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Werte, Wichs und Waffenbrüder - RZ User

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14 <strong>Werte</strong>, <strong>Wichs</strong> <strong>und</strong> <strong>Waffenbrüder</strong><br />

4 Seilschaften – Netzwerke – Verbindungen<br />

Über das Elitenwesen der studentischen Korporationen<br />

Bei dem Gedankenan studentische Verbindungen ist die Assoziation mit dem Elite-Gedanken nicht weit. Der Elitebegriff<br />

(lat. = Auswahl) kann von verschiedenen Standpunkten betrachtet werden. Zum Einen beschreibt er eine<br />

Zusammenfassung überdurchschnittlich qualifizierter Personen (Funktionseliten), zum Anderen die herrschenden bzw.<br />

einflussreichen Kreise in einer Gesellschaft (Machteliten). Ebenso kann der Elitebegriff im militärischen Zusammenhang<br />

genutzt werden, wobei er besonders ausgebildete <strong>und</strong> bewaffnete Truppenteile beschreibt.<br />

Die meisten Mitglieder von Studentenverbindungen werden sich höchstwahrscheinlich unter dem funktionalen Elitebegriff<br />

einordnen. Dabei verkennen sie aber, was Qualifikation bedeutet. Letztlich besteht die Hauptfunktion der<br />

Verbindungen darin, gesellschaftliche Macht zu bündeln <strong>und</strong> unter den eigenen Mitgliedern zu verteilen. Einige mögen<br />

in ihrer Erziehung auch eine besondere ” Ausrüstung“ oder ” Bewaffnung“ für den Kampf in der Gesellschaft sehen, irgendwelche<br />

relevanten Aussagen bezüglich der gesellschaftlichen Funktion lassen sich vom Standpunkt der letztgenannten<br />

Definition aber wohl nicht ernsthaft treffen. Deswegen wird im folgenden ausschließlich auf die Machtelitenbildung<br />

eingegangen.<br />

4.1 Vetternwirtschaft <strong>und</strong> Elitedünkel gestern<br />

Zu Beginn des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts entstanden mit den Corps<br />

die ersten Studentenverbindungen nach heutigem Muster.<br />

Mitglieder der Corps waren fast ausschließlich adelige<br />

Studenten. Im Gegensatz zu den Burschenschaften <strong>und</strong><br />

Landsmannschaften der damaligen Zeit, war es Ende des<br />

19.Jahrh<strong>und</strong>erts nur noch mit Empfehlung der Alten Herren<br />

oder der Aktivitas des Corps möglich in die Verbindung<br />

des Corps aufgenommen zu werden. Weitere Vorrausetzungen<br />

waren hohe Eintrittsbeiträge <strong>und</strong> die Herkunft<br />

aus einem reichen, am besten adeligen Elternhaus.<br />

In den feudal-aristokratisch gesinnten Corps, mit dem Hohen<br />

Kösener Senioren-Convents Verband als Dachverband,<br />

befanden sich fast ausschließlich aus Studenten aus dem<br />

Adel, aus Offiziersfamillien, aus Familien von Industriellen,<br />

Bankiers, hohen Beamten oder Großgr<strong>und</strong>besitzern.<br />

Die Karriereförderung <strong>und</strong> der Nepotismus (Vetternwirtschaft)<br />

waren in den Kösener Corps am stärksten ausgeprägt.<br />

Das bekannteste Corps-Mitglied zu dieser Zeit, Kaiser<br />

Wilhelm II., nannte die Erziehung im Corps ” die beste<br />

Erziehung, die ein junger Mann für sein späteres Leben<br />

bekommt.“<br />

Die ehemals bürgerlich-demokratischen Burschenschaften<br />

vollzogen spätestens mit dem Beginn des Kaiserreiches<br />

den ideologischen Schulterschluss mit den gesellschaftlichen<br />

Eliten. Ihnen kam jetzt die wichtige Aufgabe zu,<br />

bürgerliche Studenten zu ” feudalisieren“, um sie so an<br />

vorindustriell-adlige Eliten zu binden. 35<br />

Das aufstrebende Industriebürgertum, geprägt von einem<br />

wachsenden Nationalismus, versuchte seine Position<br />

gegenüber der ebenfalls aufstrebenden Arbeiterbewegung<br />

zu verteidigen. Zusammen mit den traditionellen<br />

Eliten verfolgten sie die wilhelminische Forderung nach<br />

einem deutschen ” Platz an der Sonne“. 36 Zu dieser Zeit<br />

Mitglied in einer Studentenverbindung zu sein, bedeutete<br />

einen Aufstieg in das Establishment, in die Oberschicht<br />

Deutschlands, <strong>und</strong> zwar nicht nur innerhalb einer Stadt,<br />

sondern national. Man galt als Zugehöriger einer Elite,<br />

deren Mitglieder eine eigene <strong>Werte</strong>- <strong>und</strong> Normenvorstel-<br />

35Heiter, Gehler, Kurth, Schäfer, Blut <strong>und</strong> Paukboden. S. 71.<br />

36AStA der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Verbindungs(un)wesen. S. 16/17.<br />

37ebd. S. 16/17.<br />

38Heither, Gehler, Kurth, Schäfer, Blut <strong>und</strong> Paukboden. S. 71.<br />

39 ebd. S. 94ff.<br />

lung verband. Ein Beispiel hierfür ist das Duell mit Waffen<br />

bei Ehrverletzungen, das trotz des Verbots des Waffengebrauchs<br />

während der Kaiserzeit toleriert wurde. 37<br />

Neben dem<br />

Konstrukt der<br />

”<br />

Corpsstudent 1925<br />

Ständegesellschaft“<br />

kam Ende<br />

des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

mit<br />

dem völkischbiologistischen<br />

Nationalismus<br />

noch ein ganz<br />

anderer Elitegedanke<br />

hinzu.<br />

In den Ausgaben<br />

der Burschenschaftlichen<br />

Blätter dieser Zeit<br />

findet man eine<br />

Vielzahl von<br />

nationalistischvölkischen<br />

<strong>und</strong><br />

rassistischen Artikeln. 1894 wurde dort ein Aufruf<br />

veröffentlicht, in dem die Verfasser die Gründung einer<br />

all-germanischen Bewegung“ beschwören <strong>und</strong> zum<br />

”<br />

” Kampf der Rassen“ aufrufen.38<br />

Auch der moderne politische Antisemitismus, der sich<br />

zeitgleich rasend schnell in studentischen Kreisen verbreitete,<br />

hatte elitäre Komponenten. Die Juden wurden<br />

zur Gegenrasse“ der arischen Rasse stilisiert, zu Unter-<br />

” ”<br />

menschen“, die innerhalb Deutschlands zersetzend wirken<br />

<strong>und</strong> somit im Kampf der Rassen“ der Hauptfeind wa-<br />

”<br />

ren.’ 39<br />

Mit der Abschaffung der Monarchie verloren die Corps<br />

ihre dominante Stellung als Rekrutierungsinstanz für die<br />

deutsche Elite an die Burschenschaften <strong>und</strong> vor allem an<br />

die katholischen Studentenverbindungen CV <strong>und</strong> KV. Die<br />

soziale Herkunft spielte bei den katholischen Verbänden eine<br />

nur untergeordnete Rolle. Wichtiger waren gemeinsame

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