Werte, Wichs und Waffenbrüder - RZ User
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<strong>Werte</strong>, <strong>Wichs</strong> <strong>und</strong> <strong>Waffenbrüder</strong> 11<br />
demokratische ” Freiheitskämpfer“ gewesen.<br />
Die ideologische Gr<strong>und</strong>lage dieses völkischen Nationalismus<br />
bildete der deutsche Idealismus von Fichte <strong>und</strong><br />
Schelling, welche die organische <strong>und</strong> naturhafte Gemeinschaft<br />
der Deutschen halluzinierten <strong>und</strong> diese mit einer<br />
langen Abstammungskette bis hin zu den Germanen <strong>und</strong><br />
Ur-Ariern zurückverfolgen wollten. Demnach sei das deutsche<br />
Volk auch keine ” Willensgemeinschaft“, als rein politisches<br />
Wesen, wie die Nation etwa in Frankreich begründet<br />
wurde, sondern ausdrücklich eine archaische, vorpolitisch<br />
begriffene Gemeinschaft. Dass die Deutschen alle<br />
etwas ganz besonderes gemeinsam hätten, nämlich ihr<br />
Blut, sei die Gr<strong>und</strong>lage, auf der eine deutsche Nation zu<br />
errichten sei. Darüber hinaus galt das ” deutsche Blut“ als<br />
Träger von Charaktereigenschaften, Sprache, Kultur <strong>und</strong><br />
Aussehen.<br />
Bis dieses Deutschland dann aber gegründet wurde,<br />
dauerte es noch über ein halbes Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> schließlich<br />
konnte dieser Schritt, der doch eigentlich die Umsetzung<br />
dessen sein sollte, was von Natur aus eh notwendig<br />
sei, nur mit Gewalt erreicht werden.<br />
Design veraltet – Aussage modern.<br />
Nachdem sich Preußen gegen Österreich um die Vorherrschaft<br />
des erwünschten Deutschlands durchgesetzt<br />
hatte (bis dahin war auch nicht klar was denn nun alles<br />
dazugehören sollte) <strong>und</strong> nachdem Preußen Dänemark <strong>und</strong><br />
Frankreich besiegt hatte, konnte die Gründung Deutschlands<br />
” von oben“ vollzogen werden. Der Mythos von<br />
der organischen Volksgemeinschaft wurde beibehalten <strong>und</strong><br />
fand als offizielle Staatsdoktrin mit dem ius sanguis ihren<br />
Niederschlag im Reichsgesetz. Das ius sanguis ist das preußische<br />
Bluts- <strong>und</strong> Abstammungsgesetz von 1842, demzu-<br />
folge deutscher Staatsbürger nur sein kann, wer deutsche<br />
Vorfahren hat also ” deutsches Blut“. Das deutsche Kaiserreich<br />
war die Blütezeit des deutschen Verbindungswesens,<br />
stellten sie doch einen Großteil der gesellschaftlichen<br />
Elite. So war Bismarck, der die Reichsgründung 1871 umgesetzt<br />
hat, Mitglied in der Corps Hannovera Göttingen.<br />
(Zur weiteren Bedeutung von Burschenschaften im Kaiserreich<br />
der Weimarer Republik <strong>und</strong> im NS siehe Abschnitt<br />
4 ” Seilschaften – Netzwerke – Verbindungen“)<br />
Nur mit einer Homogenisierung nach innen <strong>und</strong> Abgrenzung<br />
nach außen konnte sich der völkische Nationalismus<br />
durchsetzen. Die Homogenisierung wurde unter anderem<br />
durch das ius sanguis herbeigeführt. Die ab Mitte<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts sich durchsetzenden Rassentheorien<br />
ermöglichten völkischen Deutschen die wissenschaftliche<br />
Legitimiation ihres Denkens. Wurde die Trennung zwischen<br />
” Deutschen“ <strong>und</strong> ” Franzosen“ hauptsächlich über<br />
Kultur vollzogen, wurde die ” jüdische Rasse“ als absolutes<br />
Gegenstück zur ” deutschen“ betrachtet. Bei der deutschen<br />
Burschenschaft sah das gegen Ende des 19. Jhd.<br />
so aus, dass diese in ihrer Postille ” Burschenschaftliche<br />
Blätter“ feststellten, ” dass gegenwärtig die deutsche aktive<br />
Burschenschaft, [. . . ] den Kampf gegen das Judentum<br />
als eine nationale Aufgabe ansehen an deren Lösung sich<br />
die Burschenschaft beteiligen soll.“ 31 Einzig aus diesem<br />
Gr<strong>und</strong> entstand der ” Verein Deutscher Studenten“ (siehe<br />
6.7). Auch in anderen Verbindungen kam es seit diesem<br />
Zeitpunkt vermehrt zum Ausschluss jüdischer Studenten,<br />
was zur Folge hatte, dass 1895 diese in der Deutschen Burschenschaft<br />
nicht mehr vertreten waren.<br />
Schon 1879 entbrannten (später als ” Antisemitismusstreit“<br />
bezeichnete) Auseinandersetzungen an den Universitäten<br />
darüber, ob sich assimilierende Juden Teil der<br />
deutschen Nation sein könnten. Die verschiedenen Burschenschaften<br />
ergriffen einhellig die Partei für Professor<br />
von Treitschke, der in diesem Zusammenhang den folgenschweren<br />
Satz ” die Juden sind unser Unglück“ formulieren<br />
sollte.<br />
” Antisemitismus verrät uns nichts über die Juden,<br />
aber eine Menge über die Antisemiten <strong>und</strong> die<br />
Kultur, die sie hervorbringt.“ (Daniel Jonah Goldhagen)<br />
” Jawohl die Völkischen hassen die Juden, aber nicht die<br />
Juden als mechanisch wirkende Krankheitserreger; sondern<br />
den jüdischen Geist, der mit seinem Intellektualismus<br />
die Welt entgöttert, die Kulturen zersetzt, die<br />
historisch-soziale Ordnung auflöst, eine ästhetische Genießerphilosophie<br />
verbreitet, die reinen Geschlechtsbeziehungen<br />
des Germanen pervertiert <strong>und</strong> dank seiner Eignung<br />
zu abstrakten Geldgeschäften die Völker – ob bewußt oder<br />
unbewußt [. . . ] – zu Knechten macht.“ 32<br />
Die gewaltsame Durchsetzung <strong>und</strong> Universalisierung<br />
kapitalistischer Warenvergesellschaftung wurde von vielen<br />
Menschen als Bedrohung oder als Katastrophe empf<strong>und</strong>en,<br />
weil sie alle bisherigen gesellschaftlichen Verhältnisse <strong>und</strong><br />
Beziehungen aufbrach. Insbesondere in jenen Gesellschaften,<br />
in denen die kapitalistische Modernisierung durch den<br />
Staat durchgeführt wurde, entstand das Bedürfnis, eine<br />
31 Zitiert nach: Heither, Gehler, Kurth, Schäfer, Blut <strong>und</strong> Paukboden. S. 71f.<br />
32 Burschenschaftliche Blätter, 1924. zitiert nach: Heither, Gehler, Kurth, Schäfer, Blut <strong>und</strong> Paukboden. S. 91f