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«Heimat» ischt: s'Lebe i öserem Land - Heimatschutz AR

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H E I M A T S C H U T Z G E S C H I C H T E<br />

1910 Gründung der Sektion Appenzell Ausserrhoden<br />

«Der Schutz und die ästhetische Pflege unserer<br />

Heimat» trieb den Initiator und langjährigen ersten<br />

Präsidenten des Ausserrhoder <strong>Heimatschutz</strong>es,<br />

Obergerichtsschreiber Otto Tobler, schon lange<br />

um. Noch bevor es den Schweizer <strong>Heimatschutz</strong><br />

gab, appellierte er an lokale Ortsverschönerungsvereine,<br />

an Baubehörden und schrieb in Zeitungen.<br />

Später ermuntere Tobler die lokalen Verkehrsvereine,<br />

der 1906 gegründeten <strong>Heimatschutz</strong>sektion<br />

St. Gallen-Appenzell beizutreten, weil doch die<br />

Bemühungen des <strong>Heimatschutz</strong>es dem Tourismus<br />

nur dienen würden.<br />

Da es die St. Galler Sektion an «praktischer <strong>Heimatschutz</strong>betätigung»<br />

im Appenzellischen mangeln<br />

liess, schritt Otto Tobler 1910 zur Gründung einer<br />

eigenen Ausserrhoder Sektion. Am 18. Dezember<br />

fand die Gründungsversammlung statt und am<br />

folgenden Tag zählte die neue Sektion bereits 171<br />

Mitglieder! Man schrieb sich neben der Pflege<br />

und Förderung der Baukultur auch den Naturschutz,<br />

die Belebung des heimischen Handwerkes,<br />

Im ersten Jahrzehnt wuchs der ausserrhodische<br />

<strong>Heimatschutz</strong> auf rund 400 Mitglieder an. Mit<br />

mehreren von Salomon Schlatter verfassten Flugschriften<br />

warb man in hohen Auflagen für die<br />

Prinzipien heimatschützerischen Bauens.<br />

Eine erste Schrift war dem Eternit gewidmet,<br />

nicht etwa um das moderne «Allerweltsmaterial»<br />

grundsätzlich zu verdammen, sondern um neben<br />

den Gefahren der Verschandelung auch die<br />

«Möglichkeit einer einwandfreien Verwendung»<br />

aufzuzeigen, etwa bei Scheunendächern oder<br />

als innere Wandverkleidung, besonders in Küchen<br />

und Bädern.<br />

Eine andere Flugschrift behandelte 1918 die Schaufenster,<br />

die als oft überflüssig (z.B. bei Apotheken)<br />

und manchmal sogar schädlich (bei Metzgereien,<br />

Gaststätten) taxiert werden. Wo notwendig, etwa<br />

für Läden mit Stickereien, müssten sie zum Haus<br />

und zur Ortschaft passen. Stämmige Pfosten aus<br />

Holz oder Stein zwischen den nicht zu grossen<br />

die Pflege der heimischen Bräuche und Trachten,<br />

Mundarten & Volkslieder auf die Fahne, «d.h. alles<br />

dessen, was in gutem Sinne zur Eigenart unseres<br />

Volkstums gehört.»<br />

Dass zu den ersten praktischen Geschäften der<br />

Neubau einer Fabrik gehörte, belegt die Offenheit<br />

des <strong>Heimatschutz</strong>es gegenüber den aktuellen Bedürfnissen.<br />

Das mit der Unterstützung des <strong>Heimatschutz</strong>es<br />

entstandene Gebäude von Lobeck &<br />

Fichtner in Wolfhalden gehört auch aus heutiger<br />

Sicht zu den besten Bauten dieser Epoche in<br />

unserem Kanton. Befriedigt konnte Tobler an der<br />

ersten Jahresversammlung im Frühling 1912<br />

vermerken, die von verschiedenen Gemeinden erfolgten<br />

Einladungen zu Bauberatungen seien<br />

«ein Beweis dafür, dass man endlich von der Idee<br />

abkommt, wir seien Nörgler und staubige Altertümler.»<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

