühls. Eine <strong>Land</strong>schaft<br />

mit Charakter. Wie das Volk, das sich in meiner Vorstellung eigenständig,<br />

auch stur und störrisch durchs Leben schlägt.<br />

Eigenständig? «Während der Fahrt durchs malerische Appenzellerland verwöhnen<br />

wir Sie im Bistrowagen mit Appenzeller Spezialitäten.» In der<br />

Appenzellerbahn «ist wieder Fonduezeit». Anbiederung an einen vermeintlichen<br />

Touristen-Allerweltsgeschmack? Weil gute Laune zum witzigen<br />

Appenzeller passt?<br />

Nein, bitte kein Fondue im Bistro! Aber malerisch, so will ich das <strong>Land</strong>. Zur<br />

Augenweide. Als Prunkstück für auswärtige Freunde. Törichte Sehnsucht<br />

nach Unversehrtheit. Manches stimmt mit der Erinnerung überein, präsentiert<br />

sich prächtig, intakt, idyllisch sogar auf der Fahrt von einem Dorf zum ande-<br />

«Mini Häämet»<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Ernst Graf<br />

Alt Regierungsrat<br />

Heiden<br />

Ein Appenzeller zeigte einem auf Besuch weilenden<br />

Amerikaner mit Stolz seine «Häämet», worauf<br />

der «Ami» prahlte, dass er einen ganzen Tag brauche<br />

um die Grenzen seiner Farm abzufahren.<br />

Der Appenzeller antwortete kurz, ein solches Auto<br />

hätte er auch einmal besessen, er habe es jedoch<br />

schnell wieder verkauft.<br />

Auf alten Fotos ist sie noch zu sehen, diese Appenzeller-Häämet:<br />

Eine kleine Liegenschaft mit Haus<br />

und Stall, vielfach eingerahmt von alten Obstbäumen<br />

und eingezäunt mit einem währschaften<br />

Holzhag. Die Häämet war Mittelpunkt der Familie,<br />

auf den man stolz war.<br />

In unserer Alltagssprache ist die «Häämet» weitgehend<br />

verschwunden, entstanden sind Betriebe,<br />

die heute meistens ein Vielfaches der Fläche einer<br />

früheren «Häämet» umfassen. Holzzäune sieht<br />

man selten, die alten Obstbäume sind nicht mehr<br />

01 Januar<br />

Franziska Schläpfer,<br />

Kulturjournalistin und Autorin,<br />

lebte 30 Jahre in Herisau.<br />

Sie schrieb im Auftrag des<br />

Ausserrhoder <strong>Heimatschutz</strong>es<br />

die Leitartikel zu den<br />

zwölf Jubiläumsthemen.<br />

Bild:<br />

<strong>Land</strong>schaft mit Charakter:<br />

Ausblick von der<br />

Geisshalde in Waldstatt<br />

ren. Vorbildlich restaurierte Bürgerhäuser, Kirchen, öffentliche Profanbauten.<br />

Erfreulich die Wirtschaft zum Bären (Urwaldhaus) in Rehetobel. Neues,<br />

Frisches, wie das Schulhaus <strong>Land</strong>haus in Teufen, das Reka-Feriendorf in<br />

Urnäsch.<br />

Das alte Reise-Ratespiel «Ich seh’ etwas, das du nicht siehst» rückt anderes<br />

in den Blick. Was ich in der zweiten und dritten Heimat übersehe, verdriesst<br />

mich hier – das Verlotterte, Verkitschte, Überdimensionierte, das geschmacklos<br />

Aufgemotzte, Pseudoangepasste, Charakterlose. Das Mehrzweckgebäude<br />

in Walzenhausen zum Beispiel, das Gutenberg-Zentrum in Herisau, in<br />

schlechter Gesellschaft mit weiteren Brutalbauten.<br />

Erinnert sei an Otto Toblers Aufbruchseuphorie von 1909: «Wir sollten es<br />

soweit bringen, dass ein einheitlicher grosser Zug fürs Schöne im ganzen<br />

Volk Wurzel fasst und sich in unserer ganzen Kultur offenbart.» Der erste<br />

Obmann der <strong>Heimatschutz</strong>-Sektion App. <strong>AR</strong> und seine Mitstreiter wollten<br />

zeigen, «dass Heimatschützler und Antiquitätenhändler nicht dasselbe sind.<br />

Ja keine Altertümelei... ja nicht etwas, das Moderduft verbreitet, sondern<br />

etwas, das den Geist der Gegenwart ausströmt».<br />

Der Geist der Vergangenheit wirkt kräftig. Der Geist der Gegenwart aber<br />

hinkt. Ab und zu stilvoll. Häufig stillos, verströmt er mehr Moderduft als<br />

jedes würdig gealterte Bauernhaus. Tut mir Leid, verehrter Otto Tobler, der<br />

«einheitliche Zug fürs Schöne» bleibt Utopie – auch nach 100 Jahren aufmerksamen<br />

<strong>Heimatschutz</strong>es.<br />

Franziska Schläpfer<br />

vorhanden. Am Betriebsstandort sind die Gebäude<br />

zahlreicher und viel grösser geworden.<br />

Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der<br />

<strong>Land</strong>wirte haben schon früher das Bild der <strong>Land</strong>schaft<br />

ausserhalb von Dörfern und Weilern geprägt.<br />

Sie tun es auch heute unter völlig andern<br />

Voraussetzungen. Schönes und nostalgisch Verklärtes<br />

(sind deshalb die Bilder der Bauernmaler<br />

so beliebt?) ist dabei verloren gegangen.<br />

Mit einiger Sorgfalt können wir aber vieles in die<br />

neue Zeit hinüber retten. Passende Baumaterialien,<br />

sorgfältige Gestaltung der Gebäude, eine gute<br />

Einpassung ins Gelände und eine möglichst unauffällige<br />

Lagerung der Siloballen können zusammen<br />

mit dem immer noch vorhandenen Grün der<br />

Wiesen und der abwechslungsreichen <strong>Land</strong>schaft<br />

eine gute, eine «häämelige» Gesamtwirkung<br />

geben.<br />

Seiten 4/5<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

mini Häämet<br />

Bauernhof und andere Häuser<br />

in der <strong>Land</strong>schaft.<br />

01 Januar<br />

01 Waldstatt 01 Wald<br />

01 Urnäsch 01 Teufen 01 Grub<br />

01 Herisau 01 Bühler 01 Heiden<br />

01 Schwellbrunn 01 Gais 01 Wolfhalden<br />

01 Hundwil 01 Speicher 01 Lutzenberg<br />

01 Stein 01 Trogen 01 Walzenhausen<br />

01 Schönengrund 01 Rehetobel 01 Reute


Als wäre die Zeit stehen geblieben<br />

Anfangs der 1960er-Jahre zogen wir vom Dorf aufs <strong>Land</strong>, aus dem Mehrfamilienhaus<br />

ins Bauernhaus, den Weiler «Hinterhof» am Rand von Herisau.<br />

Sassen am Fenster und staunten. Hinüber nach Hundwil und Stein, hinauf<br />

zur Hundwilerhöhe, zum Säntis. Still lag die Strasse vor dem Haus. Nichts<br />

rührte sich. Dann: «Ein Velofahrer!» Er blieb die Sensation des ersten Tages.<br />

Trügerische Idylle. Jeden Abend warteten die Bauern wortlos neben ihren<br />

Tansen aufs Milchauto.<br />

Manchmal, nachts, wenn die Bise heulte, flüsterten die uralten Strickwände.<br />

Im Halbschlaf bewegte ich mich durch die Geschichte der einstigen Herberge<br />

am Handelsweg von St. Gallen ins Toggenburg, belauschte wandernde<br />

Handwerksburschen, Viehhändler, Wegelagerer, Fuhrleute. Wie der bunte<br />

Flickenteppich in meinem Zimmer breiteten sich die Schicksale der Generationen<br />

von «Hinterhof»-Bewohnern aus.<br />

Wiederkehrend im Juni herrschte festliches Leben auf der Strasse. Der Nachbar<br />

fuhr zur Alp. Im Tumult des Aufbruchs frassen die weissen Geissen –<br />

kleine Tragödie im Namen der Tradition – blitzschnell unseren blühenden<br />

Garten kahl, bevor sie hinter dem jüngsten Buben herzottelten, der in leuchtender<br />

Tracht den Zug anführte.<br />

Alle zwei Jahre die Prozession der Säbelbewehrten an die Hundwiler <strong>Land</strong>sgemeinde.<br />

Freunde tranken ein Glas Wein im Garten, bevor sie abbogen<br />

hinunter ins Tobel, zur gedeckten Holzbrücke über die Urnäsch, 1778 «weg<br />

geschwämt durch unerdenckliche Grosse wasser flutt“, im selben Jahr von<br />

Hans Ulrich Grubenmann wieder erbaut, auch «sprechende Brücke» ge-<br />

Wege sind nutzlos.<br />

Wirklich?<br />

02 Februar<br />

nannt: «Alle menschen die gehen auf das tieffe thall, Die dencken Fleissig<br />

an Gott so thun sie keinen fahl.» Als die Hundwiler <strong>Land</strong>sgemeinde 1989<br />

den Frauen endlich das kantonale Stimmrecht gewährte, war ich längst weggezogen.<br />

Der staubige Verkehrsweg wurde zur multifunktionalen Sportbahn. Langläufer<br />

auf Rollskis, Biker, Inline-Skater, Nordic-Walker, Geher, Spaziergänger,<br />

Wanderer, Töff-Freaks. Unter den Joggern Bundesrat Hansruedi Merz.<br />

Ausflügler erinnern im sonntäglichen Stau den patenten Schleichweg. Die<br />

touristische Entwicklung ist an der Steblenstrasse beispielhaft abzulesen.<br />

Die Schönheiten zwischen Bodensee und Säntis werden ja auch tüchtig<br />

vermarktet. Kräftige Sennen, kecke Blässe. Kühe auf saftigen Wiesen,<br />

Geranienfülle vor den Fenstern. Alles heimelig heiter, niedlich friedlich. Der<br />

ganze Appenzeller Zauber, wo man hinklickt auf www.appenzellerland.ch.<br />

Das Motto dazu? «Als wäre die Zeit stehen geblieben.»<br />

Täglich fahren gegen 70'000 Idyllensucher auf den Autobahnen A1 und<br />

A13 an den Locktafeln vorbei: «Ferienregion Appenzellerland!» Das kleine<br />

<strong>Land</strong> ist begehrt, bedrängt. Noch immer kein Zubringer zur Nationalstrasse,<br />

noch immer keine Umfahrung des verkehrsgeplagten Herisau. Unter blauem<br />

Himmel ein schreckliches Gewimmel im Alpstein. Ein menschlicher<br />

Alpaufzug, die Gratwanderung Staubern – Saxerlücke. Mit Staugefahr. «Als<br />

wäre die Zeit stehen geblieben.»<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Bruno Diebold,<br />

Stein,<br />

Präsident Appenzell A. Rh.<br />

Wanderwege VAW<br />

Wege und Strassen gibt es in unserem Kanton<br />

viele, sie prägen das <strong>Land</strong>schaftsbild in grossem<br />

Mass. Die Vielfalt ist enorm: liebliche Wiesenwege,<br />

Kieswege, Gehwege, öffentliche Fusswege,<br />

Privatwege, 732 km Wanderwege, Natursträsschen,<br />

Kiesstrassen, geteerte Zufahrtsstrassen, hässliche<br />

Betonstrassen, usw. Sie dienen verschiedenartigen<br />

Wegbenützern. Diese haben Ansprüche,<br />

die sich oft ändern, ja steigen!<br />

So werden kleine Wege zu grösseren, grössere zu<br />

grossen, grosse zu übergrossen ausgebaut, zum<br />

Nutzen meist nur einer Interessensvertretung.<br />

Solche Eingriffe aber verändern nicht nur den Weg,<br />

die Strasse selber, sondern sie verändern das<br />

<strong>Land</strong>schaftsbild. Die liebliche Appenzellerlandschaft<br />

wird zur industrialisierten <strong>Land</strong>schaft, die Kleinräumigkeit<br />

mit den dazugehörigen Erschliessungen<br />

wird jäh gestört durch breite, immens prägende<br />

Pisten, die Verkehr anziehen, ihn schneller werden<br />

Das Elternhaus (rechts) von<br />

Franziska Schläpfer im<br />

Weiler «Hinterhof» an<br />

der Steblenstrasse in Herisau<br />

lassen, grössere Benutzer zulassen, durch Kosten<br />

und Unterhalt viel Geld verschlingen.<br />

Wege sind Heimat, bedeuten Wohlbefinden. Der<br />

Mensch braucht dringend Oasen, die nicht betoniert,<br />

geteert, befestigt sind! Nicht überraschend<br />

ist das Ergebnis der kürzlich gemachten Umfrage<br />

in unserem Kanton: Eine übergrosse Mehrheit<br />

möchte das natürliche <strong>Land</strong>schaftsbild, die typische<br />

Appenzeller <strong>Land</strong>schaft unbedingt erhalten!<br />

Darum sind Wege, und seien sie noch so klein, auf<br />

jeden Fall von überproportionalem Nutzen.<br />

Eingriffe in unsere <strong>Land</strong>schaft müssen gut überlegt<br />

sein, unserem Gemüt, unserer psychischen<br />

und physischen Gesundheit, unserer Heimat zu<br />

Liebe. Für Wanderer zum Beispiel sind naturbelassene<br />

Wege Balsam für das Herz und die Seele<br />

und eine Wohltat für Gelenke und Füsse.<br />

Nutzlos?<br />

Seiten 6/7<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Weg<br />

Lieblingsstrasse, -gasse, -treppe<br />

02 Februar<br />

02 Waldstatt 02 Wald<br />

02 Urnäsch 02 Teufen 02 Grub<br />

02 Herisau 02 Bühler 02 Heiden<br />

02 Schwellbrunn 02 Gais 02 Wolfhalden<br />

02 Hundwil 02 Speicher 02Lutzenberg<br />

02 Stein 02 Trogen 02 Walzenhausen<br />

02 Schönengrund 02 Rehetobel 02 Reute


Im Clinch zwischen Tradition und Folklore<br />

Auf einem verblichenen Foto mein Vater als Kind in der Tracht. Er singt für<br />

eine Gesellschaft im elterlichen Gasthaus Löwen in der Säge Herisau. Steht<br />

da in der etwas gekrümmten Haltung der Erwachsenen, wie alle Bauernbuben.<br />

Mutter pflegte manchmal ihre indonesischen Wurzeln und wickelte<br />

sich zu Hause in einen Sari. Dann passten meine Wellensittiche zu ihr.<br />

Meist trug sie Hosen, und wurde im Dorf nicht gegrüsst. Herisau war ihr<br />

lange keine Heimat.<br />

Die Macht der Kleider. Mama spielte jahrelang den gefürchteten Samichlaus,<br />

ohne dass ich den geringsten Verdacht hegte. Verstörende Entlarvung.<br />

Auch wie das lächelnde, elegante «Rollewiib» sich vor meinen Augen zum<br />

knorrigen Bauern zurückverwandelte.<br />

Am Kinderfest promenierte ich im luftig weissen Kleid und bemitleidete<br />

die in ihre Trachten geschnürten Mädchen der Aussenbezirke. Noch wusste<br />

ich nichts von der Diskussion über «das Eigene und das Fremde». Nichts<br />

von Bauernführer Ernst Laur, einem Vater der «Geistigen <strong>Land</strong>esverteidigung»,<br />

