«Heimat» ischt: s'Lebe i öserem Land - Heimatschutz AR
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Wo bleibt die «trauliche Heimeligkeit»?<br />
Erleichtert die Tür ins Schloss ziehen. Unvertrautes wegsperren: Anonymität,<br />
Kälte, Dunkelheit. Endlich zu Hause, Schuhe ab, Füsse hoch, Feierabend-<br />
Idylle. Intim, entspannt, selbstbestimmt. Wirklich? Packt einen nicht schon<br />
beim ersten Schluck Bier der Isolations-Horror? Also Fernseher an, Facebook-Freunde<br />
her?<br />
Das elterliche Bauernhaus stand stets offen. Bei der Rückkehr von einem<br />
Ausflug, aus den Ferien, lagen Zettel auf dem Küchentisch, kleine Geschenke,<br />
vertrocknete Blumen. Ich mochte mich lange nicht ans Zusperren gewöhnen.<br />
Die Stadtvagabunden, die Versicherung, klar. Aber spazieren Einbrecher<br />
durch die Haustür? Wer steht schon gern vor verschlossener Tür. Gibt<br />
immerhin Gelegenheit zum Spiel: Zeig mir Deinen Eingang – und ich sag Dir,<br />
wer Du bist. Die einen ziehen eine scharfe Grenze zwischen öffentlichem<br />
und privatem Raum – da gibt es zu rätseln. Andere verlängern ihre Privatheit<br />
nach aussen – hier ist alles klar: 3 Kinder, Basteltante, Blumenfreundin.<br />
Jäger, Schütze, Eisenbahnfreak.<br />
«So bildet der Eingang an gar manchem schlichten Hause fast den einzigen<br />
baulichen Schmuck. Auf ihn konzentriert sich der verzierende Aufwand in<br />
durchaus richtiger Weise», notierte Architekt Salomon Schlatter 1922.<br />
Willkommgruss soll er sein, Vorbereitung auf die «trauliche Heimeligkeit».<br />
Trauliche Heimeligkeit? Nichts für die Zellwegers. Nussbaumtüren, prächtiges<br />
Oberlichtgitter, das schon. Aber das Portal zum herrschaftlichen<br />
Palais des Jakob Zellweger-Wetter (1723-1808) am <strong>Land</strong>sgemeindeplatz<br />
verrät nichts über das Innere, die bemalten Turmöfen, verschwenderischen<br />
Mein Hauseingang<br />
11 November<br />
Stukkaturen: Jagdszenen, idyllischen <strong>Land</strong>schaften, Allegorien der Freiheit,<br />
Gerechtigkeit, Hoffnung, des blinden Schicksals, der Zwietracht, des Todes.<br />
Seit Jahrzehnten zieht mich das Relief im Treppenhaus an: die <strong>Land</strong>sgemeinde<br />
in Rosa, lauter Männerköpfe, modelliert von den Brüdern Moosbrugger,<br />
den phantasievoll virtuosen Wanderkünstlern aus dem Bregenzerwald.<br />
Wollte der <strong>Land</strong>ammann die Urdemokratie täglich vor Augen haben?<br />
Ein originelles Denkmal. Zumal die Hundwiler <strong>Land</strong>sgemeinde 1997 definitiv<br />
die letzte war. Auch andere Verluste am Selbstbewusstsein nagten:<br />
Verkauf der Kantonalbank. Die «Appenzeller Zeitung» nur mehr Kopfblatt<br />
des «St. Galler Tagblatts», das legendäre Forum für erneuerungserpichte<br />
Kräfte – jahrzehntelang «kampflustiger und rücksichtsloser als alle anderen<br />
schweizerischen Blätter» (Oscar Alder in «100 Jahre Appenzeller Zeitung»).<br />
Die Wehmut wuchs. Eine Volksinitiative wollte wenigstens die <strong>Land</strong>sgemeinde<br />
zurück. Wurde wuchtig verworfen. Wochen zuvor, am 25. April,<br />
dem eigentlichen <strong>Land</strong>sgemeindesonntag, hatten die Befürworter schon<br />
mal eine «<strong>Land</strong>sgemeinde-Linde» gepflanzt. Was mich an Jakob Sturzenegger<br />
(1828-1904) erinnerte, den Weinhändler aus Trogen, der bei welthistorischen<br />
Ereignissen einen Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum)<br />
pflanzen liess: 1866 nach der Schlacht von Königgrätz, 1870 nach<br />
der Schlacht von Sedan, 1871 nach dem Friedensschluss von Versaille.<br />
Immerhin wartete er zu, bis die Schlacht geschlagen war ...<br />
Franziska Schläpfer<br />
H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />
Mark Hampton<br />
Pfarrer in Herisau<br />
Wie viele Menschen sind schon durch Ihren Hauseingang<br />
hinein oder hinaus gegangen? Im über<br />
hunderjährigen Pfarrhaus, wo ich wohne, sind es<br />
wohl x-tausende gewesen. Meine Eingangstüre,<br />
aus Eiche und buntem Tiffanyglas gestaltet, bildet<br />
die Schwelle zwischen Innen und Aussen.<br />
Sie eröffnet Räume, die Schutz und Geborgenheit<br />
bieten. Gleichzeitig entlässt sie auch in die weite<br />
Welt, in der wir das Leben erfahren, Neues ausprobieren,<br />
Sinn erkennen und andere finden.<br />
Ein Haus braucht aber beides, starke Mauern und<br />
bewegliche Türen. Mauern bewahren und bergen.<br />
Türen eröffnen und verschliessen. Mauern ohne<br />
Türen würden das Leben ersticken. Türen ohne<br />
feste Wände liessen das Leben erfrieren oder verwehen.<br />
Das Pfarrhaus am<br />
<strong>Land</strong>sgemeindeplatz in Trogen:<br />
Eingang und <strong>Land</strong>sgemeinde-Relief<br />
im Treppenhaus<br />
Der Hauseingang steht auch symbolisch für die<br />
vielen Übergänge, die es im Leben gibt.<br />
Wir überschreiten unterschiedliche Schwellen auf<br />
unserem Lebensweg: Geburt, Erwachsen werden,<br />
Beziehungen eingehen, Sterben. Durch die Erfahrung<br />
solcher Übergänge gelangen wir in andere<br />
Umstände.<br />
Ein Besuch beim Pfarrer, bei einer Pfarrerin ist oftmals<br />
mit solchen Veränderungen verbunden.<br />
Denn Pfarrpersonen sind da, um Menschen und<br />
ganze Gemeinschaften über diese Schwellen zu<br />
begleiten und durch Segensrituale zu stärken – so<br />
wie es auch bei meinem Hauseingang zu lesen ist:<br />
20-C-M-B-10.<br />
Seiten 24/25<br />
<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />
min Huusiigang<br />
Eingangstür, Türschloss oder<br />
Portal in der Gemeinde<br />
11 November<br />
11 Waldstatt 11 Wald<br />
11 Urnäsch 11 Teufen 11 Grub<br />
11 Herisau 11 Bühler 11 Heiden<br />
11 Schwellbrunn 11 Gais 11 Wolfhalden<br />
11 Hundwil 11 Speicher 11 Lutzenberg<br />
11 Stein 11 Trogen 11 Walzenhausen<br />
11 Schönengrund 11 Rehetobel 11 Reute