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DIE WELT-Sonderausgabe Forderungsmanagement vom 23 ...

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SEITE II <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENT„Das Thema gehört inden Schulunterricht“Der Verbandspräsident über den Umgang mit Geld, Leistungenund Kosten seiner Branche und den Datenschutz auf EU-EbeneJENS KOHRSDas Geschäft mit dem <strong>Forderungsmanagement</strong>bleibtein Wachstumssektor –insbesondere weil Distanzgeschäfteweiter zunehmen,sagt Wolfgang Spitz, Präsident desBundesverbands Deutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU). Sorgen bereiten ihmdagegen Überlegungen der EU, Datenschutzregelungenzu novellieren. Diederzeit diskutierte Grundverordnungkönnte „über das Ziel hinausschießenund effizientes <strong>Forderungsmanagement</strong>unmöglich machen“, befürchtet Spitz.<strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong>: Herr Spitz, die Deutschenschließen immer mehr Ratenkrediteab. Der Schufa zufolge laufenderzeit rund 17,4 Millionen dieserVerträge. Aber haben die Verbraucherihre Budgets wirklich im Griff?WOLFGANG SPITZ: Es gibt durchausAnlass zur Sorge, gleichwohl gilt: Diemeisten Verbraucher können sehr gutmit ihren Finanzen umgehen und habeneinen ausreichenden Überblick über ihreZahlungsverpflichtungen. Diese Einschätzungtrifft auf neun von zehn erwachsenenDeutschen zu. Das heißtaber auch: Jeder Zehnte verfügt nichtANZEIGEüber diese Finanzkompetenz. Auch immermehr Jugendliche sind betroffen.Viele haben zu wenige Kenntnisse übervertragliche Verpflichtungen oder fühlensich überfordert, mit den Verlockungenunserer Konsumwelt eigenverantwortlichumzugehen. Deswegen brauchenwir eine bessere Finanzerziehung.Die Themen Geld und das Vermeidenvon Schulden gehören in den Schulunterricht.Wir unterstützen neben anderengemeinnützigen Organisationen dasProjekt Schulschwein, das sich genaudiese Ziele auf die Fahnen geschriebenhat, und bereits Grundschulkindern undihren Familien den korrekten Umgangmit Geld beibringt.Wolfgang Spitz,Präsident desBundesverbandsDeutscher Inkasso-UnternehmenFlagge zeigenInternationales InkassoSchnell sind Verbraucher heute international unterwegs,wenn es um die Bestellung in einem ausländischenOnline-Shop geht. Die Kehrseite derInternationalisierung für die Unternehmen: Siehaben es bei Lieferungen ins Ausland mit anderenSprachen und Rechtsvorschriften zu tun. Das ist vorallem problematisch, wenn die Zahlung ausbleibt.Was sollten Unternehmen bei internationalenGeschäften beachten?Landesspezifische Rechtssysteme und Fälligkeiten in jedemEU-Land oder gar international zu kennen, ist nahezu unmöglich.Da verheddert man sich leicht im internationalen Zahlungs- undSprachendickicht. Deshalb ist es von Vorteil, einen spezialisiertenDienstleister an der Hand zu haben, der über die notwendigeExpertise verfügt. Und das gilt nicht nur für ferne Länderwie in Mittel- und Südamerika oder Asien, sondern auch in derunmittelbaren EU-Nachbarschaft.»Think global, act local«:Die lokalen Platzhirsche beachtenDas fängt schon bei den Zahlungsmodalitäten an. Während beideutschen Online-Shoppern der Rechnungskauf populär ist undsie auch gerne per Lastschrift bestellen, kaufen viele Niederländernur per iDeal. Jeder dritte Brite setzt auf die Kreditkarte, genausowie die Franzosen, die mit ihrer weit verbreiteten CarteBleue fast alles bezahlen. In Italien und Portugal hingegen zahltman oft noch traditionell per Bareinzahlung bei der Post. DieLocal Payment Heroes muss ein Online-Händler unbedingt„drauf haben“, wenn er im Ausland Geschäfte machen möchte.Denn grundsätzlich vertrauen Kunden auf bekannte Zahlmethoden.Und das ist nicht ganz billig: Internationale Dienstleister wiearvato infoscore sind meist bestens vernetzt und haben die lokalenPayment-Platzhirsche zu günstigen Konditionen im Angebot.Wo liegen die Fallstricke im internationalen Inkasso?Das Mahnwesen ist international ungleich komplizierter. Deshalbsind Zahlungsausfälle im Ausland doppelt unangenehm fürUnternehmen. Ein dem deutschen Mahnwesen vergleichbaresBDIUSchaden Sie mitdiesem Engagementnicht derGeschäftsgrundlageIhrer Branche?Keineswegs. Diewachsende Überschuldungder Verbraucherist einGift für die wirtschaftlicheLeistungsfähigkeitdiesesLandes. Zwarhat fast jeder schon einmal das Bezahleneiner fälligen Rechnung vergessen, undes gibt manche Verbraucher, die in vorübergehendeZahlungsschwierigkeiten geraten.Wer aber dauerhaft überschuldetist, kann seine Gläubiger überhauptnicht mehr befriedigen. Unternehmenkann das in die Insolvenz treiben, Arbeitsplätzesind gefährdet. Für uns istvöllig klar: Überschuldung muss bekämpftwerden. Hier sehen wir uns alsInkassowirtschaft in der Pflicht, und wirwollen unseren Beitrag dazu leisten.ANZEIGESystem existiert nur in der DACH-Region und den Niederlanden.In allen anderen Ländern muss man die länderspezifischenPräferenzen und rechtlichen Gegebenheiten vor Ort über lokaleKooperationspartner berücksichtigen, die über profunde Landeskenntnisseverfügen wie arvato infoscore. Meist kann nur ein lokalansässiges Unternehmen eine Inkassozulassung beantragen.In anderen Ländern wiederum übernehmen Rechtsanwälte denEinzug von Forderungen. Manchmal stellen sogar Zoll oder Polizeidie offizielle Zahlungsaufforderung zu.Innovative und komfortable Verbraucherkommunikation überalle verfügbaren Medien ist deshalb vor allem wichtig im internationalenGeschäft: Brief, Fax, E-Mail, SMS, modernste Telefonie,Online-Portal für die junge, internetaffine Netzgemeinde – dasgehört zum Standard-Repertoire. Damit gewährleistet man einehohe Erreichbarkeit auch außerhalb der deutschen Geschäftszeitenund in den jeweiligen Landessprachen. Ein neutraler Dritterhat zudem den Vorteil, die Kundenbeziehung nicht zu strapazieren,wenn es mal nicht so gut läuft. Deshalb haben Inkassounternehmenerfahrungsgemäß viel höhere Chancen, eine Forderungim Ausland effizient zu realisieren.arvato infoscoreLösungen für alle Phasen des KundenlebenszyklusProfessionell. Zuverlässig. Effizient.arvato infoscore ist seit dem Zusammenschluss mitder Gothia Financial Group Europas Nummer 3 unterden integrierten Finanzdienstleistern. Als Tochterunternehmender arvato AG gehört das Unternehmen zurBertelsmann SE & Co. KGaA. Rund 3.500 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter bieten in 11 Ländern flexibleKomplettlösungen für wertorientiertes Managementvon Kundenbeziehungen und Zahlungsflüssen. ZuverlässigeServices rund um den Zahlungsfluss – von derRisikoprüfung, über die Rechnungsstellung und Buchungbis zu Debitorenmanagement, Vorfinanzierung undInkasso – bilden die Kernkompetenz.Verantwortlich für den Inhalt: arvato infoscoreGeld wächst nicht auf Bäumen. Deshalb sollten Kinder auch in der Schule lernen, dass es besser ist, Schulden zu vermeidenIm September hat das Gesetz gegenunseriöse Geschäftspraktiken, dasauch die Höhe von Inkassokosten regelt,auch den Bundesrat passiert.Welche Auswirkungen hat das fürSchuldner?Gläubiger können Inkassokosten bis zurHöhe eines vergleichbaren Rechtsanwaltshonorarsdurch den Schuldner erstattetverlangen. Diese bisher schongängige Praxis wird nun auch endlichdurch den Gesetzgeber festgeschrieben.Das begrüßen wir. Die neuen DarlegungsundInformationspflichten regeln zudem,wie Inkassounternehmen ihre Forderungengegenüber Schuldnern noch transparenterauszuformulieren haben. Hierwerden vonseiten der Inkassounternehmenund unserer Auftraggeber große Anstrengungenin der Umstellung von Datenbankenund ihrer Zahlungsprozesseverlangt. Wir wollen uns in den kommendenMonaten mit den Schuldnerberatungsstellenund den Verbraucherschützernan einen Tisch setzen und unsfür eine Umsetzung stark machen, diefür alle Beteiligten Klarheit schafft.Bietet das neue Gesetz auch eine bessereHandhabe gegen unseriös arbeitendeFirmen?Die Aufsicht hat jetzt mehr Eingriffsmöglichkeiten,auch der Bußgeldrahmenwird drastisch erhöht. Das sind Schrittein die richtige Richtung, denn die Erfahrunghat gezeigt, dass unseriösen Geschäftemachernnur durch eine anlassbezogene,schnell durchgreifende Aufsichtdas Handwerk gelegt werden kann.Übrigens ist das eine Forderung, die wirschon 2008 bei Einführung des für Inkassounternehmenzuständigen Rechtsdienstleistungsgesetzesgestellt haben.Es ist schade, dass diese Reformen soviel Zeit gebraucht haben.Reichen Sie Ihnen denn aus?Wir hätten uns da durchaus noch mehrvorstellen können, zum Beispiel dieKonzentration auf eine Bundesaufsichtsbehördefür Inkassounternehmenoder maximal eine pro Bundesland.Jetzt soll es erst einmal bei der Zersplitterungder Aufsichtslandschaft auf 79Behörden bleiben. Hier für noch mehrRechtssicherheit zu sorgen, ist aus unsererSicht eine der Aufgaben der neuenBundesregierung. Wir können uns dieBeteiligung an einer damit befasstenBund-Länder-Arbeitsgruppe vorstellen,zusammen mit der Wirtschaft, den Verbraucherschützernund selbstverständlichder juristischen Praxis.HARALD CZYCHOLLIhre Mitgliedsunternehmen habengut zu tun. Wo sehen Sie künftignoch Wachstumspotenzial für dieBranche?Zum einen wird sich der Wandel im Handelfortsetzen. Distanzgeschäfte, wie sietypischerweise im E-Commerce stattfinden,werden weiter zunehmen. Hierbrauchen die Unternehmen die Unterstützungdurch externes <strong>Forderungsmanagement</strong>– sei es um auf der Grundlagevon Erfahrungswerten, die unsere Brancheihnen liefern kann, das Risiko vonForderungsverlusten zu minimieren,aber natürlich auch um im Fall von ausbleibendenZahlungseingängen im Wegeder Rechtsverfolgung ihre berechtigtenAnsprüche durchzusetzen. Schnell, kostengünstigund effizient, das ist unsereMaxime. Zum anderen sehen wir großesPotenzial im Bereich der öffentlichenVerwaltung. Viele öffentliche Träger sindnah am finanziellen Kollaps. Gleichzeitigbetragen die Außenstände der öffentlichenTräger in Deutschland zusammengerechnetfast 80 Milliarden Euro. Inkassounternehmenkönnen den öffentlichenVerwaltungen durch ihr Fachwissen undihre Erfahrungen helfen, zumindest einenTeil dieser offenen Rechnungen einzuziehen.Dies würde letztlich allen Bürgerinnenund Bürgern zugute kommen.Beim Thema Datenschutz stecken Inkassounternehmenin einer Zwickmühle.Einerseits gilt für sensible Datenein hoher Schutz, andererseitsmüssen die Unternehmen möglichstviel über die Schuldner wissen. Wiegehen die Branche damit um?Der Schutz personenbezogener Informationenist für unsere Branche unabdingbar.Fast alle Inkassounternehmen habeneinen eigenen Datenschutzbeauftragten,der sie dabei unterstützt – übrigens auchAuf der sicheren SeiteWoran Unternehmen seriöse Anbieter erkennen könnenviele Unternehmen, die gesetzlich garnicht dazu verpflichtet wären. UnserenMitgliedsunternehmen steht darüber hinausder unabhängige BDIU-Datenschutzbeauftragtefür ihre Fragen zurVerfügung. Letztlich müssen Inkassounternehmenlediglich über die Informationenverfügen, die jetzt mit den neuenDarlegungs- und Informationspflichten<strong>vom</strong> Gesetzgeber definiert sind. Uns interessiertnur, wie der Vertrag zwischenGläubiger und Schuldner zustande gekommenist, wie hoch der ausstehendeBetrag ist und welche Adresse desSchuldners dem Gläubiger zuletzt bekanntwar – alles andere ist für uns garnicht von Belang.Und auch die EU redet bei dem Themamit. Wie würden sich die derzeitdiskutierten neuen europäischen Regelungenauf deutsche Inkasso-Unternehmenauswirken?Die jetzt geltende EU-Richtlinie zum Datenschutzstammt noch aus den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Reformbedarfliegt also auf der Hand. Es istzu begrüßen, dass die Europäische Unionhier nun einheitliche Standards für ganzEuropa definieren möchte. Wir befürchtenallerdings, dass die zur Debatte stehendeDatenschutzgrundverordnungdeutlich übers Ziel hinausschießt. EinBeispiel: Wenn künftig festgeschriebenwürde, dass Gläubiger nur mit der Zustimmungdes Schuldners Daten zu unbezahltenRechnungen an ein Inkassounternehmenübergeben dürfen, wäre eineffizientes <strong>Forderungsmanagement</strong> einDing der Unmöglichkeit. Wir hoffen sehr,dass es nicht zu einer solch unsinnigenRegelung kommt, und setzen auf ein moderneseuropäisches Datenschutzrechtmit Augenmaß, das Wirtschaft und Verbraucherngleichermaßen nützt.Um hohe Zahlungsausfälle und diedamit verbundenen existenzbedrohendenFolgen zu vermeiden,setzen Unternehmen verstärkt auf einprofessionelles <strong>Forderungsmanagement</strong>und die Zusammenarbeit mit einem Inkassounternehmen.Allerdings solltenFirmen unbedingt auf die Reputationdes potenziellen Partners achten. Wirdauf Schuldner Druck ausgeübt, oder wirdihnen gar Gewalt angedroht, hat dasnicht nur nach Ansicht des BranchenverbandesBDIU nichts mit seriösem Inkassozu tun. „So ein Vorgehen kann undsollte bei der Polizei zur Anzeige gebrachtwerden“, meint auch Achim Speldrich,Leiter des Geschäftsbereichs <strong>Forderungsmanagement</strong>der D.A.S. Prozessfinanzierung.