„nicht <strong>de</strong>r hat recht,<strong>de</strong>r am lautesten schreit.”Oswald: Greenpeace hat sich für diesen Fehler öffentlichentschuldigt ...Preusker: Das stimmt zwar, aber bis dahin war durch eineAllianz von Politikern und Medienberichterstattern eine Boykottbewegung<strong>de</strong>r Bevölkerung gegen Tankstellen <strong>de</strong>r Shell-AG längst gelaufen, die Entscheidunggegen die Versenkung <strong>de</strong>r Brent Spar auf Hoher See längstgetroffen.Oswald: Was wollen Sie <strong>de</strong>nn tun, um das Vertrauen<strong>de</strong>r Verbraucherinnen und Verbraucher zurückzugewinnen?Preusker: Ich schlage vor, Probleme in Eigeninitiative und ineinem transparenten Verfahren zu lösen. Dafür ist es notwendig, dass sichUnternehmen und Branchen mit Verbraucherverbän<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>renInteressensvertretern um einen Konsens bemühen.Oswald: Wie soll diese Konsensfindung <strong>de</strong>nn konkretaussehen?Preusker: Als Beispiel sei <strong>de</strong>r Diskussionsprozess, <strong>de</strong>n dieFirma Shell nach <strong>de</strong>m Abbruch <strong>de</strong>r Versenkung <strong>de</strong>r Brent Spar begonnenhat, angeführt. Dabei wur<strong>de</strong>n weltweit Firmen,Wissenschaftler und auchNGOs eingela<strong>de</strong>n, ihre Vorschläge zu präsentieren und zu diskutieren, wiedie Entsorgung von Bohrinseln vonstatten gehen soll. Dieser Prozeß waröffentlich und je<strong>de</strong>rzeit nachprüfbar. Ein an<strong>de</strong>res Beispiel ist das Dialogprojekt<strong>de</strong>r Arbeitsgemeinschaft PVC und Umwelt, an <strong>de</strong>m ich selbstbeteiligt war und <strong>de</strong>r letztlich zu <strong>de</strong>r PROGNOS-Studie „PVC und Nachhaltigkeit”führte. Hier hat eine Gruppe von Wissenschaftlern, Journalisten,NGOs und einer Min<strong>de</strong>rheitsbeteiligung <strong>de</strong>r Industrie die Inhalte und Ziele<strong>de</strong>r Studie bestimmt.Oswald: Dieses Beispiel läßt sich meines Erachtensnicht so einfach übertragen.Wer soll <strong>de</strong>nn zum Beispiel die finanziellenMittel für solch aufwendige Prozesse bereitstellen?Preusker: Es war zugegeben ein sehr schwieriger und auchnicht ganz billiger Prozeß, aber er hat gezeigt, dass die Transparenz <strong>de</strong>sDialogs entschei<strong>de</strong>nd für <strong>de</strong>n Erfolg, sprich für das zurückgewonnene Vertrauenbei <strong>de</strong>n NGOs und <strong>de</strong>n Journalisten gegenüber <strong>de</strong>n Standpunkten<strong>de</strong>r chemischen Industrie, ist. Zuzugeben ist auch, dass mein Vorschlagsich auf beson<strong>de</strong>rs kontroverse Themen beschränkt und nicht alle kleinerenStreitfälle lösen kann.Oswald: Glauben Sie, dass die Verbaucherinnen undVerbraucher mehr Vertrauen in solche Gesprächszirkel haben wer<strong>de</strong>nals in Behör<strong>de</strong>nvertreter?Preusker: Sie sagten eingangs selbst, dass das jetzige VerfahrenVerbraucherinnen und Verbraucher stark verunsichert. Das Vertrauen<strong>de</strong>r Bevölkerung in die Entscheidungsträger, wo immer die sitzen, kannmeines Erachtens nur durch die Transparenz <strong>de</strong>r Entscheidungsfindungzurückgewonnen wer<strong>de</strong>n. Das heißt nicht, dass bestehen<strong>de</strong> Gremien <strong>de</strong>rMinisterien und Behör<strong>de</strong>n aufgelöst wer<strong>de</strong>n sollen. Ganz im Gegenteil. Ichplädiere dafür, sie eng in diesen Prozess einzubin<strong>de</strong>n. Die Initiative allerdingssollte von <strong>de</strong>n betroffenen Wirtschaftsunternehmen o<strong>de</strong>r Branchenausgehen. Sie sollten die Initiative zu einem solchen transparenten Prozessergreifen.Oswald: Glauben sie nicht, dass die gewählten Volksvertreterin <strong>de</strong>n Regierungen diese Aufgabe haben? Schließlich wer<strong>de</strong>nsie gewählt, um die Interessen <strong>de</strong>r Bevölkerung, also auch <strong>de</strong>nSchutz <strong>de</strong>r Gesundheit, wahrzunehmen.Preusker: Politiker sind fachliche Laien und sollten sich mitGrundsatzfragen und nicht mit komplexen Detailregelungen befassen.Außer<strong>de</strong>m sind sie meist nur für eine Legislaturperio<strong>de</strong>, also nur vier Jahre,im Amt. Meine Erfahrung ist, dass die Politiker überfor<strong>de</strong>rt sind, die oftschwierige Materie wie zum Beispiel die Zulassung von chemischen Produktenund Gebrauchsgegenstän<strong>de</strong>n zu durchblicken. Ich möchte nocheinmal betonen: es geht mir darum, die Polarisierung <strong>de</strong>r einzelnen Interessensvertretungen,die letztlich nieman<strong>de</strong>m nützen, aufzubrechen und in<strong>de</strong>n offenenen Dialog einzutreten. Meiner Meinung nach kann nur durchdie Offenlegung <strong>de</strong>r Entscheidungswege das Vertrauen <strong>de</strong>r Menschen inunser Han<strong>de</strong>ln und letztlich auch in das Han<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Politik zurückgewonnenwer<strong>de</strong>n.Oswald: Herr Preusker, ich danke Ihnen für dasGespräch
