VERTEILEREBENE 21 JUNI – 5:30 PM VERTEILEREBENE 21 SEP – 5:30 PM VERTEILEREBENE 21 JUNI – 5:30 PM Reilly O’Neal Hogan: „Ich möchte die Bedeutung des Lichts für die Raumqualität verstehen“ D&A: Ihr Projekt für den International <strong>VELUX</strong> Award bestand im Umbau einer Bahn-Station in Downtown Manhattan. Warum entschieden Sie sich gerade für diesen Ort, und wie sieht die Situation dort derzeit in der Realität aus? ROH: Unmittelbar neben dem einstigen World Trade Center und dem künftigen World Trade Center Memorial gelegen, wird die PATH-Station demnächst jeden Tag <strong>von</strong> mehr als 35.000 Pendlern passiert. Diese Pendler werden die Station über Jahre hinweg zweimal täglich ‚erfahren‘. Natürlich hat sie nichts mit dem 9-11 Memorial gemein, aber es bietet sich hier die Gelegenheit, der alltäglichen Routine neue Bedeutung zu verleihen und so all jener zu gedenken, die an jenem Tag ihr Leben verloren. Ich sah hier die Möglichkeit, im wahrsten Sinne des Wortes kurze Lichtblicke in den Alltagstrott der Menschen zu bringen. Das Memorial ist ein Reiseziel, die Bahnstation genau das Gegenteil: ein Durchgangsbereich. Derzeit ist dort eine Behelfsstation eingerichtet, um die unteren Gleise des PATH-Zugs zu erreichen und in die U-Bahn umzusteigen. Anstelle der jetzigen Behelfsstation wird hier ein neues Verkehrsdrehkreuz <strong>von</strong> Santiago Calatrava entstehen. D&A: Mit Hilfe des Tageslichts haben Sie einem vormals seelenlosen Ort Charakter verliehen. Mit welchen architektonischen Mitteln konnten Sie diese Umwandlung erreichen? ROH: Ziel des Projekts war eine <strong>Architektur</strong>, die das Publikum (also die Pendler) bei zunehmender Vertrautheit mit dem Ort immer wieder aufs Neue beeindruckt. Ist es möglich, durch erhöhte Sensibilität für Licht, Schatten und Jahreszeitenwechsel einen Raum zu schaffen, der sich durch die Zeit definiert? Mein Grundkonzept basiert auf einer neuen Gewichtung des Verhältnisses zwischen Licht und Innenraum. Lichtmomente werden eingefangen und durch Brechung verstärkt. Die Öffnung bewirkt – im Gegensatz zu den Skyspaces <strong>von</strong> James Turell, wo diese eine Art Klammerfunktion hat – eine Brechung des Tageslichts und seine Projektion in den Untergrund. Durch dieses Prinzip der Brechung wollte ich traditionelle Raumgrenzen wie Wände, Decken oder Säulen entmaterialisieren und in Lichtreflektoren verwandeln. Das Licht wird geformt, durch einen Reflektor umgelenkt und auf eine lichtdurchlässige Fläche projiziert und durchsetzt so den Innenraum mit Lichtpunkten. Die monotone Alltagsroutine der Pendler in der U-Bahn ohne jedwede Beziehung zu der Station weicht so einer höchst ästhetischen Erfahrung, die sich je nach Wetter, Sonnenstand und Jahreszeit ändert. D&A: Welche Methoden und Mittel haben Sie genutzt, um den Tageslichteinfall während des Planungsprozesses zu simulieren? ROH: Computersimulationen erweisen sich als höchst mühselig, wenn man es mit kaustischem Licht zu tun hat (also mit Licht, das <strong>von</strong> einer Metall- oder Glasfläche auf eine andere Fläche reflektiert oder gestreut wird), außerdem sind schnelle Experimente damit kaum möglich. Deshalb habe ich mich fast ausschließlich physischer Modelle bedient, die den Vorteil bieten, mit echten Materialien und deren Eigenschaften (wenngleich auch nur in Annäherung an den realen Maßstab) arbeiten zu können und die Effekte des reflektierten Lichts auf den Raum per Video oder 70 D&A WINTER 2008 AUSGABE 10 Foto festzuhalten. Mit Hilfe eines hellen Scheinwerfers zur Simulation der Lichteinfallswinkel und einer kleinen, in die Modelle eingebauten Videokamera mit Live-Verbindung zu einem Laptop war es möglich, die Reflektoren exakt zu planen und auszurichten. Dementsprechend wurden Stützen und Wände gestaltet und erste Gesamtstudien durchgeführt. Anschließend wurden die Modelle bei realem Tageslicht getestet und fotografiert. Die Endstudie wurde zunächst unter Berücksichtigung der vier Sonnenwinkel digital modelliert, um die Dach- und Glasreflektoren zu planen, und anschließend physisch nachgestellt, getestet und fotografiert. Änderungen des Sonnenwinkels konnten durch Ausrichtung des Scheinwerfers auf eine auf der Modelloberfläche montierte Sonnenuhr rasch simuliert und anhand <strong>von</strong> Fotos dokumentiert werden. Dies erwies sich bei der Arbeit mit solchen Effekten als wirkungsvolle Methode, die schnelles Experimentieren und eine konkrete Einschätzung der Effektwirkung im Raum ermöglichte. D&A: Welche Rolle spielen das Lichtdesign und insbesondere das Tageslicht im Lehrplan Ihrer Universität? ROH: Meiner Erfahrung nach ist Lichtdesign bei uns kein zentrales Studienthema – und wenn, dann eher im technischen oder funktionalen Sinne. Mein Interesse an Licht ist dagegen eher qualitativer Art. Ich möchte die Bedeutung des Lichts für die Qualität eines Raums und dessen sinnliche Wahrnehmung verstehen. In meiner Arbeit als Lehrassistent an der Cornell University mache ich Licht häufig zum zentralen Entwurfselement. Auf diese Weise hoffe ich, die Studenten nachhaltig für die Bedeutung des Lichts für die Raumqualität zu sensibilisieren.
SCHATTENANALYSE DER VERTEILEREBENE Der Siegerentwurf <strong>von</strong> Reilly O’Neal Hogan macht die Dynamik des Tageslichts auch für die Pendler im New Yorker Untergrund spürbar: Täglich zu den Hauptverkehrszeiten wird Sonnenlicht durch einen Reflektor in die Tiefe gelenkt und dort auf die transluzenten Raumoberflächen projiziert. 71