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Ausgabe April 2004 - Landesärztekammer Brandenburg

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Gesundheitspolitik<br />

Immer häufiger Tatort: Arztpraxen<br />

Die Kassengebühr lockt Kriminelle an<br />

Viele hatte es schon vor Einführung der umstrittenen<br />

„Eintrittsgebühr“ in ärztliche Praxen<br />

vorausgesagt: Die Zehn-Euro-Praxisgebühr,<br />

die in Wirklichkeit eine zusätzliche Krankenkassengebühr<br />

ist, wird Kriminelle anlocken.<br />

„Knackis“ und Beschaffungstäter. Bei Tage<br />

und bei Nacht. Vor allem aber: Sie wird den<br />

Ärzten und ihren Mitarbeitern darob manch<br />

zusätzlichen Kummer bereiten, also nicht nur<br />

den des unerfreulichen Kassierens. Die Wirklichkeit<br />

bestätigt die bösen Vorahnungen.<br />

Nicht alle Polizeidienststellen erfassen Einbrüche<br />

gesondert nach dem „Arbeitsort“ der<br />

Täter. Das schleswig-holsteinische Landeskriminalamt<br />

in Kiel tut es. Seine erste Bilanz<br />

spricht Bände. Wurden im Januar 2003 landesweit<br />

22 Einbrüche in Arztpraxen gemeldet,<br />

so stieg diese Zahl im Januar <strong>2004</strong> auf<br />

48. Mehr als eine Verdoppelung also! Allein<br />

in der Landeshauptstadt Kiel wurden 31<br />

„Brüche“ in Arbeitsräume von Ärzten gezählt.<br />

Ein bedenklicher Rekord, der das Agieren einer<br />

oder mehrere spezialisierter Täter oder<br />

Tätergruppen vermuten lässt.<br />

Tatort Ärztehaus Rheinsberg<br />

Auch an <strong>Brandenburg</strong>er Ärzten ging der<br />

Kelch krimineller „Knackis“ nicht vorüber. Tatort<br />

Ärztehaus Rheinsberg. Dort verschafften<br />

sich Diebe in der Nacht vom 15. zum 16. Januar<br />

gewaltsam Eintritt, obgleich das Haus<br />

nach Ansicht der dort Arbeitenden, so Dr.<br />

med. Christine Jäckle „mit vergitterten Fenstern<br />

und Türen überdurchschnittlich gut gesichert<br />

schien“. Aber gegen die Brachialgewalt<br />

der Täter, die zwei Gitter mit Hilfe von Wagenhebern<br />

und vermutlich Motorkraft aus der<br />

Verankerung rissen, erwies sich die Vorsorge<br />

der Ärzte als zu gering. Die Täter brachen im<br />

Flachbau, etwas abseits am Waldrand gelegen,<br />

zwei ausgewählte Türen (was Ortskenntnis<br />

vermuten lässt), Schreibtische und Schränke<br />

auf, suchten gezielt nach Geld. Sie<br />

knackten die Kassette von Dr. Jäckle, fanden<br />

zum Glück aber keine gesammelten Praxisgebühren,<br />

wie sie wohl in der Nacht von Donnerstag<br />

auf Freitag, anderthalb Wochen nach<br />

Beginn der Kassieraktion, vermutet hatten.<br />

Nur einen Geldbetrag für die Zeitungslieferanten.<br />

Dass sie die gleichfalls in der Kassette deponierten<br />

Betäubungsmittelrezepte wie Konfetti<br />

in der Praxis verstreuten und auch das Morphium<br />

unbeachtet ließen, erhärtet den Verdacht,<br />

dass es sich nicht um Beschaffungskriminelle<br />

handelte, sondern um Einbrecher, die<br />

gezielt nach Bargeld Ausschau hielten.<br />

120 <strong>Brandenburg</strong>isches Ärzteblatt 4/<strong>2004</strong> 14. Jahrgang<br />