Präsident der 1926 gegründeten Schweizerischen Trachtenvereinigung,<br />

Mitbegründer des Heimatwerks. Er prägte den Ausspruch «Schweizer<br />

Art ist Bauernart». Die Tracht als Kleid der Heimat, Sinnbild vaterländischer<br />

Gesinnung.<br />

Ein Appenzeller Senn in Festtagstracht konnte mich als junge Frau schon<br />

zum Träumen bringen: edel, schmuck, leuchtend, vom blumenbekränzten<br />

Hut bis zur Silberschnalle am Schuh. Erinnerte in nichts an den Mist schaufelnden<br />

Bauer. Vielleicht entfernt an Wenzel Strapinski in Kellers «Kleider<br />

03 März<br />

machen Leute», den armen Schneidergesellen aus Seldwyla im eleganten<br />

Mantel, der in Goldach als polnischer Graf gefeiert wurde.<br />

Schein und Sein. In der Tracht imponiert auch das «Jodelchörli Urnäsch».<br />

Bis nach der Lobpreisung von Freiheit, Alpenglühen, Heimatliebe am<br />

Schwingfest 2009 ein paar Schnupfsprüche über kopulierende Mönche und<br />

«gottverdammtes Jugopack» live in die guten Stuben rutschten. Ja, «warum<br />

gibt es keine heimatlose Rechte?» Das wollte schon Max Frisch in seinem<br />

Fragebogen zur Heimat wissen.<br />

Die Appenzeller sind im Clinch zwischen gelebter Tradition und touristischer<br />

Folklore. Mir war, nur zum Beispiel, immer feierlich zumute, wenn<br />

ein Schuppel Silvesterchläuse vom Nachbarhof durch den Schnee getänzelt<br />

kam, Vater sich beim dritten Zäuerli in den Kreis stellte und beim «Gradhebe»<br />

mithalf. Als die Chläuse im Dorf Herisau auf Bühnen stiegen und<br />

Extrazüge die Schaulustigen nach Urnäsch zum Alten Silvester brachten, war<br />

die Magie des archaischen Rituals dahin.<br />

Noldi Alder, experimentierfreudiger Volksmusiker und Erneuerer des Naturjodels,<br />

braucht für seine Auftritte keine Tracht. Die Tradition, sagte er in<br />

«Obacht Kultur», kann «eine Selbsttäuschung» sein. Manches, etwa das<br />

Chlausen, war ganz anders. Die Ausserrhoder Tracht viel bescheidener.<br />

Die Volksmusik eine Tanzform – «jetzt ist sie vom Fuss in den Kopf hinauf<br />

gewandert und wir bringen sie nicht mehr hinunter.»<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Rolf Lenz,<br />

Ehrenobmann der<br />

Trachtenvereinigung<br />

Appenzell Ausserrhoden<br />

Mis Hääss<br />

1992 durfte ich zum erstenmal z’Alp fahre.<br />

Ich war so begeistert, dass ich umgehend beim<br />

Schneider Sepp Brülisauer in Stein <strong>AR</strong> mein<br />

eigenes Hääss bestellt habe. Das rote Brusttuch<br />

hat mir meine Frau Ruth an einem Kurs der<br />

Ausserrhoder Trachtenvereinigung gestickt und<br />

genäht.<br />

10 Jahre lang konnte ich als Senn meinem Kollegen<br />

helfen z’Alp fahre und jedes Jahr war ich einige<br />

Wochen bei ihm auf der Alp Selun im Toggenburg.<br />

Ich durfte melken, käsen, Geschirr waschen, Kühe<br />

hüten, Kuhfladen zusammennehmen, Bergheuen<br />

und so weiter.<br />

Bauernkinder in der Tracht<br />

an der Viehschau Speicher 2009<br />

So konnte ich das Brauchtum rund um den Säntis<br />

erleben und immer war mein Hääss im Mittelpunkt.<br />

Sei es beim z’Alp fahre, beim Besuch des<br />

Berggottesdienstes und der Stobete, auf der<br />

Alpwanderung und an Unterhaltungen oder bei<br />

einer Beerdigung.<br />

Ich bin Stolz auf mein Hääss, was für mich auch<br />

Heimat, Zugehörigkeit und Naturverbundenheit<br />

bedeutet. So habe ich als Obmann der Ausserrhoder<br />

Trachtenvereinigung bei allen Sitzungen<br />

kantonal, regional, schweizerisch sowie an allen<br />

Anlässen immer mit Freude die Tracht getragen.<br />

Seiten 8/9<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

mis Hääss<br />

Lieblingskleidungstück,<br />

Arbeitsgewand, Vereinsuniform...<br />

03 März<br />

03 Waldstatt 03 Wald<br />

03 Urnäsch 03 Teufen 03 Grub<br />

03 Herisau 03 Bühler 03 Heiden<br />

03 Schwellbrunn 03 Gais 03 Wolfhalden<br />

03 Hundwil 03 Speicher 03 Lutzenberg<br />

03 Stein 03 Trogen 03 Walzenhausen<br />

03 Schönengrund 03 Rehetobel 03 Reute


Plötzlich diese Übersicht<br />

Ein Lieblingsort, kein Geheimtipp. Die Hundwilerhöhe, bescheidener Hügel<br />

mit grandioser Rundsicht, 1309 Meter über Meer, «Himmelreich» genannt<br />

vor der Teilung in zwei Halbkantone. Lockt mit Chäshörnli, Schoggicrème,<br />

pausenloser Gastfreundschaft. Zweite Heimat für viele. Stammgäste finden<br />

den Weg auch bei Hudelwetter, selbst im Winter – nicht nur zu den monatlichen<br />

«Gipfelgesprächen». Marlies Schoch, die weltoffene Seele des Hauses,<br />

ist Gastwirtin, Politikerin, Ratgeberin – grossherzige Menschenfreundin für<br />

alle und jeden.<br />

Von da oben betrachte ich das <strong>Land</strong> richtig heimatverliebt. An klaren Tagen<br />

verschwimmt das Naheliegende. Freie Sicht aufs Mittelmeer ist auch hier<br />

nicht zu haben, aber Ausblick von A bis Z, von Appenzell bis Zugspitze, Zitterklapfen,<br />

Zillertaler Alpen.<br />

Die Höhe beflügelt die Phantasie, schärft die Sinne für Unsichtbares, Verstecktes.<br />

«Plötzlich diese Übersicht»! Ich schmunzle mit den Künstlern<br />

Fischli/Weiss, die mit ihren tönernen Szenen ironisch die Stereotype unserer<br />

Wahrnehmung überlisten. «Plötzlich diese Klarsicht»! Ich krame Urs<br />

Widmers köstlich derben Appenzell-Schwank aus der Erinnerung. Im Ballon<br />

gondelt er über die Hügel. Betrachtet aus distanzierter Nähe das <strong>Land</strong> wie<br />

ein Pop-up-Bilderbuch, ein Klapp-Theater. Guckt in die gute Stube eines<br />

Innerrhoder Bauern, der angeblich dem Steueramt schreibt, in Wahrheit aber<br />

der Geliebten. «Innerrhoden bleibt Innerrhoden», denkt er, «darum habe<br />

ich immer eine Geliebte aus Ausserrhoden. Die sind dort alle ziemliche<br />

Luder, wenn auch nette, scharfe.» Während er zum Briefkasten geht, ver-<br />

Mein Lieblingsort<br />

04 April<br />

gnügt seine Frau sich mit dem Briefträger. Zu dritt trinken sie noch ein paar<br />

Schnäpse, das stimmt vor allem den Briefträger redselig.<br />

Keine frechen Höhenflüge, eher heimelige Höhlengefühle bot die SAC-Hütte<br />

Chammhalden, vierzig Wanderminuten über der Schwägalp. Ort für harmlose<br />

Geschichten, bevölkert von Bergmännlein, Wurzelkindern, Wiesenzwergen.<br />

Kinderferienheimat: Petroleumlicht, kratzige Wolldecke, das Holzfeuer.<br />

Im Sommer via Girenspitz auf den Säntis kraxeln. Im Frühling fröhliche<br />

Skifahrten über letzte Schneeflecken, an Wolken blühender Krokusse vorbei.<br />

In der Schneehütte leben. Die Totenstille aushalten, wenn wir tagelang<br />

eingeschneit waren. Jahrzehnte später die Asche der Eltern in den Wind<br />

streuen.<br />

Heute sind die Berge entzaubert, die Drachen, Teufel, unerlösten Jungfrauen<br />

und sündigen Sennen sind vertrieben vom alpinen Exerzierplatz für Leistungshungrige.<br />

Der Alpstein als Kulisse für Events: E-Bike-Plausch, Alpolympiade.<br />

Mountainboarden mit dem «Alpstein-Event-Team». «Säntis-Challenge, the<br />

alpine Duathlon». «Auf Schwägalp und Säntis ist immer etwas los», sogar<br />

ein Töffgottesdienst auf dem Gipfel – mit Rockmusik.<br />

Wenn nach ein paar Zweiern in der Gaststube von Marlies Schoch die Klarsicht<br />

getrübt ist, kann es passieren, dass die alten Geister noch einmal ihre<br />

Spiele treiben – auf der Hundwilerhöhe, auf Chammhalden ganz bestimmt.<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Heinz Meier,<br />

Raumplaner,<br />

ehemaliger<br />

Gemeindepräsident<br />

von Rehetobel<br />

Wenn ich an meine Jugendzeit zurückdenke, mag<br />

es zutreffen, dass ich nur einen Lieblingsort bevorzugte,<br />

unsern Spielplatz vor dem Haus. Ein Ort<br />

wo wir uns mit gleich Gesinnten trafen. Mit dem<br />

Grösser werden, wuchs die Neugier nach neuen<br />

Orten. Da war auch der Pflanzgarten meines Grossvaters<br />

mit den schmackhaftesten Früchten die ich<br />

je kannte. Dieser Platz war jedoch nur saisonal so<br />

zu erfahren. Im Laufe der Jahre hat meine Mobilität<br />

zugenommen, Ausflüge und Reisen haben neue<br />

Orte erschlossen, mein Erfahrungsschatz ist weiter<br />

gewachsen. Meine Lebensumstände, Beziehungsfelder,<br />

Bedürfnisse und Interessen haben sich verändert.<br />

Viele Lieblingsorte, die meine Empfindungen<br />

und Wahrnehmungen für Orte ganz wesentlich<br />

geprägt haben, sind dazu gekommen, andere sind<br />

verschwunden.<br />

Die weisse Katze auf der<br />

Hundwilwerhöhe beim Bad<br />

an der Vorfrühlingssonne,<br />

während ihre schwarze<br />

Artgenossin dem Fotografen<br />

um die Beine streicht.<br />

Was ist es, was das Wohlbefinden an einem Ort<br />

verursacht? Für mich kann der Ort in einer unberührten,<br />

offenen, natürlichen <strong>Land</strong>schaft liegen oder<br />

auch in einer vielfältigen Kulturlandschaft, wenn<br />

die Kultivierung der Natur folgt und sich ihr anpasst.<br />

Er kann aber auch bebaut sein, wenn er mit den<br />

Menschen die ihn bewohnen und beleben authentisch<br />

ist und wenn Aussenräume und Bauten, die<br />

sie umgeben, in Harmonie zueinander stehen und<br />

gepflegt sind. Immer aber sind es auch die sich an<br />

diesen Orten aufhaltenden Menschen und ihr Verhalten,<br />

die prägen und mitverantwortlich sind, ob<br />

wir uns dort wohl fühlen.<br />

Für mich gibt es viele Lieblingsorte, sie können überall<br />

sein. Ich geniesse das Hier und das Dort, bin<br />

froh, dass mein Wohnort einer meiner Lieblingsorte<br />

ist, an dem ich mich täglich erfreuen kann, mir<br />

aber auch noch andere Perspektiven offen stehen.<br />

Seiten 10/11<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Lieblingsort<br />

im Garten, im Wald,<br />

auf dem Spaziergang...<br />

04 April<br />

04 Waldstatt 04 Wald<br />

04 Urnäsch 04 Teufen 04 Grub<br />

04 Herisau 04 Bühler 04 Heiden<br />

04 Schwellbrunn 04 Gais 04 Wolfhalden<br />

04 Hundwil 04 Speicher 04 Lutzenberg<br />

04 Stein 04 Trogen 04 Walzenhausen<br />

04 Schönengrund 04 Rehetobel 04 Reute


Wissen macht Bürger<br />

Der Titel ist abgekupfert. Arthur Sturzenegger publizierte unlängst die<br />

Geschichte der Lesegesellschaft Bach in Trogen: «Wissen, Macht, Bürger».<br />

Oder «Wissen macht Bürger»? Als lesesüchtiges Kind beneidete ich Familien,<br />

in denen die imposante Lesemappe zirkulierte. Später faszinierten mich diese<br />

«Urzellen der Demokratie», wie Lesegesellschaften oft genannt werden.<br />

Dass sie sich bis heute halten konnten, ist ein appenzellisches Phänomen.<br />

Die Aufklärung, der Kampf für die Demokratisierung der Macht, bereitete<br />

den Boden für diese bildungsbürgerliche Institution. Die Lesegesellschaft<br />

ersetzt die Hierarchie der Stände durch die Plausibilität des Arguments.<br />

Ende des 19. Jahrhunderts hatte jede Ausserrhoder Gemeinde (ausser<br />

Schönengrund) mindestens eine Lesegesellschaft. Politisch und konfessionell<br />

unabhängig, organisierten sie die Meinungsbildung via Diskussion,<br />

Lesemappe, Bibliothek. «Gegenseitige Belehrung durch Vortrag und Lesen»<br />

statuierte die Lesegesellschaft Bissau in Heiden. Je ländlicher allerdings,<br />

umso praktischer: In Aussertobel (Zelg-Wolfhalden) wollte man vor allem<br />

Kenntnisse «in Viehzucht, Obstbau und Waldkultur» verbessern.<br />

Für den Soziologen Thomas S. Eberle ist die politische Kultur nach wie vor<br />

«mehr von Aussprache als von Gesinnungsschablonen» geprägt. Der Konflikt<br />

zwischen sachbezogenem Entscheid und parteistrategischen Überlegungen<br />

sei den Appenzellern weitgehend fremd geblieben («Die Appenzeller Lesegesellschaften<br />

im Fernsehzeitalter»).<br />

Von den gut 60 Lesegesellschaften überlebten 28 in 14 Gemeinden – in<br />

Rehetobel sogar vier, je drei in Wolfhalden, Reute, Trogen, Herisau, Schwell-<br />

