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und Leseprobe (PDF) - Vandenhoeck & Ruprecht

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Michael Penzold: WirtschaftsethikVorbemerkung: Wirtschaft imReligionsunterricht?Lange Zeit lief sie ja »wie geschmiert« – die großeMaschinerie der Weltwirtschaft. Zum Kapitalismus,der freien Marktwirtschaft, zum Geld- <strong>und</strong> Aktienhandel<strong>und</strong> zur massenhaften Produktion von Konsumgüternschien es spätestens seit etwa 1990 keineAlternative mehr zu geben. Die Staaten, die unterdem maßgeblichen Einfluss der Sowjetunion einestaatssozialistische Planwirtschaft betrieben hatten,waren ökonomisch <strong>und</strong> politisch gescheitert. Andererseitshat es immer schon Zweifel an der vorherrschendenkapitalistischen Wirtschaftsform gegeben.Denn schon längst war klar, dass viele arme Länderder Welt einen sehr hohen Preis für den ständig steigendenKonsum der reichen Staaten bezahlen.Der Religionsunterricht kann zwar die Weltproblemenicht lösen. Dennoch kann er theologischethischeKompetenzen vermitteln helfen, die dieindividuelle Urteilsfähigkeit verbessern. Denn ökonomischeFragen sind in politischer, weltanschaulicher,aber eben auch in lebensgeschichtlicher Hinsichtvon Bedeutung. Sinn- <strong>und</strong> Wertfragen werdengerade in wirtschaftlichen Alltagsentscheidungenin lebensgeschichtlich bedeutsames Handeln überführt:Kaufe ich ein fair gehandeltes Produkt oderein billigeres? Informiere ich mich überhaupt? Braucheich einen bestimmten Gegenstand oder bin ichohne ihn glücklicher? Wo <strong>und</strong> wie soll ich einmalmein Geld verdienen? Soll ich mich ehrenamtlichengagieren oder möglichst viel »jobben«? All diessind letztlich Fragen der Lebensgestaltung, in denensich ethische <strong>und</strong> ökonomische, aber auch religiöseDimensionen überlagern. Ein Ziel der vorliegendenUnterrichtssequenz ist es, die Relevanz theologischethischerÜberlegungen gerade auch für die Gestaltungdes eigenen Lebens, die Ausprägung des eigenen»Stils« zu entdecken. Religion tut dort gut, wosie die Beliebigkeit der Alltagskultur überwindenhilft.Doch nicht nur die individuelle Dimension derVerstrickung in die Welt der Ökonomie ist bedeutsam.Auch globale Verstrickungen fordern unsereUrteils- <strong>und</strong> Handlungskraft heraus: So hat dasT-Shirt aus dem Einzelhandel schon fast eine Weltreisehinter sich, bevor es die K<strong>und</strong>in oder der K<strong>und</strong>ein die Hand bekommt. Und dort, wo unter hartenArbeitsbedingungen das T-Shirt produziert wird,wird in vielen Fällen am wenigsten verdient. Willman derartige Ungerechtigkeiten vermeiden <strong>und</strong> einfair produziertes Kleidungsstück kaufen, ist man aufInformationen angewiesen, die beispielsweise vonder »Fair Wear Fo<strong>und</strong>ation« bereitgestellt werden.Ein fatales Ungleichgewicht herrscht auch in einemanderen Marktsegment: So verteuert der zunehmendeFleischkonsum der wohlhabenden Länder derWelt die Lebensmittel. Erneut leiden besonders dieArmen darunter. Hier geht es, global gesehen, vielfachum Leben <strong>und</strong> Tod.Die Relevanz ökonomischer Fragen wird häufigauch deutlich, wenn es einmal nicht so gut läuft.Ehen, Partnerschaften, Fre<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> anderepersönliche Lebensbeziehungen können verödenoder gar in die Brüche gehen, wenn die Finanzennicht stimmen. Wie niederschmetternd sind beispielsweisedie Erfahrungen, die mit einer zeitweiligenoder dauerhaften Arbeitslosigkeit einhergehen.Wünschenswert wäre es aus dieser Sicht, wenn die»Finanzmarktkatastrophe« schließlich »eine Epochegeldtheoretischer <strong>und</strong> finanzmarktpolitischer Aufklärung«eingeläutet <strong>und</strong> die Politik mit einer »krisenerfahrungsgestärktenhaushaltspolitischen Urteilskraft der Wähler« zu rechnen hätte, wie derPhilosoph Hermann Lübbe vermutet. Diese Aufklärungkann letztlich ein Schritt in Richtung aufein »Verbraucherkartell« (Udo Reifner) sein, das im»permanenten wirtschaftlichen Krieg« die Menschenin ihren Rollen als Bürger, Verbraucher <strong>und</strong> Konsumentenselbstbewusst machen soll. TheologischeWirtschaftsethik wird damit zum Teil einer Lebensführung,von der schon der Epheserbrief weiß: »Soseht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt,nicht als Unweise, sondern als Weise, <strong>und</strong> kauft dieZeit aus; denn es ist böse Zeit« (Epheser 5, 15–16).Eine erschütternde Diagnose – die allerdings nichtausschließt, dass die Zeit durch mehr wirtschaftsethischesBewusstsein etwas weniger böse wird, alssie aktuell den Anschein erweckt.5© 2013, <strong>Vandenhoeck</strong> & <strong>Ruprecht</strong> GmbH & Co. KG, GöttingenISBN Print: 9783525776643 — ISBN E-Book: 9783647776644

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