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November 2007 - Gewerbeverband des Kantons Luzern

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Erdbeben in der Schweiz<br />

BAUWIRTSCHAFTSKONFERENZ<br />

Wie gefährdet ist<br />

<strong>Luzern</strong>?<br />

An der zebi war die Sektion Zentralschweiz <strong>des</strong> SIA mit dem Erdbebensimulator<br />

<strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amts für Umwelt BAFU präsent. Wir haben<br />

in der Oktober-Ausgabe der <strong>Luzern</strong>er Gewerbe Zeitung darauf<br />

aufmerksam gemacht und den folgenden ausführlichen Artikel<br />

von Beat Keller, Geologe SIA, zur Erdbebensituation in der<br />

Schweiz, im Besonderen in <strong>Luzern</strong>, angekündigt.<br />

Beat Keller*.<br />

* Der Autor dieses Artikels<br />

ist Dr. Geologe SIA,<br />

Keller + Lorenz AG,<br />

Geologie Geotechnik<br />

Hydrogeologie, Altlasten<br />

Naturgefahren, Schlossstrasse<br />

3, 6005 <strong>Luzern</strong>.<br />

beat.keller@keller-lorenz.ch<br />

Noch im letzten Jahrhundert wähnten auch die<br />

Schweizer Geologen die alpine Gebirgsbildung<br />

als abgeschlossen. Erst die seit 1903 durchgeführten<br />

geodätischen Präzisionsvermessungen zeigten,<br />

dass sich die zentralen Alpen jährlich um<br />

zirka 1.5 mm heben – <strong>Luzern</strong> noch 0.35 mm, Altdorf<br />

0.65 mm, Erstfeld sowie Andermatt 0.9 mm<br />

und der Gotthard 1.05 mm. Im Vergleich<br />

Von Beat Keller<br />

mit dem Referenzpunkt Genua müssten diese<br />

Werte gar um zirka 1 mm pro Jahr erhöht werden.<br />

Diese heutigen vertikalen Bewegungsraten sind<br />

absolut vergleichbar mit denjenigen der vergangenen<br />

30 Millionen Jahre der Alpenfaltung. Die<br />

alpine Gebirgsbildung hält also auch heute noch<br />

unvermindert an. Durch die fortdauernde Überschiebung<br />

der Alpen auf das Mittelland verkürzen<br />

sich Alpen jährlich um 3 mm – die Schweiz<br />

wird also immer kleiner!<br />

Diese Bewegungen der Gebirgsbildung bauen in<br />

der Erdkruste langsam gewaltige Spannungen<br />

auf, die sich von Zeit zu Zeit als Erdbeben entladen.<br />

Die Stärke eines Erdbebens kann durch die<br />

im Epizentrum freigesetzte Energie auf der oben<br />

offenen Richter-Skala als sogenannte Magnitude<br />

angegeben werden, wozu Seismographen als<br />

Messinstrumente nötig sind. Für historische Erdbeben<br />

gelangt die Intensitäts-Skala (MSK-Skala<br />

von I bis XII) zur Anwendung, mit der die Auswirkungen<br />

der seismischen Erschütterungen an<br />

der Erdoberfläche beschrieben werden: die direkten<br />

Einwirkungen der Erdbebenwellen auf Menschen<br />

(Empfinden) und Bauwerke (Schädigung<br />

oder Zerstörung), Erdstösse auch Bergstürze,<br />

Steinschlag, Rutschungen oder Bodenverflüssigungen.<br />

Ebenso können Quellen versiegen,<br />

Bodenspalten aufreissen oder in Seen Tsunami-<br />

Wellen ausgelöst werden.<br />

Erdbebengefährdung der Zentralschweiz<br />

Auf Grund der vom Schweizerischen Erdbebendienst<br />

zusammengetragenen historischen Erd -<br />

beben (Fig. 1 und 2) wird deutlich, dass die Zen-<br />

tralschweiz zu den Gebieten der Schweiz mit<br />

erheblicher Erdbebengefährdung gehört: So beträgt<br />

das Risiko eines Erdbebens der Magnitude 6<br />

bis 6.5 oder einer Intensität VIII bis IX etwa ein<br />

Tausendstel pro Jahr – statistisch in tausend Jahren<br />

einmal. Im Vergleich mit den Erdbebenregionen<br />

von Italien, Griechenland oder der Türkei<br />

erscheint dieses Erdbebenrisiko als relativ gering.<br />

Die Auswertung der von Seismographen aufgezeichneten<br />

Erdbeben der Zentralschweiz zeigt,<br />

dass die Herde stärkerer Erdbeben tatsächlich im<br />

Bereich der heute noch aktiven Überschiebungen<br />

der alpinen Decken und damit 2 bis 8 km<br />

unter der Erdoberfläche liegen. Die historischen<br />

Aufzeichnungen lassen auch Forschungsergebnisse<br />

nachvollziehen, wonach sich die während<br />

bebenloser Zeiten aufgebauten Spannungen zumeist<br />

periodisch als Serien von Beben oder grössere<br />

Einzelbeben entladen.<br />

Bedeutende Beben – auch in <strong>Luzern</strong><br />

In jüngster Zeit ist vor allem die Erdbebenserie<br />

der Region Sarnen bemerkenswert, die in den Beben<br />

vom 17. Februar 1964 in Flühli (OW) mit einer<br />

Magnitude von 5.0 und einer Intensität von<br />

VII sowie vom 14. März 1964 in Kerns (OW) mit<br />

einer Magnitude von 5.7 und einer Intensität<br />

von VII gipfelte. Die Beben verursachten kleinere<br />

Gebäu<strong>des</strong>chäden wie Risse, liessen Kamine<br />

herunterstürzen, unterbrachen die Stromversorgung<br />

in <strong>Luzern</strong> und lösten zwischen Sarnen und<br />

Kerns einen Felssturz aus.<br />

Deutlich heftiger war die Erdbebenserie von<br />

1774 bis 1777: Das Beben am 10. September<br />

1774 von Altdorf hatte eine Intensität von VIII<br />

und verursachte schwere Gebäu<strong>des</strong>chäden in<br />

Altdorf und Engelberg. Sie brachte gar Kirchtürme<br />

und Gewölbe zum Einsturz und tötete einige<br />

Menschen. Zwischen Sisikon und Flüelen ereignete<br />

sich überdies ein Uferabbruch in den Vierwaldstättersee.<br />

Wiederum wurden zahlreiche<br />

Felsstürze in Altdorf, Engelberg sowie Gersau<br />

ausgelöst und zwischen Seedorf und Isenthal<br />

fuhren Rutschungen ab. Die Beben vom 23. Januar<br />

1775 unter dem Uri-Rotstock mit einer Intensität<br />

VI und vom 7. Februar 1777 in Sarnen<br />

mit einer Intensität VII waren ebenfalls begleitet<br />

von Steinschlag und Gebäu<strong>des</strong>chäden.<br />

Besonders genau untersucht haben Forscher der<br />

ETH Zürich das zerstörerische Erdbeben vom<br />

<strong>November</strong> <strong>2007</strong> 21 <strong>Luzern</strong>er Gewerbe Zeitung

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