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«Heimat» ischt: s'Lebe i öserem Land - Heimatschutz AR

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Als wäre die Zeit stehen geblieben<br />

Anfangs der 1960er-Jahre zogen wir vom Dorf aufs <strong>Land</strong>, aus dem Mehrfamilienhaus<br />

ins Bauernhaus, den Weiler «Hinterhof» am Rand von Herisau.<br />

Sassen am Fenster und staunten. Hinüber nach Hundwil und Stein, hinauf<br />

zur Hundwilerhöhe, zum Säntis. Still lag die Strasse vor dem Haus. Nichts<br />

rührte sich. Dann: «Ein Velofahrer!» Er blieb die Sensation des ersten Tages.<br />

Trügerische Idylle. Jeden Abend warteten die Bauern wortlos neben ihren<br />

Tansen aufs Milchauto.<br />

Manchmal, nachts, wenn die Bise heulte, flüsterten die uralten Strickwände.<br />

Im Halbschlaf bewegte ich mich durch die Geschichte der einstigen Herberge<br />

am Handelsweg von St. Gallen ins Toggenburg, belauschte wandernde<br />

Handwerksburschen, Viehhändler, Wegelagerer, Fuhrleute. Wie der bunte<br />

Flickenteppich in meinem Zimmer breiteten sich die Schicksale der Generationen<br />

von «Hinterhof»-Bewohnern aus.<br />

Wiederkehrend im Juni herrschte festliches Leben auf der Strasse. Der Nachbar<br />

fuhr zur Alp. Im Tumult des Aufbruchs frassen die weissen Geissen –<br />

kleine Tragödie im Namen der Tradition – blitzschnell unseren blühenden<br />

Garten kahl, bevor sie hinter dem jüngsten Buben herzottelten, der in leuchtender<br />

Tracht den Zug anführte.<br />

Alle zwei Jahre die Prozession der Säbelbewehrten an die Hundwiler <strong>Land</strong>sgemeinde.<br />

Freunde tranken ein Glas Wein im Garten, bevor sie abbogen<br />

hinunter ins Tobel, zur gedeckten Holzbrücke über die Urnäsch, 1778 «weg<br />

geschwämt durch unerdenckliche Grosse wasser flutt“, im selben Jahr von<br />

Hans Ulrich Grubenmann wieder erbaut, auch «sprechende Brücke» ge-<br />

Wege sind nutzlos.<br />

Wirklich?<br />

02 Februar<br />

nannt: «Alle menschen die gehen auf das tieffe thall, Die dencken Fleissig<br />

an Gott so thun sie keinen fahl.» Als die Hundwiler <strong>Land</strong>sgemeinde 1989<br />

den Frauen endlich das kantonale Stimmrecht gewährte, war ich längst weggezogen.<br />

Der staubige Verkehrsweg wurde zur multifunktionalen Sportbahn. Langläufer<br />

auf Rollskis, Biker, Inline-Skater, Nordic-Walker, Geher, Spaziergänger,<br />

Wanderer, Töff-Freaks. Unter den Joggern Bundesrat Hansruedi Merz.<br />

Ausflügler erinnern im sonntäglichen Stau den patenten Schleichweg. Die<br />

touristische Entwicklung ist an der Steblenstrasse beispielhaft abzulesen.<br />

Die Schönheiten zwischen Bodensee und Säntis werden ja auch tüchtig<br />

vermarktet. Kräftige Sennen, kecke Blässe. Kühe auf saftigen Wiesen,<br />

Geranienfülle vor den Fenstern. Alles heimelig heiter, niedlich friedlich. Der<br />

ganze Appenzeller Zauber, wo man hinklickt auf www.appenzellerland.ch.<br />

Das Motto dazu? «Als wäre die Zeit stehen geblieben.»<br />

Täglich fahren gegen 70'000 Idyllensucher auf den Autobahnen A1 und<br />

A13 an den Locktafeln vorbei: «Ferienregion Appenzellerland!» Das kleine<br />

<strong>Land</strong> ist begehrt, bedrängt. Noch immer kein Zubringer zur Nationalstrasse,<br />

