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Historischer Teil - Narr.de

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204. Zur slavischen / russischen Diachronie4.5.2 Zur Bezeichnung dieser SprachepocheEs existieren verschie<strong>de</strong>ne Benennungen, die jeweils einen an<strong>de</strong>ren Aspekt herausstellen:„Altslavisch“ ordnet die Epoche chronologisch ein und grenzt sie gegenüber<strong>de</strong>n einzelsprachlichen Idiomen („Altrussisch“ etc.) ab; „Altbulgarisch“ o<strong>de</strong>r „Altmakedonisch“verweisen darauf, dass dieser Sprachstufe ein südslavischer Dialektaus <strong>de</strong>m Gebiet von Saloniki zugrun<strong>de</strong> liegt, wobei „Altmakedonisch“ <strong>de</strong>r historisch-geografischgenauere Terminus ist; „Altkirchenslavisch“ o<strong>de</strong>r „Kirchenslavisch“betont die Liturgie als wesentlichen Funktionsbereich dieser schriftlichenSprachform. Daneben „Altslovenisch“, da „slovenisch“ fallweise synonym zu „slavisch“gesehen wur<strong>de</strong> bzw. eine slavische Eigenbezeichnung war und ist (und nichtmit <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rnen Slowenischen gleichgesetzt wer<strong>de</strong>n darf! – vgl. auch die serbische/kroatischeSprachbezeichnung „staroslovenski jezik“ neben „staroslavenski jezik“);<strong>de</strong>r slavische Volksstamm <strong>de</strong>r Slovìne aus <strong>de</strong>r Gegend von Novgorod trat alseiner <strong>de</strong>r ersten, neben <strong>de</strong>n Poljánen (Gebiet um Kiev), in Han<strong>de</strong>lsbeziehungen zuByzanz und hatte insofern wohl einen gewissen slavischen Stellvertretercharakter.Alt(kirchen)slavisch war eine reine, hochentwickelte Schriftsprache ohne autonomemündliche Entsprechung. In mündlicher Form wur<strong>de</strong> es verwen<strong>de</strong>t bei <strong>de</strong>r Predigtseitens <strong>de</strong>r Geistlichen, beim Rezitieren o<strong>de</strong>r Singen von Gebeten auch seitens<strong>de</strong>r einfachen Gläubigen, die die von ihnen gesprochenen Texte keineswegs völligverstehen mussten; diese Sprechform <strong>de</strong>s AKS war jedoch nichts an<strong>de</strong>res als eineÜbertragung <strong>de</strong>r Schriftsprache auf die mündliche Realisierung. Es war als Kunstsprachestark formalisiert und stilisiert und stand in lexikalischer und syntaktischerHinsicht unter klarem griechischem Einfluss, da das Griechische als Lehnquelle fürim Altslavischen nicht vorhan<strong>de</strong>ne Bezeichnungen und Konstruktionen diente, diejedoch die Übersetzung von religiösen Texten ins Altslavische erfor<strong>de</strong>rlich machte.AKS war nie als gesprochenes Mittel <strong>de</strong>r Kommunikation konzipiert und ließ imschriftlichen Bereich die literarischen Genres vermissen, die es zu einer universellenLiteratursprache im mo<strong>de</strong>rnen Verständnis hätten wer<strong>de</strong>n lassen können, so dieGeschichtsschreibung, Erzählungen o<strong>de</strong>r die politische Publizistik (vgl. BOECK /FLECKENSTEIN / FREYDANK 1984: 19).Trotz<strong>de</strong>m muss es als die Sprachform (nämlich die Hochsprache) angesehenwer<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r sich überhaupt literarische Tätigkeit entfaltete, wenngleich mit einerengen inhaltlichen Beschränkung auf <strong>de</strong>n sakralen Bereich. In <strong>de</strong>n Verwendungsgebieten<strong>de</strong>s AKS kam es also zu einer Diglossie-Situation, d.h. zur parallelen Existenzeiner funktional stark begrenzten Schriftsprache 10 , die aber als religiöses Ausdrucksmitteldas ganze Volk erreichte und ein höheres Ansehen genoss als die Volkssprache,und einer regional unterschiedlichen, überwiegend gesprochenen, jedochauch in weltlichen Schriftstücken (juristische Texte aller Art, Verwaltungsurkun<strong>de</strong>n)verwen<strong>de</strong>ten Sprache als Kommunikationsmittel <strong>de</strong>s Alltags. Vgl. BOECK /FLECKENSTEIN / FREYDANK (1984: 18):„Das Altslawische war zu keinem Zeitpunkt die Fixierung <strong>de</strong>s sprachlichen Systemseines Dialekts, son<strong>de</strong>rn war von vornherein für eine überregionale Verwendung gedacht,um seiner Funktion als Missionssprache für die Slawen, und zwar für alle Sla-10Diglossie (диглоссия) ist immer mit einer Funktionsteilung innerhalb einer Spracheverbun<strong>de</strong>n und nicht zu verwechseln mit Zweisprachigkeit (двуязычие; gleichzeitigesBeherrschen von zwei distinkten Sprachen).

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