„Strafbar macht sich nichtnur der Geldeintreiber, sondern auchder Gläubiger, der ihn angeheuert hat.“Doch wie lassen sich „schwarze Schafe“erkennen? Einen ersten Anhaltspunktbietet das Rechtsdienstleistungsregister(www.rechtsdienstleistungsregister.de),in dem alle amtlich zugelassenenInkassounternehmen verzeichnetsind. Denn nur wer eine Genehmigungdes zuständigen Gerichts hat, darf Inkasso-Dienstleistungenanbieten. BeiRechtsverstößen kann diese Erlaubnisauch widerrufen werden. Die Voraussetzungenfür eine solche Zulassung ist,dass mindestens eine Person in dem jeweiligenInkassounternehmen Sachkundein den einschlägigen Rechtsgebietennachweisen kann und dass sie außerdemüber mindestens zwei Jahre praktischeErfahrung im Bereich des <strong>Forderungsmanagement</strong>sbesitzt. Zudem müssendie Verantwortlichen strafrechtlich unbescholtensein und in wirtschaftlich geregeltenVerhältnissen leben.„Kann ein Unternehmen diese offizielleErlaubnis nicht nachweisen, ist dasbereits ein eindeutiger Beleg dafür, dassetwas nicht stimmt“, sagt Achim Speldrich.Ist ein Inkassobüro nicht zugelassen,begeht dessen Betreiber zudem eineOrdnungswidrigkeit, die dann mit einemBußgeld von insgesamt bis zu 50.000Euro geahndet werden kann.Neben der offiziellen Zulassung ist dieMitgliedschaft im Bundesverband DeutscherInkasso-Unternehmen (BDIU) einIndiz für die Seriosität. Die Zugehörigkeitgilt sogar als Gütesiegel, denn derVerband prüft die Einhaltung der berufsrechtlichenRegeln durch seine Mitglieder.Bei Verstößen drohen Sanktionen,die <strong>vom</strong> Verweis über eine Geldbuße bishin zum Verbandsausschluss reichen.Verbraucher, die Probleme mit Verbandsmitgliedernhaben, können sich andie BDIU-Beschwerdestelle wenden. DerVerband fordert das betroffene Unternehmendann zu einer Stellungnahmeauf. Eine Liste der Mitgliedsunternehmenhat der BDIU auf seiner Internetseitewww.inkasso.de veröffentlicht.„Unseriöses Inkasso ist eine bedrohlichePlage. Abzocke und Einschüchterungmüssen gestoppt werden“, fordert GerdBillen, Vorstand des VerbraucherzentraleBundesverbandes (vzbv). Eine Auswertungvon rund 4000 Verbraucherbeschwerdenhabe ergeben, dass 99 Prozentaller Beschwerden über unseriöseInkassopraktiken berechtigt seien. „SeriösesInkasso ist legitim und sinnvoll“,betont Billen. Aber ohne die Einhaltungvon Regeln gehe es nicht.IMPRESSUM: Eine Veröffentlichung der Redaktion Sonderthemen für die „Die Welt“Redaktionsleitung: Astrid Gmeinski-Walter | Redaktion: Michael Posch, Jens Kohrs (Mitarbeit) | Gestaltung: Jaques BagiosGesamtanzeigenleiter: Stephan Madel | Nationale Vermarktung: Kai Ehrenschneider-Brinkmann, Alexander Kühl alexander.kuehl@axelspringer.deGETTY IMAGES+


MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013 <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> SEITE IIIFORDERUNGSMANAGEMENTZwischen Klischeeund WirklichkeitDurch Unwissenheit entstehen Vorurteile. Einige BeispieleDie Unternehmen der Branchehaben mit einer Reihevon Vorurteilen zu kämpfen.Ein größerer Teil vonihnen resultiert auch ausmangelndem Wissen, über die Arbeitvon Inkasso-Firmen: für wen sie Leistungenerbringen, welche Möglichkeitensie dabei haben und in welchem gesetzlichenRahmen sich ihr Vorgehen bewegenmuss. Hier einige landläufige Annahmenund wie es in der Realität aussieht.q Jeder kann Inkasso machenNein, notwendig ist eine öffentliche Registrierung.Inkassounternehmer müssenstrafrechtlich unbescholten sein, ingeordneten wirtschaftlichen Verhältnissenleben und über theoretische undpraktische Sachkunde verfügen. Sie müssensich im allgemeinen Teil des BürgerlichenGesetzbuches sowie in inkassorelevantenRechtsgebieten wie dem Handels-,Wertpapier- und Gesellschaftsrecht,dem Zivilprozess- einschließlichdes Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechtsund im Kostenrecht auskennen.Wurde in einem juristischen Studiummindestens das erste Staatsexamenabsolviert, gelten diese Voraussetzungenals erfüllt. Zudem sind mindestens zweiArbeitsjahre im Forderungseinzug beispielsweiseim anwaltlichen Inkasso beieinem Rechtsanwalt erforderlich. Erstwenn alle Voraussetzungen vorliegen, erteilendie Behörden eine Registrierungzum Inkassodienstleister.w Die Geldeintreiber stehen bei denSchuldnern immer sofort vor der TürInkasso kommt nicht aus heiterem Himmel.Fällige Forderungen werden in derRegel mehrmals angemahnt. Der Gläubigermuss auch darauf hingewiesen haben,dass die Forderung bei Nichtbegleichungan ein Inkasso-Unternehmen gehenkann. Ist das der Fall, melden sichInkasso-Firmen schriftlich und teilenmit, dass die Zahlung nun an sie undnicht mehr an den Gläubiger zu erfolgenGibt esSchwierigkeitenbei der Zahlung,sollte man schnellKontakt mitdem Gläubigeraufnehmenhat. Handelt der Schuldner dann nicht,können weitere Schritte bis hin zum gerichtlichenMahnverfahren und zur Beauftragungeines Gerichtsvollziehers folgen.Deshalb sollte man bei Zahlungsschwierigkeitenschnell Kontakt mit demGläubiger oder dem Inkassounternehmenaufnehmen. Sie werden sich bemühen,eine Regelung zu finden.e <strong>Forderungsmanagement</strong> ist einreines Männer-GeschäftEs gibt viele Inkassounternehmerinnen,die vorher als Rechtsanwaltsfachangestellteoder in anderen juristischen Berufengearbeitet und dann den Schritt indie Selbstständigkeit gewagt haben. Geradefür Existenzgründerinnen bietet dieInkassobranche gute Perspektiven.r Ich kann mich nirgendwo über einInkasso-Unternehmen beschwerenBestehen Zweifel daran, dass eine Forderunggerechtfertigt ist, wird sich ein seriösesInkasso-Unternehmen darumkümmern und die Betroffenen über dieDetails informieren. Ist das Unternehmenbeispielsweise Mitglied im BundesverbandDeutscher Inkasso-Unternehmen,kann man sich bei Problemen anden Verband wenden. Der BDIU verspricht,jeden Fall zu prüfen. Ist ein Unternehmennicht registriert, sollten betroffeneVerbraucher sogar eine Strafanzeigein Erwägung ziehen.t Inkasso, das bedeutet vorrangigbreitschultrige Männer, die aufSchuldner Druck ausübenInkassounternehmen sehen sich alsMittler zwischen Gläubiger und Schuldner,die den Dialog mit den betroffenenSchuldnern suchen. Seriöse Unternehmernehmen dabei Rücksicht auf die individuellenfinanziellen Verhältnisse derZahlungspflichtigen, vereinbaren gegebenenfallsRatenzahlungen oder Stundungen,versuchen also, die wirtschaftlichsinnvollste Lösung für die Gläubigerzu erarbeiten.z Inkassounternehmer gehören zurHalbwelt, sind eher unseriösDie Branche verweist darauf, dass eskaum Beschwerden über Inkassounternehmengebe, was die BundesregierungAnfang des Jahres in einer Antwort aufeine kleine Anfrage im Bundestag bestä-Beim Geld hört die Freundschaft auf – Die Mitarbeiter der Inkassounternehmenmüssen dennoch Rücksicht auf die Finanzsituation der einzelnen Schuldner nehmenGETTY IMAGEStigt hat. Auch die hessische Justizverwaltunggeht davon aus, dass 98 Prozent derregistrierten Inkassounternehmen beanstandungsfreiarbeiten.u Inkasso-Unternehmen verlangenvon Schuldnern extreme GebührenInkassounternehmen prüfen Forderungenauf ihre Rechtmäßigkeit, bevor siesie geltend machen. Sie checken Verträge,machen gegebenenfalls Adressrecherchenund Bonitätsüberprüfungen,kontrollieren Zahlungseingänge und stehenim ständigen Kontakt zu ihren Auftraggebernund den Schuldnern. Um individuelleRückzahlungslösungen zu finden,sind oft viele einzelne Schritte erforderlich.Dafür können die Unternehmenmaximal die gleichen Kosten geltendmachen, wie sie ein Rechtsanwaltfür eine Inkassotätigkeit verlangt.i Die Firmen suchen bei der Arbeitvor allem ihren eigenen VorteilInkassounternehmen agieren als Vertreterdes Gläubigers. Sie tragen dazubei, dass der sein Geld für Waren underbrachte Dienstleistungen auch tatsächlichbekommt. Das sichert Arbeitsplätzeund trägt zur Preisstabilität bei,wie Experten betonen. Schließlichmüssten die Unternehmen die Kostenfür ausgefallene Forderungen ansonstenauf die Preise ihrer Waren oderDienstleistungen aufschlagen. Und dasmüsste dann jeder bezahlen.o Um Inkasso-Mahnungen mussman sich nicht kümmernBerechtigte Forderungen müssen auchbezahlt werden. Deshalb sollte man eineMahnung eines Inkassounternehmens injedem Falle prüfen. Wird das Geld nichtgezahlt, kann es sogar zu einem gerichtlichenMahnverfahren kommen, bei demim Zweifel auch noch Gerichtskosten anfallenoder Kosten für die Beauftragungeines Gerichtsvollziehers. Im eigenenInteresse sollten Schuldner deshalb dafürsorgen, dass berechtigte Forderungenschnell beglichen werden. Betroffenesollten auch wissen, dass die Inkassokostenein Verzugsschaden des Gläubigerssind, den er sich von seinemSchuldner erstatten lassen kann.ANZEIGEUMSATZVERLUSTStreichen Sie mit Lindorff die Verluste aus Ihrem Umsatz!Als eines der größten Inkassounternehmen in Deutschland kümmern wir uns um Ihre Außenstände.Fair, kompetent und für Sie profitabel. Nutzen Sie die Stärken eines Marktführers.Besuchen Sie unsere Homepage www.lindorff-umsatzsteigerung.de oder kontaktieren Sie uns telefonisch unter: 06252 672 532+


SEITE IV <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENTSABINE SCHMITTANZEIGEEin blaues Schwein macht SchuleGeld einteilen, Budgets überblicken – schon Grundschüler lernen das Einmaleins des Wirtschaftens„Wenn ichmeiner Mamaim Haushalthelfe, dannbekommeich mehrTaschengeld“Daniela, 2. KlasseDynamisch, erfahren, effizient:Wir bringen Ihre Forderungen auf Kurs.Mit Kompetenz und Konsequenz.DIANA BARTL FOTODESIGN (3)Bei den Süßigkeiten sind sichalle einig: Ob Kaugummizigaretten,Schokolade oderEis, dafür geht eine MengeTaschengeld drauf. Doch dieSchüler der Münchener Grundschule amAmphionpark behalten den Überblicküber ihre Budgets. Ständige Ausgaben,größere Wünsche, langfristige Ziele, guteTaten – alles wird genau eingeteilt undnachgeprüft. Eine große Hilfe ist ihnendabei ein kleines Schwein aus Plastik. Esist durchsichtig und in vier Fächer aufgeteilt,hört wie das gleichnamige Projektauf den Namen „Schulschwein“ – und istmehr als eine einfache Spardose.Initiativen wie das „Schulschwein“machen im wahrsten Wortsinn Schule,denn sie wenden sich über die Bildungseinrichtungenan die Kinder und versuchen,bereits den Jüngsten den Umgangmit Geld nahezubringen. Finanzkompetenz,Gelderziehung, Jugendverschuldung– das sind die sperrigen und dennochso wichtigen Schlagworte hintersolchen Projekten. Und immer mehrSchulen erkennen den Wert, den dasspielerische Herangehen an das ThemaGeld haben kann: Es ist Prävention vorVerschuldung und schult den klugenUmgang mit Ausgaben und Wünschen.Dies scheint notwendiger denn je,denn einerseits, so zeigt die Kids-Verbraucheranalysedes Ehapa-Verlages, habenKinder und Jugendliche immermehr Taschengeld zur Verfügung, andererseitsjedoch fällt vielen der richtigeUmgang mit eigenem Geld enormschwer. Immerhin stand laut Jugendstudie2012 des Bundesverbandes DeutscherBanken bereits fast jeder Fünfte zwischen14 und 24 Jahren schon einmal beijemandem in der Kreide. Acht Prozentder 18- bis 24-Jährigen galten demnachsogar als überschuldet, und selbst zweiProzent der unter 18-Jährigen hatten bereitsvor ihrer Volljährigkeit Freundeoder Eltern über die Maßen angepumpt.Als Grund für ihre Schulden gaben mehrals 80 Prozent der jungen Leute ihre„Konsumwünsche“ an.Und genau beim „Konsum“ setzt dasProjekt „Schulschwein“ an. „Es geht darum,sich Gedanken zu machen, wofürman Geld ausgeben will, Prioritäten zusetzen und zu erkennen, dass sich Wünscheoft auch kurzfristig verändern“,sagt Diana Bartl, Mitgründerin der Initiative.„Dazu muss man sich mit einemBudget beschäftigen und einteilen lernen.