Heimat – Ort und Gefühl<br />

05 Mai<br />

brunn. «Mitgestaltung des politischen Lebens» heisst es in Wald noch heute.<br />

Aber auch: «Suche nach neuen Vereinsaktivitäten». Die Foren, die einst<br />

liberale Ideen belebten, wandeln sich zunehmend zu Kultur- und Quartiervereinen.<br />

Der Glaube ist geschwunden, die freie Diskussion schaffe automatisch<br />

freiheitliche Zustände.<br />

Kantonsälteste ist die «Sonnengesellschaft» Speicher, 1820 begründet von<br />

Johann Heinrich Tobler. Er engagierte sich für eine moderne Kantonsverfassung,<br />

bemühte sich um einen verfeinerten Chorgesang, organisierte 1825<br />

das erste Kantonal-Sängerfest, vertonte im selben Jahr die Ode «An Gott»<br />

der deutschen Pädagogin und Dichterin Karoline Rudolphi, befreundet mit<br />

Klopstock, hochgeachtet als «weiblicher Sokrates». Ob die inbrünstig singenden<br />

<strong>Land</strong>sgemeindemänner die feminine Herkunft geahnt hatten?<br />

Frauen führen heute die «Sonnengesellschaft» – und nicht nur diese.<br />

«Treffen sich drei Schweizer, gründen sie einen Verein.» Der Spott kommt<br />

nicht von ungefähr. Verein ist Heimat, oft Freundschaft, stets Kitt. Hort zur<br />

Therapie von Heimweh? Auch das. Gleich hinter der Kantonsgrenze trifft<br />

man sich wieder: im Appenzellerverein Flawil, Gossau, Toggenburg.<br />

22 Vereine vom Oberengadin bis ins Wallis repräsentieren die beiden<br />

Appenzell. «Fünf gute Gründe» nennt die Homepage: Pflege von Lebensart,<br />

Brauchtum, der Verbundenheit mit den Heimatkantonen, der Kameradschaft.<br />

Und, man höre, staune, «Pflege unserer Weltoffenheit».<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Marie-Theres<br />

Biasotto,<br />

Präsidentin<br />

Frauenzentrale<br />

Appenzell A. Rh.<br />

Heimat bedeutet wohl für die meisten Menschen<br />

jener Ort, der uns vertraut ist und an den wir uns<br />

durch Beziehungen und prägende Erlebnisse gebunden<br />

fühlen. Dies kann der Ort unserer Geburt<br />

oder ein selbst gewählter Ort sein, an dem wir<br />

Wurzeln geschlagen haben. Der Ort an dem wir<br />

leben oder an den es uns immer wieder hinzieht.<br />

Heimat ist ein Gefühl, das sich entwickeln muss, es<br />

braucht Zeit dazu. Heimat hat mit Liebe zu tun –<br />

Liebe zu einem Ort, einer Region aber auch zu<br />

Menschen, die wiederum mit diesem Ort verbunden<br />

sind.<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> pflegt die Häuser und Orte<br />

unserer Heimat, stellt sozusagen sicher, dass die<br />

Verbindung zur Vergangenheit gewährleistet bleibt,<br />

dass unsere Heimatgefühle nach wie vor an einen<br />

realen Ort gebunden sein können. Heimat als<br />

Gefühl betrachtet, bedingt aber auch eine stetige<br />

Weiterentwicklung. Beziehungen, die wir nicht pflegen,<br />

veröden mit der Zeit. So ist es auch Aufgabe<br />

des <strong>Heimatschutz</strong>es, immer wieder die Balance<br />

zwischen «Bewahren» und «Erneuern» zu finden.<br />

Die Vereine sind ein wichtiger Faktor für die Entwicklung<br />

von Heimatgefühlen. Dort, wo wir Teil<br />

einer Gemeinschaft sind, wo wir uns engagieren,<br />

Gemeinschaftliche Lektüre in<br />

einer Lesegesellschaft ca. 1920<br />

(Staatsarchiv <strong>AR</strong>: Jb.6 Fotonachlass<br />

Rietmann, Herisau)<br />

sei es im Sport, in einem Kulturverein oder in der<br />

Politik, fühlen wir uns zu Hause. Wir sind bereit,<br />

etwas zu leisten für die Gemeinschaft, weil wir uns<br />

selbst als einen Teil dieser Gemeinschaft wahrnehmen.<br />

Die Frauenzentrale Appenzell Ausserrhoden ist einer<br />

dieser Vereine. Sie engagiert sich nicht nur für die<br />

Interessen und Anliegen der Frau, sondern ganz<br />

speziell auch für die Familie, die ein wichtiger Ort<br />

von Heimatgefühlen ist.<br />

So gesehen verfolgen sowohl der <strong>Heimatschutz</strong><br />

als auch die Frauenzentrale <strong>AR</strong> das gleiche Ziel –<br />

die Erhaltung von Lebensräumen, in der sich Menschen<br />

wohl fühlen und damit auch ein Heimatgefühl<br />

entwickeln können.<br />

Seiten 12/13<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Verein<br />

Vereins- oder Klublokal,<br />

Spiel- und Turnplatz...<br />

05 Mai<br />

05 Waldstatt 05 Wald<br />

05 Urnäsch 05 Teufen 05 Grub<br />

05 Herisau 05 Bühler 05 Heiden<br />

05 Schwellbrunn 05 Gais 05 Wolfhalden<br />

05 Hundwil 05 Speicher 05 Lutzenberg<br />

05 Stein 05 Trogen 05 Walzenhausen<br />

05 Schönengrund 05 Rehetobel 05 Reute


«Prüfet alles und behaltet das Beste»<br />

Der Teufener Kirchturm mit dem schlanken Spitzhelm wächst 65 Meter in den<br />

Himmel und wird nur vom Hundwiler Kirchturm überragt. Drinnen überrascht<br />

ein eleganter Festsaal – offen, licht, säulenfrei.<br />

Hans Ulrich Grubenmann übernahm den Bau (1776-1779) nur unter der<br />

Bedingung, «dass man was baufällig niederreisse». Ein unprovinzieller Elan<br />

zeichnete ihn aus, ein Wille zum Weitgespannten, zum Leichten, Schwebenden.<br />

Er baute die kühnsten Brücken, die prächtigsten Kirchen. Letztes Jahr,<br />

zum 300. Geburtstag, ermunterte Ludwig Hasler in seiner Festrede, den<br />

Baumeister nicht nur zu verehren, sondern ihn ernst zu nehmen, etwas von<br />

seiner Mentalität in der eigenen fortzupflanzen, seinen Geist in die Gegenwart<br />

zu retten. Also: «mehr Stolz, mehr Selbstbewusstsein, mehr Schwung,<br />

mehr Beschwingtheit».<br />

Zwar trifft man von Schönengrund bis Lutzenberg viel einstigen Schwung:<br />

Kirchen, Dorfplätze, Gassen, vorbildlich restaurierte Ortsbilder. Daneben<br />

verlottert Altes und lieblos Neues. Jedenfalls stellt sich die Frage auf<br />

Schritt und Tritt: Wo blieb das einst untrügliche Gefühl der Zimmermannsleute<br />

für Proportionen, Formen, Materialien? Wo weht noch ein Hauch<br />

von Grubenmanns Geist?<br />

Er weht! Am Zeichentisch des Herisauer Holzbauingenieurs Hermann Blumer<br />

zum Beispiel. Entwickelte ein geniales Verbindungssystem für Holztragwerke.<br />

Ein Passionierter, Tüftler, Erfinder. Löst scheinbar Unlösbares. Überspannte<br />

das Museum Centre Pompidou im französischen Metz mit einem<br />

spektakulären Dach. Die geschwungene 8000-Quadratmeter-Fläche setzt<br />

sich aus sechseckigen Modulen zusammen wie das Rohrgeflecht eines chine-<br />

Was bedeutet mir<br />

<strong>Heimatschutz</strong>?<br />

06 Juni<br />

sischen Huts. Das hölzerne Ereignis gipfelt in einer Höhe von 77 Metern,<br />

der sechseckige Komplex erinnert an ein gigantisches Zirkuszelt. Ein plastisches<br />

Abenteuer auch die Dachkonstruktion für ein Golf Resort in Südkorea:<br />

himmelwärts strebende Baumstruktur mit ineinander laufenden Baumkronen.<br />

Laut Blumer sind die Grenzen für Spannweiten und Höhen längst<br />

nicht erreicht.<br />

Solche Bauten mögen ein paar Nummern zu gross sein für appenzellische<br />

Verhältnisse. «Auf das Kleine und Echte sind wir stolz», schreibt <strong>Land</strong>ammann<br />

Jakob Brunnschweiler in der jüngsten Imagebroschüre. Klingt nicht<br />

nach Grubenmann. Doch auch Brunnschweiler – Ingenieur und Präsident<br />

der Grubenmann-Stiftung – fordert mehr Mut, alte Häuser abzureissen,<br />

Neues zu bauen – wider denkmalpflegerische Ängste, kulturelle Identität<br />

einzubüssen.<br />

Angst ist ein schlechter Ratgeber. Identität, Heimat sind nicht nur an Vertrautes<br />

gekoppelt. Die Welt ist eine andere – das Appenzellervolk hat sich<br />

mit ihr gewandelt. Salomon Schlatter, Architekt und erster Grubenmann-<br />

Forscher, lobte 1922 in seiner Schrift über das Appenzellerhaus die alten<br />

Baumeister, die fremde Formen «in weiser Auswahl ins gut Appenzellische»<br />

übersetzten. Zu beurteilen sei einzig, ob das Neue «zu uns passt<br />

und sich unserem Bau- und <strong>Land</strong>escharakter einfügen lässt». Und zwar<br />

nicht nach dem Motto «Mer wönd nütz Neu’s, oms Guggers nüd», sondern<br />

nach demjenigen «Prüfet alles und behaltet das Beste.»<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Stefan Frischknecht,<br />

Gemeindepräsident<br />

Urnäsch<br />

Zu unserer Umgebung gehören die <strong>Land</strong>schaft und<br />

deren Bebauung, deren Gestaltung durch die Art<br />

der Bepflanzung sowie die Gebäude, die in ihr eingebettet<br />

sind. Das Hauptthema, um das sich der<br />

<strong>Heimatschutz</strong> kümmert, ist die Baukultur, also die<br />

Geschichte und Entwicklung von orts- und regionaltypischen<br />

Gebäuden.<br />

Heimat ist für mich da, wo ich mich wohlfühle, wo<br />

ich mich auskenne. Dazu gehört die Umgebung<br />

mit all ihren Inhalten, der <strong>Land</strong>schaft mit ihrer Bebauung,<br />

die «heemeligen» Gebäude ebenso wie<br />

die tiefgrünen Wälder und Wiesen. Der <strong>Heimatschutz</strong><br />

versucht, Hausbesitzer zum Erhalt und zur<br />

Pflege von typischen Gebäudeteilen zu motivieren<br />

und hilft mit, Wege dafür zu finden. Das gilt auch<br />

für Gebäudegruppen, die als gewachsene Einheit<br />

wahrgenommen werden.<br />

Prägende Häuserzeilen mit<br />

«Grubenmannkirche» in Teufen<br />

<strong>Heimatschutz</strong> erachte ich auch als Gratwanderung.<br />

Nicht alles, was alt ist, ist automatisch schützenswert.<br />

Jede Generation muss innerhalb eines gewissen<br />

Rahmens die Möglichkeit haben, die vorhandene<br />

Bausubstanz geänderten Begebenheiten anzupassen<br />

und zeit- und bedürfnisgerechte<br />

Neuerungen vornehmen können.<br />

In diesem Sinn betrachte ich die Feriendorfsiedlung<br />

in Urnäsch – modern, funktional, der Topografie<br />

des Baugrundstückes ideal angepasst und erst<br />

noch aus einheimischem Holz erbaut – als gelungenes<br />

Beispiel.<br />

Die Festlegung, wo wie weit angepasst und umgestaltet<br />

werden kann, ist eine sehr delikate, aber<br />

auch ungeheuer wichtige Aufgabe. Dafür wünsche<br />

ich dem jubilierenden <strong>Heimatschutz</strong> weiterhin viel<br />

Fingerspitzengefühl.<br />

Seiten 14/15<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

mini Gmänd<br />

prägende Gebäude wie Kirche,<br />

Schulhaus usw.<br />

06 Juni<br />

06 Waldstatt 06 Wald<br />

06 Urnäsch 06 Teufen 06 Grub<br />

06 Herisau 06 Bühler 06 Heiden<br />

06 Schwellbrunn 06 Gais 06 Wolfhalden<br />

06 Hundwil 06 Speicher 06 Lutzenberg<br />

06 Stein 06 Trogen 06 Walzenhausen<br />

06 Schönengrund 06 Rehetobel 06 Reute


Krieger, Kanu, Göttertisch<br />

Ein Tisch auf dem Pausenplatz! Wie vom Himmel gefallen, als wär’s ein<br />

Göttertisch, so riesenhaft steht er neben dem modernen Schulhaus <strong>Land</strong>haus<br />

in Teufen: 7 Meter 80 lang, 2.60 hoch und 3.90 breit. Kein Spieltisch, kein<br />

Stammtisch, kein Runder Tisch für Kunstkonflikte. Kein «Tischchen deck<br />

Dich». Es gibt auch nichts vom Tisch zu wischen. Unter den Tisch kehren<br />

lässt sich vieles, auf die Sitzbänke der diagonal verstrebten Tischbeine passt<br />

eine ganze Schulklasse. Der Tisch, der kein Tisch sein will, ist eine Gegenwelt:<br />

