30 zett 1–08Hina Strüver/Matthias Wüthrich am Institute for Integrative Biology, ETH ZürichRegrowing Eden, performative Skulptur zu aktuellen gesellschaftlichen Diskursen um Gentechnologie:v.l.n.r.: im Lichthof der ETHZ; Museu Oscar Niemeyer, Curitiba, Brasilien; Art Space, Nha San, Hanoi, Vietnam.Pablo Ventura am Artificial Intelligence Lab (AI-Lab), Universität Zürich:Machine ChoreographyAls Pablo Ventura am Artificial Intelligence Lab der Universität Zürich s<strong>ein</strong>eAbsicht, <strong>ein</strong>en tanzenden Roboter zu entwickeln, vorstellte, reagiertendie Forscher sehr skeptisch. Das Projekt sei nicht nur ambitiös, es würde denzeitlichen Rahmen des Stipendiums auch bei weitem sprengen. Entstandenist (nach <strong>ein</strong>iger Überzeugungsarbeit) <strong>ein</strong> gem<strong>ein</strong>sames Projekt, welchesdas Wissen des Künstlers über das Bewegungsspektrum von TänzerInnen unddas der Forscher über die Robotik und die „Materialisierung“ von Muskelnund Gliedern ver<strong>ein</strong>t und ihnen künstliches Leben <strong>ein</strong>haucht. Der erste Prototyp<strong>ein</strong>es B<strong>ein</strong>es für den „Humanoid Dancing Robot“ konnte noch innerhalbdes Laboraufenthaltes realisiert werden.Roman Keller am Paul Scherrer Institut, PSI, Villigen:„a rocket for the rest of us“v.l.n.r.: Welterste Solarrakete; Feldversuch mit Solarrakete; Aufruf am PSI;unten: Arbeitsplatz am PSIMit der solarbetriebenen Rakete möchte der Künstler Roman Keller an denPioniergeist der Wissenschaften erinnern, die Emotionalität von Entdeckungenunterstreichen und Wissenschaft in ihrem historischen symbolischenZusammenhang untersuchen. Während s<strong>ein</strong>es Aufenthaltes am Paul ScherrerInstitut, Villigen, im Bereich Energie, befasste sich Roman Keller intensivmit der Geschichte der Alternativ-Energieforschung und veröffentlichte dazudie Publikation „a rocket for the rest of us“. Gleichzeitig nimmt s<strong>ein</strong>e Idee,die welterste solarbetriebene Rakete zu bauen, Form an. Es ist der Anfang<strong>ein</strong>er intensiven Zusammenarbeit mit <strong>ein</strong>em Ingenieur am PSI, der mit s<strong>ein</strong>emWissen und dem Öffnen von Türen massgeblich zum Gelingen des Projektesbeiträgt. Der nächste Testflug findet im Mai 2008 am PSI statt, zu erwartenist <strong>ein</strong>e Flughöhe zwischen 400 und 700 Metern!Pe Lang am CSEM, Alpnach: untitled_sound_objectsWie inspirierend die Begegnung und das Interesse „zweier Welten“ für<strong>ein</strong>anders<strong>ein</strong> können, erlebten der Künstler Pe Lang und die Ingenieure und Forscheram CSEM in Alpnach. Mit dem Künstler hielten Fischli Weiss am CSEM Einzug,den „Lauf der Dinge“ im Loop wiederholend. Ein reger Austausch über neuartigeTechnologien im Bereich der Mikroelektronik und Robotik, Projektverläufeund Fragen der Ästhetik prägten den Alltag im Labor. Das Know-how derhochqualifizierten Ingenieure und Forscher, der Zugang zu neu entwickeltenSensoren und Wireless-Networks sowie Experimente mit der CSEM-3-D-Kamera unterstützten Pe Lang bei der Verwirklichung s<strong>ein</strong>es „untitled_sound_objects“-Projektes – <strong>ein</strong> akustisch-intelligentes Kompositionssystem mit achtcomputergesteuerten Lautsprechern. Für das Auge unsichtbar, sorgt <strong>ein</strong>ehochkomplexe Technologie für die Präzision der Bewegungen der Lautsprecher.Dieselbe Technologie wurde für die Motoren des Marsmobils „Sojourner“verwendet.