“Das Sparschwein mit den vier Fächern„Ausgeben“, „Sparen“, „Investieren“und „Gute Tat“ hilft dabei. DieSchüler nehmen das Schwein mit nachHause und füttern es: Ein Teil des Taschengeldeszum direkten Ausgeben, derRest landet in den anderen Fächern – jenachdem, welche individuellen Ziele esgibt und wie groß die Wünsche sind.Denn selbst die – auf Zetteln notiert –werden ins Schulschwein gesteckt. Undnach ein paar Wochen wird überprüft,ob der Wunsch noch dringend ist.Das clevere Schwein ist das Herzstückdes Projekts, für das die GründerinnenGeldgeber und Paten aus der Wirtschaftgewonnen haben. „Im Grunde steht dahinterein ganzes Unterrichtskonzept“,erläutert Bartl. „Über Geld kann man injedem Fach sprechen, man kann damitrechnen, aber auch in Religion oderEthik über Werte diskutieren.“ Der Fantasieseien da keine Grenzen gesetzt.Um sie zu beflügeln, haben Bartl undihre Kollegin und Rechtsanwältin StephanieSchmid mit Unterstützung einerGrundschullehrerin Material für den Unterrichterarbeitet. „Da geht es dannauch ganz klar um Wissens- und Wertevermittlung“,sagt Bartl. Anhand vonMusterfamilien und fiktiven Budgets lernendie Kinder beispielsweise die Ausgabenkennen, mit denen ihre Eltern sichjeden Monat herumschlagen müssen –und sie lernen einzuschätzen, wie vielam Ende zum Ausgeben übrig bleibt.Weil dies selbst viele Eltern nicht wissen,hält Schmid die Prävention von Kindesbeinenan für so wichtig. Als Anwältinberät sie oft überschuldete Erwachseneund begleitet sie in die Insolvenz.Lehrer überzeugen, Eltern mit insBoot holen, darum bemühen sich diebeiden Münchnerinnen bei Workshopsund Informationsabenden in den Schulen.Die Kinder sind immer schnell beider Sache, denn der Umgang mit Geldmacht ihnen Spaß. „Bei vielen gehört dasSchulschwein mittlerweile einfach dazu“,erzählt die Leiterin der Grundschuleam Amphyion-Park, Evelyn Weiser:„Es ist erstaunlich, was allein seine Präsenzausmacht.“ Seit drei Jahren sindBartl und Schmid mit dem „Schulschwein“unterwegs. Nach München habensie Schulen in Bremen und Frankfurtam Main überzeugt, und mit derAdam-Ries-Grundschule in Lichtenberggibt es auch in Berlin eine Kooperation.Bereits im Kindergarten setzt das BerlinerProjekt „Bricklebrit“ an. Den Namenhat sich Kirstin Wulf aus dem Märchenmit dem Goldesel abgeschaut: Fällt„Ich spare fürein T-Shirtvon Bayern-StarTiago“Konrad, 4. KlasseÜber Geld spricht man nicht –Projekte wie das „Schulschwein“wollen genau das Gegenteilbewirken und Kinder schon frühan das Thema Geld heranführendarin das Zauberwort, kommen die goldenenTaler aus dem Esel zum Vorschein.„Das ist ein tolles Bild“, sagtWulf – und hat deshalb bei allen Veranstaltungenihren großen Stoffesel dabei.„Kinder interessieren sich ganz früh fürGeld“, sagt Wulf. „Sie gehen mit zumEinkaufen, und sie spielen Kaufmannsladen.“Das Wichtigste für sie: das Gesprächüber Geld. Weil genau dies in denmeisten Familien ein Tabuthema sei,„setzen wir da an. Wir müssen die Elternerreichen. Sie sind immer Vorbild.“Anfangen mit Spieltalern, um Budgetszu erklären, mit Kindern bewusst einkaufen,Kaufentscheidungen erläutern –all dies gehört für Kirstin Wulf dazu. Siemöchte erreichen, dass Entscheidungender Eltern transparent werden. „Vielesist für Kinder nicht nachvollziehbar“, erklärtdie Bricklebrit-Gründerin. „Es gehtda nicht um frühen Drill. Geld ist eineMöglichkeit, Kinder zu fördern. Sonstbrauchen sie dann irgendwann Finanzkompetenz– spätestens mit 18 – und habenes nie gelernt.“Liquiditätsmanagementmit KompetenzIn einer doppelten FalleSuchtkranke häufen oft Schulden an. Die Marianne von WeizsäckerStiftung unterstützt Betroffene bei der Rückkehr ins normale LebenKnapp 30 Jahre Erfahrung in derindividuellen, transparenten undschnellen Abwicklung offener Forderungenhaben uns zu einem derMarktführer und einem der bedeutendstenkonzernunabhängigenInkassounternehmen Deutschlandsgemacht.Über 200 hochqualifizierte Mitarbeiterbetreuen Kunden aus allenBranchen bundesweit mit einemjährlichen Forderungsvolumenvon ca. 520 Mio. €.Unser Ziel:Risiken minimieren, Kostensenken, Effizienz steigern.TESCHINKASSO<strong>Forderungsmanagement</strong> GmbHBielsteiner Str. 43, 51674 WiehlTel. + 49 2262 711-400Fax. + 49 2262 711-198vertrieb@tesch-inkasso.dewww.tesch-inkasso.deVorgerichtliches Inkasso . Telefoninkasso . Gerichtliches Mahnverfahren . Vollstreckungsmaßnahmen . Langzeitüberwachung . ForderungskaufALEXANDRA GROSSMANNEhemals Suchtkranke haben esdoppelt schwer. „Sie haben meistsehr hohe Schulden, die sie alleinenicht ablösen können“, sagt Rita Hornung,Geschäftsführerin der Mariannevon Weizsäcker Stiftung. Die Verbindlichkeitenbelasten diese Personengruppeerheblich und führen oft zum Rückfallin den Teufelskreis aus Sucht-Schulden-Abhängigkeit.„Darum ist Ziel unsererStiftungsarbeit, die SchuldensituationBetroffenen zu klären“, so Hornung.„Wir nehmen das unseren Klienten nichtab, aber anhand der wirtschaftlichen undpersönlichen Leistungsfähigkeit machenwir die Lage überschau- und bezahlbar.“Die von der Gattin des sechsten BundespräsidentenRichard von Weizsäckergegründete Stiftung arbeitet bundesweitmit örtlichen Sucht- und Schuldnerberatungsstellen,Nachsorgeeinrichtungen,Rechtsanwälten, Familienhilfen und Betreuernzusammen. Diese können beider Stiftung einen Antrag auf Entschuldungshilfestellen. Rund 240 Anträge bearbeitetdas Team von Rita Hornung proJahr. „Wenn wir einen Antrag bewilligthaben, wickeln wir das Kaufmännischeab. Und die Kollegen vor Ort kümmernsich um die Behandlung der Sucht.“Im nächsten Jahr feiert die Stiftung25-jähriges Bestehen. Ursprünglich warsie gegründet worden, um Leuten mitDrogenproblemen zu helfen. „1994 öffnetenwir uns auch für Alkohol-Abhängige,dann kamen Medikamenten- und imEinzelfall Spielsucht dazu“, so Hornung.Nach Auskunft der Stiftung müssen sieim Durchschnitt ehemals SuchtkrankeEr muß Lehrgeld geben, sagen die Spieler:Abhängigkeit führt oft zu hohen Schuldeneinen Schuldenberg von 12.000 Euro abtragen.Eine Summe, die sie allein nursehr schwer bewältigen können. Deshalbhilft die Organisation nicht nur beim Abtragender Schulden, sondern auch beimWiedereinstieg ins Erwerbsleben.Heute hat sich die Stiftung als bundesweitführende Anlaufstelle für verschuldeteSuchtkranke etabliert. Nebenihr gibt es kleinere Stiftungen, meistkirchliche oder von Bundesländern finanzierte.Diese bieten allerdings fastausschließlich klassische Schuldnerberatungan. Anders die Marianne von WeizsäckerStiftung. „Wir bieten der GläubigerseiteVergleichszahlungen als Einmal-Zahlungen an. Dabei verzichten dieGläubiger auf einen großen Teil der Forderung“,so Hornung. Im Gegenzug bekommendie Gläubiger – durch die Stiftungabgesichert – den ausgehandeltenVergleichsbetrag sofort und ohne weitereKosten. Der Klient im Gegenzug hatnur noch einen Gläubiger – nämlich dieStiftung – und eine überschaubare Rate.Einen Konsens zu finden, liegt stetsim Interesse der Stiftung. Hornung: „WirGETTY IMAGESbemühen uns immer, Kontakt zur Gläubiger-Seiteaufzunehmen, um auch dortfür unsere Arbeit zu werben.“ Sie wolletransparent machen, was genau die Stiftungbiete und warum ihre Arbeit sowichtig ist. Dafür versucht die Schuldnerberaterindie Gläubiger-Seite zu animieren,mit ihr gemeinsam eine für alleSeiten tragbare Lösung finden. So hatdie Stiftung bereits seit 1995 Kontaktzum Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen. „Es findet ein Dialogstatt, mit dem auf beiden Seiten Vorurteileabgebaut werden. Man erkennt,dass die Zusammenarbeit sinnvoll ist“,resümiert die Geschäftsführerin die bisherigeZusammenarbeit.Wer heute das Verbraucher-Insolvenzverfahrendurchläuft, muss sich mit denGläubigern einigen. Dafür hat die „Stephan-Kommission“,zusammengesetztaus Banken-Verbänden, Inkassounternehmenund Vertretern von Justiz,Schuldnerberatung, Kreditwirtschaftund Insolvenzverwaltern, einen Standardentwickelt. „Anhand der Datenkönnen sich Gläubiger ein realistischesBild machen, wie aussichtsreich das Realisierenihrer Forderungen ist“, erklärtHornung. Denn die meisten Menschenkämen kaum noch in den pfändbarenBereich, vor allem Suchtkranke nicht,weil sie auf dem Arbeitsmarkt kaum eineChance hätten. „Wenn wir schlichten,steht am Ende eine Zahl“, sagt Hornung.Sie könne in einem Vergleich beispielsweise20 Prozent der Gesamtforderunganbieten. Diese Summe bekäme derGläubiger dann sofort. Im Insolvenzverfahrenwürde dagegen in der Regel meisteine Null herauskommen.+


MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013 <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> SEITE VIIFORDERUNGSMANAGEMENTAndere Länder, andere ZahlungssittenIm Ausland muss man auf die Rechtslage und kulturelle Unterschiede achten, sonst drohen Verstimmung und schlimmstenfalls AusfälleKATHARINA LEHMANNFür den Mitarbeiter einesHamburger Inkasso-Dienstleistersist es eigentlich einRoutine-Vorgang – denkt erzumindest. Er soll für einenKunden eine unbeglichene Rechnungvon einem in Österreich ansässigenSchuldner einfordern. Er verfasst – wieüblich in Deutschland – ein kurzes undsachliches Mahnschreiben. Doch derBrief verfehlt die erhoffte Wirkung.Schlimmer noch: Der Adressat aus Wienlegt die Mahnung gleich kopfschüttelndzur Seite und reagiert gar nicht.„Beide Parteien sprechen zwar diegleiche Sprache, sie verstehen sich abernicht“, erklärt Ellen Ulbricht, Expertinfür Auslandsinkasso, den Fall. Denn nebenden regionalen Spitzfindigkeiten istdieses Schreiben für den Österreichervor allem eins: unangemessen. Im kleinenAlpenland bittet ein Inkasso-Unternehmenin einem Zahlungsersuchen höflichund ausführlich um das Begleichendes ausstehenden Betrages. Und dannbraucht es Geduld. Denn bis der Schuldnerzahlt, können schon mal Wochen insLand gehen. Ein österreichischer Dienstleisterhätte das gewusst.„Die kulturellen Unterschiede werdenimmer größer, je weiter man in den SüdenEuropas kommt“, sagt Ellen Ulbricht.Zudem gelten nicht überall diegleichen rechtlichen Rahmenbedingungen.Und schließlich kann neben diesenSchwierigkeiten schnell auch die Spracheselbst die Probleme vertiefen, wennbei Forderungen der deutschsprachigeRaum verlassen wird. Hier sind Missverständnisseprogrammiert. Die studierteJuristin weiß, wovon sie spricht. Nachdemsie verschiedene Inkassounternehmenin Deutschland geleitet hat, ist sievor einigen Jahren nach Österreich gezogenund schreibt und referiert seitdemvor allem über das Thema „grenzüberschreitenderZahlungsverkehr“.Das sollte jedoch für deutsche Unternehmenkein Grund sein, auf Export zuverzichten. Experten raten allerdings,sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungenund Mentalitäten des jeweiligenLandes möglichst schon vor dem Abschlusseines großen Geschäfts vertrautzu machen. Helfen kann dabei vor allemein grenzüberschreitend tätiger Anwaltoder ein Inkassounternehmen mit Auslandserfahrung.Beide können Tippszum richtigen Umgang mit dem Kunden,zur Vertragsgestaltung, aber auch zurAbsicherung des Geschäfts geben.„Insgesamt ist es in der EU relativeinfach, offene Forderungen durchzusetzen“,meint die Inkasso-Expertin. Dafürsorgen zunehmend standardisierte Regelungen.Vor allem die Einführung desEuropäischen Mahnverfahrens erleichterteden Umgang mit säumigen Zahlernim EU-Ausland. Für Forderungen bis2000 Euro gelten für die gerichtlicheGeltendmachung nun einheitliche Vorgaben.Sie schließen auch die Möglichkeitein, Verhandlungen auf elektronischemWege, also zum Beispiel mittelsTelefonkonferenzen, zu führen. Das istvor allem für den Gläubiger günstiger,muss er doch nicht jedes Mal in dasLand des Schuldners reisen. Außerdemgelten für alle Beteiligten kurze Fristen.„Das spart viel Zeit und macht diesesVerfahren so effektiv“, so Ulbricht.Sollte die außergerichtliche Einigungnicht funktionieren, bleibt in der EUnoch die Möglichkeit, den nationalenVollstreckungsbescheid in einen europäischenzu übertragen. Damit könnenGläubiger in jedem EU-Land zwangsvollstrecken.Doch Vorsicht: DieZwangsvollstreckung richtet sich nachdem Recht des jeweiligen Landes. Mitunterkönnen hier noch weitere Mittelnotwendig sein. Nicht einheitlich gere-Was den Menschen ruiniert, sind dumme Geschäfte: Im Ausland erschweren komplizierte Rechtssysteme den Zahlungsverkehrgelt ist auch, wer die Kosten des Inkassosträgt. Denn nicht überall gelten dieseKosten als Verzugsschaden und müssendeshalb <strong>vom</strong> Schuldner übernommenwerden. In einigen Ländern trägt siestattdessen der Gläubiger.Vorsicht ist auch in der Schweiz geboten.Denn dort ist alles anders, meint Inkasso-ExpertinUlbricht. „Ohne SchweizerAnwalt läuft dort gar nichts.