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Daylight & Architecture | Architektur-Magazin von VELUX, Ausgabe ...

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nur, solange der Gedanke an ihre ökonomischen<br />

und ökologischen Folgekosten<br />

außen vor bleibt.<br />

Die vielleicht wichtigste Erkenntnis<br />

aus Wolters Buch lautet, dass sich<br />

das Projekt in 50 Jahren wohl problemlos<br />

nochmals fotografieren ließe –<br />

an anderen Orten, aber mit ähnlichen<br />

Ergebnissen. Denn ‚blühende Landschaften‘<br />

sind letztendlich nichts<br />

anderes als die manchmal unvermeidlichen<br />

und gelegentlich mutwillig herbeigeführten<br />

Reibungsverluste, die<br />

unser aller Streben nach Wachstum<br />

und Fortschritt mit sich bringt.<br />

ROOFTOP<br />

ARCHITECTURE<br />

Autoren: Ed Melet,<br />

Eric Vreedenburgh<br />

NAi Publishers<br />

ISBN 90-5662-362-1<br />

Der Mensch, zumal der Europäer, ist<br />

ein expansives Wesen. Weil dem so<br />

ist, hat er in den vergangenen Jahrzehnten<br />

immer neue Möglichkeiten<br />

ausgelotet, in seinen Städten neuen<br />

Raum zum Wohnen und Arbeiten zu<br />

schaffen: Stadtrandsiedlungen, Satellitenstädte<br />

und Umnutzungen innerstädtischer<br />

Industriebrachen. Es ist<br />

vermutlich kein Zufall, dass nun zwei<br />

Architekten aus den Niederlanden –<br />

Europas dichtest besiedeltem und in<br />

Sachen <strong>Architektur</strong> zweifellos pragmatischstem<br />

Flächenstaat – ein Buch<br />

über das Bauen auf bestehenden Dächern<br />

verfasst haben. Besonders systematisch<br />

gingen Ed Melet und Eric<br />

Vreedenburgh dabei nicht vor. Sie<br />

entwickeln ihr Buch um einen vierteiligen<br />

Essay, den sie mit oft nicht weiter<br />

kommentierten Bildern und kurzen<br />

‚Satellitentexten’ in der Art enzyklopädischer<br />

Stichworte garnieren.<br />

Der einleitende Essay hingegen<br />

besitzt sowohl Struktur und Inhalt<br />

als auch eine klare Botschaft: ‚Bauen<br />

auf dem Dach’ wird in diesem Buch<br />

als große Chance begriffen. Bewertet<br />

wird es stets im Hinblick auf die<br />

Ziele, die die Autoren für die europäische<br />

Stadt als wünschenswert<br />

definieren: soziale und funktionale<br />

Durchmischung, umweltverträgliche<br />

Kompaktheit und die Möglichkeit<br />

‚spontaner’ Interaktion – was<br />

immer der Leser sich hierunter vorzustellen<br />

hat. So bewegt sich der Text<br />

stellenweise hart an der Grenze zum<br />

Dogmatismus, wenn er bloße Dachaufstockungen<br />

(Stichwort: ‚Mehr<br />

vom Gleichen’) als minderwertig gegenüber<br />

echten Neubauten auf dem<br />

Dach bewertet. Letztere könnten – so<br />

die Autoren – der bestehenden Stadt<br />

zumindest die eine oder andere neue<br />

Funktion hinzufügen. Inwieweit sie<br />

dies in der Realität auch tun, wird indessen<br />

kaum hinterfragt.<br />

Dennoch ist ‚Rooftop <strong>Architecture</strong>’<br />

ein ernst zu nehmender Versuch,<br />

die Potenziale darzustellen, die die<br />

Dächer unserer Städte für Neubauten<br />

bieten. Ganz neu ist die Idee freilich<br />

nicht: Bei ihrer Recherche nach Ideen<br />

für ‚Stadtaufstockungen’ stießen die<br />

Autoren auf El Lissitzkys ‚Wolkenbügel‘,<br />

das Hundertwasserhaus in Wien<br />

(warum eigentlich?), Penthouses in<br />

Manhattan und viele weitere weniger<br />

bekannte, teils sogar dem Basteltrieb<br />

anonymer Bauherren entsprungene<br />

Beispiele. Auch die rechtlichen und<br />

konstruktiven Aspekte <strong>von</strong> Dachaufstockungen<br />

und -aufbauten bleiben<br />

nicht ausgespart. Das macht aus dem<br />

Buch zwar noch keinen Praxisleitfaden,<br />

doch diesen wollten die beiden<br />

Autoren auch gar nicht verfassen.<br />

Ihr Ziel lautete, Aufmerksamkeit für<br />