Scheiben und keine schwarzen Glastafeln für<br />

die Firmenschilder sind zwei der wichtigen Richtlinien<br />

– die auch heute noch gelten!<br />

Auch der Naturschutz und die Pflege der Mundart<br />

gehörten zum Tätigkeitsfeld. Periodisch erscheinende<br />

mundartliche Feuilletons sollten die durch<br />

den «starken Prozentsatz zugewanderter Elemente,<br />

die Nachahmungssucht fremder Erscheinungen<br />

und die fortwährende sonstige Nivellierung aller<br />

Verhältnisse» bedrohte Mundart stärken. Der<br />

Ausrottung seltener Pflanzen suchte man unter<br />

anderem durch die «Aussetzung von Prämien für<br />

Frevelanzeigen» entgegenzuwirken.<br />

Wolfhalden, Hueb, Fabrik von Heinrich Ilg, 1912<br />

erbaut vom Herisauer Architekturbüro Lobeck&Fichtner,<br />

ein Paradebeispiel der Heimatstilarchitektur.<br />

(Foto: Moritz Flury)<br />

1910 – 1920 Flugschriften und eine zerschnittene Linde<br />

Dass die ausserrhoder Töchter, wenn sie z.B. per<br />

Gesangchor ausrücken sich (zu Recht) in der innerrhoder<br />

Tracht gefallen, gab Obmann Tobler «immer<br />

einen Stich ins Herz». Er regte 1924 die Kreation<br />

einer eigenen Frauentracht an. Keinesfalls sollte<br />

die alte, längst vergessene und unscheinbare Tracht<br />

wiedereingeführt werden, sondern es sollte «in<br />

Anlehnung an das Alte etwas Neues, schmuckes<br />

geschaffen werden, zugleich aber auch etwas<br />

‚ringes‘, bequemes, das sich vielleicht auch als Sportkleid<br />

(für Ausflüge in die Berge) eignen würde.<br />

Die Tracht müsste […] den modernen Anforderungen<br />

der Hygiene & der Pflege des jungfräulichen<br />

Körpers (korsettlos) entsprechen.»<br />

Der <strong>Heimatschutz</strong> gewann in dieser Sache die<br />

Unterstützung von Frl. Hedwig Fisch, Trogen,<br />

Lehrerin für kunstgewerbliche Handarbeiten und<br />

vom Herisauer Kunstmaler Paul Tanner, der im<br />

folgenden Jahr die neue Tracht «in allen ihren Teilen<br />

und ihrer wohldurchdachten Farbenzusammenstellung»<br />

entwarf und später ergänzte um Festtags-,<br />

Arbeits- und Wintervarianten. Die Stoffe bezog<br />

man in Zürich von Grieder, angefertigt wurden<br />

Eine «rücksichtslos zerschnittene» Linde in Trogen<br />

führte zu einem Protestschreiben an die Telegraphen- und<br />

Telephondirektion St. Gallen.<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

1920 – 1930 Professionelle Bauberatung und eine neue Tracht<br />

die Trachten aber im <strong>Land</strong>e, sei es in selbständiger<br />

Hausarbeit oder durch Damenschneiderinnen,<br />

die einen speziellen Trachtenanfertigungskurs besucht<br />

hatten. 1926 entstand die ausserrhodische<br />

Trachtenvereinigung, geleitet von Paul Tanner.<br />

Aus den übrigen Angelegenheiten eines sehr intensiven<br />

Jahrzehnts sei die 1921 eingeführte<br />

Bauberatungsstelle erwähnt, die zunächst vom<br />

Herisauer Gemeindebaumeister Fritz Hiller und<br />

später von Architekt Heinrich Lutzemann (Herisau)<br />

wahrgenommen wurde. 1925 misslang die Rettung<br />

der alten Hundwilertobelbrücke, die dann<br />

aber immerhin bekränzt und vor dem Abbruch<br />

dokumentiert wurde.<br />

Werbebild für die neue Tracht<br />

von Fotograf Rietmann-Haak, St. Gallen, 1925<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

