Die Geister, die er rief - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
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DAS POLITISCHE BUCH 2010<br />
fragen besorgt: Wird meine Lebensv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ung noch ausgezahlt? Was ist<br />
mein Geld noch w<strong>er</strong>t? Ab<strong>er</strong> sie wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen.<br />
Am 8. Februar 2010 haben sich Donald Morgan, David Einhorn und Aaron<br />
Cowen zum Abendessen getroffen und darüb<strong>er</strong> g<strong>er</strong>edet, dass sie sehr viel<br />
Geld v<strong>er</strong><strong>die</strong>nen können, wenn sie gegen den Euro spekuli<strong>er</strong>en bzw. gegen ein<br />
Euroland: Griechenland. Drei Männ<strong>er</strong>. Ohne Auftrag. Gegen ein Land, mit<br />
Millionen von Menschen. Aus reinem Eigennutz. Sie machen <strong>die</strong> älteste<br />
Demokratie d<strong>er</strong> Welt zum Handelsobjekt. Das üb<strong>er</strong>schreitet definitiv<br />
Grenzen.<br />
Und auch <strong>die</strong> fünf großen Banken, <strong>die</strong> 90 Prozent d<strong>er</strong> Kreditv<strong>er</strong>sich<strong>er</strong>ungsgeschäfte<br />
im Euroraum abwickeln, machen mit. Eine von ihnen ist <strong>die</strong><br />
Deutsche Bank. Fünf Banken. Drei Männ<strong>er</strong>. Es sind nicht g<strong>er</strong>ade <strong>die</strong> Massen,<br />
<strong>die</strong> den Ton angeben. <strong>Die</strong> Jagd nach zweistelligen Rendit<strong>er</strong>aten treibt sie an<br />
wie einen Junkie, d<strong>er</strong> nach d<strong>er</strong> nächsten Spritze sucht. Und dafür tun sie<br />
alles. Selbst Erpressung. Denn <strong>die</strong> Drohung lautet: Steht für das hohe Risiko<br />
uns<strong>er</strong><strong>er</strong> Wetten auf griechische Staatsanleihen mit steu<strong>er</strong>fi nanzi<strong>er</strong>ten<br />
Geldspritzen ein od<strong>er</strong> wir lassen Griechenland fallen. Man könnte das auch,<br />
um im Bild d<strong>er</strong> Junkies zu bleiben, als Beschaffungskriminalität bezeichnen.<br />
<strong>Die</strong> Regi<strong>er</strong>ungen sind demgegenüb<strong>er</strong> scheinbar machtlos. Sie sind üb<strong>er</strong> <strong>die</strong><br />
eigenen hohen Schulden fest an das Schicksal d<strong>er</strong> wied<strong>er</strong>um von zweistelligen<br />
Rendit<strong>er</strong>aten abhängigen Finanzmärkte gekoppelt. Jedes Mal, wenn<br />
wir Schulden aufnehmen, um <strong>die</strong> Finanzmärkte zu stabilisi<strong>er</strong>en, sind wir<br />
wied<strong>er</strong> stärk<strong>er</strong> davon abhängig, wie sich Zinsen entwickeln, und damit<br />
davon abhängig, wie <strong>die</strong> Staaten <strong>die</strong> Kredite be<strong>die</strong>nen können. Das ist ein<br />
wahr<strong>er</strong> Teufelskreis. Deshalb ist d<strong>er</strong> Rat v<strong>er</strong>meintlich<strong>er</strong> Exp<strong>er</strong>ten, dass jetzt<br />
vor allem <strong>die</strong> Steu<strong>er</strong>zahl<strong>er</strong> alles fi nanzi<strong>er</strong>en sollen, nur kurzfristig plausibel.<br />
Er ist jedenfalls nicht d<strong>er</strong> Ausweg aus d<strong>er</strong> Abhängigkeitsspirale, <strong>die</strong> ich<br />
g<strong>er</strong>ade beschrieben habe.<br />
Hi<strong>er</strong> kommen wir an so etwas wie eine Systemfrage. Denn es kann nicht<br />
sein, dass wir nicht mehr in d<strong>er</strong> Lage sind, als Staaten und Demokratien, das<br />
Heft in d<strong>er</strong> Hand zu halten. Man muss kein Marktradikal<strong>er</strong> od<strong>er</strong> Antieuropä<strong>er</strong>