Bühne, Dach, Unterschlupf, Märchenhaus – Heimat auf Zeit.<br />

Gefällig ist der sperrige Gigant aus Lärchenholz nicht, die Jury brauchte<br />

zwei Anläufe und einen Vermittler. Man reibt sich heiter irritiert die Augen,<br />

wie Alice im Wunderland, wo es auch nicht zugeht wie gewöhnlich und<br />

seltsame Gestalten rätselhafte Dinge tun. «Der Tisch war sehr lang, aber<br />

die drei sassen dicht nebeneinander an seinem äussersten Ende. ’Kein Platz,<br />

kein Platz!’ riefen sie, als sie Alice kommen sahen.»<br />

Die Immobilität fasziniert den Teufener Bildhauer Markus Müller. Die Skulptur,<br />

in diesem Fall der Tisch, bleibt, wo man ihn hingestellt hat, auch wenn<br />

sich ringsum alles verändert: Häuser, Strassen, Kleidermode. Jahre später<br />

scheine der Aufwand unverständlich für ein Objekt, «das man nun schrecklich<br />

findet». Doch weil es teuer war, und der Abbau auch nicht gratis wäre,<br />

bleibt es stehen, «bis man es eines Tages wieder gut oder zumindest erstaunlich<br />

findet». «Spannend», meint er, «dass die Skulptur das aushält.»<br />

Dem wackeren Krieger mit Morgenstern und Eichenlaub auf der Vögelinsegg<br />

scheint dies leichter zu fallen. Steht da, als wolle er bis in alle Ewigkeit an<br />

Wer bleibt, kann gehen<br />

07 Juli<br />

den Freiheitskampf der Appenzeller erinnern. Otto Steigers Schlachtdenkmal<br />

(1902/03), gehauen aus kostbarem Marmor, ist eine der zwei Skulpturen<br />

im Wanderführer «Kulturspur Appenzellerland. 50 Kulturobjekte entdekken».<br />

Die andere hingegen macht mobil: Roman Signers «Sport» (1993)<br />

neben der Laufbahn der Kantonsschule Trogen. Führt den einst militärisch<br />

geprägten Sportunterricht ad absurdum, listiger Gegenspieler zum gestählten<br />

Soldaten. Das schnittig rote Kanu, gefüllt mit Beton, hält nicht mal mit<br />

den Langsamsten mit, für die hundert Meter braucht es ein ganzes Jahr.<br />

Signer, Steiger, Müller? Die Kartenserie «Bemerkenswerte Kunst im öffentlichen<br />

Raum» erweitert auf ein gutes Dutzend. Kein üppig gedeckter Tisch.<br />

Ausserrhoden gibt für Kultur 53 Franken aus pro Kopf und Jahr (gesamtschweizerischer<br />

Durchschnitt 112 Franken) – zweitletzter Platz im Kantonsranking.<br />

Der Kunst-Parcours ist schnell durchmessen. Spallo Kolbs Brunnen auf dem<br />

Pausenplatz in Walzenhausen treffe ich verunziert mit geschmiedeten<br />

Rohren (Kerzen vielleicht?) und Sternen aus Ästen. Er war den Schülern im<br />

Advent zu wenig heimelig. Die Skulptur hat das Dorf entzweit.<br />

Droht das Neue, rücken die Ausserrhoder zusammen. Kein Platz für die<br />

zeitgemässe Alice im Wunderland. Brauchen wir nicht, glauben Appenzeller.<br />

Sie halten ihre heimische Welt für Wunder genug.<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

H. R. Fricker<br />

Kunstschaffender Trogen<br />

«Ich bin leidenschaftlich gern ein Fremder. Nur in<br />

der Fremde ist der Fremde ein Fremder, sagte Karl<br />

Valentin. Folglich brauche ich eine Heimat. Weil<br />

ich gerne ein Fremder bin, muss ich gezwungenermassen<br />

mein Zuhause von Zeit zu Zeit verlassen<br />

um das Fremdsein geniessen zu können. Ich zelebriere<br />

das Fremdsein dort jeweils durch lange<br />

Spaziergänge und freue mich über jede Begegnung<br />

mit Einheimischen. Diese verwickle ich in<br />

lange Gespräche über sich selbst und den Ort an<br />

dem sie leben.<br />

Bin ich wieder Zuhause, lade ich gerne Fremde zu<br />

mir ein. Sie sollen ihre Fremde, meine Heimat,<br />

kennen lernen können. Ich führe sie in die Dörfer,<br />

spaziere mit ihnen durch die <strong>Land</strong>schaft, verschaf-<br />

Der «riesenhafte Tisch»<br />

auf dem Pausenplatz des<br />

Schulhauses <strong>Land</strong>haus in Teufen<br />

fe ihnen Begegnungen mit Einheimischen und<br />

berichte ihnen über mich und <strong>Land</strong> und Leute. Sie<br />

sollen sich hier fremd fühlen können.<br />

Es wirkt bedrohlich, wenn mich Leute aus meiner<br />

Umgebung als Fremden bezeichnen, obwohl ich<br />

seit 35 Jahren in Trogen lebe. Wäre ich auch hier<br />

ein Fremder, dann hätte ich kein Zuhause und<br />

könnte folglich kein Fremder mehr sein.»<br />

Seiten 16/17<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

ösers Kunschtwerk<br />

Bild, Skulptur, Denkmal...<br />

07 Juli<br />

07 Waldstatt 07 Wald<br />

07 Urnäsch 07 Teufen 07 Grub<br />

07 Herisau 07 Bühler 07 Heiden<br />

07 Schwellbrunn 07 Gais 07 Wolfhalden<br />

07 Hundwil 07 Speicher 07 Lutzenberg<br />

07 Stein 07 Trogen 07 Walzenhausen<br />

07 Schönengrund 07 Rehetobel 07 Reute


Ins Wasser springen<br />

Sein schönstes Freibad verdankt der Kanton der Krise. 1932 sprangen die<br />

Ersten ins 50-Meter-Becken der «Häädler Badi». Ingenieur Béda Hefti, orientiert<br />

am «Neuen Bauen», wählte einen streng geometrischen Aufbau. Seit<br />

dem Jahr 2000 ist das «Schwimm- und Sonnenbad» saniert, sogar die geheimnisvollen<br />

Keim’schen Mineralfarben sind wieder aufgetragen. Nur die<br />

knallige Gegenwart (Plastikrutschbahn, Sonnenschirme, Badetücher) verdrängt<br />

das kristalline Leuchten des aufgefr<strong>ischt</strong>en Kulturdenkmals.<br />

Das Bad sollte nach der Weltwirtschaftskrise die Gäste zurückholen –<br />

Heiden war ein Weltkurort, 1860 bis 1914. Reiche und Noble aus Deutschland,<br />

dem Baltikum, Russland stiegen hier ab, akklimatisierten sich drei<br />

Wochen, bevor sie weiterreisten in ihre mondänen Bergkurorte. Dasselbe<br />

Programm bei der Rückfahrt.<br />

Gais glänzte schon ein Jahrhundert früher mit internationalem Renommee.<br />

Heilwasser nannte man die Molke. Zahlreiche Heilquellen gehörten zur<br />

kantonalen Kurtradition. Seit über 300 Jahren sprudelt im «Bädli» Unterrechstein<br />

die Schwefel- und Mineralquelle. Das Heilbad mausert sich gerade<br />

zum «Wellnesspark Appenzellerland» für privilegierte Gesundheitstouristen.<br />

Wellness war kein Begriff, als 1960 in Herisau das Freibad Sonnenberg eröffnete.<br />

Für uns Teenager eine Sommerheimat, allerdings ohne Geheimnis,<br />

nicht nur, weil die Sonne jede Tändelei ausleuchtete.<br />

Wasser lockte mich: Bergbäche, Seealpsee, Fählensee, das moorige Gäbris-<br />

Seeli. Die Sitter im wilden Tobel. Mutsprünge vom Felsen ins kalte Becken.<br />

Forellen jagen mit blosser Hand – bei Misserfolg Cervelat braten. Niëlen<br />

Was bedeutet mir<br />

<strong>Heimatschutz</strong>?<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Alice Scherrer<br />

a. Frau <strong>Land</strong>ammann<br />

Grub<br />

Vor dieser Frage steht die andere: Was bedeutet<br />

mir Heimat? Als Regierungsrätin war ich häufig<br />

unterwegs in unserem Kanton. Typische Geländekammern,<br />

Nebelschleier über der Urnäsch, eine<br />

einzelne mächtige Linde, ein verwunschener<br />

Garten mit leicht marodem Gartenhäuschen, ein<br />

gleichzeitig stattliches und nobel zurückhaltendes<br />

Fabrikantenhaus, ein intakter Weiler, die Ausprägungen<br />

unseres Dialekts zwischen Kurzenberg und<br />

Säntis schufen Vertrautheit, Heimat.<br />

Heimat schützen heisst Sorge tragen zum Lebensraum<br />

mit seinen prägenden Merkmalen und<br />

Ressourcen. Heimat schützen heisst auch, ihr Zukunft<br />

ermöglichen. Neues, Ungewohntes, vielleicht<br />

nicht im traditionellen Sinn Schönes brauchen Zeit<br />

und Auseinandersetzung, um Teil dieser Heimat<br />

zu werden.<br />

08 August<br />

Freibad in Heiden<br />

paffen. Dass das Flüsschen Ausserrhoden in zwei ungleiche Hälften – und<br />

politische Spannungsfelder geteilt hat, kümmerte mich nicht. Sogar die<br />

Glatt zog uns an, stinkend und schäumend von den Abwässern der Textilindustrie.<br />

Hexengebräu. Schaudernd erforschten wir die feuchtdunkeln<br />

Winkel der Kolumbanshöhle. Am Saumweiher in Herisau entdeckte Biologielehrer<br />

Rudolf Widmer Wilden Reis. Der Immigrant gaukelte uns fremde<br />

Kontinente vor, gefüllte Schiffsbäuche, das Meer. Ob Reisläufer mit Wildem<br />

Reis zu tun hatten?<br />

Ein anderes Kulturdenkmal entstand ebenfalls in Krisenzeit: die Hundwilertobelbrücke,<br />

unterstützt vom Bund, 1923-25 erbaut mit der damals europaweit<br />

grössten Bogenspannweite von 105 Metern – für den <strong>Heimatschutz</strong><br />

ein Beweis, «dass auch technische Werke die Schönheit einer natürlichen<br />

<strong>Land</strong>schaft noch steigern können».<br />

Die Brücke zog mich magisch an, nicht die Technik, der Blick in die Tiefe<br />

war’s, raunende Rätsel im Ohr: «Ins Wasser gegangen.» – «Stille Wasser sind<br />

tief.» Ich stand und starrte. Ahnte das Doppelgesicht des Wassers. Tief<br />

unten rauschte die Urnäsch, als sei nichts gewesen. Über Jahrzehnte führten<br />

die Appenzeller die Statistik der Selbstmorde an. Die souveräne Erklärung:<br />

«Suizid-Tourismus» auf der ungesicherten Brücke. Die unheimliche<br />

Version: die ebenso sensibel sentimentale wie knorrig verschlossene<br />

Mentalität, die Sorgen mit Humor kaschiert. Nicht allein darum wurde die<br />

Brücke, Max Ritters Pionierleistung im Eisenbetonbau, 1993 gesprengt.<br />

Franziska Schläpfer<br />

Heimat schützen und erneuern fordern Respekt<br />

vor dem Seienden – vor <strong>Land</strong>schaft und Natur<br />

und vor dem, was unsere Vorfahren mit ehrlichen<br />

Materialien und beeindruckender Handwerkskunst<br />

geschaffen haben – und den festen und gemeinsamen<br />

Willen, unseren Kindern eine Heimat im<br />

Gleichgewicht zu hinterlassen.<br />

Seiten 18/19<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Bronne<br />

Weier, Bach, Brunnen, Teich<br />

08 August<br />

08 Waldstatt 08 Wald<br />

08 Urnäsch 08 Teufen 08 Grub<br />

08 Herisau 08 Bühler 08 Heiden<br />

08 Schwellbrunn 08 Gais 08 Wolfhalden<br />

08 Hundwil 08 Speicher 08 Lutzenberg<br />

08 Stein 08 Trogen 08 Walzenhausen<br />

08 Schönengrund 08 Rehetobel 08 Reute


«S’isch ase guet gse!»<br />

Abendsonne auf der Terrasse der Bergwirtschaft Blattendürren, 1080 Meter<br />

über Meer. Ungetrübter Blick in die Hügellandschaft. Glocken bimmeln,<br />

Schwalben schwirren, Begonien leuchten. August-Idylle – von allen Seiten<br />

zu erwandern. Die Speisekarte verheisst ein ländlich-kulinarisches Fest.<br />

Maja Jäger will nicht nur etwas Gutes kochen, «sondern das Einfache besonders<br />

gut». In diesem Fall Älplermagronen mit Bölleschweizi, Södworscht<br />

und Öpfelmues. Die Teigwaren sind hausgemacht, Rahm und Käse (von<br />

Sutter, Brülisau) eine perfekte Melange.<br />

Angesichts dieser Köstlichkeiten ist mir herzlich egal, dass der einzige Rohmilch-«Appenzeller»<br />

aus Goldingen nahe der Zürcher Grenze kommt –<br />

der beste überhaupt, jedenfalls laut Dominik Flammer in «Schweizer Käse»<br />

(2009) –, dass im übrigen «an die 90 Prozent» des Appenzellers aus dem<br />

Kanton St. Gallen stammen, vorab dem Toggenburg. Im Marketing immerhin<br />

sind die Appenzeller unschlagbar: «Das Bankgeheimnis wankt, unser Käsegeheimnis<br />

bleibt.»<br />

Weder die Geheimniskrämerei vom Käse bis zum Alpenbitter noch das Gerangel<br />

um das Echtheits-Label GGA für Mostbröckli, Södworscht, Pantli oder<br />

der Etikettenschwindel mit Mostbröckli aus ausländischem Fleisch kümmern<br />

mich an diesem Ort ländlicher Gaumenfreuden. Seit je dufteten mir<br />

Gerüche die Sinne voll: die Leckerli am Gidio Hosenstoss. Die zerbrochenen<br />

Nidelzeltli im Café Zäch, die wir vom kinderfreundlichen Konditor ergatterten.<br />

Die dunkelkrustig runden Fünfpfünder im «Buchschachen», die im<br />

winzigen Karbäuschen der Emmi Meier auf rohen Brettern glänzten.<br />

Heimat – Ort und Gefühl<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Herbert Mäder<br />