“ Undselbst dann sei ein langwieriges undkompliziertes Verfahren nötig, bis dieForderung überhaupt anerkannt ist.Auch außerhalb Europas sind die rechtlichenGegebenheiten sehr unterschiedlich.Was in einem Land gilt, kann imnächsten grundverkehrt sein. Wird aberbereits vor Geschäftsabschluss ein Anwaltzu Rate gezogen, kann er den Vertragso gestalten, dass der auch im jeweiligenAusland wasserdicht ist.Der Mittelstand sichert sich indesnoch viel zu selten ab. Zwar legen dieFirmen in ihren Verträgen oft fest, dassdeutsches Recht gelte und verweisenausdrücklich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen(AGB). Doch vergessensie, dass dadurch Lücken entstehen.Als Beispiel nennt Ulbricht den Eigentumsvorbehalt.Der ist in vielen AGBenthalten und besagt, dass die Ware biszur vollständigen Bezahlung Eigentumdes Verkäufers bleibt. „Viele Länder kennenso einen Eigentumsvorbehalt abergar nicht“, gibt Ulbricht zu Bedenken.„Damit verliert der Verkäufer dann trotzvermeintlicher Absicherung bei Grenzübertrittder Ware das Eigentum, oft,ohne dass er sich dessen bewusst ist.“JAQUES BAGIOSRebecca Giesecke <strong>vom</strong> Inkasso-Dienstleister Eos kennt das Problem:„Gerade für kleine und mittelständischeUnternehmen ist der Umgang mit offenenForderungen von Kunden im Auslandoft noch Neuland.“ Die Leiterin desCross-Border Centers in Hamburg stelltimmer wieder fest, dass viele Firmenzwar Verträge abschließen, die besagen,dass im Streitfall deutsches Recht angewendetwerden soll. Die Frage, ob undwie das bei einem säumigen Kundenzum Beispiel in Süd-Korea aber tatsächlichmöglich ist, sorgt dann im Ernstfalldoch für Probleme.Giesecke rät deshalb zu einem Inkassounternehmenim Land des Kunden.Denn die kennen nicht nur die Spracheund die landestypische Mentalität. Siehaben auch Erfahrung im Umgang mitÄmtern, kennen die rechtlichen Möglichkeitenund Fristen. Und nicht zuletzthelfen sie auch dem säumigen Zahler,wenn der Verzug nur dadurch zu Standekam, dass der sich mit Auslandsüberweisungennicht auskennt oder ihm ein Formularoder gar nur ein Stempel fehlt.„Allerdings ist es auch schwer, ein solidesund vertrauenswürdiges Inkassounternehmenin einem fernen Land zufinden und anzusprechen“, weiß RebeccaGiesecke. Sinnvoller sei es, ein Unternehmenim eigenen Land zu engagieren,das einen Partner im Land des Schuldnershat. Aus diesem Grund bietet dieEos-Gruppe ihren Kunden ein Netzwerkmit Inkassounternehmen in mehr als140 Ländern weltweit. Und auch EllenUlbricht empfiehlt, immer ein Inkassounternehmenzu suchen, das eine Tochtergesellschaftoder Kooperation im jeweiligenAusland hat. So seien deutscheGläubiger auf der sicheren Seite.Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmenhat einen Leitfaden fürgrenzüberschreitendes Bonitäts- und<strong>Forderungsmanagement</strong> erstellt.ANZEIGE<strong>Forderungsmanagement</strong> Liquiditätsmanagement InformationsmanagementSchwarze Zahlen schreiben und Verständnis aufbringen für schwierige Situationen auf Kundenseite: Die richtige Balance zwischen diesen beiden Polenist das Fundament guter Geschäftsbeziehungen. Das ist unsere Überzeugung, die wir in unseren Leitsatz ,,EOS. With head and heart in finance“ gegossenhaben. Und nach dieser Devise arbeiten wir auch für lhr Unternehmen. Unsere Dienstleistungen rund um das <strong>Forderungsmanagement</strong> verschaffen lhnenLiquidität. Dabei begegnen wir lhren säumigen Kunden im lnkassoprozess kooperativ und auf Augenhöhe, um Lösungen zu entwickeln, die allen Beteiligtengerecht werden. Damit die Bilanzen stimmen. Und die Geschäftsbeziehungen. Mehr über unsere Services finden Sie unter www.eos-deutschland.de.Besuchen Sie unsereInternetseite und erfahrenSie mehr überdas EOS <strong>Forderungsmanagement</strong>.With head and heart in finance+


SEITE VIII <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENTEinkaufsformelnDie Kreditwürdigkeit von Verbrauchern wird oftüber statistische Verfahren geklärt. Für viel derBetroffenen ist dieses Scoring eher rätselhaft,doch so undurchsichtig ist es eigentlich nichtJOST BURGERWer online etwas aufRechnung kauft, bekommtwahrscheinlicheinen. Wer imElektronikmarkt seinneues Handy auf Raten bezahlt, ebenfalls.Und wer mal eben rasch einen kleinenVerbraucherkredit abschließt, überden wird ganz sicher ein Kreditscore erstellt.Dieser persönliche Punktwert sagtetwas über die Kreditwürdigkeit der jeweiligenPerson aus, macht schnelle Einkäufemöglich und soll Firmen vor Zahlungsausfällenschützen. Scoring heißtdas Verfahren. Aber wie funktioniert es,und wer steckt dahinter?Die infoscore Consumer Data GmbH(ICD) zum Beispiel. Die Wirtschaftsauskunfteigehört zur Bertelsmann-eigenenArvato-Gruppe, einem führenden Anbietervon Outsourcing-Dienstleistungen.Die ICD versorgt ihre Geschäftspartnerim Handel mit Informationen über dieKreditwürdigkeit ihrer (potenziellen)Kunden. Für ihre umfangreiche Datenbankgreift sie, wie alle Auskunfteien,unter anderem auf öffentlich zugänglicheBonitätsinformationen wie das Insolvenzverzeichnisoder die Schuldnerregisterder Amtsgerichte zurück.ANZEIGEAuch Erfahrungen, die ein Unternehmenin der Vergangenheit mit einemKunden gemacht hat, fließen in die Bewertungein. Doch nicht immer reichtdas aus, erklärt Geschäftsführer WolfgangHübner: „Liegen zu einem Konsumentenkeine bekannten Zahlungserfahrungenvor – insbesondere in der Neukundenphase– kommen auch Scoring-Verfahren zum Einsatz.“ Dabei nutztScoring statistische Verfahren, die dieWahrscheinlichkeit errechnen, mit derdie Kunden ihre Rechnungen bezahlen.Kombiniert werden Erfahrungen mit bestimmtenMerkmalsgruppen. Je nachAnbieter schaut man etwa auf Alter, Beruf,Name oder Adresse. Wohnt jemandbeispielsweise in einem Stadtviertel mitschlechter Zahlungsmoral, kann derScoringwert sinken. Versandhändler forderndann eventuell Vorkasse, um Risikenzu vermeiden oder zu begrenzen.„Scorewerte werden einzelfallbezogenund tagesaktuell ermittelt“, betont Hübner.Das heißt, den einen Scoringwertgibt es nicht. Je nach anstehendem Geschäft,je nach Branche und je nach Produktwerden die vorhandenen Daten inder Regel auf verschiedene Weise genutzt.Übrigens: Welche Daten Auskunfteiengespeichert haben, müssen sie lautGesetz den Betroffenen mitteilen, falscheDaten müssen sie zudemändern. Doch wie siedie Scoringwerte dann jeweilsim Detail berechnen,das bleibt bei allen ein Geschäftsgeheimnis.Das ist auch bei derSchufa so. Als Institutiondürfte sie nahezu jedemDeutschen bekannt sein.Im Unterschied zu anderenAuskunfteien kenntsie alle 66,2 MillionenDeutschen, die potenzielleKreditnehmer sind. Dennauch die Schufa erstellt branchenabhängigeScores. Genau wie andere Anbietersorgt sie so unter anderem für dieschnelle Bearbeitung von Krediten oderRatenzahlungen – Bequemlichkeiten, dieKonsumenten erwarten. „An dieser Stellekommen häufig Scoring-Systeme zumEinsatz“, sagt Andreas W. Lehmann,Sprecher der Schufa Holding. Denn Scoringist vor allem ein schnelles Verfahren.Scoringwerte werden <strong>vom</strong> Computerberechnet, auf die Datenbanken derAnbieter können angeschlossene Unternehmenonline zugreifen – oft automatisiertaus ihren Bezahlprozessen heraus.„So können teils auch nachts oder amWochenende Kreditentscheidungen, wieEine kluge Frau ist ein unbezahlbarer Schatz: In einer Partnerschaft mag das Sprichwort stimmen. Doch bei Krediten oder Online-Käufen wirdauch deren Kreditwürdigkeit genau geprüft. Denn nach einer Studie stammen 72 Prozent der Einnahmen des deutschen Handels von Frauenzum Beispiel Online-Kredite und spontaneFinanzierungen an der Kasse, getroffenwerden“, schildert Lehmann dieVorteile. Das wird am Beispiel Online-Handel deutlich. Viele Shopbetreiberübergeben ihre Zahlungsabwicklung zumindestteilweise an Dienstleister, vorallem, wenn es um den Kauf auf Rechnungoder Rate geht. Dabei treten Sie ihreForderung an den Dienstleister ab –und damit das Risiko eines Zahlungsausfalls.Die Ware kann sofort versendetwerden, und der Verkäufer bekommtumgehend sein Geld <strong>vom</strong> Dienstleister.Factoring heißt diese Art des Geschäfts.Einer der größten Factoring-Anbieterim Onlinebereich in Deutschland ist dieKlarna Gmbh – und sie setzt auf Scoring.„Als Factoring-Dienstleister gehen wirfinanziell in Vorleistung. Deshalb ist esunser ureigenstes Interesse, Zahlungsausfällezu vermeiden. Wir müssen innerhalbvon Sekunden klären, ob einEinkauf nicht ein zu großes Risiko ist.Dafür ist Scoring ein unerlässliches Instrument“,erklärt Tobias Teuber,Deutschland-Chef von Klarna. Wählt einKunde in einem angeschlossenen Onlineshopdie Option „Rechnungskauf“,übernimmt Klarna den Fall. Einzugebensind nur wenige Daten wie Namen,Adresse, Geburtsdatum, E-Mail und eineTelefonnummer. Über die Schufa wirddann vollautomatisch ein Identitäts-Check durchgeführt – und geklärt, ob diePerson überhaupt existiert.„Sollte sich schon über die Schufa erweisen,dass die Bonität extrem fragwürdigist, ziehen wir bereits zu diesem Zeitpunktdie Notbremse. Die maßgeblichePrüfung findet jedoch bei uns internstatt“, sagt Tobias Teuber. Dabei werdendann mehrere Dutzend Faktoren zur Abschätzungder Kreditwürdigkeit einbezogen.Wie das vor sich geht, erläutert Teuberan einem möglichen Beispielfall:„Wenn jemand nachts um halb drei voneinem Internetcafé aus 20 iPads bestelltund dabei angibt, er sei eine 85-jährigeFrau, dann werden wir stutzig. Das Systemerkennt genau solche Ungereimtheiten.Unter Umständen wird der Kaufdann abgelehnt.“ Auch wenn die einzelnenDaten für sich gesehen natürlich unproblematischsein könnten.Dieses Beispiel von Klarna zeigt: BeiScoring geht es neben statistischen Abwägungenauch um Plausibilitätsprüfungen,mit deren Hilfe sich Unternehmenschützen wollen. Dass Scoringanbieterdabei ihre Verfahren nicht offenlegenwollen, ist aus deren Sicht verständlich.Und dass die Verfahren treffsicher sind,liegt ebenfalls in deren Interesse. Einengewissen Schutz vor falschen Einschätzungenerhalten Betroffene zudemdurch das Datenschutzgesetz. Und auchScoringunternehmen selbst versuchen,sich diesbezüglich abzusichern: Klarnaetwa erhebt die Telefonnummer nach eigenerAussage, um fragliche Eingaben direktklären zu können. Denn rein theoretischist es ja durchaus möglich, dass einerüstige Rentnerin nachts tatsächlichzehn iPads ordern will.GETTY IMAGES„Auch eine Frage der Erziehung“Psychologe Georg Felser über Zahlungsmoral und SchuldenmachenIHR SPEZIALIST IM FORDERUNGSMANAGEMENT.Als führender Anbieter für <strong>Forderungsmanagement</strong>-Dienstleistungen finden wirauch für Sie die richtige Lösung.Wir sind Ihr Spezialist für:klassisches Inkasso/AuslandsinkassoPortfoliomanagementForderungskaufOutsourcingDatenmanagementE-Commerce LösungenGFKL betreut ein Forderungsvolumen von derzeit rund 21,7 Milliarden Euro.Standard & Poor's verlieh das höchste Ranking als Servicer „Strong.“Risiken minimieren – Kosten senken – Erträge steigern.Durch die Übertragung Ihres <strong>Forderungsmanagement</strong>s an die Experten von GFKL.GFKL Financial Services AGLimbecker Platz 145127 EssenSprechen Sie uns an!Tel. +49 201 102 1162Fax +49 201 102 110 2256vertrieb@gfkl.comwww.gfkl.comJENS KOHRSEs ist die grundsätzliche Abneigung,einen Verlust zu realisieren,die viele davon abhält, Rechnungenpünktlich zu bezahlen, sagt GeorgFelser, Fachdozent für Markt- und Konsumpsychologiean der HochschuleHarz in Wernigerode. Hinzu komme außerdem,dass der Genuss einer Leistungund das Bezahlen immer stärker entkoppeltwerden.<strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong>: Herr Felser, warum istdie Zahlungsmoral von Menschen sounterschiedlich?GEORG FELSER: Grundsätzlich habenwir alle eine Abneigung, Verluste zu realisieren.Doch der Referenzpunkt, vondem aus wir betrachten, ob etwas füruns ein Gewinn oder Verlust ist, liegtnicht fest. Das ist eine Frage der persönlichenDeutung. Wer es also als Verlustsieht, eine Rechnung zu begleichen oderSchulden zu tilgen, weil das ein Loch inseine Kasse reißt, wird sich mit dem Bezahlenschwer tun. Dabei lässt sich dieSituation natürlich auch anders heruminterpretieren: Mit den Schulden ist derVerlust längst gemacht, und durch dieTilgung wird er abgemildert.Ist die Deutung eine Frage des Typs?Eine Möglichkeit ist sicher, dass wir esvon Geburt an, gewissermaßen genetischbedingt, unangenehm finden, irgendwoSchulden zu haben. Viel wichtiger allerdingssind die Erziehung und das, wasuns vorgelebt wird – durch unser Umfeld,die Familie und die Freunde. Außerdemspielen die Politik und die Nachrichteneine große Rolle. Wenn in derallgemeinen Stimmung Konsum gewissermaßenals Bürgerpflicht gilt, werdenauch diejenigen, die sonst eher dagegensind, es in Ordnung finden, Schulden zumachen. Die omnipräsente Meta-Botschaft‚Konsum ist gut’ ist ein Bausteinfür das Schuldenmachen.Bei der Steuererklärung ist Schummelnzum „Volkssport“ geworden. Istes ein ähnliches Phänomen, dassRechnungen erst auf den letzten Drückerbezahlt oder sogar bewusst dieMahnungen abgewartet werden?Bei der Steuererklärung verursacht einedrohende Nachzahlung ein Verlustgefühl.Je nachdem, wie hoch die Erwartungeiner Rückzahlung ist, sinkt die Bereitschaftzu schummeln. Mit Blick aufeine Nachforderung könnte man ja auchsagen, der Staat hat bislang einen kostenlosenKredit gewährt, und diesesGeld war dadurch viel länger nutzbar.Doch die Verlustaversionist höherals die Freudeüber diesen Gewinn.Auch eineGeorg Felser istFachdozent fürMarkt- und KonsumpsychologieHOCHSCHULE HARZRechnung wirdoft nicht mit derbereits erhaltenenLeistung in Verbindunggebrachtund darf deshalbruhig eine Weileliegen bleiben.Dahinter stehtauch, dass Genussund Bezahlen immer stärker entkoppeltwerden. Kreditkarten, Flatratesund „Heute-kaufen-später-zahlen-Angebote“tragen dazu bei. Auch deshalb werdennormale Zahlungsvorgänge als Realisierungeines Verlustes umgedeutet.Warum zeigt Post von einem Inkasso-Büromeist schneller Wirkung alsdie Mahnungen der Gläubiger?Das erklärt sich vielleicht mit der Ideeder mentalen Kontoführung. Die Frageist, welcher Kategorie jemand einenPosten zuordnet. Nehmen Sie beispielsweisedas Budget für Winterkleidung.Wenn es ausgeschöpft ist, jemand einbestimmtes Kleidungsstück aber unbedingthaben möchte, deklariert er eseinfach als ‚gut für den Übergang’ oder‚ideal fürs Büro’. Schon gehört es in eineandere Kategorie, und es kann gekauftwerden. Mein mentales Konto definiert,welchen Zweck ich erreiche undwelches Ziel ich habe. Ein Inkasso-Büroist in diesem Sinn ein anderes Konto –da will ich verhindern, dass ich richtigÄrger bekomme.Gläubiger fürchten oft, Kunden fürkünftige Geschäfte zu verlieren,wenn sie beharrlich auf Zahlungenbestehen. Ist die Angst berechtigt?Aus lernpsychologischer Sicht halte ichdas für hochproblematisch, denn es verstärktdas Verhalten der Nicht-Zahler.Stattdessen sollten Unternehmen grundsätzlichmit einrechnen, dass Kunden eineunterschiedliche Qualität haben. Dabeimüssen sie gut differenzieren, dennes gibt zwei große Fehlerquellen: den falschenAlarm, bei dem ich einen Kundenherausfiltere, obwohl keine Gefahr desZahlungsausfalls bestand, und die Auslassungsfehler,bei denen ich mit KundenGeschäfte mache, die später nichtbezahlen. Es ist etwas zynisch, aber dieFrage ist, wie viele dieser falsch-negativenAuslassungsfehler ich mir leistenkann. Kommen sie zu häufig vor, mussindividueller differenziert werden. Dasist ja nicht neu: Der Krämer um die Eckehat schon früher immer gewusst, wer einguter und wer ein schlechter Kunde war.Heutige Verfahren sind die konsequenteWeiterführung. Dabei ist die Grundidee,von vergangenem auf künftiges Verhaltenzu schließen, nicht falsch.Und wie ist das, wenn wir uns vonFreunden Geld geliehen haben? Wiesteht es da um die Bereitschaft, diesesauch wieder zurück zu zahlen?Da fällt die persönliche Beziehung starkins Gewicht. Und was die Bereitschaftjenseits aller Beziehungspflege zusätzlichenorm verstärkt, ist das Gefühl,dass der Andere das nicht tun musste,dass er also einen ungeschuldeten Gefallengetan hat. Dann ist der Druckzum Ausgleich sehr viel höher, weil dasGefühl besteht, den Gefallen unbedingterwidern zu müssen. Würde es gelingen,auch dem Angebot eines Dienstleistersdiesen Charakter zu geben, wäredas eine Möglichkeit, den Zahlungsdruckzu erhöhen.+


MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013 <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> SEITE IXFORDERUNGSMANAGEMENTMit Empathieund ArgumentenVerständnis, Ausdauer und Verhandlungsgeschick sindgefragt, um offene Rechnungen einzutreiben. Jenach Größe des Arbeitgebers unterscheidet sich derArbeitsalltag eines Inkasso-Beraters erheblichReich sind nur die,die Freunde haben:Statt auf Konfrontationsetzen seriöseInkassofirmen vorallem auf Dialog,um Lösungen zufinden. Dabei bietensie Schuldner auchRatenzahlungen anALEXANDRA GROSSMANNFür einen Inkasso-Berater gibtes keinen geregelten Tagesablauf.Jeder neue Arbeitstagbringt neue Kunden, neueSchuldner, neue Ausreden –aber auch neue Einigungen. Eines allerdingsist immer gleich: „Ganz früh morgenskontrolliere ich meinen Kontostandund sehe nach, ob jemand gezahlt hat.Das ist das erste, was ich mache“, sagtAnnegret Krol, selbstständige Inkasso-Beraterin. Danach hänge vieles davon ab,was anfalle: Wiedervorlagen durchgehen,Briefe schreiben, Schuldner erinnern,mit den Kunden in Kontakt treten.Krol hat ihre Inkasso-Firma Ask Mevor sechs Jahren gegründet. Seitdem arbeitetsie allein. Sie zieht Forderungenfür kleine und mittelständische Unternehmenein, derzeit hat sie rund 50 Auftraggeber.„Meine Kunden rufen an,schildern einen neuen Fall, und wirüberlegen, ob es sinnvoll ist, diesen weiterzu verfolgen“, sagt sie. „Meist lasseich mir dann die Unterlagen schickenund prüfe, ob ich das übernehme.“Ähnlich verfahren die Mitarbeiter vonDr. Duve Inkasso, einem mittelständischenUnternehmen mit Sitz in Hannover.Die Firma wurde 1987 gegründet undbeschäftigt 25 Mitarbeiter. „Ganz typischfür die Vorgehensweise ist, dass wir Aufträgevon unseren Kunden bekommen“,erklärt Geschäftsführer Andreas Bingemer.„Dann beginnt in der Regel der Recherche-Teil,das heißt, wir versuchen,die Daten zu verifizieren, um herauszubekommen,ob die Forderungen wirtschaftlichwerthaltig sind.“Annegret Krol schreibt zunächst dieSchuldner an. Im Idealfall kommt dannprompt die Zahlung. Wenn nicht, schicktdie Inkasso-Beraterin in der Regel einenSTINA BEBENROTHPro Jahr wechseln 4,8 MillionenMenschen in Deutschland ihrenWohnort und damit ihre Adresse.Versäumen sie dabei, einen Nachsendeantragbei der Post zu stellen, landen dieBriefe wieder beim Absender oder verschwindenim Zweifelsfall einfach. „Daskann zu einem klassischen Missverständnisin der Kommunikation führen“,sagt Steffen Kowalski. „Wenn ein UnternehmenRechnungen verschickt und keineRückmeldung bekommt, muss derSchuldner am Ende hohe Gebühren zahlenoder wird sogar in ein Gerichtsverfahrenverwickelt.“Kowalski ist Trainer an der DeutschenInkasso Akademie und anderen Institutionen,und er weiß: „Die meisten Menschen,die Rechnungen nicht bezahlen,sind zahlungswillig. Der Grund für dieSchulden liegen oft in anderen Bereichen.“Damit sie diese Gründe kennenlernenund Missverständnisse aus demWeg räumen können, schult KowalskiUnternehmen und Inkassofirmen im Telefoninkasso.Die Idee ist es, Schuldnernach der ersten schriftlichen Kontaktaufnahmeper Anruf zu erreichen. ImGespräch können die Kunden dann ihreGründe darlegen, warum sie Rechnungennicht begleichen, und die Unternehmenhaben die Möglichkeit, entsprechendzu reagieren. „Das Ziel eines solchenAnrufs ist immer, am Ende die Zahlungsmodalitätenwie Raten und Terminefestgelegt zu haben“, sagt Kowalski.Für die Firmen hat sich dieses Vorgehenschon häufig bewährt. „Briefe sindsehr anonym und ganz klar eine reineForderung“, sagt Rebecca Poppe vonGFKL Financial Services. „Mit den Telefongesprächensignalisieren wir unsereKompromissbereitschaft. Das führt nichtzweiten Brief oder versucht, telefonischKontakt mit der Person oder Firma aufzunehmen.Ziel ist immer eine Vereinbarung– entweder nennt der Schuldner einenTermin, zu dem er bezahlen kann,oder er vereinbart eine Ratenzahlung.„Auf Fingerspitzengefühl kommt es an“,weiß Annegret Krol. Auch sie passt ihreVerhandlungstaktik dem Gegenüber an:„Ein Schuldner, der bereit ist für Verhandlungen,auf den gehe ich auch ein.Aber wenn einer pampig ist, dann reagiereich härter.“ Es sei wichtig, trotzdemimmer freundlich zu bleiben. Zudemmüsse sie neutral bleiben und dürfe keinepersönliche Beziehung entwickeln.Die Kommunikation mit den Kunden istfür Krol ebenso wichtig, wie die mit denSchuldnern „Meine Kunden möchten inden meisten Fällen über jeden meinerSchritte sehr genau informiert sein“,sagt Krol. Deshalb bekommen sie die gesamteKorrespondenz als Kopie, ebenfallsdie Protokolle der Telefonate.Auch Frank Kebsch, Geschäftsführervon Arvato Infoscore weiß: „Beim Inkassokommt es auf die Kommunikationan.“ Seine Mitarbeiter seien pau-IN KONTAKTSeriöse Inkassofirmen setzen auf Kommunikation.Denn im Gespräch mitSchuldnern können Fragen geklärt undLösungswege für das Begleichen derSchulden besprochen werden. DieErfahrungen zeigen, dass eine gerichtlicheVerfolgung so oft vermiedenwerden kann. Die Kommunikationumfasst neben dem obligatorischenBriefverkehr eine telefonische Kontaktaufnahmeund auch das direkte Gesprächdurch Außendienstmitarbeiter.Persönliche Mitteilungensenlos damit beschäftigt,mit denGläubigern und denKunden zu sprechen,diese zu informierenund mit ihnen zuverhandeln. Das zurBertelsmann-Gruppegehörende Unternehmenist europaweittätig, rund 3500Mitarbeiter betreuenetwa 10.000 Kundenin elf Ländern.„Wir haben Kundenaus ganz verschiedenenBranchen“, soKebsch. „Wir bearbeitensowohl Hypotheken-Forderungenalsauch solche aus demSchwarzfahrer-Geschäft.“Hinzu kämen unter anderem Telekommunikationund Versandhandel.Mit diesem Branchen-Mix gehen die unterschiedlichstenArten von Forderungeneinher. Diese wiederum sind mit unterschiedlichenRechtsfragen verknüpft.Laut Kebsch muss man sich spezialisieren,„denn die jeweiligen Sachgebieteunterscheiden sich auch in rechtlicherHinsicht teilweise erheblich von einander“.Deshalb seien bei Arvato Infoscoredie Abteilungen so organisiert, „als würdenwir aus einzelnen Inkasso-Unternehmenbestehen“.Am Ende komme es aber immer daraufan, möglichst wenig Zeit und Geldzu investieren, um die Schulden einzutreiben,meint auch Andreas Bingemervon Dr. Duve Inkasso: „Wir wollennicht, dass unsere Kunden gutes Geldschlechtem Geld hinterherwerfen.“Das bedeutet: Hat ein Schuldner bereitsmehrere Forderungen negativDie Branche setzt verstärkt auf Kontakt am Telefon. Das signalisiertKompromissbereitschaft und verbessert die KundenbeziehungGeld ist nicht alles: Missverständnisselassen sich am besten im Gespräch klärennur dazu, dass Rechnungen schneller beglichenwerden, sondern bewirkt auch,dass die gute Beziehung zwischen Kundeund Rechnungssteller bestehen bleibt.“Steffen Kowalski schult seine Seminarteilnehmer,damit die Anrufe erfolgreichverlaufen: „Gerade beim ThemaGeld reagieren viele emotional. Damitein solches Telefonat nicht aus dem Ruderläuft, sollte der Anrufer sachlichbleiben“, erklärt der Trainer. Zudemmüssen die Mitarbeiter mit den Datenschutzbestimmungenvertraut sein.HOHE FORDERUNGENDie durchschnittliche Forderung, dieInkassounternehmen für Gläubigereinziehen, beträgt dem Branchenverbandzufolge 646 Euro. Forderungenmit niedrigen Eurobeträgen machendemnach lediglich einen geringenTeil aus: Nur in 16 Prozent der Fällegeht es um weniger als 100 Euro. MitBlick auf private Verbraucher liegtdie Höhe jeder vierten Forderungzwischen 100 und 499 Euro. Und derBereich von 100.000 Euro und mehrmacht immerhin 19 Prozent aus.JAQUES BAGIOSDer Trend zur persönlichen Kommunikationhat mittlerweile einen Großteilder Inkassobranche erfasst. Je nachSchuldnergruppe werden dabei unterschiedlicheWege der Kontaktaufnahmegewählt. Beim persönlichen Gesprächam Telefon oder beim Vor-Ort-Inkassoetwa kann die individuelle Situation derSchuldner geklärt und gemeinsam eineLösung gefunden werden. Zudem kommenim Rahmen der gesetzlichen Möglichkeitenauch E-Mails und SMS zumEinsatz, zum Beispiel um an Ratenzahlungenzu erinnern.Ein weiteres wichtiges Instrumentsind Schuldnerportale, über die SchuldnerKontakt zu Inkassofirmen aufnehmenund direkt Zahlungsmodalitätenvereinbaren können. „Statt als das unheimlicheUnbekannte, präsentierensich Inkassofirmen dort als Helfer undUnterstützer der Schuldner. Das Bild inder Öffentlichkeit wird dadurch positivbeeinflusst“, sagt Steffen Kowalski.Auch bei dohr-inkasso hat sich das bereits2009 installierte Schuldnerportalim Internet bewährt. „Die wichtigsteFunktion ist es, mit den Schuldnern insGespräch zu kommen und ihnen klar zumachen, dass wir uns für ihre Sicht derDinge und Probleme interessieren“, sagtGeschäftsführer Hans Iuel Dohr: „Besondersfreut uns, dass sich ehemaligeAbwicklungskunden als Testimonials zurVerfügung gestellt haben, die mit unsererHilfe ihre Schulden begleichen konnten.Das macht anderen natürlich Mut.