analytisches roulette ...Diese Resultate sind nicht nur vontoxikologischer, son<strong>de</strong>rn auch von aktuellerpolitischer Brisanz. Denn sie werfen auchein Schlaglicht auf <strong>de</strong>n ökologischen Landbau.Jahrzehntelang wur<strong>de</strong> behauptet, beiEinhalt <strong>de</strong>r Wartezeiten sei kaum noch einUnterschied zwischen bei<strong>de</strong>n Anbaumetho<strong>de</strong>nerkennbar. Jetzt wissen wir endlich warum.Es wäre an <strong>de</strong>r Zeit, unter diesen neuenGesichtspunkten einmal Ökoprodukte mitkonventioneller Ware zu vergleichen.Das Problem ist nicht neu und allenFachleuten seit über zehn Jahren bekannt.Sie wissen, wie wertlos ihre Messergebnissein <strong>de</strong>r Praxis sein können. Ihnen mussbewusst sein, dass sie mit beachtlicher Präzisionund hohen Kosten <strong>de</strong>n Anteil einesStoffes bestimmen, auf <strong>de</strong>n es oftmals garnicht ankommt. Lägen die Dinge an<strong>de</strong>rsherum,wäre die tatsächliche Belastung erheblichniedriger als die Chemiker messen,wür<strong>de</strong>n die Stan<strong>de</strong>sorganisationen zur„Eile" mahnen, diesen „Missstand" abzustellen.Es ist an <strong>de</strong>r Zeit, dass die Expertensowohl ihren Auftraggebern als auch <strong>de</strong>rÖffentlichkeit die Grenzen ihrer Kunst eingestehen.Niemand wird von einem AnalytikerUnmögliches verlangen, aber durch ihrSchweigen setzen sie ihre Glaubwürdigkeitund Kompetenz in Sachen Rückstandsanalytikauf's Spiel.Der Ringversuch -Die Probe aufs ExempelDie Analytik von Rückstän<strong>de</strong>n,Umweltproben o<strong>de</strong>r Lebensmitteln istnicht nur eine Wissenschaft, sie ist aucheine Kunst. Denn die Zahl <strong>de</strong>r Fehlermöglichkeitenist beachtlich. Aus diesem Grundwer<strong>de</strong>n regelmäßig Ringversuche durchgeführt,bei <strong>de</strong>nen interessierte Labors mitRückstän<strong>de</strong>n markierte Proben erhalten.Nur anhand solcher Ringversuche ist esmöglich, die Zuverlässigkeit eines Laborsfestzustellen. Bisher ließ sich jedoch nurüberprüfen, inwieweit Fachlabors in <strong>de</strong>rLage sind, freie o<strong>de</strong>r konjugierte Rückstän<strong>de</strong>zu bestimmen.Bei einem solchen Ringversuch mit53 Labors, die „zehn aktuelle Insektizi<strong>de</strong>und Fungizi<strong>de</strong>" im Spinat bestimmen mussten,kam Hans-Peter Thier von <strong>de</strong>r UniversitätMünster zu folgen<strong>de</strong>m Resümee: „Diegestellte Aufgabe war zwar nicht leicht unddie Zahl <strong>de</strong>r Wirkstoffe größer als praxisüblich,doch entsprach die Art und Konzentration<strong>de</strong>r Insektizi<strong>de</strong> und Fungizi<strong>de</strong> <strong>de</strong>nAnfor<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r täglichen Routinearbeit.Die relativ zahlreichen Lücken beimNachweis lassen <strong>de</strong>n Schluss zu, dass dieBreite <strong>de</strong>s Untersuchungsspektrums in vielenLabors immer noch nicht <strong>de</strong>n heutigenAnfor<strong>de</strong>rungen entspricht. Wie die falschpositiven Befun<strong>de</strong> zeigen, wer<strong>de</strong>n die Ergebnissenicht immer genügend abgesichert."An falschen Resultaten sind nichtimmer die Chemiker schuld. Manchmal sinddie verwen<strong>de</strong>ten Reagenzien eine wichtigeFehlerquelle. Der Analytiker verwen<strong>de</strong>t zurKalibrierung seiner Geräte zertifizierteReferenzmaterialien. Diese sind tausend- biszehntausendmal teurer als die gleichen Stoffeohne Zertifikat.Manfred Häfner von <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sanstaltfür Pflanzenschutz in Stuttgart musstefeststellen, „dass selbst bei zertifiziertenReferenzmaterialien formale, formal-fachlicheund darüber hinaus gravieren<strong>de</strong> Mängelfestgestellt wer<strong>de</strong>n können". Selbst be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>Hersteller von Referenzmaterialenlehnen jedwe<strong>de</strong> Verantwortung für die Richtigkeitihres Zertifikates ab. Falsche Zusicherungensind offenbar nichts Ungewöhnliches.Nach Häfner enthalten zertifizierteund damit angeblich beson<strong>de</strong>rs reine Produktezum Teil massive Verunreinigungen.Bei einem britischen Ringversuchmusste ein künstliches Cocosnußöl untersuchtwer<strong>de</strong>n. John Craske von <strong>de</strong>r UniversitätNew South Wales fasst das Ergebniszusammen: „Cocosnußöl ist ein han<strong>de</strong>lsüblichesÖl und es ist nur vernünftig anzunehmen,dass ein fähiger Analytiker in <strong>de</strong>r Lagesein sollte, alle Probleme <strong>de</strong>rartiger Öle zubeherrschen. Von <strong>de</strong>n 34 Teilnehmernerreichten nur vier Ergebnisse, die als gutbezeichnet wer<strong>de</strong>n können. Die Qualität<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren 30 Analytiker fielen in einem soweiten Bereich unten durch, dass bedauerlicherweisegefolgert wer<strong>de</strong>n musste, dass<strong>de</strong>r Mehrzahl <strong>de</strong>r Teilnehmer die notwendigenFähigkeiten fehlten, die Methylesterherzustellen o<strong>de</strong>r ihren GC zu optimiereno<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>s.Wenn man be<strong>de</strong>nkt, dass dieseAnalyse <strong>de</strong>rzeit wahrscheinlich am häufigstenvon Fettchemikern durchgeführt wirdund dass keine an<strong>de</strong>re Analyse soviele Informationso schnell zur Verfügung stellt, kanndie Be<strong>de</strong>utung dieses Befun<strong>de</strong>s nur als alarmierendbezeichnet wer<strong>de</strong>n."
transparent15Georg Schwedt,TU Clausthal: „Um das Ziel richtiger Analysenwertezu erreichen, sind bisher unterschiedliche Wegebeschritten wor<strong>de</strong>n: Metho<strong>de</strong>nvergleiche, die Suche nachsystematischen Fehlerquellen, Ringversuche, <strong>de</strong>r Einsatz'normierter' Analysenverfahren, beispielsweise vonDIN-Verfahren, sowie Herstellung und Analyse vonStandard-Referenzmaterialien sind Ansätze zur Ermittlungrichtiger Analysendaten.We<strong>de</strong>r Ringversuche nochdie Feststellung von Reproduzierbarkeiten aus Mehrfachbestimmungen,und noch weniger die 'genaue' Anwendungvon DIN- o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren normierten Analysenverfahren leisteneinen entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Beitrag zur Erstellungrichtiger, son<strong>de</strong>rn eher zur Ermittlungvergleichbarer (und oft sogarfalscher) Ergebnisse."„Oftmals wer<strong>de</strong>nmit hoher Präzisonund Kosten die Stoffebestimmt, aufdie es gar nichtankommt”Udo Pollmer