transparent19schadstoffbelastung in innenräumen:geschäfte mit <strong>de</strong>r angst?Umweltgifte in Wohnungen geraten zunehmend ins Visier. Die Stiftung Warentest undan<strong>de</strong>re bieten passen<strong>de</strong> Analysen an. Aber: Häufig schüren sie mehr die Hysterie, alsdass sie <strong>de</strong>r Aufklärung dienen, kritisiert Lucian Haas, freier Journalist und ehemaligerSprecher <strong>de</strong>s Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).Kopfschmerzen, Schnupfen,Schlappheit, Halsweh, Allergien - vielfältigsind die gesundheitlichen Lei<strong>de</strong>n, für dieimmer mehr Menschen die Urheber inihrer alltäglichen Umwelt suchen. Doch essind nicht nur Viren, bakterielle Keime o<strong>de</strong>rBlütenpollen, die ihnen zu Hause o<strong>de</strong>r amArbeitsplatz zusetzen. Auch viele in Alltagsprodukteneingesetze Chemikalien wer<strong>de</strong>nin zunehmen<strong>de</strong>m Maß als Bösewichte angesehen.Beispiele hierfür sind Lösemittel, dieaus Parkettklebern ausgasen, Pyrethroi<strong>de</strong>,die Teppichbö<strong>de</strong>n vor Käferfraß schützen,Phthalate, die Vinyl-Tapeten flexibel machen,und Phosphorsäureester, die dafür sorgen,dass Gehäuse von Elektrogeräten schwererentflammbar sind.Nur selten können die Beschwer<strong>de</strong>nein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n genannten o<strong>de</strong>r ähnlichenSubstanzen zugeordnet wer<strong>de</strong>n. Zugering sind in <strong>de</strong>r Regel die vorhan<strong>de</strong>nenKonzentrationen dieser Stoffe. Doch alleindie potenzielle Gefahr, die von ihnen ausgeht,bil<strong>de</strong>t eine fruchtbare Grundlage fürdie Angst <strong>de</strong>r Menschen um ihre Gesundheit.Medienberichte über entsprechen<strong>de</strong>Verdachtsmomente tragen oft ein Übrigesdazu bei. Denn nicht selten wird ein verdächtigerStoff sofort als ”Schadstoff”<strong>de</strong>klariert - unter Missachtung <strong>de</strong>r schon im15. Jahrhun<strong>de</strong>rt formulierten Erkenntnis <strong>de</strong>sArztes Paracelsus, dass erst eine entsprechen<strong>de</strong>Dosierung eine Substanz zum Giftwer<strong>de</strong>n lässt.Selbst renommierte Institutionen,die sich <strong>de</strong>r Verbraucheraufklärung verschriebenhaben, zeigen in dieser Hinsichtnicht immer Sorgfalt, wie das Beispiel ”StiftungWarentest” zeigt. In <strong>de</strong>ren test-Heft11/2000 macht sie unter <strong>de</strong>m Titel ”AußerKontrolle” Front gegen die ChemikalieDEHP, die als Weichmacher in Bö<strong>de</strong>n undTapeten aus PVC zu fin<strong>de</strong>n ist. DEHP stehtunter Verdacht, möglicherweise diegeschlechtliche Entwicklung von Kin<strong>de</strong>rn zustören. Ein<strong>de</strong>utige Beweise dafür fehlen,doch zur Vorsorge hat die EU diese Chemikaliein Beißringen für Babys verboten.Aber ist darum schon je<strong>de</strong>s Vorkommenvon DEHP gefährlich?Der test-Beitrag gibt auf diese Fragekeine Antwort. Doch subtil wird <strong>de</strong>mLeser <strong>de</strong>r Eindruck vermittelt, sich mitje<strong>de</strong>m PVC-Bo<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>r Vinyl-Tapeteein Gesundheitsrisiko ins Haus zu holen.„Die Gefahr lauert überall”, heißt es in <strong>de</strong>mBericht. Als Beispiel dient die HausfrauPetra H., <strong>de</strong>ren Tochter auffällig oft kranksei, was selbst <strong>de</strong>r Hausarzt nicht erklärenkönne. Allerdings führt die Analyse einerHausstaubprobe, welche die besorgte Mutteran test schickte, zum Ergebnis: ”DerStaub war <strong>de</strong>utlich mit Diethylhexylphtalat,kurz DEHP, belastet.”Einfach erklärt,aber schief gewickeltSpäter im Text erfährt <strong>de</strong>r Leser,dass in fast allen Zimmern <strong>de</strong>r Petra H.PVC-Bo<strong>de</strong>n verlegt ist, <strong>de</strong>r zu<strong>de</strong>m laut einerweiteren Analyse <strong>de</strong>s Materials mehr alssechs Prozent DEHP enthält: ”Umgerechnetauf die Wohnung sind das viele Kilogramm.”Einen mit <strong>de</strong>r Materie wenig vertrautenLeser führt diese Darstellungwahrscheinlich zu <strong>de</strong>r Annahme: „PVC =DEHP = krank”. Explizit steht das zwarnicht so im Blatt, aber zwischen <strong>de</strong>n Zeilengelesen erscheint ein Verzicht auf PVC ratsam.