Fotograf, Rehetobel<br />

Seit 45 Jahren bewohne ich mit meiner Familie ein<br />

gestricktes Holzhaus am unteren Dorfrand von<br />

Rehetobel. 1628, in der Zeit des Dreissigjährigen<br />

Krieges gebaut, einst Wirtschaft und Bäckerei Rose.<br />

Die Geister vergangener Generationen begleiten<br />

uns. Vor unseren Augen ziehen sich die sanften,<br />

bewaldeten Hügelzüge von Suruggen, Chellersegg,<br />

Gäbris und Buechen hin, zwischen denen die Felsgipfel<br />

Altmann und Säntis keck hervorschauen.<br />

Speicher, Trogen und Wald säumen die Waldschluchten<br />

von Moosbach und Goldach. Ihre<br />

Kirchenglocken künden Freud und Leid, ihr Stundenschlag<br />

ist der Taktmesser unseres Lebens.<br />

Moosbach- und Goldachtobel, tief eingeschnitten<br />

in die weiche Hügellandschaft, sind in ihrer Wildheit<br />

und oft schwierigen Begehbarkeit Naturoasen<br />

in unserer von der Zivilisation gezeichneten <strong>Land</strong>schaft.<br />

Zu Füssen der «alten Rose», wie alte Dorfbewohner<br />

unserer Haus nannten, liegt das Moosbachtobel.<br />

Ein wegloser Steilhang trennt uns von<br />

der Wildnis mit mächtigen bemoosten Sandsteinblöcken,<br />

kreuz und quer liegenden Baumstämmen<br />

und zum Baden einladenden Tümpeln. Hier bauten<br />

unsere Kinder mit den Gspänli Brücken, wurden<br />

Feuerplätze erstellt, Würste und Äpfel gebraten<br />

und mit Hilfe eines Bergseils an der Buche eine<br />

Riesenschaukel eingerichtet.<br />

09 September<br />

Bergwirtschaft Blattendürren<br />

in Urnäsch<br />

«S’isch ase guet gse!», rühmen die Gäste am Nebentisch. Das kuriose «ase»,<br />

drei Buchstaben nur – und schon schwingen heimatliche Gefühle. Der vertraute<br />

Dialekt gehört zum Lieblingsplatz. Irene Bosshart und Werner Bucher<br />

wissen um die Macht der Sprache. 17 Jahre wirkten und wirteten sie im<br />

«Kreuz» in Zelg-Wolfhalden, vereinten so hartnäckig wie charmant Poesie<br />

und Gastfreundschaft. Eine <strong>Land</strong>beiz als Ort literarischer Entdeckungen.<br />

2006 zügelten sie ihren orte-Verlag 300 Meter höher – und erweckten die<br />

«Rütegg» von Oberegg (AI) zu neuem Leben.<br />

Wirtschaften sind Lieblingsplätze. Wirken der Vereinsamung in der Streusiedlung<br />

entgegen. Der Vereinsamung überhaupt. Meine Grossmutter wirtete<br />

bis ins hohe Alter in der «Blume» an der Herisauer Schmiedgasse.<br />

Hochgewachsen, schlohweisses Haar, eine stolze, strenge Frau. Tabakqualm<br />

hing um die jassenden Männer. Der Keller roch dumpf nach Korken, Wein,<br />

Bier, feuchtem Lehmboden – meine Ferien-Schlafkammer samt Bettungetüm<br />

betäubend nach Kampfer. Aufdringlich tickte die Wanduhr in meine Träume.<br />

Heute baumeln rote Lampions am Schild mit dem goldglänzenden Vogel –<br />

im Schnabel Tulpen, Osterglocken, Stiefmütterchen, Primeln. Die «Blume»<br />

heisst nun «Lotusblume». Am Herd steht Herr Wong Hon Lam aus Hong<br />

Kong. «Hier vereinen sich China und Appenzellerland.» Der Coiffeursalon<br />

im Parterre nennt sich «Hair Design Lyss», die Konkurrenz im Nebenhaus<br />

«Hair-Flair». Blühender Kulturaustausch. Unser Alpen-Edelweiss stammt<br />

schliesslich auch aus China.<br />

Franziska Schläpfer<br />

Die Quellen von Moosbach und Goldach wurden<br />

erforscht. Die Goldach zwischen Schwimmbad<br />

Trogen und Chastenloch bot mit den «Siebengönten»<br />

nicht nur Badeplätze sondern auch heikle<br />

Felsklettereien. An heissen Sommertagen: die kühle<br />

Luft und das erfrischende Bad; im Winter: Eiskaskaden<br />

am Moosbachfall, dessen Wasser, kaum<br />

hörbar, hinter dem dicken Eispanzer murmelte.<br />

Kurz nach der Einmündung des Moosbaches in die<br />

Goldach liegt die Wirtschaft «Chastenloch». An<br />

der Trogener <strong>Land</strong>sgemeinde war da Hochbetrieb:<br />

die Vorderländer nutzten diesen Tag zu einem ausgiebigen<br />

Frühlingsspaziergang.<br />

Diesen Frühling 2010, nach der Wiedereröffnung<br />

des «Chastenlochs» durch Kurt und Jacqueline<br />

Tschopp sind mir die beiden Töbel noch mehr zu<br />

einem prächtigen Stück Heimat geworden.<br />

Seiten 20/21<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

mis Lieblingsplätzli<br />

Ofenbank, Küchennische, Gartenhaus...<br />

09 September<br />

09 Waldstatt 09 Wald<br />

09 Urnäsch 09 Teufen 09 Grub<br />

09 Herisau 09 Bühler 09 Heiden<br />

09 Schwellbrunn 09 Gais 09 Wolfhalden<br />

09 Hundwil 09 Speicher 09 Lutzenberg<br />

09 Stein 09 Trogen 09 Walzenhausen<br />

09 Schönengrund 09 Rehetobel 09 Reute


Die Tradition zum Leben erwecken<br />

«Heimat, wirklich Heimat ist lebendige Tradition, Vergangenheit und Zukunft<br />

zugleich“, schrieb Hans Höhener 1984, damals Erziehungsdirektor, ins<br />

«Heimatbuch für Appenzeller“. Ein wahres Wort. Im Souvenirbusiness praktisch<br />

unbekannt. Wohin man schaut: Massenfabrikation, Erstarrung, vorgetäuschte<br />

Naivität. Für einen kleinen Bevölkerungsteil nur ist das Brauchtum<br />

noch mit dem realen Leben verknüpft. Was der symbolischen Kraft nichts<br />

anhaben kann. Im Gegenteil. Mehr und mehr Junge mögen es wieder bäuerisch.<br />

Die Rollen scheinen verteilt: zeitgenössisches Kunstschaffen hat innovativ,<br />

Kunsthandwerk traditionell zu sein. Als ob nicht gerade letzteres Bewegung<br />

bräuchte, neue Formen finden müsste. Das gelingt immer wieder, etwa den<br />

Musikern Ficht Tanner, Töbi Tobler, Noldi Alder. Dem Hackbrettforscher und<br />

Hackbrettbauer Werner Alder, der Kunsthandwerkerin Gret Zellweger.<br />

Oder Ueli Frischknecht. Vor unserem Treffen gab er seiner Guckkastenbühne<br />

für das szenische Musikwerk «Henry Dunant» in Heiden (Uraufführung<br />

30. Oktober) den letzten Schliff. Das komplizierte Konstrukt kostete den<br />

Erbauer ein paar schlaflose Nächte. Er liebt die Anspannung beim Nachdenken,<br />

Tüfteln, Entwerfen – die Ruhe und Entspanntheit beim Fertigen. Ihn<br />

reizen ausgefallene Wünsche, langwierige Prozesse, die zu einer gescheiten<br />

Lösung führen. Wie lässt sich eine Bühne erfinden, die täglich ihre Gestalt<br />

ändert («poleposition tanz», Basel 2008)? Wie bringt man einen vier Meter<br />

langen Esstisch über verwinkelte Treppen in einen Estrich?<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Gret Zellweger<br />

Kunstwerkstatt Teufen<br />

LASSET UNS AM ALTEN,<br />

SO ES GUT IST, HALTEN<br />

DOCH AUF ALTEM GRUND<br />

NEUES WIRKEN JEDE STUND<br />

Was bedeutet mir <strong>Heimatschutz</strong>?<br />

Heimat: Sehr viel. Die Berge, die Hügel, die Wälder<br />

und Weiden. Die Tiere, die Menschen und<br />

Dörfer, die Sicht auf den Alpstein und den Bodensee,<br />

Malerei, Gesang und Musik, so unverkennbar<br />

vertraut. Von überall komme ich gerne wieder<br />

hierher zurück.<br />

<strong>Heimatschutz</strong>: Elf Prozent des Gebäudebestandes,<br />

2727 Bauten (2006), sind kommunal oder kantonal<br />

geschützt.<br />

Was und wie viel soll geschützt werden?<br />

Unsere <strong>Land</strong>schaft ist eine Art Gesamtkunstwerk –<br />

finde ich. Lattenhäge, Staudenhecken, kleine<br />

Bauerngärten und mehr verschwinden allmählich;<br />

damit müssen wir leben. Trotzdem wollen wir Sorge<br />

tragen zu unserem Kunstwerk. Doch es ist nötig,<br />

dass wir es auch wagen, mit Traditionen zu brechen,<br />

weiter zu denken, damit es weiterlebt.<br />

Alles verändert sich schnell und ständig. Die Betten<br />

sind heute nicht mehr 1,70 m lang, wenn die<br />

Menschen 1,90 m gross werden. In Musik und Gesang<br />

werden verändernde Schritte gemacht. Und<br />

10 Oktober<br />

Handwerk: Ueli Frischknecht tüftelt<br />

an seiner Guckkastenbühne für das<br />

szenische Musikwerk «Henry Dunant»<br />

in Heiden<br />

Was hat er nicht alles entworfen, verworfen, ausgeführt! Schwebend Filigranes,<br />

geerdet Solides. Listig, klar, funktional. Besagte «Tafel», preisgekrönt.<br />

Möbel vom Drahtstuhl bis zum Schubladenständer. Spielerisches vom aufklappbaren<br />

Puppenhaus über Kletterturm bis zur Kugelwasserbahn*.<br />

Kleider sogar, etwa ein «Gwand» mit gestickter Bordüre. Ein Prunkstück<br />

zwischen Sennenhemd und Messgewand. Ueli Frischknecht betrachtet das<br />

Erbe mit den Augen des 30-Jährigen, respektvoll, aber ohne Ehrfurcht – und<br />

stützt sich auf Traditionen, ohne exakt zu wissen, auf welche. Ein philosophierender<br />

Zimmermann, Schneider, Designer, erpicht auf Neuland, fasziniert<br />

von menschlichen «Hilfskonstrukten» wie Hüllen und Räumen. Mehr noch<br />

als der Tisch interessiert ihn, «was mit der Tischgesellschaft und was mit<br />

dem Tisch im Raum passiert».<br />

In meinem Elternhaus versammelten wir uns am alten Hobelbank zum Essen.<br />

Das Bauernhaus war voller Handwerkskunst und Kunsthandwerk: gestrickte<br />

Wände, mühsam befreit von Tapetenschichten, alten Zeitungen, toten Mäusen.<br />

Schwere Zugläden, kunstvoll geschmiedete Türschlösser. Drei wohl<br />

abgestimmte Senntumsschellen. Gesticktes, Geschnitztes, naiv Gemaltes.<br />

Eines Tages richtete sich Johannes Rotach (1892-1981) vor dem «Hinterhof»<br />

ein. Er kauerte auf einem Hocker, schaute sichtlich irritiert auf die Fassade,<br />

dann auf seine blanke Unterlage. «Zu klein» für dieses Haus, nuschelte er<br />

verlegen, »muss einen grösseren Karton holen“ ...<br />

Franziska Schläpfer<br />

*www.kuwaba.ch<br />

trotzdem bekomme ich Hühnerhaut, wenn ein<br />

Stück Identität erhalten bleibt – das ist gut so. Die<br />

Senntumsmalerei kann in der alten Form – mit Ausnahmen<br />

– kaum mehr ehrliche Arbeit sein. Eine<br />

andere Lebensform, andere Materialien, neue<br />

Techniken lassen auch hier Neues gedeihen: Videofilme,<br />

Fotografie, Installationen usw.. Kunstschaffen<br />

kennt keinen <strong>Heimatschutz</strong>, der Einspruch erhebt,<br />

bis es allenfalls um einen Standort geht. Was<br />

wird wohl von der heutigen Kunst und Kultur in<br />

100 Jahren noch erhalten sein oder bestaunt werden?<br />

WAS VERGANGEN, KEHRT NICHT WIEDER,<br />

LEUCHTET ABER LANGE NOCH ZURÜCK.<br />

Wir brauchen eine Tradition, die nicht stehen<br />

bleibt, sondern weitergeht – und läuft und läuft<br />

und läuft...<br />

Seiten 22/23<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

mis Lieblingsstock<br />

hand- oder kunsthandwerkliche<br />

Gegenstände und Materialien<br />

10 Oktober<br />

10 Waldstatt 10 Wald<br />

10 Urnäsch 10 Teufen 10 Grub<br />

10 Herisau 10 Bühler 10 Heiden<br />

10 Schwellbrunn 10 Gais 10 Wolfhalden<br />

10 Hundwil 10 Speicher 10 Lutzenberg<br />

10 Stein 10 Trogen 10 Walzenhausen<br />

10 Schönengrund 10 Rehetobel 10 Reute


Wo bleibt die «trauliche Heimeligkeit»?<br />

Erleichtert die Tür ins Schloss ziehen. Unvertrautes wegsperren: Anonymität,<br />

Kälte, Dunkelheit. Endlich zu Hause, Schuhe ab, Füsse hoch, Feierabend-<br />

Idylle. Intim, entspannt, selbstbestimmt. Wirklich? Packt einen nicht schon<br />

beim ersten Schluck Bier der Isolations-Horror? Also Fernseher an, Facebook-Freunde<br />

her?<br />

Das elterliche Bauernhaus stand stets offen. Bei der Rückkehr von einem<br />

Ausflug, aus den Ferien, lagen Zettel auf dem Küchentisch, kleine Geschenke,<br />

vertrocknete Blumen. Ich mochte mich lange nicht ans Zusperren gewöhnen.<br />

Die Stadtvagabunden, die Versicherung, klar. Aber spazieren Einbrecher<br />

durch die Haustür? Wer steht schon gern vor verschlossener Tür. Gibt<br />

immerhin Gelegenheit zum Spiel: Zeig mir Deinen Eingang – und ich sag Dir,<br />

wer Du bist. Die einen ziehen eine scharfe Grenze zwischen öffentlichem<br />

und privatem Raum – da gibt es zu rätseln. Andere verlängern ihre Privatheit<br />

nach aussen – hier ist alles klar: 3 Kinder, Basteltante, Blumenfreundin.<br />

Jäger, Schütze, Eisenbahnfreak.<br />

«So bildet der Eingang an gar manchem schlichten Hause fast den einzigen<br />

baulichen Schmuck. Auf ihn konzentriert sich der verzierende Aufwand in<br />

durchaus richtiger Weise», notierte Architekt Salomon Schlatter 1922.<br />

Willkommgruss soll er sein, Vorbereitung auf die «trauliche Heimeligkeit».<br />

Trauliche Heimeligkeit? Nichts für die Zellwegers. Nussbaumtüren, prächtiges<br />

