DGPPN KONGRESS - Ärztekammer Berlin
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Eröffnungsvortrag und Konzert DUE<br />
Einige Künstler haben ihre bis heute bewunderten Werke ge-<br />
schaffen, obwohl sie an teil weise schweren psychischen Störungen<br />
litten. Vor allem scheint dies für Musiker zu gelten, und in beson-<br />
derem Maß, wie neuere Forschungen zeigen, für Fryderyk Chopin.<br />
In gewisser Weise hat der polnische Komponist und Pianist in der<br />
ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Klaviermusik neu erfunden<br />
– neu erfunden, indem er Töne als Äquivalent der mensch lichen<br />
Stimme, die Melodie als Gesang und das Klavier als Organ seiner<br />
persönlichen Gefühle ansah.<br />
Chopin starb 1849 in Paris, nur 39 Jahre alt. Während über die tod-<br />
bringende somatische Krankheit bis heute lebhaft spekuliert wird,<br />
sind seine rezidivierenden depressiven (und hypomanischen?)<br />
Verstimmungen völlig unbeachtet geblieben. Schon als 19-Jähriger<br />
litt er, seinen eigenen Worten zufolge, an einer „unerträglichen<br />
Melancholie“, die ihn „kalt und trocken wie einen Stein“ mache.<br />
Wenige Jahre später berichtete er über eine Phase gedrückter<br />
Stimmung in der typischen Diktion der Romantik: „Es war zweifel-<br />
los ein vorübergehendes Absterben meiner Gefühle – einen Augen-<br />
blick lang war ich für mein Herz ge storben. Oder vielmehr: für einen Augenblick<br />
mein Herz für mich.“ Und gegen Ende seines Lebens veranschaulichte er seinen<br />
emotionalen Zustand mit einem einzigartigen Vergleich aus der Sphäre der Mu-<br />
sik: „Manchmal kann ich weder traurig sein noch mich freuen … Ich bin wie eine<br />
Geigensaite auf einem Kontrabass – unbrauchbar, verdreht, erschlafft.“<br />
Im Kontext der gesamten Biographie ist Chopins Depressivität als charakteristi-<br />
sche Reaktionsweise auf belastende Lebenssituationen zu werten. Künstlerische<br />
Misserfolge, Trennungserlebnisse und natürlich die schwerwiegende körper-<br />
liche Erkrankung spielten dabei eine wesentliche Rolle. Gleichzeitig generiert<br />
die psychopathologische Analyse Hypothesen zur Verbindung zwischen seeli-<br />
16<br />
„ Dem Klavier vertraue ich meine Verzweiflung an“<br />
Prof. Dr. med. Axel Karenberg stu dierte Medizin in Köln und Montpellier und absolvierte die Weiter-<br />
bildung zum Facharzt für Neuro logie und Psychiatrie. Mit einem Stipendium der DFG Aufenthalt als<br />
Research and Teaching Fellow am Department of Medical Humanities / University of California, Los<br />
Angeles (UCLA). 1994 Habilitation, 2000 Ernennung zum apl. Professor für Geschichte der Medizin an<br />
der Universität zu Köln. Außerdem Professeur titulaire an der Université du Luxembourg, Mit glied in<br />
vielen Fachgesellschaf ten und Editorial Boards.<br />
Kreativität und Krankheit bei Fryderyk Chopin<br />
Zahlreiche Veröffentlichungen und Vorträge zu historischen und ethischen Aspekten der Psychiatrie<br />
und der Neurowissenschaften, zur antiken Medizin sowie zur Geschichte des Krankenhauses und des<br />
medizinischen Unterrichts. Ein be sonderes Interesse gilt den Wechselwirkungen zwischen Musik und<br />
Medizin. Als Buchpublikationen erschienen zuletzt: „Amor, Äskulap & Co. – Klassische Mythologie in der<br />
Sprache der modernen Medi zin“, „Heilkunde und Hochkultur“ (2 Bände), „Lernen am Bett der Kranken.<br />
Die frühen Universitätskliniken in Deutschland“ und „F. Chopin als Mensch, Patient und Künstler“.<br />
Axel Karenberg