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«Heimat» ischt: s'Lebe i öserem Land - Heimatschutz AR

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Ins Wasser springen<br />

Sein schönstes Freibad verdankt der Kanton der Krise. 1932 sprangen die<br />

Ersten ins 50-Meter-Becken der «Häädler Badi». Ingenieur Béda Hefti, orientiert<br />

am «Neuen Bauen», wählte einen streng geometrischen Aufbau. Seit<br />

dem Jahr 2000 ist das «Schwimm- und Sonnenbad» saniert, sogar die geheimnisvollen<br />

Keim’schen Mineralfarben sind wieder aufgetragen. Nur die<br />

knallige Gegenwart (Plastikrutschbahn, Sonnenschirme, Badetücher) verdrängt<br />

das kristalline Leuchten des aufgefr<strong>ischt</strong>en Kulturdenkmals.<br />

Das Bad sollte nach der Weltwirtschaftskrise die Gäste zurückholen –<br />

Heiden war ein Weltkurort, 1860 bis 1914. Reiche und Noble aus Deutschland,<br />

dem Baltikum, Russland stiegen hier ab, akklimatisierten sich drei<br />

Wochen, bevor sie weiterreisten in ihre mondänen Bergkurorte. Dasselbe<br />

Programm bei der Rückfahrt.<br />

Gais glänzte schon ein Jahrhundert früher mit internationalem Renommee.<br />

Heilwasser nannte man die Molke. Zahlreiche Heilquellen gehörten zur<br />

kantonalen Kurtradition. Seit über 300 Jahren sprudelt im «Bädli» Unterrechstein<br />

die Schwefel- und Mineralquelle. Das Heilbad mausert sich gerade<br />

zum «Wellnesspark Appenzellerland» für privilegierte Gesundheitstouristen.<br />

Wellness war kein Begriff, als 1960 in Herisau das Freibad Sonnenberg eröffnete.<br />

Für uns Teenager eine Sommerheimat, allerdings ohne Geheimnis,<br />

nicht nur, weil die Sonne jede Tändelei ausleuchtete.<br />

Wasser lockte mich: Bergbäche, Seealpsee, Fählensee, das moorige Gäbris-<br />

Seeli. Die Sitter im wilden Tobel. Mutsprünge vom Felsen ins kalte Becken.<br />

Forellen jagen mit blosser Hand – bei Misserfolg Cervelat braten. Niëlen<br />

Was bedeutet mir<br />

<strong>Heimatschutz</strong>?<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Alice Scherrer<br />

a. Frau <strong>Land</strong>ammann<br />

Grub<br />

Vor dieser Frage steht die andere: Was bedeutet<br />

mir Heimat? Als Regierungsrätin war ich häufig<br />

unterwegs in unserem Kanton. Typische Geländekammern,<br />

Nebelschleier über der Urnäsch, eine<br />

einzelne mächtige Linde, ein verwunschener<br />

Garten mit leicht marodem Gartenhäuschen, ein<br />

gleichzeitig stattliches und nobel zurückhaltendes<br />

Fabrikantenhaus, ein intakter Weiler, die Ausprägungen<br />

unseres Dialekts zwischen Kurzenberg und<br />

Säntis schufen Vertrautheit, Heimat.<br />

Heimat schützen heisst Sorge tragen zum Lebensraum<br />

mit seinen prägenden Merkmalen und<br />

Ressourcen. Heimat schützen heisst auch, ihr Zukunft<br />

ermöglichen. Neues, Ungewohntes, vielleicht<br />

nicht im traditionellen Sinn Schönes brauchen Zeit<br />

und Auseinandersetzung, um Teil dieser Heimat<br />

zu werden.<br />

08 August<br />

Freibad in Heiden<br />

paffen. Dass das Flüsschen Ausserrhoden in zwei ungleiche Hälften – und<br />

politische Spannungsfelder geteilt hat, kümmerte mich nicht. Sogar die<br />

Glatt zog uns an, stinkend und schäumend von den Abwässern der Textilindustrie.<br />

Hexengebräu. Schaudernd erforschten wir die feuchtdunkeln<br />

Winkel der Kolumbanshöhle. Am Saumweiher in Herisau entdeckte Biologielehrer<br />

Rudolf Widmer Wilden Reis. Der Immigrant gaukelte uns fremde<br />

Kontinente vor, gefüllte Schiffsbäuche, das Meer. Ob Reisläufer mit Wildem<br />

Reis zu tun hatten?<br />

Ein anderes Kulturdenkmal entstand ebenfalls in Krisenzeit: die Hundwilertobelbrücke,<br />

unterstützt vom Bund, 1923-25 erbaut mit der damals europaweit<br />

grössten Bogenspannweite von 105 Metern – für den <strong>Heimatschutz</strong><br />

ein Beweis, «dass auch technische Werke die Schönheit einer natürlichen<br />

<strong>Land</strong>schaft noch steigern können».<br />

Die Brücke zog mich magisch an, nicht die Technik, der Blick in die Tiefe<br />

war’s, raunende Rätsel im Ohr: «Ins Wasser gegangen.» – «Stille Wasser sind<br />

tief.» Ich stand und starrte. Ahnte das Doppelgesicht des Wassers. Tief<br />

unten rauschte die Urnäsch, als sei nichts gewesen. Über Jahrzehnte führten<br />

die Appenzeller die Statistik der Selbstmorde an. Die souveräne Erklärung:<br />

«Suizid-Tourismus» auf der ungesicherten Brücke. Die unheimliche<br />

Version: die ebenso sensibel sentimentale wie knorrig verschlossene<br />

Mentalität, die Sorgen mit Humor kaschiert. Nicht allein darum wurde die<br />

Brücke, Max Ritters Pionierleistung im Eisenbetonbau, 1993 gesprengt.<br />

Franziska Schläpfer<br />

Heimat schützen und erneuern fordern Respekt<br />

vor dem Seienden – vor <strong>Land</strong>schaft und Natur<br />

und vor dem, was unsere Vorfahren mit ehrlichen<br />

Materialien und beeindruckender Handwerkskunst<br />

geschaffen haben – und den festen und gemeinsamen<br />

Willen, unseren Kindern eine Heimat im<br />

Gleichgewicht zu hinterlassen.<br />

Seiten 18/19<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Bronne<br />

Weier, Bach, Brunnen, Teich<br />

08 August<br />

08 Waldstatt 08 Wald<br />

08 Urnäsch 08 Teufen 08 Grub<br />

08 Herisau 08 Bühler 08 Heiden<br />

08 Schwellbrunn 08 Gais 08 Wolfhalden<br />

08 Hundwil 08 Speicher 08 Lutzenberg<br />

08 Stein 08 Trogen 08 Walzenhausen<br />

08 Schönengrund 08 Rehetobel 08 Reute

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