Oberlichtgitter, das schon. Aber das Portal zum herrschaftlichen<br />

Palais des Jakob Zellweger-Wetter (1723-1808) am <strong>Land</strong>sgemeindeplatz<br />

verrät nichts über das Innere, die bemalten Turmöfen, verschwenderischen<br />

Mein Hauseingang<br />

11 November<br />

Stukkaturen: Jagdszenen, idyllischen <strong>Land</strong>schaften, Allegorien der Freiheit,<br />

Gerechtigkeit, Hoffnung, des blinden Schicksals, der Zwietracht, des Todes.<br />

Seit Jahrzehnten zieht mich das Relief im Treppenhaus an: die <strong>Land</strong>sgemeinde<br />

in Rosa, lauter Männerköpfe, modelliert von den Brüdern Moosbrugger,<br />

den phantasievoll virtuosen Wanderkünstlern aus dem Bregenzerwald.<br />

Wollte der <strong>Land</strong>ammann die Urdemokratie täglich vor Augen haben?<br />

Ein originelles Denkmal. Zumal die Hundwiler <strong>Land</strong>sgemeinde 1997 definitiv<br />

die letzte war. Auch andere Verluste am Selbstbewusstsein nagten:<br />

Verkauf der Kantonalbank. Die «Appenzeller Zeitung» nur mehr Kopfblatt<br />

des «St. Galler Tagblatts», das legendäre Forum für erneuerungserpichte<br />

Kräfte – jahrzehntelang «kampflustiger und rücksichtsloser als alle anderen<br />

schweizerischen Blätter» (Oscar Alder in «100 Jahre Appenzeller Zeitung»).<br />

Die Wehmut wuchs. Eine Volksinitiative wollte wenigstens die <strong>Land</strong>sgemeinde<br />

zurück. Wurde wuchtig verworfen. Wochen zuvor, am 25. April,<br />

dem eigentlichen <strong>Land</strong>sgemeindesonntag, hatten die Befürworter schon<br />

mal eine «<strong>Land</strong>sgemeinde-Linde» gepflanzt. Was mich an Jakob Sturzenegger<br />

(1828-1904) erinnerte, den Weinhändler aus Trogen, der bei welthistorischen<br />

Ereignissen einen Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum)<br />

pflanzen liess: 1866 nach der Schlacht von Königgrätz, 1870 nach<br />

der Schlacht von Sedan, 1871 nach dem Friedensschluss von Versaille.<br />

Immerhin wartete er zu, bis die Schlacht geschlagen war ...<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Mark Hampton<br />

Pfarrer in Herisau<br />

Wie viele Menschen sind schon durch Ihren Hauseingang<br />

hinein oder hinaus gegangen? Im über<br />

hunderjährigen Pfarrhaus, wo ich wohne, sind es<br />

wohl x-tausende gewesen. Meine Eingangstüre,<br />

aus Eiche und buntem Tiffanyglas gestaltet, bildet<br />

die Schwelle zwischen Innen und Aussen.<br />

Sie eröffnet Räume, die Schutz und Geborgenheit<br />

bieten. Gleichzeitig entlässt sie auch in die weite<br />

Welt, in der wir das Leben erfahren, Neues ausprobieren,<br />

Sinn erkennen und andere finden.<br />

Ein Haus braucht aber beides, starke Mauern und<br />

bewegliche Türen. Mauern bewahren und bergen.<br />

Türen eröffnen und verschliessen. Mauern ohne<br />

Türen würden das Leben ersticken. Türen ohne<br />

feste Wände liessen das Leben erfrieren oder verwehen.<br />

Das Pfarrhaus am<br />

<strong>Land</strong>sgemeindeplatz in Trogen:<br />

Eingang und <strong>Land</strong>sgemeinde-Relief<br />

im Treppenhaus<br />

Der Hauseingang steht auch symbolisch für die<br />

vielen Übergänge, die es im Leben gibt.<br />

Wir überschreiten unterschiedliche Schwellen auf<br />

unserem Lebensweg: Geburt, Erwachsen werden,<br />

Beziehungen eingehen, Sterben. Durch die Erfahrung<br />

solcher Übergänge gelangen wir in andere<br />

Umstände.<br />

Ein Besuch beim Pfarrer, bei einer Pfarrerin ist oftmals<br />

mit solchen Veränderungen verbunden.<br />

Denn Pfarrpersonen sind da, um Menschen und<br />

ganze Gemeinschaften über diese Schwellen zu<br />

begleiten und durch Segensrituale zu stärken – so<br />

wie es auch bei meinem Hauseingang zu lesen ist:<br />

20-C-M-B-10.<br />

Seiten 24/25<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Huusiigang<br />

Eingangstür, Türschloss oder<br />

Portal in der Gemeinde<br />

11 November<br />

11 Waldstatt 11 Wald<br />

11 Urnäsch 11 Teufen 11 Grub<br />

11 Herisau 11 Bühler 11 Heiden<br />

11 Schwellbrunn 11 Gais 11 Wolfhalden<br />

11 Hundwil 11 Speicher 11 Lutzenberg<br />

11 Stein 11 Trogen 11 Walzenhausen<br />

11 Schönengrund 11 Rehetobel 11 Reute


Kaffeerahm-Deckeli vs. Weitsicht<br />

«En Appezellerhüsli hed Frohsinn ond Verstand / ond luegt mit helle Schiibe<br />

i d’Sonn ond wiit is <strong>Land</strong> ...» Ans Fensterputzen dachte ich nicht, wenn ich<br />

als Kind das Lied anstimmte. Viel Sentiment war dabei, doch null Ahnung<br />

von einem solchen «Hüsli». Als Jugendliche dann hatte ich das wettergegerbte<br />

«Gesicht» des Elternhauses vor Augen. Die unzähligen Fenster:<br />

6er-Teilung, Vorfenster mit «Schieberchen» – gläserne Kleinformate, weil<br />

es anders damals nicht ging. Noch später die Streitereien um die richtigen<br />

Sprossen: authentisch unkommod oder praktisch, glatt, billig? Dann doch<br />

lieber tausend Ecken putzen.<br />

Durch moderne Verbundglasfenster blicken die paar hundert Schülerinnen<br />

und Schüler der Kantonsschule Trogen. Hier will man die Persönlichkeit<br />

fördern: «durch Stärkung von Neugierde, Eigeninitiative, selbständigem<br />

Denken und Urteilen, Leistungsbereitschaft, Weltoffenheit und Verantwortungsbewusstsein»<br />

(Leitbild, Punkt 1). Chapeau!<br />

Weltoffenheit war für den Philanthropen Johann Caspar Zellweger-Gessner<br />

selbstverständlich. Mit ein paar Gleichgesinnten gründete er die Kantonsschule;<br />

1821 eröffnete sie mit 17 Schülern. Die Zellweger-Dynastie (Grosskaufleute,<br />

Staatsmänner, Universalgelehrte) gaben im Kanton gut 200 Jahre<br />

den Ton an, prägten Bildungswesen, Politik und Wirtschaft, residierten ab<br />

1747 in urbanen Steinpalästen, brachten es mit Textilhandel «zu einem im<br />

Appenzellerland beispiellosen Wohlstand», dank «profunder Sachkenntnis,<br />

schonungsloser Gewinnorientierung, hoher Warenqualität und puritanischasketischer<br />

Lebensführung» (Thomas Fuchs).<br />

Was bedeutet mir<br />

<strong>Heimatschutz</strong><br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Josef Schmid<br />

Fensterfabrikant,<br />

Teufen<br />

Heimat schützen – scheinbar notwendig und dies<br />

bereits seit hundert Jahren. Absurd – die Heimat<br />

wird doch rundherum geliebt, also wird sie doch<br />

von den «Liebenden» geschützt…?<br />

Dass dem nicht so ist, muss keiner Studie für <strong>Land</strong>schafts-<br />

und Ortsbildschutz entnommen werden,<br />

wenn das Auge entsprechend geschult ist. «Heimat<br />

schützen» wird facettenreich interpretiert. Niemand<br />

würde eingestehen, gerne in einer verwahrlosten<br />

Stadt, einer verstädterten Gemeinde oder in einem<br />

unschönen Haus wohnen zu wollen. Und wer<br />

möchte schon auf die schönen Naherholungsgebiete<br />

verzichten? Wäre da nicht eine entsprechende<br />

Institution, welche sich, wo immer (mehr) nötig,<br />

für schützenswerte <strong>Land</strong>schaft, Städtebau sowie<br />

erhaltens- und schützenswerte Objekte einsetzt.<br />

Wer weiss, ob ohne diesen Einsatz, die Hohe Buche<br />

nicht in «Buchenpark», die Fähnern in «Fähnernressort»<br />

und Teufen in «Modernau» umgetauft<br />

worden wäre.<br />

Fast täglich erlebe ich im Gespräch mit renovationswilligen<br />

Besitzern alter und historischer Objekte,<br />

12 Dezember<br />

Weitsicht im<br />

Schulhaus «Arche» an<br />

der Kantonsschule in Trogen<br />

Erst mit Europa, später mit der ganzen Welt verbunden, spannen sie aus<br />

der Provinz ein Netzwerk, ohne Handy, ohne Internet. Der Arzt Laurenz<br />

Zellweger (1692-1764) etwa, der mit gelehrten Köpfen wie Salomon Gessner,<br />

Johann Jakob Scheuchzer, Johann Jakob Bodmer korrespondierte – sie auch<br />

nach Trogen holte.<br />

«Ond z’Troge machids gschiidi Lüüt, dei geeds so viel Verstand, me schickt<br />

en grad wie d’Stickerei wiit öber Meer ond <strong>Land</strong>» (Julius Ammann).<br />

Trogen, «das Kulturdorf im Appenzellerland». Die Kantonsschule, «Ort des<br />

Lernens mit Weitsicht». Pädagogisch ist die Kanti Spitze, z. B. federführend<br />

in Unterrichtsentwicklung, Typus kollegiale Lehrkunstwerkstätte. Und dennoch<br />

sei im Kanton von intellektueller Schwingung wenig zu spüren,<br />

konstatiert Erich Niederer in seiner Kolumne «Nachlese». Kaum Bewegung,<br />

gestehen ihm auch gestandene Politiker. Abwanderung gut ausgebildeter<br />

Arbeitskräfte, fehlende oder einseitige Wirtschaftsförderung, Mangel an<br />

Bauland, Berufsarten, Unternehmen. «Vom ehemals starken Textil-Kanton<br />

ist wenig übriggeblieben.»<br />

Vielleicht müsste man, statt stur auf «Windows» zu starren, mehr zum<br />

Fenster rausschauen, über den Bodensee hinaus träumen. Über die Runden<br />

kommen wir dank sogenannt Kreativen, der Schrägen, Unruhigen, Unangepassten.<br />

Die «neue, innovative Marketingkampagne» der Tourismus-Leute<br />

wird’s nicht richten: «Noch nie war ein ‚Kafi Crème’ mit so viel Appenzellerland<br />

verbunden. 20 Millionen Kaffeerahm-Deckeli tragen das Appenzellerland<br />

in die gesamte Schweiz hinaus.» Zum Wohl!<br />

Franziska Schläpfer<br />

dass nicht böser Wille hinter einer Falschplanung<br />

steht, sondern Unwissenheit und/oder falsche<br />

Beratung. So kann z.B. Isolationswahnsinn mit dadurch<br />

entstandenen übertiefen Fensterleibungen<br />

und überdimensionierten Fensterprofilen die ursprünglich<br />

harmonische Fassadenarchitektur abwerten.<br />

Dass solche baulichen Veränderungen das<br />

Innenklima infolge knappen Licht- und Wärmeeinfalls<br />

zusätzlich negativ beeinflussen, kommt noch<br />

erschwerend hinzu.<br />

Erfreulicherweise ist die Hemmschwelle, kompetente<br />

Fachleute von Denkmalpflege, <strong>Heimatschutz</strong><br />

und fachkundige Handwerker bei zu ziehen, gesunken.<br />

Nicht wenige gelungen renovierte und<br />

restaurierte Objekte von wertvoller Bausubstanz<br />

beweisen, dass sich «Heimat schützen» lohnt, um<br />

nicht «Heimat-los» zu werden.<br />

Seiten 26/27<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

mis Feeschter<br />

bevorzugte «Ein- und Aussichten»...<br />

12 Dezember<br />

12 Waldstatt 12 Wald<br />

12 Urnäsch 12 Teufen 12 Grub<br />

12 Herisau 12 Bühler 12 Heiden<br />

12 Schwellbrunn 12 Gais 12 Wolfhalden<br />

12 Hundwil 12 Speicher 12 Lutzenberg<br />

12 Stein 12 Trogen 12 Walzenhausen<br />

12 Schönengrund 12 Rehetobel 12 Reute


H E I M A T S C H U T Z G E S C H I C H T E<br />

1910 Gründung der Sektion Appenzell Ausserrhoden<br />

«Der Schutz und die ästhetische Pflege unserer<br />

Heimat» trieb den Initiator und langjährigen ersten<br />

Präsidenten des Ausserrhoder <strong>Heimatschutz</strong>es,<br />

Obergerichtsschreiber Otto Tobler, schon lange<br />

um. Noch bevor es den Schweizer <strong>Heimatschutz</strong><br />

gab, appellierte er an lokale Ortsverschönerungsvereine,<br />

an Baubehörden und schrieb in Zeitungen.<br />

Später ermuntere Tobler die lokalen Verkehrsvereine,<br />

der 1906 gegründeten <strong>Heimatschutz</strong>sektion<br />

St. Gallen-Appenzell beizutreten, weil doch die<br />

Bemühungen des <strong>Heimatschutz</strong>es dem Tourismus<br />

nur dienen würden.<br />

Da es die St. Galler Sektion an «praktischer <strong>Heimatschutz</strong>betätigung»<br />