eine Art der <strong>Architektur</strong> zu wecken,<br />

die mancherorts – etwa in Rotterdam<br />

oder in Wien – bereits intensiv praktiziert<br />

wird, aber <strong>von</strong> einem wirklichen<br />

Durchbruch noch weit entfernt ist.<br />

OLAF OTTO BECKER:<br />

BROKEN LINE<br />

Hatje Cantz Verlag<br />

ISBN 978-3-7757-1972-8<br />

Drei Sommer lang – 2003, 2004<br />

und 2006 – bereiste der deutsche<br />

Fotograf Olaf Otto Becker die grönländische<br />

Westküste. Mit dem<br />

Schlauchboot, 4000 Kilometer weit<br />

und meist im Schritttempo, weil, wie<br />

wir in seinem Buch lernen, nur so eine<br />

gefahrlose Verdrängung des Treibeises<br />

möglich war. Das Buch „Broken<br />

Line“ zeigt die Ergebnisse dieser fotografischen<br />

Reise. Der Titel spielt auf<br />

die grönländische Küste an, <strong>von</strong> der<br />

auch ein Ausschnitt auf dem eisblauen<br />

Leineneinband des Buchs aufgeprägt<br />

ist: Sie ist einerseits Abbruchkante für<br />

Eisberge vor ihrer Reise nach Süden,<br />

andererseits ist sie – nicht zuletzt<br />

dank der Kräfte des Eises – <strong>von</strong> zahllosen<br />

Tälern und Fjorden durchfurcht.<br />

Die Brüche in dieser Linie hat Becker<br />

mit der Kamera festgehalten: Geröllfelder,<br />

rund geschliffene Schären<br />

und Klippen in Granitgrau und Rostrot,<br />

und: immer wieder Eisberge. Bis<br />

zu 60 Kilometer lang sind sie, viele<br />

zart hellblau schimmernd, andere<br />

grau verschmutzt vom Kontakt mit<br />

dem Steinuntergrund oder weiß und<br />

spitz zerklüftet. Becker arbeitet mit<br />

einer Großbildkamera – eine langsame,<br />

fast meditative Arbeitsweise,<br />

die himmelweit entfernt ist <strong>von</strong> der digitalen<br />

Knipserei unserer Tage, aber<br />

Bilder <strong>von</strong> eindrucksvoller Schärfe<br />

hervorbringt.<br />

Beckers Bilder wirken zeitlos, obwohl<br />

sie natürlich genau dies nicht<br />

sind: Die grönländische Eiswüste gehört,<br />

wie uns die Meldungen der Klimaschützer<br />

immer wieder vor Augen<br />

halten, zu den sich am schnellsten<br />

wandelnden Landschaften der Erde.<br />

Dennoch hält sich Becker wohlweislich<br />

<strong>von</strong> Klischees à la „Hier die Natur,<br />

dort der böse Mensch“ fern. Statistisch<br />

betrachtet, spiegeln seine Bilder<br />

in diesem Buch die Verteilung<br />

der Landschaftsräume in Grönland<br />

wider: viel Eis und Fels und nur wenige<br />

menschliche Spuren. Nur hier<br />

und da geben verwitterte Holzhütten<br />

– und noch mehr die ringsherum verteilten<br />

Habseligkeiten der Bewohner<br />

– Einblicke in die Lebensweise der Bewohner:<br />

Hier hat jemand ein Schlagzeug<br />

samt Verstärker und Boxen<br />

auf seine brüchige Holzterrasse gestellt,<br />

dort ist ein getöteter Schlittenhund<br />

am Balkon aufgehängt und<br />

wartet darauf, gehäutet zu werden.<br />

Motorschlitten, aber auch Dreiräder<br />

und Mountainbikes lassen erahnen,<br />

dass ein Grönländer in seinem Leben<br />

weite Wege zurückzulegen gewohnt<br />

ist. Einen einzigen Innenraum eines<br />

grönländischen Hauses zeigt Becker<br />

in seinem Buch. Mit Stereoanlage<br />

und Computer, aber auch mit allerlei<br />

Nippes vom Porzellan-Eisbären bis<br />

zum tropischen Blumenbouquet aus<br />

Plastik wirkt dieser inmitten der Eiswüste<br />

merkwürdig bürgerlich – und<br />

zeigt zugleich, wie sehr sich unsere<br />

Innenräume im Gegensatz zu den<br />

Naturräumen weltweit gleichen. An<br />

der Wand über der Anrichte hängt<br />

ein in seiner Kitschigkeit fast grelles<br />

Gemälde eines Sees mit Fichtenwald<br />

und spitzen Gebirgsgipfeln. Wie<br />

Olaf Otto Becker auf seiner Reise erfuhr,<br />

zeigt es den Königssee in Oberbayern.<br />

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