120 Jahre SS Amphitrite„Amphitrite“ – wieder die alte Lady – mitEin Bericht mit Fotos von Olaf PilznerDass ein Schiff nicht nur viel Freude bereitet,sondern gleichermaßen eine Menge Arbeitbedeutet, war dem Verein CLIPPER schonbeim Erwerb des Schiffes klar. Allerdings hatniemand geahnt, dass bereits kurz nach derÜberführung der „Amphitrite“ aus dem Mittelmeernach Deutschland eine Generalüberholungimmensen Ausmaßes erforderlich seinwürde.In welchem Zustand sich die alte Dame beiihrem ersten Einlaufen in Deutschland unterCLIPPER-Flagge befunden haben mag, konnteman sich vorstellen bei einem Besuch anBord im Mai 2005:Das Schiff war bis auf die Masten und denKlüverbaum abgeriggt, das vordere Deckshauswar weg, viele Teile an Deck warendemontiert und in die Werkstätten verteilt.Unter Deck in den Kammern stapelte sichWerkzeug, ausgebautes Interieur und einwenig Proviant. Die Messe war ausgeräumt,die Wände zum Maschinenraum alle demontiert.Im Vorschiff sah es nicht besser aus: DieDieseltanks waren ausgebaut und nach untenkonnte man nie gesehene Teile der Hauptmaschineerspähen, nach oben sah mandurch das nicht mehr vorhandene Deckshausden blauen Mai-Himmel. Die Beschreibungkann man in jedem Winter aufs Neue verwenden,wenn die Schiffe in den Werften liegenund für die nächste Saison wieder fit gemachtwerden.Trotzdem war das Jahr 2005 für dieWinterarbeiter etwas Besonderes: Die gesamteSaison wurde genutzt, um der „alten Dame”eine Kur zu gönnen. Dabei sollten nicht nurdie nötigen Reparaturen und Modernisierungendurchgeführt, sondern auch all dieKleinigkeiten nachgeholt werden, die sonstgerne liegen bleiben: kippelnde Bodenbretter,quietschende Türen, zerkratzte Tischplatten,weiche Matratzen, und, und, und. „Amphitrite“sollte am Ende in neu gewonnener Schönheitin die Saison starten. Und so wurde ausWinterarbeit schließlich Sommerarbeit.Im Herbst 1973, als „Amphitrite” aus demMittelmeer nach Deutschland überführt werdensollte, passierte das, was jedem Seemanndie Knie weich werden lässt: Vor derRiviera briest der Wind unvermittelt auf unddie „alte Dame” wird mit voller Wucht voneinem Mistral erwischt, der von der Schönheitdes Schiffes nicht mehr viel übrig lässt. Segelzerreißen, Masten brechen, Decksaufbautenbersten. „Amphitrite“ übersteht den Sturmzwar schwer beschädigt, aber intakt und läuftfast 2 Tage später mit den Resten des Riggsin Mahon, Menorca ein.Für den Schiffsbetrieb für CLIPPER warensowieso diverse Arbeiten vorgesehen, dochstellte „Amphitrite“ in diesem Sturm nicht nurdie Seeleute auf die Probe, sondern alsEinstand in den Verein auch gleich seineMitglieder. Sie zeigte ihnen, wie viel Zeit undArbeit man in ein altes Schiff stecken kannund muss.Während der Kur 2005 war das Ziel hochgesteckt, die Zeit begrenzt und das Geldknapp. Das Konzept sah einige Schwerpunkte10
120 Jahre SS Amphitritevollen Segeln dem 120 jährigen entgegenvor: eine neues Deckshaus sollte konstruiert,die Kojen im Vorschiff komplett neu aufgebaut,ein neuer Klüverbaum eingesetzt, sämtlicheHolzoberflächen an Deck mit entsprechendenFarben neu aufgebaut und zweiMasten gezogen und überholt werden.Nebenbei standen die allfälligen Wartungsarbeitenan der Maschine, Wellenanlage undam Unterwasserschiff auf dem Plan. Dazudann noch kleinere Arbeiten in der Messe, anden Salingen, im Maschinenraum und natürlichder ganze Kleinkram wie kippelndeBodenbretter, quietschende .......Alles in allem ein Pensum, von dem nicht vieleeine Ahnung hatten, wie, mit welchen Leutenund welchen Mitteln dies zu stemmen wäre.Mit tatkräftiger Unterstützung von unzähligenHänden, vielen Spendern und auch derKompetenz der Werft von Peter Ring-Andersenin Svendborg ist es schließlich gelungen,alle Arbeiten abzuschließen. Das Schiff istnicht nur in einem sicheren Zustand, sonderndarüber hinaus mit vielen optischen Verbesserungenin Fahrt gegangen.wuchs, denenman unter diversenFarbschichtenkaum ansah,dass sie einmalschwarz waren.Dass die damitbeschäftigten Winterarbeitereigentlichnicht schwarzsind, sah manihnen erst nacheiner ausgiebigen Dusche an.Am 8.Mai 2006 war es dann soweit: Nach 18Monaten Kur verlässt die „Amphitrite“ dieWerft in Svendborg wieder zur ersten Fahrt.Wie aus dem Ei gepellt gleitet die Grand OldLady durch den Svendborgsund in denGroßen Belt hinein und wird gebührend vonder Ostsee empfangen: Bei strahlendemSonnenschein nimmt sie Fahrt auf - untervollen Segeln dem 120. Jahrestag ihresStapellaufs entgegen.Schon die Winter 2002 bis 2004 waren vonviel Arbeit geprägt: Neben den turnusmäßigenArbeiten verlangten verschärfte Anforderungenvon Versicherung und Seefahrt diverseÄnderungen an Bord. Dass das Tauwerk anBord mit einer Gesamtlänge von knapp 2,5Kilometern komplett ausgetauscht wurde, warda noch eine Kleinigkeit. Für die Modernisierungder Bordelektrik verlangte es viel physische,aber auch finanzielle Mühen, Kabel neuzu verlegen, einen neuen Fahrstand aufzubauenund etliche Neuerungen in dieMaschinensteuerung zu integrieren. EineTrommel seewasserfesten Kabels nach deranderen verschwand im Bauch des Schiffes,während der Schrotthaufen auf demVereinsgelände mehr und mehr um Altkabel11