im Appenzellischen mangeln<br />

liess, schritt Otto Tobler 1910 zur Gründung einer<br />

eigenen Ausserrhoder Sektion. Am 18. Dezember<br />

fand die Gründungsversammlung statt und am<br />

folgenden Tag zählte die neue Sektion bereits 171<br />

Mitglieder! Man schrieb sich neben der Pflege<br />

und Förderung der Baukultur auch den Naturschutz,<br />

die Belebung des heimischen Handwerkes,<br />

Im ersten Jahrzehnt wuchs der ausserrhodische<br />

<strong>Heimatschutz</strong> auf rund 400 Mitglieder an. Mit<br />

mehreren von Salomon Schlatter verfassten Flugschriften<br />

warb man in hohen Auflagen für die<br />

Prinzipien heimatschützerischen Bauens.<br />

Eine erste Schrift war dem Eternit gewidmet,<br />

nicht etwa um das moderne «Allerweltsmaterial»<br />

grundsätzlich zu verdammen, sondern um neben<br />

den Gefahren der Verschandelung auch die<br />

«Möglichkeit einer einwandfreien Verwendung»<br />

aufzuzeigen, etwa bei Scheunendächern oder<br />

als innere Wandverkleidung, besonders in Küchen<br />

und Bädern.<br />

Eine andere Flugschrift behandelte 1918 die Schaufenster,<br />

die als oft überflüssig (z.B. bei Apotheken)<br />

und manchmal sogar schädlich (bei Metzgereien,<br />

Gaststätten) taxiert werden. Wo notwendig, etwa<br />

für Läden mit Stickereien, müssten sie zum Haus<br />

und zur Ortschaft passen. Stämmige Pfosten aus<br />

Holz oder Stein zwischen den nicht zu grossen<br />

die Pflege der heimischen Bräuche und Trachten,<br />

Mundarten & Volkslieder auf die Fahne, «d.h. alles<br />

dessen, was in gutem Sinne zur Eigenart unseres<br />

Volkstums gehört.»<br />

Dass zu den ersten praktischen Geschäften der<br />

Neubau einer Fabrik gehörte, belegt die Offenheit<br />

des <strong>Heimatschutz</strong>es gegenüber den aktuellen Bedürfnissen.<br />

Das mit der Unterstützung des <strong>Heimatschutz</strong>es<br />

entstandene Gebäude von Lobeck &<br />

Fichtner in Wolfhalden gehört auch aus heutiger<br />

Sicht zu den besten Bauten dieser Epoche in<br />

unserem Kanton. Befriedigt konnte Tobler an der<br />

ersten Jahresversammlung im Frühling 1912<br />

vermerken, die von verschiedenen Gemeinden erfolgten<br />

Einladungen zu Bauberatungen seien<br />

«ein Beweis dafür, dass man endlich von der Idee<br />

abkommt, wir seien Nörgler und staubige Altertümler.»<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

Scheiben und keine schwarzen Glastafeln für<br />

die Firmenschilder sind zwei der wichtigen Richtlinien<br />

– die auch heute noch gelten!<br />

Auch der Naturschutz und die Pflege der Mundart<br />

gehörten zum Tätigkeitsfeld. Periodisch erscheinende<br />

mundartliche Feuilletons sollten die durch<br />

den «starken Prozentsatz zugewanderter Elemente,<br />

die Nachahmungssucht fremder Erscheinungen<br />

und die fortwährende sonstige Nivellierung aller<br />

Verhältnisse» bedrohte Mundart stärken. Der<br />

Ausrottung seltener Pflanzen suchte man unter<br />

anderem durch die «Aussetzung von Prämien für<br />

Frevelanzeigen» entgegenzuwirken.<br />

Wolfhalden, Hueb, Fabrik von Heinrich Ilg, 1912<br />

erbaut vom Herisauer Architekturbüro Lobeck&Fichtner,<br />

ein Paradebeispiel der Heimatstilarchitektur.<br />

(Foto: Moritz Flury)<br />

1910 – 1920 Flugschriften und eine zerschnittene Linde<br />

Dass die ausserrhoder Töchter, wenn sie z.B. per<br />

Gesangchor ausrücken sich (zu Recht) in der innerrhoder<br />

Tracht gefallen, gab Obmann Tobler «immer<br />

einen Stich ins Herz». Er regte 1924 die Kreation<br />

einer eigenen Frauentracht an. Keinesfalls sollte<br />

die alte, längst vergessene und unscheinbare Tracht<br />

wiedereingeführt werden, sondern es sollte «in<br />

Anlehnung an das Alte etwas Neues, schmuckes<br />

geschaffen werden, zugleich aber auch etwas<br />

‚ringes‘, bequemes, das sich vielleicht auch als Sportkleid<br />

(für Ausflüge in die Berge) eignen würde.<br />

Die Tracht müsste […] den modernen Anforderungen<br />

der Hygiene & der Pflege des jungfräulichen<br />

Körpers (korsettlos) entsprechen.»<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> gewann in dieser Sache die<br />

Unterstützung von Frl. Hedwig Fisch, Trogen,<br />

Lehrerin für kunstgewerbliche Handarbeiten und<br />

vom Herisauer Kunstmaler Paul Tanner, der im<br />

folgenden Jahr die neue Tracht «in allen ihren Teilen<br />

und ihrer wohldurchdachten Farbenzusammenstellung»<br />

entwarf und später ergänzte um Festtags-,<br />

Arbeits- und Wintervarianten. Die Stoffe bezog<br />

man in Zürich von Grieder, angefertigt wurden<br />

Eine «rücksichtslos zerschnittene» Linde in Trogen<br />

führte zu einem Protestschreiben an die Telegraphen- und<br />

Telephondirektion St. Gallen.<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

1920 – 1930 Professionelle Bauberatung und eine neue Tracht<br />

die Trachten aber im <strong>Land</strong>e, sei es in selbständiger<br />

Hausarbeit oder durch Damenschneiderinnen,<br />

die einen speziellen Trachtenanfertigungskurs besucht<br />

hatten. 1926 entstand die ausserrhodische<br />

Trachtenvereinigung, geleitet von Paul Tanner.<br />

Aus den übrigen Angelegenheiten eines sehr intensiven<br />

Jahrzehnts sei die 1921 eingeführte<br />

Bauberatungsstelle erwähnt, die zunächst vom<br />

Herisauer Gemeindebaumeister Fritz Hiller und<br />

später von Architekt Heinrich Lutzemann (Herisau)<br />

wahrgenommen wurde. 1925 misslang die Rettung<br />

der alten Hundwilertobelbrücke, die dann<br />

aber immerhin bekränzt und vor dem Abbruch<br />

dokumentiert wurde.<br />

Werbebild für die neue Tracht<br />

von Fotograf Rietmann-Haak, St. Gallen, 1925<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

Seiten 28/29<br />

1930 – 1940 Säntisbahn und die moderne Appenzellerstube<br />

Die Säntisbahn war 1933 nicht mehr zu verhindern<br />

und da der Säntis «sowieso ein überlaufener<br />

Berg» sei, beendete der Ausserrhoder <strong>Heimatschutz</strong><br />

seine grundsätzliche Opposition, befürwortete die<br />

Variante einer Schwebebahn, weil sie die Natur<br />

weniger beeinträchtige, und warnte vor der Verunstaltung<br />

der Schwägalp durch Wochenendhäuschen.<br />

Im September 1937 beteiligte sich der <strong>Heimatschutz</strong><br />

mit etwas Besonderem an der kantonalen<br />

Gewerbeausstellung in Teufen. In ein Ausstellungszelt<br />

wurde eine Appenzellerstube eingebaut,<br />

«ebenso bäuerlich als einfach bürgerlich gedacht,<br />

im Sinn der Bestrebungen des <strong>Heimatschutz</strong>es<br />

und des Schweiz. Heimatwerkes, unter Berücksichtigung<br />

des einheimischen Handwerkes, der einheimischen<br />

Weberei und der kunstgewerblich-appenzellischen<br />

Heimarbeit.» Der <strong>Heimatschutz</strong> erhielt<br />

sehr viel Lob für diese Stube und der «Massenandrang»<br />

war so gross, dass eine Absperrung unumgänglich<br />

war.<br />

In den Kriegs- und Nachkriegsjahren wurde nicht<br />

viel gebaut. Das Pestalozzidorf in Trogen und der<br />

Postneubau in Heiden sind zwei der nicht zahlreichen<br />

behandelten Geschäfte. Anstelle einer fehlenden<br />

Naturschutzsektion förderte der <strong>Heimatschutz</strong><br />

das Pflanzen- und Tierreservat Schwägalp, zahlte<br />

50 Franken für den Schutz einer prächtigen Linde<br />

in Hundwil und opponierte gegen den Skilift Osteregg,<br />

allerdings erfolglos. In den Jahren 1945 bis<br />

1950 schuf er eine farbige Lichtbilderserie. Er war<br />

stolz darauf und bezeichnete sie als Hauptwerk<br />

dieser Jahre. Auf politischer Ebene warb er für die<br />

<strong>Land</strong>esplanung und eine kantonale Verordnung<br />

zum Schutz der <strong>Land</strong>schaft.<br />

Ein Lieblingsthema des <strong>Heimatschutz</strong>es war die<br />

<strong>Land</strong>sgemeinde. Als das Kriegsdonnern verhallt war,<br />

rief der Obmann im April 1946 die Turnvereine<br />

auf, die Böller wieder wie früher krachen zu lassen.<br />

Die Pflege der <strong>Land</strong>sgemeindeplätze wurde als<br />

vorrangig und von gesamtschweizerischem Inte-<br />

Appenzellerstube des <strong>Heimatschutz</strong>es an der Kantonalen<br />

Ausstellung für Gewerbe, Industrie und <strong>Land</strong>wirtschaft in<br />

Teufen 1937 (Foto: Hausammann, Heiden).<br />

Neben dem Dauerthema der würdigen <strong>Land</strong>sgemeinde<br />

setzte sich der <strong>Heimatschutz</strong> in den<br />

1930er Jahren unter anderem für schöne neue<br />

Dorfbrunnen ein, worunter speziell diejenigen von<br />

Gais, Walzenhausen und Reute genannt werden.<br />

resse erachtet. Als im Jahre 1946 die erste Taleraktion<br />

unserer Sektion einen Geldsegen von<br />

4'680 Franken brachte, ging man daran, Farbstudien<br />

für Hundwil zu machen und Vorschläge für<br />

die Fassadenmalerei am Hotel Krone in Trogen<br />

einzuholen.<br />

Diesen Projekten kam aber der Dorplatz Urnäsch<br />

zuvor. Dieser präsentierte sich seit Herbst 1950<br />

bis in die späten Sechzigerjahre in abgestuften<br />

Brauntönen. Im Jahre 1968 entschied man sich für<br />

eine farbenfrohere Bemalung nach einem Konzept<br />

von Emil Fässler, Appenzell.<br />

Werner Appenzeller schlug vor, in den Vorstand<br />

auch Frauen beizuziehen. Doch dafür bestand vorläufig<br />

keine Begeisterung. Im August 1946 starb<br />

der verdiente Obmann Dr. Otto Tobler. Der Vorstand<br />

arbeitete in seinem Sinne unter der Leitung<br />

von Oberförster David Hohl weiter.<br />

Für eine Verschönerung der Friedhöfe wandte<br />

sich der <strong>Heimatschutz</strong> mit einem Rundschreiben<br />

an die Gemeinden und schlug z.B. vor, Grabmäler<br />

aus Zinkblech zu verbieten, denn sie beeinträchtigten<br />

die «Würde und Schönheit des Friedhofs<br />

durch grobe Gefühls- und Geschmacksverletzung».<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

1940 - 1950 Geldsegen durch die erste Taleraktion<br />

In den Jahren 1953-1955 wurden die schon lange<br />

angestrebten Malerarbeiten am <strong>Land</strong>sgemeindeplatz<br />

Hundwil ausgeführt. Der <strong>Heimatschutz</strong> beteiligte<br />

sich mit 30% an den Kosten. Ein weiterer<br />

Wunsch ging in Erfüllung. Der <strong>Land</strong>sgemeindebrunnen<br />

konnte anlässlich der Hauptversammlung<br />

1959 in Hundwil eingeweiht werden. Sein<br />

Schöpfer, der Bildhauer Wilhelm Meier wurde zusammen<br />

mit seinem Trogener Schulfreund Julius<br />

Ammann zum Ehrenmitglied ernannt.<br />

Den Dorfbrunnen Trogen liess der Gemeinderat<br />

aus St. Margrethener Natursandstein ausführen.<br />

Diesen Entscheid honorierte der <strong>Heimatschutz</strong> mit<br />

6000 Franken. Das 1727 erbaute Zellwegerhaus,<br />

von 1810 an Gasthaus zur Krone, erhielt 1767 eine<br />

Rokokobemalung. Diese wurde 1870 übermalt<br />

und 1955 durch W. Vogel, St. Gallen, unter kräftiger<br />

Mithilfe des <strong>Heimatschutz</strong>es wiederhergestellt.<br />

Der Vorstand riet der Gemeinde Trogen, über die<br />

Handänderungen am Dorfplatz wachsam zu sein.<br />

Erfreulicherweise ging 1963 der nordöstliche Teil<br />

des Doppelpalastes in den Besitz des Kantons<br />

über.<br />

<strong>Land</strong>sgemeinde in Trogen<br />

(Foto: Archiv <strong>Heimatschutz</strong>)<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes<br />