Seiten 28/29<br />

1930 – 1940 Säntisbahn und die moderne Appenzellerstube<br />

Die Säntisbahn war 1933 nicht mehr zu verhindern<br />

und da der Säntis «sowieso ein überlaufener<br />

Berg» sei, beendete der Ausserrhoder <strong>Heimatschutz</strong><br />

seine grundsätzliche Opposition, befürwortete die<br />

Variante einer Schwebebahn, weil sie die Natur<br />

weniger beeinträchtige, und warnte vor der Verunstaltung<br />

der Schwägalp durch Wochenendhäuschen.<br />

Im September 1937 beteiligte sich der <strong>Heimatschutz</strong><br />

mit etwas Besonderem an der kantonalen<br />

Gewerbeausstellung in Teufen. In ein Ausstellungszelt<br />

wurde eine Appenzellerstube eingebaut,<br />

«ebenso bäuerlich als einfach bürgerlich gedacht,<br />

im Sinn der Bestrebungen des <strong>Heimatschutz</strong>es<br />

und des Schweiz. Heimatwerkes, unter Berücksichtigung<br />

des einheimischen Handwerkes, der einheimischen<br />

Weberei und der kunstgewerblich-appenzellischen<br />

Heimarbeit.» Der <strong>Heimatschutz</strong> erhielt<br />

sehr viel Lob für diese Stube und der «Massenandrang»<br />

war so gross, dass eine Absperrung unumgänglich<br />

war.<br />

In den Kriegs- und Nachkriegsjahren wurde nicht<br />

viel gebaut. Das Pestalozzidorf in Trogen und der<br />

Postneubau in Heiden sind zwei der nicht zahlreichen<br />

behandelten Geschäfte. Anstelle einer fehlenden<br />

Naturschutzsektion förderte der <strong>Heimatschutz</strong><br />

das Pflanzen- und Tierreservat Schwägalp, zahlte<br />

50 Franken für den Schutz einer prächtigen Linde<br />

in Hundwil und opponierte gegen den Skilift Osteregg,<br />

allerdings erfolglos. In den Jahren 1945 bis<br />

1950 schuf er eine farbige Lichtbilderserie. Er war<br />

stolz darauf und bezeichnete sie als Hauptwerk<br />

dieser Jahre. Auf politischer Ebene warb er für die<br />

<strong>Land</strong>esplanung und eine kantonale Verordnung<br />

zum Schutz der <strong>Land</strong>schaft.<br />

Ein Lieblingsthema des <strong>Heimatschutz</strong>es war die<br />

<strong>Land</strong>sgemeinde. Als das Kriegsdonnern verhallt war,<br />

rief der Obmann im April 1946 die Turnvereine<br />

auf, die Böller wieder wie früher krachen zu lassen.<br />

Die Pflege der <strong>Land</strong>sgemeindeplätze wurde als<br />

vorrangig und von gesamtschweizerischem Inte-<br />

Appenzellerstube des <strong>Heimatschutz</strong>es an der Kantonalen<br />

Ausstellung für Gewerbe, Industrie und <strong>Land</strong>wirtschaft in<br />

Teufen 1937 (Foto: Hausammann, Heiden).<br />

Neben dem Dauerthema der würdigen <strong>Land</strong>sgemeinde<br />

setzte sich der <strong>Heimatschutz</strong> in den<br />

1930er Jahren unter anderem für schöne neue<br />

Dorfbrunnen ein, worunter speziell diejenigen von<br />

Gais, Walzenhausen und Reute genannt werden.<br />

resse erachtet. Als im Jahre 1946 die erste Taleraktion<br />

unserer Sektion einen Geldsegen von<br />

4'680 Franken brachte, ging man daran, Farbstudien<br />

für Hundwil zu machen und Vorschläge für<br />

die Fassadenmalerei am Hotel Krone in Trogen<br />

einzuholen.<br />

Diesen Projekten kam aber der Dorplatz Urnäsch<br />

zuvor. Dieser präsentierte sich seit Herbst 1950<br />

bis in die späten Sechzigerjahre in abgestuften<br />