“Internetportale und Mails ermöglichenes, „andere Wege des Forderungseinzugeszu gehen“, betont auch ErwinFalkner, Geschäftsführer von Euro-Inkasso:„Dieser findet dann nicht mehrgegenüber einem Schuldner statt, sonderngegenüber einer Person mit Wünschenund Bedürfnissen.“CreditreformThese Nr. 5hinter sich – also in Form von EidesstattlichenVersicherungen, Haftanordnungen– oder ist er bei den Inkassounternehmenmehrfach aufgefallen,so hält Andreas Bingemer Rücksprachemit seinem Kunden. Er informiert ihnüber die Vorgeschichte des Gläubigersund fragt nach, ob er in diesem Fallwirklich tätig werden soll. Dafür ist esallerdings notwenig, umfangreiche Recherchenüber den Schuldner einzuholenund sich auch von diesen Informationennicht hinters Licht führen zulassen. „Oft ist zum Beispiel ein Firmennameein Fantasiename, so etwawie ‚Andreas’ Pommesbude’. Dannmüssen wir herausfinden, wer eigentlichder Gewerbetreibende ist, wer alsofür die Forderung haftbar zu machenist“, erklärt Bingemer.GELDIST NICHTALLES,WAS SIEVERLIEREN. **Verband der Vereine Creditreform e.V.Tel. 0800 - 9995500 | www.creditreform.deAuch AnnegretKrol überprüft alserstes den Schuldnerund seine Bonität.Dazu nutzt sie in denmeisten Fällen dasInternet. Über Auskunfteienerhalte sieeine Vermögensauskunftund erfahre, obes bereits andere Forderungengegen denSchuldner gebe, sagtdie Inkasso-Unternehmerin.In jedemFall aber versucht sie,mit dem Schuldner inKontakt zu treten:„Meist gelingt esauch, und wir findeneine Einigung.“ Seltenpassiere es, dasssich Schuldner nicht melden oder nureinmal ans Telefon gehen, danach nichtmehr. Wenn Krol gar nicht an die Leuteherankomme, gehe sie gerichtlich vor –mit einem Mahnbescheid und dann miteinem Vollstreckungsbescheid. Schließlichdrohe sie schriftlich mit dem Gerichtsvollzieher,erklärt sie: „Dass derkommt, wäre der letzte Schritt. Diemeisten zahlen vorher.“CREDITREFORM. MIT SICHERHEIT MEHR WERT.Zahlungsverzögerungen bei Ihren Kunden kosten Geld und Nerven. Wenn Sie auf Ihren Forderungen sitzenbleiben, können sich schnell fatale Finanzierungslücken auftun.Wir sorgen dafür, dass Sie schneller an Ihr Geldkommen und schonen noch dazu Ihre Kundenbeziehungen. 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SEITE X <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENTWenn Betrügereinkaufen gehenDas Geschäft mit gestohlenen Identitäten nimmt dramatisch zuMARION MEYER-RADTKEEs war ein Freitag im März,als über Stefanie Groth derSturm losbrach. Ein Dreivierteljahrvorher hatte diejunge Rechtsanwaltsfachangestellteihr eigenes Inkassobüro gegründet.Ruhig und beständig wuchs dasGeschäft. Handwerker und Freiberufler,Vermieter, Tier- und Zahnärzte klopftenbei Groths BDE Inkasso e.K. in Ratingenan, um das <strong>Forderungsmanagement</strong> desBetriebs abzugeben, oder weil sie sichum säumige Kunden kümmern sollte.„Aber an diesem Tag bekamen wir aufeinmal einen Anruf nach dem nächsten,und alle sprachen von irgendeinem Gewinnspiel“,berichtet Groth. „Ich habeerst gar nicht verstanden, worum esging.“ Das sollte sich rasch ändern.Denn auch nach dem Wochenende hörtedas Telefon nicht mehr auf zu klingeln.Eine Anruferin erbarmte sichschließlich und faxte den Brief durch,über den sich alle beschwerten. Es stelltesich heraus: Groth und ihre BDE Inkassowaren Opfer eines Identitätsdiebstahlsgeworden. In dem Brief forderteeine erfundene „BDE Inkasso GmbHaus München“ im Namen einer Lotto-Spielgemeinschaft die Empfänger zurZahlung von 288,48 Euro auf. In denBriefkopf hatten die Betrüger das Logound die Adresse der echten Firma ausRatingen hineinkopiert.Die meisten Adressaten machten imGrunde alles richtig: Sie riefen bei derBDE Inkasso in Ratingen an und fragtennach, statt einfach das Geld zu überweisen.Genau dazu raten alle Verbraucherschützerund Experten. Doch Groth undANZEIGEihr junges Unternehmen brachten derBetrug und seine Folgen beinahe um dieExistenz. „Anderthalb Monate lang habenwir jeden Tag 80 Anrufe gehabt –nur zu diesem Thema“, sagt Groth.Das eigentliche Geschäft lag in derZeit brach, weil die Firmengründerin nurdamit beschäftigt war, die Betrugsgeschichteaus der Welt zu schaffen. „Umunseren Namen sauber zu halten, habeich auf jeden Blog-Eintrag reagiert undauf jedes Schreiben <strong>vom</strong> Anwalt. Ich habejede Mail beantwortet, jedes Fax undjeden Anruf. Zwischenzeitlich haben wirsogar ein Callcenter eingeschaltet, weilwir die Masse an Anrufen einfach nichtmehr stemmen konnten.“„Solche Betrügereien mit gestohlenenIdentitäten haben in letzter Zeit enormzugenommen“, sagt Marco Weber <strong>vom</strong>Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU). Entweder geben sichdie Täter – wie im Fall der BDE aus Ratingen– als Inkassounternehmen ausund verschicken Fantasierechnungen.Oder sie stehlen die Identität von Privat-„Alleine im letztenQuartal 2012haben wir eineViertelmillionIdentitätsdiebstähleregistriert“Tim Griese, BSI-SprecherFORUDNERGENKNÖNEN MHERVEWRIRNRUGSFTIETN ALS MANSCIH VOLERSTLENKNAN.APONTAS BRINGT ORDNUNG INIHR FORDERUNGSMANAGEMENT.www.apontas.depersonen und gehen auf deren Kostenteuer im Internet shoppen: Die Warewird an irgendeine Lieferadresse geschickt,die dicke Rechnung bekommenallerdings die Opfer. „Mit den Distanzgeschäftenim Internet, bei denen es keinenpersönlichen Kontakt zwischenKäufer und Verkäufer gibt, ist das relativeinfach“, sagt Marco Weber.Tim Griese, Sprecher des Bundesamtsfür Sicherheit in der Informationstechnik(BSI) sieht das genauso: „Bei vielenAccounts reicht es schon aus, wenn Sieeinen Benutzernamen und ein Passworthaben oder auch den Namen, die Adresseund das Geburtsdatum. Damit könnenSie sich einloggen und einkaufen gehen.“Wie viele Menschen in Deutschlanddurch Identitätsdiebstahl tatsächlichzu Schaden kommen, weiß niemandgenau. Es gibt lediglich Hinweise darauf,wie verbreitet das Phänomen ist. „ImRahmen der Allianz für Cybersicherheithaben wir alleine im letzten Quartal 2012eine Viertelmillion Identitätsdiebstähleregistriert“, sagt BSI-Sprecher Tim Griese.Damit ist noch nicht gesagt, dass dieseDaten auch tatsächlich missbrauchtwerden – aber nutzbar sind sie.Nach dem Lagebericht Cyberkriminalitätdes Bundeskriminalamtes (BKA) registriertedie Polizei im vergangenenJahr die Rekordzahl von fast 64.000 Fällenvon „Cybercrime“ – also Straftaten,die mit Hilfe von Computern oder im Internetbegangen werden, beziehungsweiseTaten, die Angriffe auf Computer odermobile Geräte beinhalten. Im Vergleichzu 2011 war das eine Steigerung um achtProzent. Besonders dramatisch fiel dabeider Anstieg bei Computersabotage aus:Fast 11.000 Eingriffe registrierte das BKADer eine hat den Beutel, der andere hat das Geld: Betrugsdelikte sorgen für hohe Schäden– ein Zuwachs um 134 Prozent gegenüberdem Vorjahr. „Die Täter nutzenSchwachstellen aus, um Rechner mitSchadsoftware zu infizieren, so dass siezum Beispiel Eingaben auf der Tastaturmitlesen können. Oder sie hacken sichin Datenbanken ein und stehlen dortNutzerdaten, wie das zum Beispiel 2011beim Online-Dienst Sony PlaystationNetwork geschehen ist“, sagt Griese.Für Computernutzer gilt es also, aufder Hut zu sein: „Sie sollten Ihren Rechnerimmer auf dem neuesten Stand halten,was Virenschutz und Sicherungs-Updates angeht, und Ihre Passwörter sowählen, dass sie möglichst nicht zu knackensind“, rät BSI-Experte Griese. FatalLENA BULCZAKEine Nachricht von einem Inkassounternehmeneinfach zu ignorieren,kann kostspielig werden,warnt Michael Requardt: „Aktiv zu bleiben,ist immer die beste Lösung“, sagtder Anwalt und Vorsitzende des BundesverbandsSchuldnerhilfe Deutschland.Sich aus Scham nicht zu rühren, wennberechtigte Forderungen nicht beglichenwerden können, sei ein Fehler, der vieleSchuldner oft teuer zu stehen komme.Aber auch säumige Zahler, die ausAngst vor einem Schufa-Eintrag sofortübereilig allen Forderungen eines Inkassobürosnachkommen wollen, solltenzuvor innehalten und erst genau prüfen:Hat das Inkassobüro eine Zulassung, umGeld eintreiben zu können? Sind allePosten auf der Rechnung berechtigt?„Was viele nicht wissen: Die erste Mahnungist nicht kostenpflichtig“, sagt Requardt,„egal, ob sie <strong>vom</strong> Gläubiger odervon einem Inkassobüro kommt.“ Wurdentrotzdem Mahngebühren in Rechnunggestellt, könne man diese getrostignorieren. Es reiche, die eigentlicheForderung zu begleichen.Bleibt die entscheidende Frage: Ist dieForderung auf dem Papier der Höhenach wirklich berechtigt? „Aus fünf Eurodürfen nicht plötzlich 65 werden. Inkassodienstleisterfallen aber nicht seltendadurch auf, dass sie neben der eigentlichenInkassovergütung noch zahlreicheunberechtigte oder überhöhte Gebührenverlangen“, ärgert sich Bernd Ruschinzik,Bereichsleiter Recht und Beratungbei der Verbraucherzentrale Berlin.„Verbraucher sollten die ursprünglicheForderung sowie Verzugszinsen inHöhe von fünf Prozent über dem Basiszinssatzvon aktuell minus 0,38 Prozentzahlen. Sind Portokosten angefallen,sollten man auch diese begleichen“, rätRuschinzik. Wer ganz sicher gehen wolle,können noch fünf bis zehn Euro mehrüberweisen – verbunden mit einem klarenHinweis, dass er nicht bereit ist,mehr zu zahlen. Dann nämlich könneder nächste Schritt seitens des Inkassounternehmensnur eine Klage sein. Allerdingsreicht es nicht, die Ablehnungweiterer Zahlungen per E-Mail oder Telefonzu bekunden. Geht es vor Gericht,muss der Schuldner dies mit einem postalischenEinschreiben nachweisen können.Versprechen, dass der Spuk damitvorbei ist, kann Ruschinzik jedoch nicht.„Nageln Sie uns bitte nicht fest“, ist seinStandardsatz in der Inkasso-Beratung:„Die Rechtsprechung ist schillernd.“Michael Requardt rät Schuldnern dagegen,neben Hauptforderung und Verzugszinsenauch die Inkassokosten zubegleichen. Nach der Rechtssprechungdürften Inkassobüros ihren SchuldnernGebühren für ihre Tätigkeit in Rechnungstellen, sagt Requardt. Diese dürftenaber die Sätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzesnicht überschreiten. Diegenaue Höhe der Inkassokosten sei damitabhängig <strong>vom</strong> Wert der ForderungGETTY IMAGESsind zum Beispiel Mails mit Anhängen,die den einzigen Zweck haben, Trojanerauf den Rechner zu spielen, um diesenausspionieren zu können. So seien injüngster Zeit viele gefälschte E-Mails imUmlauf, die vorgäben von bekanntenUnternehmen wie etwa der DeutschenTelekom oder Amazon zu stammen,warnt Griese: „Wenn Ihr Rechner nichtausreichend geschützt ist und Sie Anhängeoder Links dieser Mails anklicken,haben Sie sich meistens schon dieSchadsoftware eingefangen.“Experten sehen zudem mit Sorge, wiefreigiebig Verbraucher mit ihren Datenumgehen – und gerade das Internet verführtdazu. „Was früher das Preisausschreibenin der Fußgängerzonewar, bei dem man Postkartenausgefüllt hat, sind heutedie Pflichtfelder im Internet,wenn man sich etwas herunterladenoder bestellen will“, sagtGriese. „Man sollte sich immerfragen: Ist es mir dieser Dienstwert, dass ich dafür meine Datenangebe? Wenn ich einenNewsletter per Mail haben will– wozu muss der Anbieter wissen,wo ich wohne?“ SolcheDaten sind Gold wert – für Unternehmen,aber eben auch fürKriminelle. Wenn man zu vielüber sich preisgeben müsse,solle man im Zweifel lieber aufein Angebot verzichten, empfiehltGriese. Vor allemSmartphone-Nutzer, die massenhaftApps herunterladen,seien noch zu wenig sensibilisiert:„Das sind kleine Computerund die müssen genauso geschütztwerden wie die Gerätezu Hause“, betont Griese.„Aber vielen Nutzern ist dasnoch immer nicht bewusst.“Das Risiko, Opfer einesIdentitätsdiebstahls zu werden,steigt also. Wen es wirklichtrifft, der sollte vor allem einestun: Ruhe bewahren, sagtBDIU-Sprecher Marco Weber:„Ganz wichtig ist zu wissen:Niemand muss Forderungenbezahlen, die nicht rechtenssind.