zett 1–08 31„Regrowing Eden“ befasst sich mit den technischen Aspekten und demsozialen Diskurs um gentechnisch veränderte Pflanzen. Die KünstlerInnenHina Strüver und Matthias Wüthrich erarbeiteten sich während ihresAufenthaltes am Geobotanischen Institut der ETH Zürich die Wissensgrundlagenzur Gentechnik und deren Risikoforschung. In Gesprächen mitWissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und der Bevölkerung in der Schweiz,Brasilien und Vietnam sowie in <strong>ein</strong>em Online-Fragebogen versuchten sie,den Diskurs um Gentechnologie zu erfassen. Mit Rauminstallationen,performativen Skulpturen und <strong>ein</strong>er Computersimulation unterwww.regrowingeden.ch schaffen Hina Strüver und Matthias Wüthrich <strong>ein</strong>ekünstlerische Abbildung und lassen wissenschaftlich-soziale Sachverhalteals <strong>ein</strong>e durch performative Eingriffe wachsende „Gentechnik-Pflanze“sinnlich erfahrbar machen.forschungkunst schaffenim laborDie Künstlerin Hina Strüver sowie die KünstlerMatthias Wüthrich, Pablo Ventura, Pe Langund Roman Keller haben im Rahmen des Swiss-Artists-in-Labs-Programms in verschiedenenSchweizer Wissenschaftslabors an ihren Projektideengearbeitet. Im November 2007 konntendie Kunstschaffenden ihre erfolgreich entwickeltenProjekte präsentieren. Irène Hediger*Das Swiss-Artists-in-Labs-Programm am Institute for CulturalStudies in the Arts ICS hat zum Ziel, Forschende ausKunst und Wissenschaft zusammenzubringen. Dadurchwird <strong>ein</strong> Transfer von Wissen und Methoden ermöglicht, derneue Perspektiven in Forschungsdiskursen und künstlerischerArbeit eröffnen soll. Das Programm wird vom Bundesamtfür Kultur (BAK) im Rahmen s<strong>ein</strong>er Medienkunstförderungunterstützt. Es bietet Künstlerinnen und Künstlern dieMöglichkeit, innerhalb <strong>ein</strong>es spezifischen WissenschaftsundForschungskontextes künstlerische Interpretationenund Inhalte zu entwickeln.Transdisziplinärer AlltagWährend neun Monaten haben die Kunstschaffenden <strong>ein</strong>eneigenen Arbeitsplatz im Labor ihrer Wahl, sind Teil <strong>ein</strong>esWissenschafts-Teams und erhalten Zugang zu entsprechendemGrundlagenwissen, zu Methodik, Werkzeugenund Materialien. Der Besuch von Vorlesungen und Kolloquiengehört ebenso zum künstlerischen Alltag im Laborwie die Teilnahme an Teamsitzungen und der persönlicheAustausch mit den Wissenschaftlerinnen. Referate, Präsentationen,Installationen und Performances seitens derKunstschaffenden geben den Wissenschaftlern <strong>ein</strong>en Einblickin die Welt der Gegenwartskunst, in die ästhetischePraxis und in die Semiotik der Kommunikation von Künstlerinnenund Künstlern.Anlässlich des Symposiums im Rahmen des Digital-Art-Weeks-Festivals der ETH Zürich im Juli 2007 präsentiertenund reflektierten Kunstschaffende und Wissenschaftler-Innen ihre bisherige Zusammenarbeit.Der Faktor ZeitObwohl die Prozesse innerhalb der verschiedenen Laborssehr individuell verliefen, zeichnete sich <strong>ein</strong>e Zeitstrukturab, die sich ungeachtet der unterschiedlichen Umfelderähnlich gestaltete. Drei bis vier Monate benötigten dieKunstschaffenden, um sich im neuen Umfeld zu orientieren,Kontakte zu knüpfen und das laborspezifische Wissenzu erarbeiten. In weiteren drei bis vier Monaten wurdenProjektideen vertieft, verändert und andere neu entwickelt.Die letzten zwei bis drei Monate dienten der Entwicklungund Materialisierung von Prototypen.Ende November 2007 bildete die Präsentation der Ergebnissedieser transdisziplinären Zusammenarbeit den offiziellenAbschluss des Programms Swiss Artists in Labs 2007.Sowohl Kunstschaffende als auch WissenschaftlerInnenempfanden die Zeitspanne von neun Monaten als adäquat,um die Annäherung und das Verständnis der unterschiedlichenDisziplinen, Kulturen und Sprachen zu begünstigenund <strong>ein</strong>e inspirierende und innovative Zusammenarbeitzu ermöglichen. Es zeigt sich auch, dass die entstandeneninterdisziplinären Netzwerke über den offiziellen Laboraufenthalthinaus bestehen bleiben und <strong>ein</strong>zelne Projekte bilateralweiterverfolgt werden.Die während des Swiss-Artists-in-Labs-Aufenthalts entwickeltenkünstlerischen Arbeiten von Pablo Ventura (MachineChoreography), Pe Lang (untitled_sound_objects), HinaStrüver und Matthias Wüthrich (Regrowing Eden) sowie vonRoman Keller (Energy Plan for the Western Man, weltersteSolarrakete) werden im Juli 2008 am International Symposiumon Electronic Art (ISEA) in Singapur zu sehen s<strong>ein</strong>.Informationen unter:www.artistsinlabs.chwww.ventura-dance.com (Pablo Ventura)www.pelang.ch (Pe Lang)www.romankeller.com (Roman Keller)Hina Strüver und Matthias Wüthrich: www.regrowingeden.chInternational Symposium on Electronic Art: www.isea2008.orgDie Gewinnerinnen und Gewinner der Swiss AIL-Stipendien 2008(März bis November 2008) sind:— Pin Qiu, Performance/Installation/Plastik, Projekt: „Baden“ an der Eawag,Aquatic Research, Dübendorf— Chandrasekhar Ramakrishnan, Multimedia, Projekt: „Diglossia: zweisprachigeSoftware-Entwicklung“ am Institute of Computer Systems der ETHZürich— Sylvia Hostettler, Plastik/Installation/Fotografie, Projekt: „Lichtreaktion –Dimensionen <strong>ein</strong>er sch<strong>ein</strong>baren Unsichtbarkeit“ Faculté de Biologie et deMedicine, Universität Lausanne— Monika Codourey, Architektur/Urban Media/Cultural Studies, Projekt:„Constant Traveler – Reality Game“ am Institut für Psychologie derUniversität Basel* Irène Hediger ist Co-Leiterin des Swiss-Artists-in-Labs-Programms(irene.hediger@zhdk.ch).