noch immer keine Umfahrung des verkehrsgeplagten Herisau. Unter blauem<br />

Himmel ein schreckliches Gewimmel im Alpstein. Ein menschlicher<br />

Alpaufzug, die Gratwanderung Staubern – Saxerlücke. Mit Staugefahr. «Als<br />

wäre die Zeit stehen geblieben.»<br />

Franziska Schläpfer<br />

H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />

Bruno Diebold,<br />

Stein,<br />

Präsident Appenzell A. Rh.<br />

Wanderwege VAW<br />

Wege und Strassen gibt es in unserem Kanton<br />

viele, sie prägen das <strong>Land</strong>schaftsbild in grossem<br />

Mass. Die Vielfalt ist enorm: liebliche Wiesenwege,<br />

Kieswege, Gehwege, öffentliche Fusswege,<br />

Privatwege, 732 km Wanderwege, Natursträsschen,<br />

Kiesstrassen, geteerte Zufahrtsstrassen, hässliche<br />

Betonstrassen, usw. Sie dienen verschiedenartigen<br />

Wegbenützern. Diese haben Ansprüche,<br />

die sich oft ändern, ja steigen!<br />

So werden kleine Wege zu grösseren, grössere zu<br />

grossen, grosse zu übergrossen ausgebaut, zum<br />

Nutzen meist nur einer Interessensvertretung.<br />

Solche Eingriffe aber verändern nicht nur den Weg,<br />

die Strasse selber, sondern sie verändern das<br />

<strong>Land</strong>schaftsbild. Die liebliche Appenzellerlandschaft<br />

wird zur industrialisierten <strong>Land</strong>schaft, die Kleinräumigkeit<br />

mit den dazugehörigen Erschliessungen<br />

wird jäh gestört durch breite, immens prägende<br />

Pisten, die Verkehr anziehen, ihn schneller werden<br />

Das Elternhaus (rechts) von<br />

Franziska Schläpfer im<br />

Weiler «Hinterhof» an<br />

der Steblenstrasse in Herisau<br />

lassen, grössere Benutzer zulassen, durch Kosten<br />

und Unterhalt viel Geld verschlingen.<br />

Wege sind Heimat, bedeuten Wohlbefinden. Der<br />

Mensch braucht dringend Oasen, die nicht betoniert,<br />

geteert, befestigt sind! Nicht überraschend<br />

ist das Ergebnis der kürzlich gemachten Umfrage<br />

in unserem Kanton: Eine übergrosse Mehrheit<br />

möchte das natürliche <strong>Land</strong>schaftsbild, die typische<br />

Appenzeller <strong>Land</strong>schaft unbedingt erhalten!<br />

Darum sind Wege, und seien sie noch so klein, auf<br />

jeden Fall von überproportionalem Nutzen.<br />

Eingriffe in unsere <strong>Land</strong>schaft müssen gut überlegt<br />

sein, unserem Gemüt, unserer psychischen<br />

und physischen Gesundheit, unserer Heimat zu<br />

Liebe. Für Wanderer zum Beispiel sind naturbelassene<br />

Wege Balsam für das Herz und die Seele<br />

und eine Wohltat für Gelenke und Füsse.<br />

Nutzlos?<br />

Seiten 6/7<br />

<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />

min Weg<br />

Lieblingsstrasse, -gasse, -treppe<br />

02 Februar<br />

02 Waldstatt 02 Wald<br />

02 Urnäsch 02 Teufen 02 Grub<br />

02 Herisau 02 Bühler 02 Heiden<br />

02 Schwellbrunn 02 Gais 02 Wolfhalden<br />

02 Hundwil 02 Speicher 02Lutzenberg<br />

02 Stein 02 Trogen 02 Walzenhausen<br />

02 Schönengrund 02 Rehetobel 02 Reute

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