“ Eine rasche Reaktion seitrotzdem wichtig, sagt GerritCegielka, Jurist bei der VerbraucherzentraleBremen:Wenn die offenbar von Fremdengenutzt wurde, dann müssesie so schnell wie möglichgesperrt werden. Falsche Abbuchungen<strong>vom</strong> Konto könneman sich bei der Bank zurückholen.Und auch wenn falscheRechnungen oder Mahnungenins Haus flattern, solle man„auf jeden Fall reagieren unddie Forderung bestreiten“, rät Cegielka.Die Beweislast für die Rechtmäßigkeitder Rechnung liege beim Unternehmen,nicht beim Käufer. Und natürlich solleman sofort die Polizei einschalten undAnzeige erstatten.Stefanie Groth hat den Angriff auf ihreBDE Inkasso inzwischen überstanden.Sie hatte damals die Bank alarmiert, beider die Täter das Konto für die Zahlungeneingerichtet hatten, und den Betrugüber ihre Webseite und auf Facebook öffentlichgemacht. „Darauf haben wir nurpositive Meldungen bekommen, undjetzt läuft unser Geschäft wieder in normalenBahnen“, sagt sie. „Aber es hatmich viel Zeit und viel Geld gekostet.“Post, die niemand willWas sollte man beachten, wenn sich ein Inkassobüro meldetTEURE FEHLERBEI RATENZAHLUNGENTreffen Schuldner Ratenvereinbarungen,begehen viele einen typischen undteuren Fehler: Sie versäumen es zubestimmen, dass ihre Zahlungen zuerstauf die Hauptforderung angerechnetwerden, dann auf die Inkassokostenund zuletzt auf die Zinsen. So tragensie mit ihren ersten Raten jeweils nurdie Zinsen ab. Der eigentliche Schuldenberg,die Hauptforderung, anhandder sich die Zinsen bemessen, verringertsich damit nur schleppend. Dieinsgesamt abzuzahlende Summe steigt.und lasse sich im Internet nachprüfen.Zwei Juristen, zwei Meinungen – genaudas macht Inkassofragen so schwierig.Wer seine Schulden nicht begleicht,hat aber häufig noch ganz andereSchwierigkeiten – ihm fehlt Geld. Dannhilft verhandeln. „Auch Schuldner habenRechte und sollten darauf pochen“, sagtRequardt. Doch bevor Verbraucher miteinem Inkassobüro in Verhandlungentreten, sollten sie prüfen, ob dieses überhaupteine rechtliche Erlaubnis hat. Daslässt sich im Register beim Landgerichtdes Ortes erfragen, an dem das Büro seinenSitz hat. Eine Ausnahme gibt es jedoch:Hat der Gläubiger seine Forderungan das Inkassounternehmen abgetreten,braucht es keine gerichtliche Erlaubnis,um tätig zu werden. Auf diese Weise istes selbst zum Gläubiger geworden.Allerhöchste Zeit, aktiv zu werden, istes jedoch, wenn ein Mahnbescheid <strong>vom</strong>Mahngericht kommt. Denn das Gerichtprüft nicht automatisch, ob eine Forderungberechtigt ist oder nicht. Verbraucherhaben zwei Wochen Zeit, Widerspruchgegen unberechtigte Forderungeneinzulegen. Geschieht dies nicht,folgt ein Vollstreckungsbescheid – diesmalmit zweiwöchiger Einspruchsfrist.Wer dann immer noch nicht handelt, hatdem Gläubiger einen vollstreckbaren Titelgeschenkt und sich selbst einen negativenSchufa-Eintrag beschert.Damit darf der InkassodienstleisterKonto oder Gehalt pfänden oder einenGerichtsvollzieher schicken. Das ist auchschon fast das schlimmste Szenario:Noch schlimmer kann es nur kommen,wenn der Schuldner beim Besuch desGerichtsvollziehers nicht zumindest eineRatenzahlung anbietet. Dann nämlichkann dieser ihm die eidesstattliche Versicherungabnehmen, was einen Eintragin das Schuldnerverzeichnis zur Folgehat. Bis zur Privatinsolvenz ist es dannnur noch ein weiterer, letzter Schritt.+


MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013 <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> SEITE XIFORDERUNGSMANAGEMENTParagrafengegen AbzockerDas Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken sollVerbraucher vor Massen-Abmahnungen, unerlaubtenWerbeanrufen und falschen Geldeintreibern schützenCHRISTOPH ENDELLEs verspricht mehr Schutzund soll gleich ein ganzesBündel an Problemen lösen:das Gesetz gegen unseriöseGeschäftspraktiken, das EndeSeptember auch <strong>vom</strong> mehrheitlichrot-grün besetzten Bundesrat verabschiedetworden ist. Es soll unter anderemdie unerlaubte Telefonwerbung eindämmen,Missstände bei den urheberrechtlichenAbmahnungen beseitigen,und es umfasst auch neue Regelungenfür die Inkassobranche.Das heißeste Thema des Gesetzes jedochwar die Eindämmung kostspieligerurheberrechtlicher Abmahnungen gegendas sogenannte Filesharing im Internet.Dabei geht es zum Beispiel um Musikdateienoder Filme, die illegal aus Online-Tauschbörsen heruntergeladen werden.Zukünftig sollen Rechtsanwälte für eineerste Abmahnung von Privatleuten nurnoch 148 Euro verlangen dürfen. Hinzukommen erweiterte Informationspflichten,nach denen genau klar werdenmuss, wofür die Zahlungen gefordertwerden, sowie bessere Verteidigungsmöglichkeitenfür zu Unrecht Abgemahnte.Zudem dürfen Privatleute wegenUrheberrechtsverletzungen künftignur noch an ihrem Wohnort verklagtwerden. Rechtsanwalt Sven Mühlberger,der Betroffene vertritt, empfindet es alseinen wichtigen Schritt, dass Opfer erkennbarunberechtigter Abmahnungenjetzt Anspruch auf Erstattung derRechtsanwaltskosten haben.Gerade die wichtige Begrenzung derGebühren bleibt aber unsicher: Die Begrenzungsoll dem neuen Gesetz zufolgenicht gelten, wenn im Einzelfall dochhöhere Gebühren angemessen wären.„Eine ähnliche Regelung hat sich schonnach der letzten Reform als Schlupflocherwiesen“, kritisiert Mühlberger undBranche besser zu regulierenund schwarzeSchafe herauszufiltern.“Der BundesverbandDeutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU) hatbereits angekündigt, sichim Dialog mit Schuldnerberatungsstellenundden Verbraucherschützernfür eine klare Umsetzungeinzusetzen.Die Aufsicht über Inkassounternehmenwirddurch das neue Gesetzebenfalls gestärkt. Die Aufsichtsstellenkönnen jetzt auf einen besser abgestuftenMaßnahmenkatalog zurückgreifen,um die Branche zu regulieren.Auch die möglichen Bußgelder wurdenerhöht: Sie können jetzt bis zu50.000 Euro betragen. Kritik gibt es allerdingsan der weiterhin zersplittertenStruktur der Aufsicht. Denn auch künftigsollen insgesamt 79 Aufsichtsstellen denMarkt regulieren. In ungewöhnlicherEintracht haben BDIU, Verbraucherschützerund Unternehmer der künftigenRegierung deshalb schon jetzt insAufgabenbuch geschrieben, diese Zuständigkeitin der kommenden Legislaturperiodeeffektiv zu bündeln (sieheBeitrag unten auf dieser Seite).Weniger einig sind sich die Interessengruppen,wenn es um die neuen Gebührenregelungenfür Inkassodienstleistergeht. Diese wurden mit dem neuenGesetz den Rechtsanwaltsgebühren angepasst.Der Bundesverband Verbraucherzentrale(vzbv) etwa fordert, dassdie Inkassogebühren weiter standardisiertund gedeckelt werden müssen.In der Tat enthält das Gesetz hierzueinen Ansatzpunkt: Für die Gebühren,deren Erstattung ein Gläubiger von einerPrivatperson verlangen kann, soll es festeSätze geben. Dabei sollen insbesondefürchtet,die Gerichte könnten die Ausnahmeregeletwa bei neuen Kinofilmenoder Musikalben anwenden. Über denUmweg von Schadensersatzforderungenkönnten Anwälte zudem weiter hoheKosten produzieren.Das zweite wichtige Anliegen des Gesetzesist eine schärfere Regulierung derInkasso-Dienstleister. Die Branche solltransparenter werden und übersichtlicheGebührenstrukturen erhalten. Künftigmuss aus dem Inkassobrief klar hervorgehen,für wen ein Inkassounternehmentätig wird. Auch der Forderungsgrund,der Vertragsgegenstand und das Vertragsdatummüssen offengelegt werden.Außerdem wird die Berechnung von Inkassokostenund Zinsen aufgeschlüsselt,und Privatpersonen haben Anspruch aufnoch weitergehende Auskünfte.Für Constantin Svoboda, Vorstanddes Inkasso-Dienstleisters Legial, ist dasein sinnvoller Schritt: „Die neuen Transparenzregelnhelfen dabei, korrekte Inkassotätigkeitklarer zu definieren. Auchden Aufsichtsbehörden werden damitLeitlinien an die Hand gegeben, die„Die neuenTransparenzregelnhelfen dabei,eine korrekteInkassotätigkeitklarer zudefinieren“Constantin Svoboda,Vorstand LegialGeld verdirbt den Charakter: Neue Vorschriften sollen auch zweifelhafte Geschäfte mit Telefonwerbung und Gewinnspielen weiter erschwerenre Höchstsätze für das erste Mahnschreibennach Eintritt des Verzugs festgelegtwerden, und auch im Fall des sogenanntenMasseninkassos soll es Obergrenzengeben. Das betrifft Fälle, bei denenein Gläubiger einem Inkassodienstleisterinnerhalb eines Monats mehr als100 sogenannte gleichartige Forderungenzum Einzug übergibt. Diese Maximalgebührenkann das Bundesjustizministeriumlaut Gesetz im Rahmen einerRechtsverordnung festlegen.Dieses Einfallstor staatlicher Regulierungfindet allerdings wenig Beifall.Während der vzbv die Regelung als zuSchwere Fällewenig weitgehend rügt, empfindetLegial-Vorstand Constantin Svoboda einesolche Festlegung der Gebührensätzeals Überregulierung – genau wie derBDIU: „Die Arbeit von Inkassounternehmendarf nicht durch eine Überregulierungder Inkassokosten gefährdet werden“,warnt Kay Uwe Berg. Der Verbandsgeschäftsführersieht in der Regelunginsbesondere eine Ungleichbehandlungder verschiedenen Berufsstände.Denn nach dem Wortlaut des Gesetzessolle eine solche Gebührenverordnungnur für registrierte Inkassodienstleister,nicht aber für Rechtsanwälte gelten, kritisiertBerg. Auch deshalb behalte sichder BDIU eine verfassungsrechtlicheÜberprüfung der Regelungen vor.Der dritte Teil des neuen Gesetzestrifft die Telefonwerbung. Gewinnspielebeispielsweise können Unternehmennicht mehr per Anruf verabreden. Werteilnehmen möchte, muss dies künftigschriftlich bestätigen. Zudem werden diemaximalen Bußgelder für unerlaubteWerbeanrufe von 50.000 auf 300.000Euro versechsfacht, und sie gelten nichtmehr nur, wenn echte Menschen anrufen,sondern auch wenn sich am anderenEnde ein Telefoncomputer meldet.fallen uns leicht.GETTY IMAGESANZEIGEAlles unter Kontrolle?In Deutschland sind insgesamt 79 Gerichte für die Aufsicht vonInkassofirmen zuständig. Effektive Prüfung ist so kaum möglichHARALD CZYCHOLLDie Theorie ist eindeutig: Fällt einInkasso-Unternehmen negativauf, kann das Gericht, bei demder Dienstleister registriert ist, dessenGenehmigung widerrufen. Das regelt dasRechtsdienstleistungsgesetz. Doch diePraxis zeigt: Ist eine Genehmigung einmalerteilt, wird sie nur in den seltenstenFällen wieder entzogen. So hat eineUntersuchung der VerbraucherzentraleSchleswig-Holstein im Jahr 2010 ergeben,dass Inkassofirmen bundesweit lediglichin zwei Fällen aufgrund von Verbraucherbeschwerdendie Zulassung entzogenwurde. Verbraucherschützer werfender Branche zudem vor, dass auchderen Selbstregulierung nur unzureichendfunktioniere. So würden die „berufsrechtlichenRichtlinien“ des BundesverbandesDeutscher Inkasso-Unternehmen(BDIU) weder eine Gebührenordnungnoch konkrete Informationspflichtenvorgeben, kritisiert der Bundesverbandder Verbraucherzentralen (vzbv).Rund 750 zugelassene Inkassounternehmengibt es derzeit in Deutschland,von denen zwei Drittel im BDIU organisiertsind. Sie bewegen nach Verbandsangabenjährlich ein Forderungsvolumenvon mehr als 24 Milliarden Euro. Docheine effektive Kontrolle der Unternehmenfinde nicht statt, bemängeln Experten.Der Grund dafür liege in der Zersplitterungder Aufsichtslandschaft: Momentansollen 79 verschiedene AmtsundLandgerichte die Tätigkeit der Inkassounternehmenkontrollieren.Zwar hat das Ende September verabschiedete„Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“,das auch als „Anti-Abzock-Gesetz“bekannt geworden ist, dieAufsicht über Inkassofirmen verbessert.Laut Bundesjustizministeriums wurdendie Widerrufsmöglichkeiten für die Registrierungerweitert. Außerdem könnenzuständige Gerichte zusätzliche Sanktionsmaßnahmenunterhalb des Widerrufsder Registrierung verhängen. Dazu zählenetwa Bußgelder und die Möglichkeit,den Firmen die Arbeit für eine gewisseZeit komplett oder teilweise zu untersagen.Allerdings haben weiterhin 79 Behördendie Aufsichtspflicht. Dabei handeltes sich um Gerichte, die meistschon mit ihren Kernaufgaben überlastetZum Reichtum führen viele Wege:Behörden prüfen die Arbeit der FirmenJAQUES BAGIOSsind. Diese Regelung ist denn auch ausSicht des Branchenverbandes BDIU unbefriedigend.„Optimal wäre eine bundesweiteAufsichtsbehörde“, sagt VerbandsgeschäftsführerKay Uwe Berg.„Realistisch wäre zumindest eine Aufsichtsbehördepro Bundesland.