«Heimat» ischt: s'Lebe i öserem Land - Heimatschutz AR
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«S’isch ase guet gse!»<br />
Abendsonne auf der Terrasse der Bergwirtschaft Blattendürren, 1080 Meter<br />
über Meer. Ungetrübter Blick in die Hügellandschaft. Glocken bimmeln,<br />
Schwalben schwirren, Begonien leuchten. August-Idylle – von allen Seiten<br />
zu erwandern. Die Speisekarte verheisst ein ländlich-kulinarisches Fest.<br />
Maja Jäger will nicht nur etwas Gutes kochen, «sondern das Einfache besonders<br />
gut». In diesem Fall Älplermagronen mit Bölleschweizi, Södworscht<br />
und Öpfelmues. Die Teigwaren sind hausgemacht, Rahm und Käse (von<br />
Sutter, Brülisau) eine perfekte Melange.<br />
Angesichts dieser Köstlichkeiten ist mir herzlich egal, dass der einzige Rohmilch-«Appenzeller»<br />
aus Goldingen nahe der Zürcher Grenze kommt –<br />
der beste überhaupt, jedenfalls laut Dominik Flammer in «Schweizer Käse»<br />
(2009) –, dass im übrigen «an die 90 Prozent» des Appenzellers aus dem<br />
Kanton St. Gallen stammen, vorab dem Toggenburg. Im Marketing immerhin<br />
sind die Appenzeller unschlagbar: «Das Bankgeheimnis wankt, unser Käsegeheimnis<br />
bleibt.»<br />
Weder die Geheimniskrämerei vom Käse bis zum Alpenbitter noch das Gerangel<br />
um das Echtheits-Label GGA für Mostbröckli, Södworscht, Pantli oder<br />
der Etikettenschwindel mit Mostbröckli aus ausländischem Fleisch kümmern<br />
mich an diesem Ort ländlicher Gaumenfreuden. Seit je dufteten mir<br />
Gerüche die Sinne voll: die Leckerli am Gidio Hosenstoss. Die zerbrochenen<br />
Nidelzeltli im Café Zäch, die wir vom kinderfreundlichen Konditor ergatterten.<br />
Die dunkelkrustig runden Fünfpfünder im «Buchschachen», die im<br />
winzigen Karbäuschen der Emmi Meier auf rohen Brettern glänzten.<br />
Heimat – Ort und Gefühl<br />
H E I M AT S C H U T Z BETRACHTUNG<br />
Herbert Mäder<br />
Fotograf, Rehetobel<br />
Seit 45 Jahren bewohne ich mit meiner Familie ein<br />
gestricktes Holzhaus am unteren Dorfrand von<br />
Rehetobel. 1628, in der Zeit des Dreissigjährigen<br />
Krieges gebaut, einst Wirtschaft und Bäckerei Rose.<br />
Die Geister vergangener Generationen begleiten<br />
uns. Vor unseren Augen ziehen sich die sanften,<br />
bewaldeten Hügelzüge von Suruggen, Chellersegg,<br />
Gäbris und Buechen hin, zwischen denen die Felsgipfel<br />
Altmann und Säntis keck hervorschauen.<br />
Speicher, Trogen und Wald säumen die Waldschluchten<br />
von Moosbach und Goldach. Ihre<br />
Kirchenglocken künden Freud und Leid, ihr Stundenschlag<br />
ist der Taktmesser unseres Lebens.<br />
Moosbach- und Goldachtobel, tief eingeschnitten<br />
in die weiche Hügellandschaft, sind in ihrer Wildheit<br />
und oft schwierigen Begehbarkeit Naturoasen<br />
in unserer von der Zivilisation gezeichneten <strong>Land</strong>schaft.<br />
Zu Füssen der «alten Rose», wie alte Dorfbewohner<br />
unserer Haus nannten, liegt das Moosbachtobel.<br />
Ein wegloser Steilhang trennt uns von<br />
der Wildnis mit mächtigen bemoosten Sandsteinblöcken,<br />
kreuz und quer liegenden Baumstämmen<br />