1950 – 1960 Professionelle Bauberatung und eine neue Tracht<br />

<strong>Land</strong>sgemeindebrunnen von 1959 in Hundwil<br />

Im Jahre 1952 starb Bauberater Architekt Heinrich<br />

Lutzemann. Seine Nachfolge übernahm Architekt<br />

Hans Ueli Hohl aus Herisau.<br />

Anstelle des 1957 verstorbenen David Hohl wurde<br />

Werner Appenzeller zum Obmann gewählt. Von<br />

dessen erster Sitzung protokollierte Prof. Otto<br />

Schmid:<br />

«Im Bestreben, die Sitzungen konzentrierter und<br />

ergiebiger zu gestalten, hat der Obmann eine<br />

wohlgeordnete Zirkulationsmappe geschaffen.<br />

Leider hat sie auf ihrer Jungfernfahrt ihre segensreiche<br />

Wirkung noch nicht voll entfalten können,<br />

weil schon die ersten Empfänger auf die Oeffnung<br />

der Büchse der Pandora verzichteten und sie vorsichtshalber<br />

nicht weitergaben.»<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes


H E I M A T S C H U T Z G E S C H I C H T E<br />

1960 – 1970 Die Linde am Dorfplatz Urnäsch<br />

Die Hauptversammlung 1963 in Bühler erkürte<br />

an Stelle des verdienten Werner Appenzeller den<br />

schneidigen Major Emil Waldburger zum neuen<br />

Obmann. Der verjüngte Vorstand machte sich mit<br />

Elan an die Arbeit und verbesserte mit seinen Vorschlägen<br />

manches Bauprojekt. Bei der Grossbaustelle<br />

Säntisgipfel z.B. erreichte er eine bessere Anpassung<br />

an den Fels. Er wehrte sich gegen das<br />

Aufreissen der Dorfplätze und nervte sich über die<br />

Verschandelung der <strong>Land</strong>schaft durch den ungeregelten<br />

Bau von Ferienhäusern.<br />

Es gelangen spektakuläre Rettungen: Nach dem Tod<br />

der legendären Frieda Fässler erwarb die Gemeinde<br />

Rehetobel das Urwaldhaus; der <strong>Heimatschutz</strong><br />

kaufte die wichtigsten Mobilien, und am 1. Juli<br />

1967 konnte die Wirtschaft zum Bären wiedereröffnet<br />

werden.<br />

In Bühler wurden die Stimmbürger vom Wert des<br />

Türmlihauses überzeugt. Der «alte Haufen» widerstand<br />

der Strassenkorrektion und wurde 1969/70<br />

von H. U. Hohl restauriert.<br />

Linde am Dorfplatz in Urnäsch<br />

1970 – 1980 Endlich ein Raumplanungsgesetz<br />

Dieses Jahrzehnt brachte die schon lange ersehnten<br />

gesetzlichen Grundlagen für die Raumplanung und<br />

den <strong>Land</strong>schafts- und Ortsbildschutz. Im Jahre 1969<br />

hatte das Schweizervolk den Verfassungsartikel über<br />

die Raumplanung angenommen. Aufgrund des<br />

Bundesbeschlusses vom 17. März 1972 über dringliche<br />

Massnahmen wurden provisorische Schutzgebiete<br />

und -objekte bezeichnet. Die Ausserrhoder<br />

Regierung übernahm weitgehend die Vorschläge<br />

des <strong>Heimatschutz</strong>es. Zahlreiche Gemeinden schufen<br />

Lochmülibrücke zwischen Teufen und Bühler<br />

Baureglemente und Zonenpläne. Das schweizerische<br />

Raumplanungsgesetz wurde 1979 angenommen,<br />

das ausserrhodische EG zum RPG an der <strong>Land</strong>sgemeinde<br />

1985.<br />

Die Raumplanung gab dem <strong>Heimatschutz</strong> bessere<br />

Chancen, aber auch viel Arbeit. Pro Jahr verzeichnete<br />

die Obfrau Rosmarie Nüesch gegen hundert<br />

oder auch mehr Besprechungen, Sitzungen und<br />

Augenscheine mit Behörden und dazu viele Bau-<br />

1980 – 1990 Gute Zeiten für den <strong>Heimatschutz</strong><br />

1989 wurde Trogen Schoggitalerobjekt und konnte mit dem Spendenanteil von Fr. 250'000 die Stiftung "Dorf Trogen" gründen.<br />

Die Achtzigerjahre waren gute Zeiten für den <strong>Heimatschutz</strong>.<br />

1981 hatte Dr. Eugen Steinmann mit<br />

dem Band «Vorderland» die Kunstdenkmäler App.<br />

A. Rh. abgeschlossen. Die Bevölkerung war sensibler<br />

geworden und dem Schutzgedanken zum<br />

grossen Teil wohlgesinnt. In diesem Umfeld konnte<br />

Rosmarie Nüesch als treibende Kraft fast Unmögliches<br />

verwirklichen. Der <strong>Heimatschutz</strong> pflegte gute<br />

Beziehungen zu Behörden und Bauherren, wodurch<br />

sich aufwendige Schreibereien und harte Einspra-<br />

chen fast gänzlich erübrigen. Der <strong>Heimatschutz</strong><br />

wurde von Kanton und Gemeinden oft zur Mitarbeit<br />

eingeladen und mit Aufgaben betraut.<br />

Wenn auch Tapeten für die Hausfassade, bedruckt<br />

mit Steinmustern nach freier Wahl, und weitere<br />

Errungenschaften Missfallen erregten, übermässig<br />

dicke Isolationen, mehrfachverglaste Fenster mit<br />

breiten Sprossen sowie Sonnenkollektoren auf<br />

schönen Dachlandschaften Interessenkonflikte aus-<br />

Dem 1765 für Hans Caspar Schläpfer in Grub erbauten<br />

Fabrikantenhaus verhalf eine aufwendige<br />

Restauration zu neuem Glanz.<br />

Die Hauptversammlung vom 5. Dezember 1970<br />

im Ochsen Urnäsch fragte sich, ob das Gätzihaus<br />

erhalten oder ersetzt werden solle. Man war sich<br />

einig, dass der neu bemalte Urnäscher Dorfplatz<br />

schön bleiben muss. Dazu hatte ein Baggerführer<br />

bereits etwas beigetragen, indem er durch einen<br />

krummen Graben der Linde vor der Kirche das<br />

Leben gerettet hatte. Als Anerkennung hinterlegte<br />

der Obmann beim Wirt das nötige Geld für einen<br />

halben Liter. Damit endete die joviale Aera Waldburger,<br />

und diejenige von Rosmarie Nüesch stieg<br />

auf. Emil Waldburger erhielt einen Sennenstreifen<br />

von Adalbert Fässler und dankte gerührt für das<br />

«millionisch schöö Bildli».<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes<br />

beratungen. Der <strong>Heimatschutz</strong> befasste sich mit<br />

grossen Bauvorhaben: Parkierungs- und Zivilschutzanlage<br />

Trogen, Erweiterung Fabrik Walser in<br />

Wald, Klinik am Rosenberg Heiden, Schaukäserei<br />

Stein usw.<br />

Die gute Zusammenarbeit mit der Eidg. Denkmalpflege,<br />

dem Kanton und den Gemeinden und<br />

deren grosse finanzielle Beteiligung ermöglichten<br />

die Unterschutzstellung und Restaurierung der<br />

Dorfplätze Urnäsch (mit Erhaltung des Gätzihauses)<br />

und Gais (mit Ersatzbauten für Schäfli und Fitzihaus),<br />

des Hauses zum Baumgartens in Herisau<br />

und des Weilers Tobel (Gemeinde Lutzenberg).<br />

In Teufen konnte die gedeckte Holzbrücke von<br />

der Göbsistrasse zur Lochmüli versetzt werden.<br />

Der subtile Umgang mit dem Dorfkern brachte der<br />

Gemeinde Gais den Wakkerpreis 1977 ein.<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes<br />

lösten, die Haslen- und die Hundwilertobelbrücke<br />

abgebrochen werden mussten, überwog doch das<br />

Positive. Die Mitgliederzahl stieg von 696 im Jahre<br />

1982 auf 859 im Jahre 1990. Zahlreiche gut gelungenen<br />

Restaurationen wie z.B. Gemeindehaus,<br />

Blume und Zythus in Teufen, die Alte Mühle<br />

Wolfhalden und der Seeblick in Trogen mehrten<br />

das Ansehen des <strong>Heimatschutz</strong>. Die Beiträge an<br />

Restaurationen betrugen durchschnittlich 46'000<br />

Franken pro Jahr.<br />

Zum 75jährigen Bestehen schuf der <strong>Heimatschutz</strong><br />

<strong>AR</strong> eine farbenprächtige Ausstellung. Im Laufe<br />

einiger Jahre zeigte er sie in allen 20 Gemeinden.<br />

Die Jubiläums-Hauptversammlung fand am<br />

31. August 1985 in der Krone zu Trogen statt.<br />

Regierungsrat Hansjakob Niederer dankte dem<br />

<strong>Heimatschutz</strong> und würdigte speziell die Verdienste<br />

von Rosmarie Nüesch.<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes<br />

Seiten 30/31<br />

1990 – 2000 Der <strong>Heimatschutz</strong> gründet die Ortsbildberatung<br />

Eine Gruppe einheimischer Architekten war bereit,<br />

unter dem Namen Ortsbildberatung den <strong>Heimatschutz</strong><br />

in der Beurteilung von Bauprojekten zu<br />

unterstützen. Es brauchte neutrale Fachleute. An<br />

regelmässigen Sitzungen wurden Gestaltungsbeurteilungen<br />

erarbeitet und nach klaren Richtlinien<br />

formuliert; es entstanden objektive Entscheidungshilfen.<br />

Die örtlichen Baubewilligungsbehörden<br />

begrüssten diese systematische Dienstleistung,<br />

was die Zusammenarbeit intensivierte und durch<br />

konstruktive Vorschläge Bauverzögerungen verhinderte.<br />

– Unter dem Namen <strong>AR</strong>chitektur organisierten<br />

engagierte Baufachleute und Zugewandte<br />

Publikumsveranstaltungen zu interessanten Bauten,<br />

an denen Eigentümer ihre Türen öffneten und<br />

Architekten Red und Antwort standen. Die Raumplanung<br />

wurde in einer eindrücklichen Ausstellung<br />

im Museum Stein visuell und interaktiv dargestellt.<br />

Auch Kartenserien und weitere Drucksachen<br />

machten Architektur und Ortsbild zum öffentlichen<br />

Thema.<br />

Die Auseinandersetzung mit neuen Technologien<br />

wie Mobilfunk, Sonnenenergieanlagen und ähnlichem,<br />

zunehmende individuelle Gestaltungsbegehren<br />

und eine fast endlose Materialvielfalt prägten<br />

die Bauentwicklung des ersten Jahrzehntes des<br />

neuen Jahrtausends. Zur Bewahrung der appenzellischen<br />

Eigenart galt es, die Qualitäten des<br />

traditionellen Bauens in wenigen, möglichst einfachen<br />

Kernaussagen zu erfassen und Wege zu finden,<br />

diese Qualitäten in einem regional geprägten,<br />

aber zukunftsorientierten Bauen umzusetzen.<br />

Im Zentrum der Bemühungen stand dabei immer<br />

wieder der appenzellische Holzbau und die Unterstützung<br />

seiner Weiterentwicklung.<br />

Raumplanungsfragen begleiteten den <strong>Heimatschutz</strong><br />

durch das ganze Jahrzehnt und sorgten, wie im<br />

Fall von Formel1-Rennfahrer Michael Schumacher,<br />

durchaus auch einmal für heisse Diskussionen.<br />

Gerade beim Bauen ausserhalb der Bauzone war<br />

oft Hartnäckigkeit gefragt, um den Zielen und<br />

Blickfang am Appenzellerfest 2000<br />

2000 - 2010 Der <strong>Heimatschutz</strong> – ein akzeptierter Partner<br />

2010 – 2... Neue «alte Herausforderungen»<br />

«Bloss kein Moderduft,» zitierte Franziska Schläpfer<br />

im Januar den Gründer des Ausserrhoder <strong>Heimatschutz</strong>es.<br />

Was Otto Tobler 1911 hinsichtlich eines<br />

lebendigen, praktischen <strong>Heimatschutz</strong>es sagte,<br />

gilt auch für 2011. Und wie damals ist heute wieder<br />

eine schon fast verzweifelte Suche nach dem<br />

Appenzellerhaus der Zukunft zu beobachten.<br />

Freche Vorschläge, wie sie zur Zeit entwickelt werden,<br />

fördern gewiss die Diskussion. Ob aber<br />

moderne Leuchttürme und das Schlechtmachen<br />

der alten Bausubstanz unsere Baukultur weiterbringt?<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> hatte schon immer für<br />

sanfte Anpassungen plädiert. Ehrlichkeit und Wahrheit<br />

wünschte Salomon Schlatter 1922, keine falschen<br />

Prätentionen in der Architektur, sondern ein<br />

feines Gespür für das, was in die <strong>Land</strong>schaft und<br />

den Ort passt.<br />

Für diese alten Anliegen eine breite Bevölkerung<br />

sowie verantwortungsbewusste Baubehörden zu<br />

gewinnen, ist ein Ziel des <strong>Heimatschutz</strong>es. Gute<br />

Weiterentwicklungen appenzellischer Bauart gibt<br />

es seit hundert Jahren, aber noch immer fehlt es<br />

Schwerpunkte der 90er Jahre waren auch der<br />

Messestand an der Olma 1996, den wir zusammen<br />

mit dem <strong>Heimatschutz</strong>-Sektionen St.Gallen / Appenzell<br />

Innerrhoden und Thurgau gestalteten und das<br />

grosse Appenzellerfest vom 1. - 3. 9. 2000, als wir<br />

mit pro natura und dem <strong>Heimatschutz</strong> SG/AI an<br />

idyllischem Standort im Sammelplatz zwischen Gais<br />

und Appenzell eine Grossbaustelle simulierten und<br />

6 1/2-Zimmerwohnungen für 180'000 Franken an-<br />

Grundsätzen der Raumplanung die nötige Achtung<br />

zu verschaffen. Innerhalb der Bauzone waren die<br />

Einflussmöglichkeiten des <strong>Heimatschutz</strong> durch das<br />

fehlende Beschwerderecht etwas eingeschränkt.<br />

Bei der Suche nach verbesserten baulichen Lösungen<br />

wurde jedoch die unentgeltliche Bauberatung<br />

des <strong>Heimatschutz</strong> von Baubehörden, Planern und<br />

Bauherren immer wieder genutzt.<br />

an der Verbreitung. Modernität wird mit der Freiheit<br />

der Beliebigkeit verwechselt. Dabei sollte<br />

gerade der Weitblick, den uns die globalisierte<br />

Welt bietet, unsere Augen für den Wert des Kleinräumigen<br />

öffnen. Identität wird zunehmend<br />

gesucht und kann ein Standortfaktor werden. Um<br />

sie nicht zu verlieren, muss unser reicher Bestand<br />

an Altbauten gepflegt werden und die Entwicklung<br />

der Baukultur handwerklich und gestalterisch<br />

in der Kontinuität des Bestehenden erfolgen.<br />

boten. Visiere waren gestellt und 13 Appenzeller<br />

Baufirmen stellten uns ihre Werbetafeln zur Verfügung.<br />

Die neugierigen Besucher wurden in einem<br />

Arbeiterzelt bewirtet und in persönlichen Gesprächen<br />

für den Natur- und <strong>Heimatschutz</strong> sensibilisiert.<br />

Verena Früh<br />

alt Obfrau <strong>Heimatschutz</strong> App. A. Rh<br />

Modernes Wohnen in traditionellen Strukturen<br />

(Bauernhaus in Stein)<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> darf sich rühmen, als akzeptierter<br />

Partner in Baufragen das erste Jahrhundert seines<br />

Bestehens zu vollenden.<br />

Esther Johnson-Müller, Gais<br />

Obfrau <strong>Heimatschutz</strong> App. A. Rh., 2001 - 2009<br />

Vielleicht besteht sogar die Chance, mit der sorgfältigen<br />

baulichen Haltung ein bisschen althergebrachten<br />

Gemeinsinn und Naturverständnis weiterzugeben<br />

ins 21. Jahrhundert.<br />

Ernst Suhner und Moritz Flury-Rova

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