“ NachEinschätzung der Interessensvertretungist eine solche Regelung daran gescheitert,dass die Bundesregierung nicht dazubereit war, mehr Geld für die Aufsichtüber Inkassounternehmen auszugeben.Aus Sicht des BDIU ist das ein schwererFehler: Wer unseriöse Geschäftspraktikenwirklich eindämmen wolle, müsseden Behörden auch die dafür notwendigenMittel an die Hand geben, heißt esbeim Verband. Die Branchenvertreterfordern daher weitere gesetzliche Änderungen.In einem ersten Schritt solle dieBundesregierung eine Bund-Länder-Arbeitsgruppeunter Beteiligung der Wirtschaft,der Verbraucherschützer und derjuristischen Praxis einsetzen, um Vorschlägefür eine weitere Verbesserungder Inkasso-Aufsicht zu erarbeiten.Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen(vzbv) fordert eine schlagkräftigereAufsicht mit lediglich einerzuständigen Aufsichtsbehörde pro Bundeslandund setzt sich für noch effektivereSanktionsmöglichkeiten ein, dievon gestaffelten Geldbußen bis hin zumEntzug der Zulassung reichen. „Inkassobraucht Regeln, gesetzliche Informationspflichten,verlässliche Gebührenvorgabenund eine schlagkräftige Aufsicht“,betont der Verbraucherzentralen-ChefGerd Billen. „Ein Mangel an effektivenKontrollen und Sanktionen ist geradezueine Einladung für Betrüger.“+Altforderungen sind oft schwer zu managen. Ihnen fehlen Zeit unddie nötige Kapazität. 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SEITE XII <strong>DIE</strong> <strong>WELT</strong> MITTWOCH, <strong>23</strong>. OKTOBER 2013FORDERUNGSMANAGEMENT„Wir hatten dasGeld schonabgeschrieben“Geld ist nicht alles:Für die finanziellklammen Kommunenund Städteist es allerdingsüberlebenswichtig.Dennoch sind diesebeim Eintreibenvon Forderungenoft immer nochsehr nachlässigMit externer Hilfe können Städte undKommunen offene Rechnungen reduzierenJENS KOHRSVon dem Erfolg waren ChristianStrunk und sein Teamselbst überrascht. Seit guteineinhalb Jahren gibt dieStadt Xanten in Nordrhein-Westfalen Forderungen, die ihre Mitarbeitermit eigenen Mitteln nicht mehreintreiben können, an ein Inkassounternehmenab – und freut sich über zusätzlicheErträge im Haushalt: „Bisher liegtdie Erfolgsquote bei 25 Prozent“, sagtBürgermeister Strunk: „Die Gelder hattenwir eigentlich schon abgeschrieben.“Der Dienstleister arbeite auf Erfolgsbasisund bekomme neben den Gebühren, dieer von den Schuldnern verlange, 30 Prozentder eingetriebenen Forderungen.Dabei handelte es sich in Xanten zunächsthauptsächlich um nicht bezahlteStrafzettel, vor allem „Knöllchen“ vonBesuchern aus den Niederlanden. Zudemwürden jetzt aber auch verstärktAußenstände bei Steuern und Gebührenan das Inkassounternehmen abgegeben,sagt Strunk. Die Spanne reiche von zehnANZEIGEEuro für die Urkunde des Standesamtesbis hin zu mehreren Tausend Euro Gewerbesteuern.Und Xanten werde diesenWeg „konsequent weiter gehen“, so dasFazit des Bürgermeisters.Dass sich viele Kommunen damit beschäftigen,ihr <strong>Forderungsmanagement</strong>zu verbessern, bestätigt Uwe Zimmermann,stellvertretender Hauptgeschäftsführerdes Deutschen Städte- und Gemeindebundes.Ob wie in Xanten allerdingsauch Dienstleister beauftragt werden,um als sogenannte Verwaltungshelferbeispielsweise die Kommunikationmit Schuldnern zu übernehmen, sei fürdie Kommunen letztlich eine betriebswirtschaftlicheFrage, sagt Zimmermann.Das Potenzial für derartige Kooperationenscheint jedenfalls groß. Schätzungenzufolge entgehen der öffentlichenHand jährlich mehr als eine MilliardeEuro, weil Forderungen niedergeschlagenwerden müssen. Das heißt, in diesenFällen sehen die Kommunen wie dieStadt Xanten bei ihren Knöllchen keineChance mehr, dass sie das Geld noch bekommenwerden. Sie haben mehrmalsgemahnt, und weil auch ihre Vollstreckungsbeamtennichts erreichten, wirddas Geld abgeschrieben.Dabei könne bei entsprechend langemAtem durchaus noch Geld fließen, sagtAndreas Tafel, CEO von Apontas DieForderungsmanager. Das HannoveranerUnternehmen arbeitet auch für öffentlicheUnternehmen wie Stadtwerke undgesetzliche Krankenkassen. „ExterneDienstleister haben genug Ressourcen,um eine niedergeschlagene Forderungüber einen langen Zeitraum zu überwachen“,sagt Tafel: „Erfahrungsgemäßwerden viele Schuldner nach einer gewissenZeit wieder leistungsfähig.“ Deshalbwerde schriftlich und teilweise auchtelefonisch Kontakt gehalten, und solltesich die Finanzlage der Schuldner verbessern,werden zum Beispiel neue Zahlungsvereinbarungengetroffen. Denkbarseien etwa Ratenzahlungen oder Einmalzahlungenim Sinne von Vergleichen.Darauf setzt auch Dirk Schatz imLandkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt. Als sich die nicht eintreibbarenForderungen auf mehr als 106.000 Eurosummierten, zog der Landrat die Notbremseund lagerte die weitere Bearbeitungan ein Inkassounternehmen aus.Neben Forderungen des Straßenverkehrsamtesund des Bauamtes, zum Beispielfür Baugenehmigungen, machenUnterhaltsvorschüsse für Kinder mit39.200 Euro den Großteil der niedergeschlagenenAußenstände aus.„Wir sehen es aber nicht ein, dass einVater die Unterhaltsverpflichtungen gegenüberseinem Nachwuchs nicht erfülltund die Allgemeinheit diese begleichenmuss“, sagt Schatz. Vor allem bei denjenigen,die sich nur zeitweise in einer finanziellknappen Lage befinden, sollendie Forderungen doch noch realisiertwerden, sobald sich die Schuldner wirtschaftlicherholen. Deshalb behält siedas Inkassounternehmen künftig langfristigim Auge, „und wir senken dadurchunnötigen und unverhältnismäßigenVerwaltungsaufwand“, erklärt Schatz.Trotzdem ist die Zahl der Kommunen,„Wir achtenstreng darauf, dasswir nur dienötigsten Datender Schuldnerweitergeben“Thomas Idstein,Kämmerei Wiesbadendie sich externe Hilfe holen, bislangüberschaubar. Dafür sorgen unterschiedlicheLandesgesetzgebungen genausowie die Diskussion, ob es nicht doch einereine Staatsangelegenheit ist, kommunaleForderungen einzuziehen. Vor allemaber bleibt die grundsätzliche Frage, obdie Kommunen Daten ihrer Bürger überhauptan die Privatwirtschaft abgebendürfen. „Die Datenschutzbeauftragtender Länder bewerten dies vollkommenunterschiedlich, und auch auf Seiten derPolitik und in den Verwaltungen gibt esvielfach kontroverse Ansichten“, sagtApontas-Chef Tafel. Entsprechend großsei die Unsicherheit.Hessens Datenschutzbeauftragter MichaelRonellenfitsch hat sein Okaylängst gegeben. Nachdem neuen hessischenJustizkostengesetz dürfenkünftig auch die Gerichtskassendes Landesmit privaten Inkassounternehmenzusammenarbeiten.Hintergrund sindoffene Gerichtskostenim zweistelligen Millionenbereich.Laut Gesetzdürfen die Firmen die Gerichtskassen alsVerwaltungshelfer beim Einzug niedergeschlagenerForderungen unterstützen.Sie bewerten die Erfolgsaussichten, ermittelnAnschriften, nehmen schriftlichund telefonisch Kontakt mit Schuldnernauf oder sorgen für die langfristige Überwachungvon Forderungen. HoheitlicheAufgaben wie etwa Vollstreckungsmaßnahmenübernehmen sie nicht. Die bleibenauch weiterhin ausschließlich staatlichenGerichtsvollziehern vorbehalten.Vorbild des Landes war die eigeneLandeshauptstadt. Wiesbaden hat sein<strong>Forderungsmanagement</strong> seit 2003 komplettneu aufgebaut und die monatlichenAußenstände seitdem von rund 50 MillionenEuro auf rund 31 Millionen Euroreduziert. Seit Jahren kooperiert dieStadt auch mit externen Anbietern, erklärtThomas Idstein, der in der Kämmereidas <strong>Forderungsmanagement</strong> leitet.Beim Inkasso etwa kümmere sich einDienstleister ausschließlich um niedergeschlageneFälle. „Wir achten strengdarauf, dass wir für das Inkasso nur dienötigsten Daten der Schuldner weitergeben“,betont Idstein. Beschwerden habees noch nie gegeben. Dafür habe dieStadt in den vergangenen zweieinhalbJahren rund 110.000 Euro eingenommen.Zudem seien mit Schuldnern Ratenvereinbarungenüber weitere 300.000 Eurogetroffen worden, sagt Idstein: „DiesesGeld wäre sonst komplett weg gewesen.“JAQUES BAGIOSAlles andere als StandardDie Einsatzmöglichkeiten in der Branche sind vielfältig. Am Anfangsteht die Sachkundeprüfung, aber Weiterbildung bleibt PflichtPAULINE KREBSWer an Universitäten oderFachhochschulen nach einemStudiengang „<strong>Forderungsmanagement</strong>“sucht, sucht vergebens. Aucheinen eigenständigen Ausbildungsberufgibt es nicht. Die theoretischen Grundlagen,um sich als Inkassounternehmer registrierenlassen zu können, werden ineinem Lehrgang vermittelt. Angebotenwird er etwa von der Deutschen InkassoAkademie (DIA), einer Tochtergesellschaftdes BDIU. Er deckt das gesetzlichverlangte juristische Wissen ab, denn Inkassounternehmermüssen sich etwa imbürgerlichen Recht, im Handels-, Wertpapier-und Gesellschaftsrecht, aberauch im Zivilprozess-, Insolvenz- sowieKostenrecht auskennen.In 120 Stunden lernen die Teilnehmereines solchen Sachkundelehrgangs dierelevanten Gesetzesgrundlagen. In weiteren18 Stunden werden bei der DIAThemen wie Datenschutz- und Berufsrechtbeleuchtet. „Da es beim <strong>Forderungsmanagement</strong>immer das Ziel ist,dass sich Schuldner und Gläubiger – ambesten außergerichtlich – einigen, spieltim Unterricht neben der Theorie auchder soziale Aspekt eine große Rolle“,sagt Ulrich Jäger, DIA-Dozent und Justiziarder Seghorn Inkasso GmbH. DerLehrgang endet mit einer schriftlichenund einer mündlichen Prüfung.Juristen, die das erste Staatsexamenhaben, benötigen die Sachkundeprüfungnicht. Aber wie die Lehrgangsabsolventenmüssen sie für die Registrierung alsInkassounternehmer noch mindestenszwei Jahre Berufserfahrung im <strong>Forderungsmanagement</strong>nachweisen. Daszweite Staatsexamen berechtigt dazu,sich direkt selbstständig zu machen.„Die Teilnehmer des Sachkundelehrgangssind in der Regel bereits im <strong>Forderungsmanagement</strong>tätig“, sagt Anett Bremert,die an der DIA die Seminare undLehrgänge organisiert. „Sie arbeiten alsAnwaltsgehilfen, im Vertrieb, als Sachbearbeiter,Assistenz der Geschäftsführungoder als Bürokaufmann in der Forderungsabteilunggroßer Unternehmen, inInkassofirmen oder privatärztlichen Abrechnungsstellen.Sie sind bereits Teamleiteroder wollen innerhalb ihres Unternehmensandere Aufgaben übernehmenbeziehungsweise sich als Inkassounternehmerselbstständig machen.“Für Bremert ist dieser Weg sinnvoll,denn viele der komplexen Zusammenhängeseien ohne das praktische Knowhowkaum nachvollziehbar. Die Altersspanneder Teilnehmer reiche für gewöhnlichvon Mitte 20 bis Ende 60. Denneunmonatigen Lehrgang bietet die DIAzweimal im Jahr an. Die Theorie wird an<strong>23</strong> Unterrichtstagen sowie in Form vonmonatlichen Blockseminaren vermittelt.Doch auch danach sind Inkassounternehmerverpflichtet, sich regelmäßigweiterzubilden. „In den Zusatzseminarenvermitteln wir beispielsweise aktuelleGesetzesänderungen“, sagt Ulrich Jäger.„Und die sind jedes Jahr zahlreich.“Aber auch Seminare zu Softskills bei derMitarbeiterführung oder zu Telefoninkassound Zwangsvollstreckungen gehörenzum Angebot. Die Teilnehmer entwickelnbeispielsweise Gesprächsleitfädenoder absolvieren Telefontrainings, umden Umgang mit Schuldnern zu lernenund Lösungsansätze zu finden. ÄhnlicheFortbildungen und Trainings bieten nebender DIA auch mehrere IndustrieundHandelskammern sowie die DIHK-Bildungs-GmbH an.Stefanie Roth arbeitet seit sechs Jahrenals Rechtsanwalts- und Notarfachangestelltesowie Rechtsfachwirtin bei InkassoKodat in Essen. Die 33-jährigeGruppenleiterin hat vor kurzem denSachkundelehrgang absolviert. Besondersgeholfen hat ihr neben dem praxisnahenUnterricht der Austausch mit denanderen Teilnehmern: „Es ist interessantzu erfahren, was andere erleben und wiesie mit bestimmten Forderungsfällenund Arbeitsabläufen umgehen.“Die Branche, sagt sie, sei unglaublichvielfältig. Es gibt Arbeitsmöglichkeitenin Firmen jeder Größe und mit unterschiedlicherinhaltlicher Ausrichtung, inKanzleien oder Inkassounternehmen.„Neben unternehmerischem Denken isteine gute Menschenkenntnis wichtig“,sagt Roth. „Hinter jedem Fall steht einePerson mit einer ganz eigenen Geschichte.“Roth hat gemerkt, dass standardisierteWorkflows nicht immer helfen:„Unsere Aufgabe ist es, auch individuellzu handeln – sonst kommen wir manchesMal nicht weiter.“ Ihr Tipp für angehendeInkassounternehmer: „Einfachmal gucken, welcher Bereich einem gefällt– denn <strong>Forderungsmanagement</strong> istnie gleich <strong>Forderungsmanagement</strong>.“+

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