und zum Baden einladenden Tümpeln. Hier bauten<br />
unsere Kinder mit den Gspänli Brücken, wurden<br />
Feuerplätze erstellt, Würste und Äpfel gebraten<br />
und mit Hilfe eines Bergseils an der Buche eine<br />
Riesenschaukel eingerichtet.<br />
09 September<br />
Bergwirtschaft Blattendürren<br />
in Urnäsch<br />
«S’isch ase guet gse!», rühmen die Gäste am Nebentisch. Das kuriose «ase»,<br />
drei Buchstaben nur – und schon schwingen heimatliche Gefühle. Der vertraute<br />
Dialekt gehört zum Lieblingsplatz. Irene Bosshart und Werner Bucher<br />
wissen um die Macht der Sprache. 17 Jahre wirkten und wirteten sie im<br />
«Kreuz» in Zelg-Wolfhalden, vereinten so hartnäckig wie charmant Poesie<br />
und Gastfreundschaft. Eine <strong>Land</strong>beiz als Ort literarischer Entdeckungen.<br />
2006 zügelten sie ihren orte-Verlag 300 Meter höher – und erweckten die<br />
«Rütegg» von Oberegg (AI) zu neuem Leben.<br />
Wirtschaften sind Lieblingsplätze. Wirken der Vereinsamung in der Streusiedlung<br />
entgegen. Der Vereinsamung überhaupt. Meine Grossmutter wirtete<br />
bis ins hohe Alter in der «Blume» an der Herisauer Schmiedgasse.<br />
Hochgewachsen, schlohweisses Haar, eine stolze, strenge Frau. Tabakqualm<br />
hing um die jassenden Männer. Der Keller roch dumpf nach Korken, Wein,<br />
Bier, feuchtem Lehmboden – meine Ferien-Schlafkammer samt Bettungetüm<br />
betäubend nach Kampfer. Aufdringlich tickte die Wanduhr in meine Träume.<br />
Heute baumeln rote Lampions am Schild mit dem goldglänzenden Vogel –<br />
im Schnabel Tulpen, Osterglocken, Stiefmütterchen, Primeln. Die «Blume»<br />
heisst nun «Lotusblume». Am Herd steht Herr Wong Hon Lam aus Hong<br />
Kong. «Hier vereinen sich China und Appenzellerland.» Der Coiffeursalon<br />
im Parterre nennt sich «Hair Design Lyss», die Konkurrenz im Nebenhaus<br />
«Hair-Flair». Blühender Kulturaustausch. Unser Alpen-Edelweiss stammt<br />
schliesslich auch aus China.<br />
Franziska Schläpfer<br />
Die Quellen von Moosbach und Goldach wurden<br />
erforscht. Die Goldach zwischen Schwimmbad<br />
Trogen und Chastenloch bot mit den «Siebengönten»<br />
nicht nur Badeplätze sondern auch heikle<br />
Felsklettereien. An heissen Sommertagen: die kühle<br />
Luft und das erfrischende Bad; im Winter: Eiskaskaden<br />
am Moosbachfall, dessen Wasser, kaum<br />
hörbar, hinter dem dicken Eispanzer murmelte.<br />
Kurz nach der Einmündung des Moosbaches in die<br />
Goldach liegt die Wirtschaft «Chastenloch». An<br />
der Trogener <strong>Land</strong>sgemeinde war da Hochbetrieb:<br />
die Vorderländer nutzten diesen Tag zu einem ausgiebigen<br />
Frühlingsspaziergang.<br />
Diesen Frühling 2010, nach der Wiedereröffnung<br />
des «Chastenlochs» durch Kurt und Jacqueline<br />
Tschopp sind mir die beiden Töbel noch mehr zu<br />
einem prächtigen Stück Heimat geworden.<br />
Seiten 20/21<br />
<strong>«Heimat»</strong> <strong>ischt</strong>:<br />
mis Lieblingsplätzli<br />
Ofenbank, Küchennische, Gartenhaus...<br />
09 September<br />
09 Waldstatt 09 Wald<br />
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