Brauntönen. Im Jahre 1968 entschied man sich für<br />

eine farbenfrohere Bemalung nach einem Konzept<br />

von Emil Fässler, Appenzell.<br />

Werner Appenzeller schlug vor, in den Vorstand<br />

auch Frauen beizuziehen. Doch dafür bestand vorläufig<br />

keine Begeisterung. Im August 1946 starb<br />

der verdiente Obmann Dr. Otto Tobler. Der Vorstand<br />

arbeitete in seinem Sinne unter der Leitung<br />

von Oberförster David Hohl weiter.<br />

Für eine Verschönerung der Friedhöfe wandte<br />

sich der <strong>Heimatschutz</strong> mit einem Rundschreiben<br />

an die Gemeinden und schlug z.B. vor, Grabmäler<br />

aus Zinkblech zu verbieten, denn sie beeinträchtigten<br />

die «Würde und Schönheit des Friedhofs<br />

durch grobe Gefühls- und Geschmacksverletzung».<br />

Moritz Flury, Trogen<br />

Kunsthistoriker und Denkmalpfleger<br />

1940 - 1950 Geldsegen durch die erste Taleraktion<br />

In den Jahren 1953-1955 wurden die schon lange<br />

angestrebten Malerarbeiten am <strong>Land</strong>sgemeindeplatz<br />

Hundwil ausgeführt. Der <strong>Heimatschutz</strong> beteiligte<br />

sich mit 30% an den Kosten. Ein weiterer<br />

Wunsch ging in Erfüllung. Der <strong>Land</strong>sgemeindebrunnen<br />

konnte anlässlich der Hauptversammlung<br />

1959 in Hundwil eingeweiht werden. Sein<br />

Schöpfer, der Bildhauer Wilhelm Meier wurde zusammen<br />

mit seinem Trogener Schulfreund Julius<br />

Ammann zum Ehrenmitglied ernannt.<br />

Den Dorfbrunnen Trogen liess der Gemeinderat<br />

aus St. Margrethener Natursandstein ausführen.<br />

Diesen Entscheid honorierte der <strong>Heimatschutz</strong> mit<br />

6000 Franken. Das 1727 erbaute Zellwegerhaus,<br />

von 1810 an Gasthaus zur Krone, erhielt 1767 eine<br />

Rokokobemalung. Diese wurde 1870 übermalt<br />

und 1955 durch W. Vogel, St. Gallen, unter kräftiger<br />

Mithilfe des <strong>Heimatschutz</strong>es wiederhergestellt.<br />

Der Vorstand riet der Gemeinde Trogen, über die<br />

Handänderungen am Dorfplatz wachsam zu sein.<br />

Erfreulicherweise ging 1963 der nordöstliche Teil<br />

des Doppelpalastes in den Besitz des Kantons<br />

über.<br />

<strong>Land</strong>sgemeinde in Trogen<br />

(Foto: Archiv <strong>Heimatschutz</strong>)<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes<br />

1950 – 1960 Professionelle Bauberatung und eine neue Tracht<br />

<strong>Land</strong>sgemeindebrunnen von 1959 in Hundwil<br />

Im Jahre 1952 starb Bauberater Architekt Heinrich<br />

Lutzemann. Seine Nachfolge übernahm Architekt<br />

Hans Ueli Hohl aus Herisau.<br />

Anstelle des 1957 verstorbenen David Hohl wurde<br />

Werner Appenzeller zum Obmann gewählt. Von<br />

dessen erster Sitzung protokollierte Prof. Otto<br />

Schmid:<br />

«Im Bestreben, die Sitzungen konzentrierter und<br />

ergiebiger zu gestalten, hat der Obmann eine<br />

wohlgeordnete Zirkulationsmappe geschaffen.<br />

Leider hat sie auf ihrer Jungfernfahrt ihre segensreiche<br />

Wirkung noch nicht voll entfalten können,<br />

weil schon die ersten Empfänger auf die Oeffnung<br />

der Büchse der Pandora verzichteten und sie vorsichtshalber<br />

nicht weitergaben.»<br />

Ernst Suhner, Walzenhausen,<br />

amtsältestes Mitglied des HS-Vorstandes

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