„Sachangebot“ blieb unbeachtet<br />

Das bestätigten auch die Zahnärzte Dr. Kirsten<br />

Schulz-Steinberg und Karsten Schulz, die<br />

in ihren technisch anspruchsvoll ausgerüsteten<br />

Behandlungsräumen mit Digitalkamera, Videorecorder,<br />

Fernsehgerät oder Flachbildschirmen<br />

einiges an Sachwerten „im Angebot“<br />

hatten. Doch all das ließen die Täter<br />

unbeachtet, brachen auch hier „nur“ sämtliche<br />

Schränke und Schreibtische auf. „Zum<br />

Glück sind wir von Vandalismus verschont geblieben“,<br />

gewann Dr. Kirsten Schulz-Steinberg<br />

dem unerwünschten Nachtbesuch noch<br />

eine kleine positive Seite ab. Nur in der Physiotherapie<br />

von Irene Hilbert nahmen die Täter<br />

einen Laptop mit.<br />

Die Schäden sind weitgehend repariert. Die<br />

Innenräume werden inzwischen videoüberwacht.<br />

„Das hat gut 3000 Euro gekostet“,<br />

sagte Karsten Schulz. Und von außen ist das<br />

Ärztehaus inzwischen mit einer Alarmanlage<br />

gesichert. Sämtliche Kosten haben die betroffenen<br />

Ärzte allein getragen. Eine Versicherungsregelung<br />

hätte eine Höherstufung und<br />

schwer erfüllbare Sicherheitsauflagen nach<br />

sich gezogen.<br />

Mehrkosten und Verdienstausfall<br />

Praxisgebühr = mehr Arbeit und mehr Kosten,<br />

diese unerfreuliche Gleichung hat sich in<br />

Rheinsberg doppelt bestätigt. „Hinzu kommt<br />

noch der Verdienstausfall, weil ich die Praxisräume<br />

nicht gleich nach dem Einbruch wieder<br />

nutzen konnte“, machte Dipl.-Med. Silke<br />

Klauß auf einen anderen Aspekt aufmerksam.<br />

Ihre Arbeitsstätte, gleichfalls in Rheinsberg<br />

gelegen, hatten Einbrecher in der Nacht vom<br />

11. zum 12. Februar gezielt nach Geld<br />

durchsucht, „aber nichts gefunden“, wie Silke<br />

Klauß, niedergelassene Allgemeinmedizinerin,<br />

ergänzte. Den Tresor allerdings, in dem<br />

sie Geld vermuteten, nahmen die Täter wie<br />

eine Taschenlampe und andere Kleinigkeiten<br />

mit. Der Sachschaden ist inzwischen von der<br />

Versicherung reguliert, der Verdienstausfall<br />

geblieben...<br />

Gezielt High-tech geklaut<br />

Nicht überall verlaufen die „Brüche“ relativ<br />

glimpflich. Bei Dr. Elke Wieden, Neurologin<br />

in Gransee, verschaffte sich vermutlich eine<br />

Tätergruppe in der Nacht zum 8. Februar, einem<br />

Sonntag (das Datum spricht für sich!),<br />

Zugang zur Praxis, brach ein Fenster auf und<br />

trat die teure Sicherheitstür mit roher Gewalt<br />

ein. Alle Schränke, die verschlossen waren,<br />

wurden aufgehebelt. Im Eingangsbereich<br />

wählten die Täter mit Sachkenntnis die zwei<br />

neuen der insgesamt drei Rechner aus und<br />

nahmen sie einschließlich Tastatur, Maus und<br />

Flachbildschirm mit. „Allein das waren rund<br />

4000 Euro Schaden“, rechnete Dr. Elke Wieden<br />

vor. Hinzu kamen 2000 Euro für die Sicherheitstür,<br />

diverse Hunderter für demolierte<br />

Schränke und Schreibtische.<br />

„Wir waren die Nummer 9 einer Einbruchsserie<br />

innerhalb von drei Wochen, die auch<br />

die AOK betroffen hatte“, berichtete Dr.<br />

Wieden. „Und nicht die letzten. Nach uns<br />

wurde bald darauf in zwei Zahnarztpraxen<br />

eingebrochen.“ In der einen nahmen die Täter<br />

nur das Geld mit, die Technik genügte<br />

ihren Ansprüchen anscheinend nicht. In der<br />

anderen verschwanden dagegen „High-tech<br />

und Knete“.<br />

Tatort Ärztehaus Rheinsberg in der Menzer Straße.<br />

Dieses Eisengitter, auf das Dr. Christine Jäckle, Karsten<br />

Schulz und Dr. Kirsten Schulz-Steinberg weisen,<br />

rissen die Täter mit Brachialgewalt aus der<br />

Verankerung und hebelten anschließend Fenster<br />

und Türen auf. Foto: Hans-A. Kühne<br />

Die Angst bleibt...<br />

Dr. Wieden musste sich von ihrem Schadensregulierer<br />

sagen lassen, dass wegen des<br />

„enormen Zuwachses an Praxiseinbrüchen“<br />

die Versicherungsprämien demnächst bestimmt<br />

steigen werden. Von der Polizei erfuhr<br />

sie ebenfalls wenig Tröstliches. In der Regel<br />

kämen die Täter nach ein paar Wochen<br />

zurück, weil sie – zu Recht – darauf spekulierten:<br />

Die Betroffenen werden bestimmt die<br />

Diebstahlslücken geschlossen und neue Geräte<br />

angeschafft haben.<br />

Dr. Elke Wieden: „Jeden Morgen, wenn ich<br />

die Praxistür aufschließe, überkommt mich ein<br />

mulmiges Gefühl und ich stelle mir die bange<br />

Frage: Waren die Einbrecher wieder da?“<br />

Ist das hinnehmbar? Wegen einer Gebühr,<br />

die die Ärzteschaft der Politik zu verdanken<br />

hat? Eine Gebühr – wofür? hak

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